Die Tennessee Titans (9-7) stehen in der Divisional-Runde - und müssen dort entweder zu den New England Patriots oder zu den Pittsburgh Steelers! Die Kansas City Chiefs (10-6) dominieren zunächst gegen anfangs überforderte Gäste, doch in der zweiten Hälfte bricht KC komplett ein. Am Ende steht im eiskalten Arrowhead Stadium ein 22:21-Sieg für Tennessee.
Chiefs-Quarterback Alex Smith (24/33, 264 YDS, 2 TD) attackierte die Man Coverage der Titans direkt, zwei frühe Drops von Tyreek Hill, gegen den Rookie-Cornerback Adoree' Jackson mehrfach Press-Coverage spielte, verhinderten frühe explosive Plays. Doch Tennessees Offense hatte zunächst keinen Rhythmus, vor allem nicht im Passspiel und so hatte KC genügend Zeit, um aufzuwachen: Big Plays zu Hill und Travis Kelce brachten die Hausherren schnell in die Red Zone, wo Kareem Hunt für den ersten Touchdown der Postseason sorgte.
Ein bitterer Drop von Eric Decker sowie wenig später ein Chiefs-Sack jeweils bei Third Down, eine Interception von Marcus Mariota (19/31, 205 YDS, 2 TD, INT) bei einem schlechten Passing-Konzept - wann immer Tennessee mal über die No-Huddle-Offense eine Art offensiven Rhythmus fand, war der Drive schnell auch wieder beendet, während Kansas City noch im ersten Viertel durch einen Kelce-Touchdown seine Führung ausbauen konnte. Die Minuten direkt vor der Halbzeitpause waren angesichts der spielerischen Unterlegenheit der Titans, welche zu diesem Zeitpunkt schon in einer höheren Chiefs-Führung hätte resultieren müssen, die dramatischsten.
Zunächst hatte Mariota Glück, als ein Fumble nicht gepfiffen wurde, kurz darauf bekam auch KC dieses Glück - allerdings verletzte sich Kelce bei dem Play und musste raus. Drei Sekunden vor dem Ende der Halbzeit fand Smith mit einem tollen Pump Fake Robinson zum 21:3, es schien wie die Vorentscheidung. Auch, weil das Spiel eher zäher wurde: individuelle Fehler, mit dem Höhepunkt durch den Punt-Drop von Adoree' Jackson kurz vor Ende des dritten Viertels, ein Field-Goal-Miss der Chiefs, unnötige Strafen - es war kein schönes Spiel im dritten Viertel.
Doch gab es dann auch die Szene des Spiels, die zum Wendepunkt wurde: Mitte des Viertels kam Tennessee erstmals in die Red Zone, wo Mariota ein seltenes Kunststück gelang: Sein Pass kurz vor der Endzone wurde von Darrelle Revis abgewehrt und landete wieder in den Händen des Quarterbacks! Der fiel mit dem Ball zum Touchdown in die Endzone. Es sollte der Anfang vom Ende für Kansas City werden. Der Motor der Chiefs-Offense stotterte ohne Kelce mehr als gewaltig, Kansas City fand im dritten Viertel quasi nicht statt und spätestens mit dem 35-Yard-TD-Run von Derrick Henry war nach einstiger 21:3-Führung für KC alles wieder offen!
Die Chiefs fanden jetzt keinerlei Rhythmus mehr und gaben den Ball jeweils schnell zurück. Das nutzte Tennessee schließlich: Einige gute Runs von Mariota und Henry brachten die Titans in Position, Mariota fand schließlich Decker in der Endzone - und die Gäste gingen erstmals in Führung! Zwar klappte die 2-Point-Conversion nicht, doch Kansas City konnte auch im letzten Versuch nicht mehr offensiv antworten. Die Chiefs sind raus, Tennessee steht in der Divisional Runde!
Die wichtigsten Statistiken
Kansas City Chiefs (10-6) - Tennessee Titans (9-7) 21:22 (14:0, 7:3, 0:7, 0:12) BOXSCORE
- Derrick Henry ist der dritte Spieler in der Titans-Geschichte, der in einem Playoff-Spiel über 100 Rushing-Yards verzeichnen konnte. Vor ihm war dieses Kunststück nur Eddie George (zwei Mal) und Earl Campbell gelungen. Seine 156 Yards waren ein persönlicher Höchstwert seit dem College Championship Game gegen Clemson (158 YDS), zusätzlich verzeichnete er noch 35 Receiving-Yards.
- Ansonsten war im Passspiel der Titans der Fokus wieder einmal klar auf den kurzen Zuspielen: Sechs Receptions für Tight End Delanie Walker (74 YDS), zwei für Henry und zwei für Tight End Jonnu Smith. Mariotas längster Pass war ein 29 Yard Catch-and-Run von Henry. Bei den Chiefs hatte Tyreek Hill (7 REC, 87 YDS) die meisten Catches, Receiving-Yards und den längsten Catch (45 YDS).
- Der letzte Chiefs-Heimsieg in einem Playoff-Spiel datiert vom 8. Januar 1994 - mit Joe Montana als Quarterback. Seither hatte Kansas City vor dem Duell mit Tennessee fünf Playoff-Heimspiele in Folge verloren, es war bereits ohne die erneute Pleite die längste Serie aller Zeiten.
- Wie einseitig das Spiel zum Start war? Kansas City hatte nach dem ersten Viertel 179 Yards, acht First Downs und zwei Touchdowns. Tennessee dagegen: 45 Yards, ein First Down, keine Punkte. Im dritten Viertel dann hatte Kansas City ohne Travis Kelce seinerseits ganze sechs Yards.
