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Oaklands enttäuschende Saison: Wie schlimm steht es um die Raiders?

Den Oakland Raiders steht eine womöglich richtungsweisende Saison bevor
© getty

Die Oakland Raiders werden - so viel ist schon vor Week 17 klar - die Playoffs verpassen. Nach zwölf Siegen im Vorjahr und einer Saison, die ultimativ für die dramatische Verletzung von Derek Carr unmittelbar vor dem Start der Postseason in Erinnerung bleibt, könnte man die verkorkste 2017er Spielzeit als Ausrutscher betrachten. Das allerdings wäre zu einfach gedacht: Die Probleme der Raiders liegen tiefer und betreffen Spieler, die diese Franchise eigentlich tragen sollten.

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Manchmal ist ein Spiel das Sinnbild für eine ganze Saison. Dinge, die das ganze Jahr über schon nicht geklappt haben, gehen beispielhaft schief, Probleme, die immer wieder auftreten, sind omnipräsent und entscheiden das Spiel, und die Akteure, die Fans und Coaches Sorgen bereiten, sind im entscheidenden Moment nicht da. Symptomatisch eben.

Eine solche Partie war die Pleite der Raiders bei den Philadelphia Eagles am Montagabend. "Wir haben nicht das getan, was nötig war, um die Spiele zu gewinnen. So kann man unsere Saison zusammenfassen. Wir haben nicht genug getan", sollte Quarterback Derek Carr anschließend zu Protokoll geben, um dann sich selbst zu paraphrasieren: "Wie ich schon gesagt habe: Wir gewinnen und wir verlieren als Team. Aber ihr könnt die Verantwortung immer bei mir suchen."

Nach der Niederlage gegen Kansas City zwei Wochen vorher hatte Carr bereits gesagt: "Wir waren nicht gut genug, und ihr könnt das alles auf mich abladen. Gebt keinem Coach oder anderen Spieler die Schuld. Es ist alles meine Schuld."

Natürlich entspricht das so nicht der Realität und es ehrt Carr, dass er sich in bester Quarterback-Verantwortung vor seine Mitspieler stellt. Und doch: Ein gewisser Funken Wahrheit steckt in seinen Aussagen. Denn Carr ist in dieser Saison mehr Teil des Problems als der Lösung. Die Raiders sind eine der großen Enttäuschungen der laufenden Saison, und die Frage, die viele Raiders-Fans in den Start ihrer Offseason mitnehmen, lautet: Wie schlimm steht es um das Team tatsächlich?

Lynch, Carr und Co.: Hohe Raiders-Erwartungen

Oaklands Offense gehörte in der vergangenen Saison zu den beständigsten der NFL. Die Raiders waren nicht sonderlich explosiv und haben Teams nicht reihenweise aus dem Stadion geschossen - der Begriff "Präzisionsmaschine" trifft hier viel eher zu. 29 Touchdown-Pässe standen nur sieben Interceptions gegenüber. Offensive Coordinator Bill Musgrave dirigierte eine Passing-Offensive, die Carrs Stärken entsprach: kurze Timing-Pässe, mit Yards nach dem Catch.

Insgesamt 47,6 Prozent von Carrs Passing-Yards kamen nach dem Catch zustande. Marcus Mariota (38,9 Prozent), Brock Osweiler (39,6 Prozent), Kirk Cousins (40,2 Prozent) oder auch Dak Prescott (41,8 Prozent) rücken diese hohe Zahl in die rechte Perspektive. So wurden Carrs Schwächen überspielt und die Arbeit der Offensive Line signifikant erleichtert.

Die Verletzung Carrs kurz vor dem Start der Playoffs ließ die Hoffnungen für diese Saison noch größer werden, so dass selbst der bevorstehende Umzug nach Las Vegas in den Hintergrund rückte. Nicht zuletzt auch, weil die Verpflichtung des in Oakland heimischen und bei den Fans verehrten Marshawn Lynch der Offense das fehlende Puzzleteil zu geben schien.

Umso größer ist die Ernüchterung jetzt. Wenige Tage vor dem Ende der Regular Season stehen die Raiders vor den Scherben ihrer Saison. Und während die Defense über weite Strecken die erwartbaren Probleme hatte, ist es doch die Offense, die als das große Sorgenkind in die Offseason geht. Und das beginnt, hier darf man Carr dann wörtlich nehmen, auch beim Quarterback.

