Das Heimspiel gegen die Los Angeles Chargers am vergangenen Sonntag hätte aus Sicht der Giants der vielleicht letzte Wendepunkt nach einem wahnsinnig unglücklichen Saisonstart werden können. Es sollte aber nicht sein, stattdessen scheint die verkorkste Saison jetzt schon besiegelt und die Baustellen größer denn je.
Mit Odell Beckham Jr. (Knöchelbruch), Dwayne Harris (Fußbruch) und Brandon Marshall (Bänderverletzung im Knöchel) verloren die G-Men gleich drei Receiver für die komplette Restspielzeit. Zudem konnte auch Sterling Shepard das Spiel gegen die Chargers aufgrund einer Knöchelverletzung nicht beenden. Auch er wird bis Sonntag nicht wieder fit werden.
Und trotzdem gingen die Schlagzeilen schnell in eine andere Richtung, am Mittwoch nämlich eilte die Meldung herein, dass die Giants Cornerback Dominique Rodgers-Cromartie suspendiert haben. Dieser soll mit seiner Rolle im Team nicht zufrieden gewesen sein und den Trainingskomplex am Mittwoch nach einer Berichten zufolge "hitzigen Debatte" mit Head Coach Ben McAdoo verlassen haben. Angeblich hatte er erfahren, dass er gegen Denver nicht spielen würde.
Viele Fragezeichen richten sich gen McAdoo. Unglückliches Play-Calling und Fehltritte wie etwa öffentliche Schuldzuweisungen gegenüber Spielern wie Eli Manning sollten adressiert werden. Doch wie sieht es bei den weiteren Trainer-Verantwortungen aus?
Hat Giants-Coach Ben McAdoo sein Team verloren?
McAdoo verzichtete darauf, die Rodgers-Cromartie-Entscheidung bei der Pressekonferenz am Donnerstag zu rechtfertigen und machte dabei mit seiner grimmigen Haltung erneut keinen guten Eindruck. Gleich sieben Fragen wich er mit derselben Formulierung, "das ist alles, was ich gerade bieten kann", aus.
In New York befürchtet man, die Suspendierung sei auf Basis einer Doppelmoral getroffen worden. Spieler wie Ereck Flowers, Beckham oder Janoris Jenkins wurden ihrerseits für dem Team schadende Vergehen nicht belangt.
Außerdem befürchtet man in New York, dass McAdoo sein Team bereits gänzlich verloren hat. Auch diese Frage wurde dem Coach am Donnerstag gestellt. McAdoo jedoch antwortete, ihn interessiere "die Wahrnehmung nicht. Mich interessiert lediglich die Realität."
Die Frage der Wahrnehmung und Realität hätte McAdoo mit Transparenz beantworten können, doch scheint ihm die Bürde der Offenheit zu groß. Mit kurzen Einzeilern werden die Fragen der Journalisten bekämpft und versucht, die Pressekonferenz zu überbrücken. Ob dies allerdings auch angesichts der Erfolglosigkeit toleriert werden kann, werden wohl erst die nächsten Wochen zeigen.
Und in der Hinsicht gibt es ebenfalls genug Ansätze, um McAdoo und seinen Trainerstab zu hinterfragen. Warum wurde das Run Game über die Offseason mehr oder weniger ignoriert, so dass es auch in diesem Jahr wieder nicht funktioniert? Warum ist die Offense in ihrem Passing Game nach wie vor so eindimensional? Oder warum hat die 2016 noch so dominante Defense in vielerlei Hinsicht einen Rückschritt hingelegt?
Eli Mannings Karriereende womöglich nicht in New York
Erfolglosigkeit ist auch der Name der dicken Regenwolke, die eine der letzten Saisons vom voraussichtlichen Hall of Famer Manning überschattet. Der 36-Jährige tritt aktuell nicht so schlecht auf, wie er teilweise gemacht wird, spielt mit den Giants und ohne seine Starting-Receiver 2017 aber wohl für nichts mehr. Einen Trade-Wert jedoch stellt er außer Frage noch dar.
So wird in diversen Medien bereits über die Zukunft des zweimaligen Super-Bowl-Champions spekuliert. Der Trainer dieser zweier Super-Bowl-Erfolge, Tom Coughlin, ist beispielsweise als Vizepräsident in Jacksonville beschäftigt. Und die Jaguars sind vermutlich einen qualitativ hochwertigen Quarterback von einer Playoff-Teilnahme und womöglich sogar mehr entfernt. Ein solcher Trade wäre noch immer eine Sensation, die Spekulationen sind aber Vorzeichen für den Umbruch, der New York eher früher als später bevorsteht.
