Rückblickend war Aaron Rodgers' Aussage vier Tage vor der Niederlage gegen die Panthers unglaublich zutreffend - wieder einmal. "Ich komme nicht zurück, um dieses Team zu retten. Ich komme zurück, um Quarterback auf die Art und Weise, wie ich es kann, zu spielen. Hoffentlich können wir uns dann alle kollektiv steigern und Wege finden, um die drei ausstehenden Spiele zu gewinnen."
Tatsächlich konnte Rodgers das Team nicht retten. Neben drei Touchdowns warf er auch drei Interceptions, alle drei kamen zustande, weil er seine Receiver - für Rodgers gänzlich ungewöhnlich - unterwarf. Es war ein klarer Hinweis darauf, dass Rodgers nach der medizinisch aggressiven Vorgehensweise infolge seines Schlüsselbeinbruchs noch längst nicht bei 100 Prozent war. Würfe, die er eigentlich in unnachahmlicher Weise anbringt, kamen jetzt mehrere Yards zu früh runter.
Oder anders gesagt: Er sollte mit seiner Prognose Recht behalten. Genau wie vor einigen Jahren, als sein berühmtes R-E-L-A-X-Zitat zu einem geflügelten Ausdruck und auf T-Shirts gedruckt wurde. Oder in der vergangenen Saison, als Rodgers nach einem Start mit vier Siegen und sechs Niederlagen, darunter vier Pleiten in Folge, Mitte November erklärte, dass die Packers alle ausstehenden Spiele gewinnen könnten. Green Bay verlor bis zum Conference Championship Game kein Spiel mehr.
Der gemeinsame Nenner dabei war aber nicht nur die Tatsache, dass Rodgers voller Selbstvertrauen letztlich korrekte Prognosen machte. Eher sticht heraus, mit welchen unglaublichen Leistungen vor allem im vergangenen Jahr Green Bays Quarterback das gesamte Team auf seine Schultern lud und einen in vielen Bereichen mittelmäßigen Kader bis eine Stufe vor den Super Bowl zerrte.
Die hätte es auch dieses Jahr gebraucht, um die Panthers und die Vikings nacheinander zu schlagen. Ohne Rodgers in seiner spektakulären Gala-Form war der Traum vom späten Playoff-Run nach nur einem Spiel ausgeträumt. In Wisconsin eine durchaus harte Realität.
Saisonaus für Aaron Rodgers - "sehr enttäuschend"
Acht Jahre in Folge waren die Packers jetzt in den Playoffs dabei, zuletzt verpasste Green Bay die Postseason in Rodgers' erster Saison als Starter. "Es ist sehr enttäuschend. Du willst nie in dieser Situation sein, aber genau da sind wir jetzt", gab Receiver Randall Cobb mit Blick auf die beiden ausstehenden, plötzlich vergleichsweise bedeutungslosen Partien zu und betonte außerdem: "Es ist nicht akzeptabel. Wir haben ein zu gutes Team mit zu vielen guten Spielern, um die Playoffs als Zuschauer zu verfolgen."
Man müsse das, so Cobb ganz offen, "in der Offseason gerade biegen und dann nächstes Jahr bereit sein". Linebacker Nick Perry schlug in eine ähnliche Kerbe: "Wir hatten unsere Hochs und Tiefs und haben nicht so gut gespielt, wie wir es gemusst hätten - und wie wir es können. Wir haben diese Saison unsere Aufgabe nicht erfüllt. Jetzt können wir nur nach vorne schauen und uns einfach in die richtige Richtung fortbewegen."
Die ersten Schritte auf dem Weg dahin werden ohne Rodgers stattfinden: Green Bay setzte den Quarterback, nachdem das Verpassen der Playoffs auch rechnerisch fix war, zum zweiten Mal auf die Injured-Reserve-Liste, die Saison ist damit für ihn beendet. "Wir hatten den Eindruck, dass das definitiv in seinem besten Interesse ist. Er ist darüber nicht glücklich, es ist ein schwieriger Tag für ihn", berichtete Head Coach Mike McCarthy.
Es ist die richtige Entscheidung, Rodgers' Saison zu beenden. Mit einem sichtbar nicht fitten Rodgers um mehr oder weniger bedeutungslose Siege zu spielen hilft Green Bay in keinster Weise. Die Frage muss jetzt eher lauten: Wie sehen die nächsten Schritte in die von Perry geforderte "richtige Richtung" aus?
Die New Orleans Saints als Packers-Vorbild?
Wenn man es vereinfacht runter brechen will, könnte man sagen: Die New Orleans Saints wären für Green Bay nicht das schlechteste Vorbild. Die Saints schafften es in diesem Jahr, dass Drew Brees vom Mittelpunkt der Offense zu einem Bestandteil der Offense wurde, während sich die Defense signifikant verbesserte. Ersteres ist bei Rodgers gar nicht notwendig, Rodgers ist fünf Jahre jünger als Brees und kann noch immer auf seinem hohen Level spielen - wenn er fit ist.
Trotzdem täte Green Bay gut daran, A-Rod das Leben etwas leichter zu machen. Hierbei kann man schlicht auf die Fortschritte, die das Team in Rodgers' Abwesenheit an den Tag gelegt hat, aufbauen: Für Hundley ließ McCarthy auffällig mehr Route-Kombinationen statt Isolation-Routes spielen, das Play-Calling war besser, das Screen Game funktionierte effizienter und vor allem im Run Game steigerte sich Green Bay merklich.
