Third and Long: Phillys Offense und die Patriots-Defense

Von Adrian Franke
23. Januar 201811:50
Die Philadelphia Eagles überraschten mit einer glänzenden Offensiv-Vorstellung gegen die Vikings.getty
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Der Super Bowl steht fest, die New England Patriots treffen am 4. Februar in Minnesota auf die Philadelphia Eagles! Während Phillys Offense im NFC Championship Game gegen die starke Vikings-Defense nur so marschierte, mussten die Pats gegen Jacksonville im AFC Championship Game defensive Anpassungen vornehmen - wie aber sahen die aus? In seiner wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke auf die beiden Duelle vom Sonntag und beantwortet im Mailbag auch schon erste Super-Bowl-Fragen!

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Wie zerpflückte die Eagles-Offense Minnesotas Defense?

Es sollte eine Defensiv-Schlacht werden, in der Nuancen entscheiden würden - stattdessen sahen Vikings-Fans im Championship Game schockiert den schlechtesten Auftritt ihrer Defense in der gesamten Saison. 24 zugelassene Punkte in der ersten Hälfte? Höchstwert. Ein 53-Yard-Touchdown? Der längste zugelassene Touchdown-Pass für die Vikes in dieser Saison.

Und vor allem: Minnesota war mit einer defensiven Third-Down-Conversion-Rate von 25,2 Prozent in das Spiel gegangen, ein historisch guter Wert. Philly gelangen dann bei 14 Third Downs zehn (!) Conversion und Nick Foles brachte dabei zehn von elf Pässen für 159 Yards, zwei Touchdowns und null Interceptions an.

Wie gelang Philly mit dem Backup-Quarterback, der schon in der Vorwoche gegen Atlanta lange mehr als wacklig aufgetreten war, diese Partie?

Vier zentrale Gründe stechen auf Tape ins Auge und erklären die unerwartete Offensiv-Explosion:

  • Die Offensive Line der Eagles dominierte die Line of Scrimmage. Minnesota hatte vielen Offenses in dieser Saison schon den Zahn gezogen, indem der Gegner an der Line of Scrimmage große Probleme bekam. Das klappte gegen Philly überhaupt nicht.
  • Play Design: Minnesotas Defense ist bekannt dafür, mit den Safeties sehr aggressiv die Line of Scrimmage und die Box zu bespielen. Die Eagles nutzten das, um ihre Underneath-Outside-Route-Kombinationen dagegen zu spielen. Philly - erfolgreich darauf bauend, dass die eigene Line standhält - hatte keine Angst vor Downfield-Routes, die wurden häufig mit Inside-Routes durch den Outside-Receiver kombiniert.
  • Das sorgte einerseits für Rub-Effekte und gab dem Receiver immer wieder einen freien Release sowie Foles eine sichere Pass-Option - andererseits bestrafte man so die Vikings konsequent, wenn die Line of Scrimmage aggressiv angegangen wurde. Das war ein maßgeblicher Grund für die Erfolge im Downfield-Passing-Game.
  • Minnesotas Safeties hatten auch individuell ihr schlechtestes Saisonspiel. Immer wieder erwischten die Eagles die Vikings-Verteidiger zudem mit Double-Moves, etwas, das man von dieser Defense so in dieser Saison nie gesehen hatte.

Wie stoppte New Englands Defense die Jaguars?

Im zweiten Viertel musste man sich im AFC Championship Game schon verwundert die Augen reiben. Genau die Dinge, mit denen Pittsburghs Defense in der Vorwoche schon so große Probleme hatten, klappten auch in New England für die Jaguars - und das gegen die sonst so disziplinierte Patriots-Defense.

In anderen Worten: Play Action, simple Underneath-Route-Kombinationen und das kombiniert mit Screens und Inside-Power-Runs. Jacksonville kombinierte hier die Spielzüge effizient und hatte Konter-Plays für die eigenen Formationen parat, New England aber offenbarte hier auch immer wieder Zuteilungsprobleme. Vor allem die Linebacker wirkten dabei mehrfach verloren.