Oakland gegen die Eagles: Viel Symbolkraft

Das führt zurück zum Eagles-Spiel und zurück zur symptomatischen Wirkung der Partie. Nachdem Carr und Amari Cooper früh im zweiten Viertel einen 63-Yard-Touchdown aufgelegt hatten, hatte man für einen kurzen Moment den Eindruck, dass ein Knoten geplatzt sein könnte. Coach Jack Del Rio hatte schließlich schon vor ein paar Wochen gefordert, dass man einfach "mutig" und "unbekümmert" spielen müsse, um mehr Big Plays aufzulegen. Doch es passierte - das genaue Gegenteil.

Carr warf unter dem Strich nur zehn Pässe, die mindestens fünf Yards das Feld runter flogen, davon kamen ganze drei an (1/6, 8 YDS, 2 INTs in der zweiten Hälfte bei diesen Würfen). Lediglich fünf seiner Pässe flogen zehn Yards Richtung Endzone, davon kamen zwei an. "Sie haben uns keine weiteren tiefen Pässe erlaubt", resümierte Carr anschließend resignierend.

Wem das als Sinnbild für Oaklands Passspiel dieser Saison nicht reicht, der musste nur bis kurz vor Schluss warten. Bis zur spielentscheidenden Szene: Beim Stand von 10:10 mit 57 Sekunden auf der Uhr kam der Druck der Eagles durch - und Carr warf kurz vor der Mittellinie eine verheerende Interception.

Derek Carrs Entwicklung mit alarmierendem Trend

Unter Offensive Coordinator Todd Downing, ein enger Freund Carrs, hat die Offense keine Antworten. Es begann mit der damals noch überraschenden Pleite in Week 3 in Washington, seither konnte man ein Muster immer wieder beobachten: Sobald Teams Oaklands Kurzpassspiel ausschalten konnten, fehlte es den Raiders an Alternativen. Carr zeigt hierbei teilweise alarmierende Tendenzen, die Augen gehen schnell weg von den Receivern und hin zum Pass-Rush, immer wieder vermutet er Rusher, wo gar keine sind.

Kein Quarterback wird den Ball im Schnitt schneller los als Carr (2,36 Sekunden). Gegen Pressure sowie bei allem, was über das Kurzpassspiel hinausgeht, gehört Carr in dieser Saison zu den schlechtesten Quarterbacks der NFL, gegen Philly hatte er laut Pro Football Focus bei 15 von 32 Snaps mit Pressure zu kämpfen. Seine Bilanz: 2/12, 9 Yards, 2 Interceptions. Bei Plays, die mindestens 2,6 Sekunden dauerten, stand er am Ende bei vier von zwölf. Hier verzeichnet er in dieser Saison 43,9 Prozent angekommene Pässen, der zweitschwächste Wert der NFL.

Mitunter absurd schlechte und von Drops geprägte Auftritte seiner beiden Star-Receiver Michael Crabtree und Amari Cooper sowie ein leichter Rückschritt in der Offensive Line - die aber noch immer in die Top-10 gehört - haben die Aufgabe für Carr nicht vereinfacht. Doch die Raiders müssen jetzt aufpassen: Manifestieren sich die Tendenzen, die der 26-Jährige vor allem gegen Pressure aktuell entwickelt, können schnell Steine ins Rollen kommen, die man dann nicht mehr aufhalten kann.

Oder anders gesagt: Ein Quarterback, der eine Angst vor dem Pass-Rush entwickelt, wird diese in den seltensten Fällen wieder los. Play-Calling und generelles Scheme müssen ihm hier unter die Arme greifen, Carr braucht hier mehr Hilfe, als mancher vor Saisonbeginn gedacht hat.

Raiders: Fragwürdige Game Plans - defensive Fortschritte

Nachdem Carr über seine ersten drei NFL-Spielzeiten deutliche Fortschritte an den Tag gelegt hatte, hatte niemand einen derartigen Rückschritt auf dem Schirm. Carr ist in seiner Entwicklung an einem kritischen Punkt, was das Verhalten in der Pocket und das Durchgehen seiner Reads angeht, zeigt er jetzt mitunter Tendenzen wie in seiner Rookie-Saison.

Und das obwohl Lynch genau das zeigt, was man sich von ihm erhofft hat: 2,98 Yards nach Gegnerkontakt pro Run sind der ligaweit fünfthöchste Wert. Hier muss man auch die Coaches hinterfragen, deren Game Plans nicht selten für Stirnrunzeln sorgten: Trotz einer guten Offensive Line, einem guten Running Back und einem mehr als kränkelnden Passspiel verzeichnen nur die Lions (22,7) und die Dolphins (22,5) im Schnitt weniger Runs pro Spiel als Oakland (23,1).