Rodgers ist ein Spieler, der die Freiheiten innerhalb eines Plays braucht - nicht umsonst trainieren die Packers, vermutlich mehr als jedes andere Team (viele üben diese Situationen mutmaßlich kaum), die Scramble-Pässe, die im Spiel oftmals so wild und improvisiert wirken. Ihn jetzt auf einen Schlag in enge Strukturen zu stecken wäre also nicht der Weisheit letzter Schluss, doch auch Rodgers würde es helfen, wenn er durch die Routes und durch das Play-Calling aus der Pocket heraus einen besseren Rhythmus finden kann.
Dass darüber hinaus ein gutes Run Game einem Quarterback immer hilft, ist eine universelle Weisheit. Die Packers sind in diesem Jahr eines der besten Run-Blocking-Teams der Liga, und das sieht man auch auf dem Platz. Green Bay war überhaupt nur in der Position, dass es gegen Carolina noch um die Playoff-Chance ging, weil das Run und Screen Game das Team in den Wochen davor mehrfach gerettet hatte.
Dabei gilt es nämlich nicht zu vergessen: Brett Hundley konnte seine Audition trotz der Unterstützungen durch McCarthy nicht wirklich nutzen - eher das Gegenteil war zumeist der Fall. Somit ist auch die Quarterback-Frage ein am Horizont immer größer werdender Schatten: Um zu verhindern, dass nach Rodgers auch die Packers mal ins Quarterback-Niemandsland fallen, muss Green Bay spätestens im Draft 2019 früh und aggressiv nach Rodgers' Nachfolger suchen.
Green Bays Defense: Das ewige Sorgenkind
Und die Defense? Es ist das alljährliche Thema in Green Bay, was Abgänge wie etwa die von Micah Hyde und vor allem Casey Hayward noch schwerer nachvollziehbar macht. Ganz besonders weil die Secondary auch dieses Jahr wieder ein Problempunkt ist: Die Packers sind im Pass-Rush mit Mike Daniels, Kenny Clark und Nick Perry gut besetzt, die Statistiken und das Tape bestätigen das.
Ob Adjusted Sack Rate (7,3 Prozent elftbester Wert) oder reine Sacks (32, Rang 16): Green Bays Problem ist nicht der Pass-Rush, auch die Linebacker sind nicht das Problem. Trotzdem aber lassen die Packers 7,8 Yards pro Pass zu und sind vor allem in kritischen Momenten anfällig.
Ob bei Third-Down-Conversions (44,8 Prozent, drittschwächster Wert), gegnerischer Touchdown-Efficiency (23,5 Prozent, letzter Platz) oder gegnerischer Red-Zone-Scoring-Efficiency (100 Prozent, letzter Platz) - wenn es drauf ankam, hatte die Packers-Defense viel zu häufig das Nachsehen. Und dass die Defense von Dom Capers seit einer gefühlten Ewigkeit Probleme damit hat, den Zone Read zu verteidigen, war gegen Carolina am Sonntag wieder einmal zu sehen.
Green Bay hat über die vergangenen Jahre immer wieder in die Defense investiert, ob in der Free Agency oder im Draft. Die Tatsache, dass Capers dennoch seit Jahren keine signifikanten Fortschritte erzielen konnte, weiter schematische Fehler gemacht werden und die Defense in den wichtigsten Momenten eines Spiels immer wieder geschlagen wird, muss irgendwann Konsequenzen haben.
Packers und Rodgers: Wenn die Sanduhr ausläuft
Die Packers-Bosse sollten sich Rodgers' Zitate aus der Vorwoche nochmals genauestens anhören. A-Rod kann das Team an guten Tagen retten, allerdings sollte das nicht von vorne herein der Plan sein. Diesen Eindruck hatte man bei den Packers zuletzt zu häufig.
In Green Bay waren sie über die vergangenen Jahre verwöhnt, der Übergang von Brett Favre zu Aaron Rodgers ist der Traum einer jeden Franchise und hat den Packers jetzt seit nunmehr rund 25 Jahren Hall-of-Fame-Quarterback-Play gegeben. Viele Fans kennen gar kein Packers-Team ohne einen Top-5-Quarterback in den eigenen Reihen.
Und doch haben sie es in Green Bay nicht geschafft, Rodgers konstant mit einem guten Kader zu umgeben, und stattdessen eher auf seine Qualität vertraut, um Kader-Problemzonen zu überspielen. Also genau falsch herum. Wenn Green Bay die Tatsache, dass sie den besten Quarterback der Liga in ihren Reihen haben, nochmals in Zählbares verwandeln will, muss das Team jetzt handeln. Rodgers wird im kommenden Jahr 35, die Sandkörner in der Titel-Uhr werden schon gefährlich rar.
Es kann Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, bis man wieder einen echten Elite-Quarterback findet. Niemand weiß, wie die Zukunft in Green Bay in dieser Hinsicht aussieht. Kontrollieren kann das Team nur eine Sache, nämlich indem man Rodgers die bestmögliche Chance gibt, weitere Titel zu gewinnen. Das sind sie sich in Green Bay mit der Quarterback-Luxus-Situation selbst schuldig.