Dazu kam, dass die Patriots sehr passiv auftraten. 4-Men-Rush, dahinter tief gespielte Zones - das erlaubte Jacksonville bei First-Down-Pässen simple Completions und brachte die Jaguars in die erhofften kurzen Third Downs. Auch funktionierten die Screen-Designs mit Rub-Routes bemerkenswert gut, was in mehreren langen Catch-and-Runs von Corey Grant resultierte.

In der zweiten Halbzeit sah man dann das, was man von den Patriots in dieser Saison so häufig gesehen hat: die richtigen Defensiv-Anpassungen. Die Patriots haben in dieser Saison in der ersten Halbzeit im Schnitt 10,1, in der zweiten nur 8,3 Punkte zugelassen. Warum dem so ist, konnte man im Championship Game einmal mehr bewundern.

Die Pats änderten ihren grundlegenden Ansatz und wurden deutlich aggressiver. Die Patriots waren jetzt mehr gewillt, bei verschiedenen Downs&Distance zu blitzen.

Sie spielten aggressive Man Coverage und stellten die Box zu. New England hatte so immer wieder Rusher im Backfield, zwang Bortles zu schnellen Würfen und schaffte es, auch bei Play Action zu verhindern, dass Bortles vernünftig in die Pocket treten konnte. Jacksonville wurde herausgefordert, einen Plan B auszupacken - und den hatten die Jags nicht.

Dabei fielen bei den Blitz-Paketen zwei Mittel vermehrt auf: Safety-Blitzing wurde häufig genutzt, darüber hinaus stellten die Patriots James Harrison auch einige Male wie einen Inside Linebacker auf und ließen ihn dann über die Mitte blitzen.

Mit den Eagles wartet im Super Bowl die beste Offensive Line dieser Playoffs - New England wird sich dabei nicht auf seinen 4-Men-Rush verlassen können. Das würde Philadelphias herausragenden Play-Designs eine zu große Chance einräumen. Die Patriots-Defense wird in zwei Wochen attackieren müssen.

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Die Vikings, Eagles vs. Brady, Foles, Bortles - eure Fragen

Maurice: Die Quarterback-Situation in Minnesota: Großer Respekt vor Keenum für diese Saison, aber bei dem Gedanken, mit ihm als Franchise-Quarterback weiter zu machen, bekomme ich Bauchschmerzen. Du auch?

Zumindest wenn wir von einer neuen Offense ohne die großartigen Play-Designs von Pat Shurmur sprechen, ist ein gewisses Maß an Skepsis bei Keenum noch immer angebracht. Was Keenum in dieser Saison einerseits innerhalb der Pocket gegen Pressure und andererseits mit Big-Play-Pässen in der Struktur der Offense geleistet hat, war spektakulär und völlig unerwartet. Das kann Keenum - zumindest in meinen Augen - auch wiederholen, allerdings benötigt er dafür eben wieder die entsprechende Hilfe durch das Scheme.

Bei Quarterback-Fragen steht für mich immer eine Gegenfrage ganz weit oben: Was wäre die Alternative? Was wäre für Minnesota die Alternative, würde man Keenum gehen lassen? Bradford, dessen Knien in Minnesota niemand vertraut? Bridgewater, bei dem wir noch immer nicht genau wissen, ob er jemals wieder ein NFL-Quarterback sein kann? Die Vikings bestätigten ihre Unsicherheit bezüglich Bridgewater unter anderem damit, dass sie Bradford in den Playoffs wieder zum Backup machten. Oder eventuell eine Free-Agency-Wundertüte? Ein Rookie?

Keenum ist - Stand heute - meiner Meinung nach noch immer die beste realistische Quarterback-Option für die Vikings für 2018. Dabei gilt allerdings auch: Das sollte weder sofort eine langfristige noch eine alternativlose Entscheidung sein. Im Klartext: Minnesota muss den Franchise Tag oder eine Art 2-Jahres-Vertrag mit geschickter Cap-Aufteilung für Keenum ernsthaft in Erwägung ziehen, um ihn 2018 nochmals unter dann neuem Coordinator zu testen.

