Und plötzlich ist sie da, die große Chance. Die Chance, von der in den USA vermutlich jedes Kind schon einmal geträumt hat und die Chance, die vielleicht nur einmal im Leben vorkommt: Nick Foles ist ein Super-Bowl-Quarterback. Ein Satz, für den man vor nicht allzu langer Zeit wohl aus jeder Football-Gesprächsrunde auf Lebenszeit verbannt worden wäre. Doch lebt Foles eine Karriere, die von den Extremen geprägt ist. Und eines der extremen Hochs ist genau zur rechten Zeit gekommen.
Mit 352 geworfenen Yards und drei Touchdown-Pässen zerpflückte Foles die bis dahin laut DVOA beste Abwehr der gesamten Spielzeit, um den Eagles ein Ticket für die erste Super-Bowl-Teilnahme seit 2004 zu besorgen. Er legte in der zweiten Halbzeit bei elf von elf angekommenen Pässen für 159 Yards und zwei Touchdowns ein perfektes Quarterback-Rating (158,3) und ein perfektes Passer Rating (99,9) auf und gab der besten Third-Down-Defense seit 1991 auch bei dritten Versuchen keine Antwortmöglichkeiten, als zehn von elf Versuchen bei ebenfalls perfektem Passer Rating ihren Abnehmer fanden.
78 Prozent erfolgreiche Pässe für mindestens 350 Yards bei drei Touchdowns und keiner Interception gelangen in einem Playoff-Spiel vorher nur Kurt Warner, Aaron Rodgers und Peyton Manning. "Um ehrlich zu sein kann ich noch nicht nachvollziehen was gerade passiert ist", erklärte Foles nach der dominanten 38:7-Demontage der Minnesota Vikings im Conference Championship Game. "Ich weiß auch nicht ob ich es jemals nachvollziehen werden kann. Der Moment, als ich oben auf der Bühne stand ist einer, von dem man schon als Kind träumt."
Nick Foles gelingt Pro-Bowl-Jahr unter Chip Kelly 2013
Gänzlich neu sind Spiele mit hervorragenden Statistiken für den 29-Jährigen aber nicht. Schon zu College-Zeiten führte der heute 1,98 große Foles in Arizona eine Offense an, die sich über ihr Downfield-Passing-Game identifizierte. Von 2009 bis 2011 überzeugte Foles als Wildcat, ohne in der PAC-12-Division aber großartig erfolgreich gewesen zu sein.
Zwar brachte er das Team mit beeindruckenden Stats immer wieder in die Situation zu gewinnen, seine 4.334 Yards bei 28 Touchdowns und 14 Interceptions halfen im Senior-Jahr 2011 aufgrund einer schwachen Defense und schlechtem Play-Calling aber nur zu einer Bilanz von 4-8. Stat-Lines aus einigen dieser Niederlagen lesen sich daher wie folgt:
- L vs. No. 11 Oregon: 314 YDS, 4 TD, INT, 65.1% Completions
- L vs. Oregon St.: 440 YDS, 3 TD, INT, 76.1%
- L vs. USC: 353 YDS, 3 TD, 0 INT, 66.7%
- L @ No. 3 Oregon: 448 YDS, 3 TD, INT, 53.7%
- L vs. Arizona St.: 262 YDS, 3 TD, 0 INT, 61.1%
- L @ No. 6 USC: 425 YDS, 4 TD, 2 INT, 77.4%
Den ersten Schritt in die NFL machte Foles schließlich 2012, als Andy Reid ihn in der dritten Runde des Drafts als Backup für Michael Vick zu den Eagles draftete. Der Stern ging dann aber erst in der Offense von Chip Kelly 2013 auf, nachdem sich Vick verletzte und Foles das für NFL-Verhältnisse teils neuartige Scheme ideal durchzuführen wusste.
Philly schloss das Jahr mit einer 7-1-Bilanz ab und gewann auch in der darauffolgenden Saison sechs seiner ersten acht Saisonspiele. Legt man diese 16 Spiele zusammen, so warf der aufstrebende Star für 4.432 Yards, 34 Touchdowns und zwölf Inteceptions bei einem Passer Rating von 100,4. Foles stellte sogar einen NFL-Rekord mit sieben Touchdown-Pässen in einem Spiel ein.
Doch so Kometenhaft wie der Aufstieg von Statten ging, so rapide ging es dann auch wieder bergab. Eine Woche nach einer 411-Yard-Performance in Arizona verletzte sich Foles an der Schulter und musste das Spielfeld in einer Armschlinge verlassen. Er konnte daraufhin nicht mehr an seine Leistungen anknüpfen. Kelly verlor das Interesse und tradete Foles im Austausch für Sam Bradford zu den Rams.