Hier geht der Ausblick für die Raiders ins Positive über: Game Plans, die das Run Game stärker in den Mittelpunkt rücken, sind eine vergleichsweise kleine Schraube, an der man relativ einfach drehen kann. Vor allem aber hat die Defense seit dem Coordinator-Tausch deutliche Tendenzen nach oben vorzuweisen.

Über die ersten Wochen der Saison noch war Oaklands Defense eine der anfälligsten in der NFL. Trotz eines Superstars in Khalil Mack war der Pass-Rush zahnlos, das Linebacker-Corps desolat und in der Secondary wurden die schon im Vorfeld der Saison prognostizierten Lücken so gnadenlos aufgedeckt. Dann übernahm John Pagano in Week 12 die Defense - und fast wie auf Knopfdruck wurde alles besser.

Oaklands Defense beeindruckend unter Pagano

Pagano setzte direkt an der richtigen Schraube, dem Pass-Rush, an. Während unter seinem Vorgänger Ken Norton Jr. etwa Bruce Irvin noch 17,4 Prozent seiner Defensive Snaps in Coverage verbrachte, ist diese Zahl unter Pagano um rund zehn Prozent zurückgegangen. Irvin wird gemäß seiner Qualitäten als Pass-Rusher eingesetzt und hat seit Week 12 fünf seiner 7,5 Sacks aufgelegt. Mehr noch: Paganos Pressure-Schemes sind deutlich effizienter, vor allem Stunts, aber auch Middle-Linebacker-Blitze spielen eine Rolle, um gegnerische O-Lines zu verwirren.

Dabei haben gerade die Edge-Rusher mehr Freiheiten an der Line of Scrimmage, immer wieder sieht man, dass sie bei Stunts nicht blind einzelne Bereiche attackieren, sondern sich in Sekundenbruchteilen eine mögliche Schwachstelle suchen. In der Folge sieht auch die Coverage endlich besser aus: Über die ersten elf Spieltage erlaubte Oaklands Defense gegnerischen Running Backs laut Pro Football Focus 45,8 Receiving-Yards pro Spiel, seither fiel diese Zahl auf 27,6 Yards pro Spiel.

Bei gegnerischen Out-Routes gingen Completion Percentage (81,1 auf 58,6 Prozent), Yards pro Target (6,23 auf 3,14) und TD/INT-Verhältnis (ein Touchdown auf drei Interceptions) seit dem Coordinator-Tausch deutlich runter, die kassierten Big Plays wurden so merklich reduziert. Vor allem Sean Smith hat sich unter Pagano deutlich gesteigert, die Defensive Backs David Amerson, Obi Melifonwu und Gareon Conley kamen verletzungsbedingt kaum zum Einsatz.

So wacklig sich die Offense schematisch und individuell 2017 also auch präsentierte: Die Fortschritte in der Defense über die vergangenen Wochen dürfen Raiders-Fans Hoffnung für die Zukunft machen.

Raiders-Ausblick: Natürliche Regression und Carrs Versprechen

Man könnte problemlos argumentieren, dass Oaklands 2017er Saison auch der ganz normalen Regression geschuldet ist. Die Raiders hatten am Ende der 2016er Spielzeit eine Punktedifferenz von lediglich 31. Normalerweise haben 12-4-Teams deutlich mehr. Gemeinsam mit Kansas City führte Oakland die Liga außerdem in Turnover-Differential (+16) an, inklusive 14 Fumble-Recoveries - die ultimative "Glückssituation" im Football. Gewisse Rückschritte in diesen Bereichen waren also zu erwarten.

Die Hoffnung war, dass das Team und vor allem die Offense einen derart deutlichen Schritt nach vorne machen würden, dass diese Dinge aufgefangen werden könnten. Doch das Gegenteil war der Fall, und in der NFL, in der fast alle Teams extrem eng beieinander sind, wird dann schnell eine enttäuschende Saison daraus. Insbesondere gilt es allerdings Carrs Entwicklung im Auge zu behalten. Auch und ganz besonders für die möglicherweise neuen Coaches.

"Wenn die Dinge schwierig werden, suchen viele Leute die Schuld gerne bei anderen", fügte Carr nach der Niederlage in Philly dann noch hinzu. "Ich habe immer versucht, hier zu stehen und die Schuld auf mich zu nehmen. So wurde ich erzogen, so werde ich immer sein. Wenn die Dinge schwierig werden, werde ich kämpfen. Für mich gibt es keinen Zweifel: Ich werde die Dinge korrigieren, die ich korrigieren muss."

Gelingt ihm das, haben die Raiders noch immer eine vielversprechende Zukunft vor sich. Ein Selbstläufer ist das allerdings nicht.

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