Gleichzeitig sollte er einen ernsthaften Konkurrenten neben sich haben. Das kann ein Rookie sein, es könnte aber auch Bridgewater sein, sollte der zu einem günstigen Deal mit gehobenem Backup-Gehalt bereit sein. Keenum als unangefochtener (und langfristiger) Starter würde mir auch Bauchschmerzen bereiten.

Daniel Steinbock: Kann Philadelphia Brady und die Patriots stoppen? Vor allem wenn Brady mit seiner No-Huddle-Offense Tempo macht?

Ein Argument jedenfalls werden wir in den kommenden beiden Wochen häufig hören, wenn es darum geht, wie Philadelphia dieses Spiel gewinnen kann: Die Eagles haben die beste Defensive Line in der NFL, für meinen Geschmack noch vor Jacksonville und auch vor Minnesota. Philly ist hier mit Fletcher Cox, Brandon Graham, Timmy Jernigan, Vinny Curry, Chris Long und Derek Barnett in der Spitze genau wie in der Breite herausragend besetzt.

Das Scheme von Defensive Coordinator Jim Schwartz baut darauf, dass der 4-Men-Rush - also ohne Blitzing - zum Quarterback kommt, und Philadelphias D-Line kann das liefern. Wenn wir von Aspekten sprechen, die es braucht, um Brady zu schlagen, ist meine erste Antwort immer: Interior Pressure ohne Blitzing und Man Coverage dahinter. Ersteres traue ich den Eagles ohne Frage zu, bei dem anderen Punkt habe ich noch so meine Zweifel.

Auch für Philadelphia wird dabei ultimativ gelten: Welche Antworten gibt es in Man Coverage gegen Gronkowski, und wer übernimmt in Man Coverage die Running Backs im Passing Game? New England ist sehr gut darin, aus 21-Personnel (also mit zwei Running Backs beziehungsweise einem Running Back und einem Fullback) in Spread-Formations überzugehen und die Defense so vor Matchup-Probleme zu stellen. Diese Probleme muss Philadelphia lösen können.

Jay Pengi: Was passiert nächstes Jahr mit den Patriots, wenn sowohl Patricia als auch McDaniels gehen? Können die Patriots die Verluste von gleich zwei großartigen Koordinatoren verkraften?

Zumindest defensiv würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen. Nicht nur, weil Matt Patricia in den vergangenen Jahren mehrfach auch Defizite gerade im Game-Planning an den Tag gelegt hat - sondern vor allem, weil hier natürlich auch Belichicks Expertise liegt. Die Wunschlösung der Pats wäre es wohl, defensiv Linebacker-Coach Brian Flores, der mehrere Bereiche innerhalb des Teams schon durchlaufen hat, zum Defensive Coordinator zu befördern. Das ist auch mein Tipp.

Eine Prognose für die Offense fällt mir deutlich schwerer. 2005, nachdem New England zuletzt beide Coordinator an Head-Coach-Posten verloren hatte, hatte Belichick keinen Offensive Coordinator benannt. Vor der 2006er Saison wurde dann McDaniels vom Quarterback-Coach zum Coordinator befördert. Am generellen Scheme wird sich ohnehin nichts ändern, jedenfalls nicht, so lange kein wirklich tiefgreifender Umbruch in Foxboro passiert. Game-Planning und Play-Calling sind aber natürlich auch mit einem Quarterback wie Brady wichtige Faktoren.

Der spannende Aspekt ist bei alledem der Status der Patriots als Franchise. Brady wird nicht mehr lange spielen und egal, was man von der ausführlichen ESPN-Story hält - irgendwann macht auch Belichick Schluss. Das mag noch ein paar Jahre dauern, trotzdem könnten einige der Coaching-Weichen, die jetzt in Foxboro gestellt werden, die Franchise langfristig beeinflussen.

tschosh: Wieso haben die Jaguars gegen New England quasi darauf verzichtet, Bortles selbst Rushing-Yards machen zu lassen?

Ehrlicherweise hatte ich mir die Frage während des Spiels live auch gestellt. Wer meine ausführliche Bortles-Analyse vor dem Steelers-Spiel gelesen hat, der hat auch gesehen, dass Bortles' Zone-Read-Runs ab etwa der zweiten Saisonhälfte ein überaus effizientes Element für die Jaguars-Offense war, auch gegen Pittsburgh konnte Bortles zu Fuß einiges an Schaden anrichten.