Rücktrittsgedanken nach Rams-Aus
Auch in St. Louis konnte Foles nicht mehr an seine Leistungen aus der Pro-Bowl-Saison anknüpfen und verlor sogar den Spaß am Spiel. Mit nur 26 Jahren zog er es sogar in Erwägung seine Karriere zu beenden. "Wir sind professionelle Athleten und ab und an haben wir Momente, in denen wir uns zurückziehen müssen, um die Situation zu bewerten", erklärte Foles die damalige schwere Phase. "Ich zum Beispiel habe eine Familie, eine Frau, eine Tochter und einen Hund. Ich wollte mich zurückziehen und mich genau fokussieren, da es mir einfach so wichtig ist."
Foles jedoch entschloss sich auf sein Herz zu hören und zurückzukehren. Wieder war es Reid, der ihm die Hand ausstreckte und ihn als Backup von Alex Smith zu den Chiefs holte. "Es war keine einfache Entscheidung", so Foles im Nachgang. "Ich war mir nicht 100-prozentig sicher. Mein Glaube und meine Bestimmung haben es mir bei dieser Erfahrung erlaubt, eine bessere Person und ein besserer Spieler zu werden."
Nachdem die Chiefs ihre Option auf ein weiteres Vertragsjahr bei Foles in der vergangenen Offseason nicht gezogen hatten ging es dorthin zurück, wo die NFL-Karriere begann. Zurück zu den Eagles und zurück ins Lincoln Financial Field sowie zu Doug Pederson, den Schüler von Andy Reid. Erneut war Foles in der Rolle des Backups.
Als allerdings als die mögliche MVP-Saison von Carson Wentz ein frühzeitiges Ende fand und viele schon den Glauben an die Saison der Eagles verloren hatten, sollte Foles noch einmal zu einem Schnelldurchlauf seiner Karriere ansetzen.
Eine Karriere im Schnelldurchlauf
Es schien tatsächlich, als ob Foles das Schiff versenken würde, als am Weihnachtsabend in einem schrecklich anzusehendem Quarterback-Duell gegen Derek Carr beide desaströse Leistungen an den Tag legten. Eine Woche später startete Foles mit vier von elf angekommenen Pässen sowie einer Interception und wurde noch in der ersten Halbzeit für den Rest des Spiels auf die Bank gesetzt. Die Hoffnung Pedersons, in Week 17 mehr offensiven Rhythmus zu finden und Foles Selbstvertrauen zu geben hatte sich ins Gegenteil umgewandelt.
Philly-Fans wollten ihm in die Playoffs gehend wohl nur noch ein "versuche, es einfach nicht zu versauen" zurufen, doch schien Pederson in der Playoff-Bye-Week noch einmal Foles' 2013er-Tape aus dem Keller gekramt zu haben. Foles wird den Ball nun nämlich viel schneller als noch Ende Dezember los. Die Beinarbeit wirkt präzise und konstant und die Würfe werden zu dem Zeitpunkt genommen, an dem Foles von seiner Wurfstärke profitieren kann.
Er kann Third-and-Short perfekt ausspielen und wirft schnelle Screen-Pässe zu den Receivern. Gegen die Vikings spielten die Eagles sieben Screen-Plays aus und konnten dabei drei First Downs für 50 Yards ergattern. Ein Mittel, das Philly wohl auch in der kommenden Woche stark in seinen Game Plan implementieren wird. Ohnehin konnte Foles seit Week 15 mit 20 Screen Pässen für 189 Passing Yards daraus mehr Kapital schlagen als jeder andere Spieler.
Auch Run Pass Options sind seit dem Divisional-Round-Spiel gegen die Falcons wieder häufiger zu sehen. Schon unter Kelly 2013 hatte Foles viel mit RPO-Designs zu tun. Gegen Atlanta waren alle Foles-Completions Pässe, die maximal 15 Yards nach der Line of Scrimmage überquert haben, meistens die Mitte des Feldes attackierend. Mit dem wiedererlangten Selbstvertrauen warf er eine Woche später dann auf furiose Art und Weise über das gesamte Feld.
"Gibt niemanden, der es mehr verdient hätte"
In nur fünf Spielen innerhalb von sechs Wochen hat Foles ein Deja-Vu der Leistungen seiner gesamten NFL-Vita erfahren. An Weihnachten war es der nicht brauchbare Foels, der unter Jeff Fisher in St. Louis enttäuschte. Gegen die Vikings und gegen seinen ehemaligen Rams-Teamkameraden Case Keenum war es der, der 2013 eine der statistisch besten Halbjahres-Serien in der Liga-Historie gespielt hat.
Keenum übrigens gönnt dem beinahe zurückgetretenen Ex-Kollegen den Erfolg wie keinem Zweiten: "Er hat so viel durchgemacht. So viel, von dem die Leute nichts wissen", sagte der Vikings-QB nach der Partie. "Was er hier geleistet hat - es hätte niemandem passieren können, der es mehr verdient gehabt hätte. Ich werde ihm jetzt auf jeden Fall kräftig die Daumen drücken."
Nachdem Foles beinahe schon aufgegeben hatte wird er jetzt in einem Super Bowl starten. Niemand weiß besser, wie kurzlebig der Erfolg in der NFL sein kann. Foles jedoch braucht jetzt keine Langfristigkeit. Er will diesen einen Sieg.