Für Sonntag jedenfalls scheinen die Chancen nicht nur aufgrund der Personaldecke im offensiven Bereich nicht allzu rosig. In Denver werden auch Defensive Lineman Olivier Vernon, Linebacker Jonathan Casillas und Defensive End Romeo Okwara ausfallen. Safety Landon Collins' Einsatz ist als fraglich eingestuft worden.
"Es gibt keine Favoriten"
"Wir wissen, dass die Giants bei 0-5 stehen", sagte Denvers Running Back C.J. Anderson vor der vermeintlich einfachen Aufgabe zur besten Sendezeit. "Wir wissen aber auch, dass sie Pro-Bowl-Spieler in ihrem Kader haben. Wenn du nicht jede Woche deine Leistung abrufst, dann wirst du in den Hintern getreten."
Vor ihrer Bye Week konnten die Broncos ihre erste Saisonniederlage durch den Sieg gegen ebenfalls angeschlagene Raiders wiedergutmachen. Das Run Game funktioniert besser als in der Vorsaison, vor allem aber die Run-Defense präsentiert sich merklich stärker.
Quarterback Trevor Siemian gab nach dem Sieg derweil einen Einblick auf die Ansprache von Head Coach Vance Joseph. "Es gibt keine Überraschungen. Es gibt keine Favoriten in der NFL weil in jeder Woche alles passieren kann", zitierte Siemian. "Beweise gibt es dafür jede Woche genug."
Diese Worte könnten wohl auch gerade für den Gegner einer der einzigen Hoffnungsschimmer sein - und darauf setzt auch McAdoo: "Wir haben hier eine tolle Gelegenheit. Niemand gibt uns auch nur den Hauch einer Chance, dieses Spiel zu gewinnen. Die Leute denken, dass wir ohne Odell keine Punkte auf die Anzeigetafel bekommen. Sie denken, dass unsere Defense ihren Stachel verloren hat. Wir werden herausfinden, woraus wir gemacht sind."
Broncos vs. Giants - Preview im Kurzformat
Denver Broncos (3-1) - New York Giants (0-5) (Mo., 2.30 Uhr live auf DAZN)
- Die Herausforderung, mit der sich New Yorks Offense am Sonntag konfrontiert sieht, könnte größer nicht sein. Mit dezimiertem Receiving-Corps und wackliger O-Line geht es ausgerechnet gegen eine der besten Defenses der Liga. Kein Team hat weniger Yards pro Spiel (260,8) zugelassen als die Broncos. Kein Team hat außerdem ein schlechteres durchschnittliches Passer Rating (73,6) seit 2016 zugelassen.
- Dabei vermissen die Giants ohne Shepard, Beckham und Marshall 89 Prozent ihrer Receptions (65 von 73), 88 Prozent ihrer Receiving-Yards (719 von 821) und vier von fünf Wide-Receiver-Touchdowns in dieser Saison.
- Beim Sieg gegen die Raiders überrannten die Broncos ihren Gegner nach Belieben. Das Ground Game ging mit 143 zu 24 Rushing-Yards zu Gunsten Denvers in die Stat-Bücher. Und das Giants-Rushing-Game funktioniert nicht: Nur zwei Teams schaffen weniger Yards pro Spiel (Dolphins und Cardinals), 3,9 Yards pro Run bedeuten ebenfalls das untere Liga-Drittel. Die Broncos haben bislang gegen jeden Gegner in dieser Saison mehr Yards insgesamt sowie Rushing-Yards erzielt.
- Gegen Oakland ließen die Broncos generell wenig zu. Die Raiders waren lediglich bei zwei von 15 Third- oder Fourth-Down-Versuchen erfolgreich.
- Zwar stehen die Giants mit 0-5 zugegebenermaßen verheerend da. Die letzten Spiele hätten allerdings durchaus anders enden können. In Week 3 sorgte das famose 61-Yard Field Goal von Jake Elliott für den Eagles-Sieg in letzter Sekunde. Ein Woche später war es erneut ein Field Goal mit ablaufender Spielzeit, welches die Giants den Sieg gekostet hat. In der letzten Woche marschierte man bei zwei Punkten Rückstand und drei Minuten Restspielzeit das Feld hinunter. Manning warf dann allerdings einen Pick.
- Verlieren die Giants am Sonntag, so ist es der zweite 0-6-Start seit 2013. Head Coach Tom Coughlin konnte die Saison damals in der zweiten Hälfte allerdings noch etwas bereinigen. New York beendete das Jahr bei 7-9.