Wie eigentlich immer liefert das Tape die Antwort: New Englands Defense, die in der Vorwoche schon Tennessees Offense empfindlich geschwächt hatte, indem Marcus Mariota dazu gezwungen wurde, aus der Pocket heraus zu spielen, legte darauf auch gegen Jacksonville einen Fokus.

Die Patriots stellten mehrfach einen Quarterback-Spy - also ein Spieler, der für den Quarterback direkt verantwortlich ist - ab und dieser fungierte dann häufig auch als eine Art Green-Dog-Blitzer. Ein Green-Dog-Blitzer ist eigentlich ein Spieler, der abwartet, ob sein Gegenspieler (meist ein Running Back oder Tight End) in Pass-Protection bleibt oder ob er eine Route läuft. Passiert Ersteres, wird er vom Coverage-Spieler zum Blitzer und attackiert die Line.

Eine ähnliche Aufgabe hatten die Patriots-Linebacker mehrfach gegen Bortles. Immer wieder sah man hier im Zentrum der Defense einen der Linebacker, der nur Bortles las und sich dann dementsprechend verhielt.

Jacksonvilles Quarterback hatte so keinen Raum, um großartig loszulaufen. Bortles war damit im Run Game überhaupt kein Faktor, und das obwohl New Englands Defens insbesondere in der ersten Hälfte mehrfach auf die Misdirection-Plays und Fakes reinfiel.

Patrick: Es gibt ja noch Teams, die Head Coaches suchen. Was tippst du, wer am Ende welchen Coordinator oder Trainer als Head Coach bekommt?

Hier wird es keine großen Überraschungen mehr geben. Minnesotas Pat Shurmur wird die Giants übernehmen, Josh McDaniels die Colts und Andrew Luck. Matt Patricia wird in Detroit mit dem dortigen Geschäftsführer Bob Quinn, der seinerseits eine Patriots-Vergangenheit hat, wiedervereint - gut möglich, dass dadurch auf der offensiven Seite Jim Bob Cooter seinen Coordinator-Posten behält.

Seit gestern wissen wir definitiv, dass Steve Wilks (ehemals Defensive Coordinator der Panthers) die Arizona Cardinals übernimmt. Hier wird jetzt die Auswahl des Offensive Coordinators sehr spannend, die Cardinals werden versuchen, DeFilippo aus Philadelphia für sich zu gewinnen.

Bierlone und dakofla: Hat sich Foles mit dem Einzug in den Super Bowl möglicherweise die Chance auf einen Starting-Job außerhalb von Philadelphia erspielt? Was könnten die Eagles bei einem möglichen Trade von Foles als Gegenwert bekommen? Und wo würde er hinpassen?

Der Auftritt gegen die Vikings war wirklich, wirklich gut - in den Wochen davor, inklusive des Falcons-Spiels sah das noch ganz anders aus. Foles ist das perfekte Beispiel dafür, wie ein bestenfalls durchschnittlicher Quarterback von großartigem Play-Calling und Play-Designs sowie von einer Elite-Offensive-Line profitieren kann. Auch seine statistische Bilderbuch-Saison unter Chip Kelly kam vor allem durch Kellys damals innovatives Scheme zustande.

Ich vermute, dass die NFL ihn inzwischen dementsprechend richtig einschätzt. Man braucht schon perfekte Rahmenbedingungen, um aus Foles konstante Produktion zu bekommen. Für mich ist er daher ein idealer Backup, gerade für die Eagles, wo er Coaches und Scheme schon länger kennt und eben eine großartige Unterstützung um sich herum hat. Das gilt umso mehr, da Wentz wohl große Teile der Saisonvorbereitung noch verpassen und möglicherweise auch zum Saisonstart nicht bei 100 Prozent sein wird. Da ist ein Spieler wie Foles für Philly deutlich mehr wert als für andere Teams.

Dementsprechend gering wäre sein Trade-Wert aber auch, denn in meinen Augen sieht kein NFL-Coach Foles als die langfristige Starting-Lösung.