Die Stimmen zum Spiel
Marcus Mariota (Quarterback Titans): "Das ist unglaublich. Dafür arbeitet man so hart, dafür gibt man vier, fünf Monate alles. Das ist nicht das finale Ziel, aber es ist toll, dieses Spiel zu gewinnen. Hoffentlich können wir so weitermachen."
Andy Reid (Head Coach Chiefs): "Als Head Coach dieses Football-Teams geht das auf meine Kappe. Ich muss bessere Arbeit abliefern."
Der Knackpunkt: Der Fourth Down Stop der Titans
Mit etwas über zwei Minuten auf der Uhr hätte Kansas City ein 61-Yard-Field-Goal versuchen können - in der Kälte eher unwahrscheinlich. Stattdessen spielten die Chiefs das 4th&9 aus, und Smiths Downfield-Pass kam nicht an! In der Folge ließ Henry die Uhr runter laufen. Unbestreitbar ist aber auch, dass nach dem verletzungsbedingten Aus von Kelce ein tiefer Bruch durch die Chiefs-Offense ging.
Das entscheidende Duell: Tennessees Line vs. Chiefs-Front
Ganz vereinzelt nur kam der Pass-Rush der Chiefs durch, über weite Strecken leistete die Line in Pass-Protection gute Arbeit. Vor allem aber im Run-Blocking konnten die Titans endlich wieder an die Vorsaison erinnern, als kaum eine Line im Run-Blocking besser war. Tennessee attackierte hier so immer wieder erfolgreich die große Schwäche der Chiefs-Defense.
Der Star des Spiels: Derrick Henry
Nach einer schwachen ersten Hälfte war es nach der Pause ein ganz anderer Auftritt der Titans-Offense. Mehr No-Huddle, mehr Zone Reads, mehr schnelle Pässe mit klaren Reads über die Mitte - und endlich ein dominantes Run Game. Henry (23 ATT, 156 YDS, TD) war der Motor der Offense, als Tennessee ihn brauchte: Harte Runs, Explosivität auf dem Second Level. Es war klar, dass die Titans gegen eine anfällige Chiefs-Defense ein dominantes Run Game brauchen würden, um eine Chance zu haben. Henry gab ihnen genau das.
Der Flop des Spiels: Andy Reid
Natürlich tat der Ausfall von Kelce weh und verhinderte einige der Pass-Konzepte, welche die Chiefs insbesondere gegen die Man Coverage der Titans so gefährlich umsetzen konnten. Das ist allerdings keine Entschuldigung dafür, dass Kansas City in der zweiten Hälfte im Play-Calling trotz eigener Führung das Run Game nahezu komplett ignorierte: Kareem Hunt beendete das Spiel mit 11 (!) Runs für 42 Yards und einen Touchdown. Statt auf Zone Reads, Run Pass Options, Misdirection und dergleichen zu setzen, um im Run Game gegen eine gute Titans-Front Erfolg zu haben und einen offensiven Rhythmus zu finden, blieb Reid stur beim Passspiel. Es kostete ihn offensiv das Spiel.
Die Taktik-Tafel
- Tennessee hatte zunächst keine Antworten auf genau die Probleme, welche die Titans erwarten mussten. Die Defense, die stark auf Man-Konzepte setzt, war extrem anfällig für all die Misdirection- und Option-Elemente, welche die Chiefs-Offense gerade in den ersten Wochen der Saison so ausgezeichnet hatten.
- Darüber hinaus konnte Kansas City Mismatches ausnutzen, etwa wenn Travis Kelce gegen einen Linebacker stand. Mit der Run-Pass-Option schaffte KC außerdem Räume über die Mitte des Feldes, um schnelle Inside-Routes mit Yards nach dem Catch zu ermöglichen. Hier arbeiteten die Hausherren auch mit Rub Routes, etwa um den Ball in die Hände von Hill zu bekommen. Aber: Der Ausfall von Kelce machte sich dabei extrem bemerkbar, das Passspiel war in der zweiten Hälfte nicht wieder zu erkennen.
- Rund um Titans-Coach Mike Mularkey hielten sich vor dem Spiel Gerüchte über eine Entlassung - sollte es dazu kommen, wäre es nicht schwer zu prognostizieren, wo der nächste Offensive Coordinator und gegebenenfalls Head Coach ansetzt: Als Tennessee mal in die No-Huddle-Offense überging und einige Spread-Elemente einbaute, wirkte Mariota wie auf Knopfdruck wie ein anderer Quarterback. Er leistete sich dann noch immer Fehler, fühlte sich aber deutlich wohler und die Offense hatte ihre besten Drives auf diese Art.
- Stichwort Game Planning: Dass bei keinem Quarterback die Diskrepanz zwischen Play Action und Standard-Pässen so groß ist wie bei Mariota, ist kein Geheimnis. Das Run Game funktionierte vereinzelt und die Chiefs sind in der Pass-Defense durchaus anfällig - dennoch hatten die Titans in der ersten Hälfte viel zu wenige Play-Action-Plays und Zone Reads in ihrem Arsenal, stattdessen wurde unerklärlich häufig ausgerechnet Marcus Peters, der beste Spieler in der Chiefs-Secondary, attackiert. Meist erfolglos.
- Doch der Game Plan in der zweiten Hälfte war dann deutlich besser. Tennessee setzte seine Run-Konzepte viel effizienter um und hatte defensiv mit der Chiefs-Offense ohne Kelce merklich weniger Probleme. In Kombination mit Henrys Gala-Vorstellung reichte das, um ein zwischenzeitlich schon fast aussichtslos wirkendes Spiel eindrucksvoll umzudrehen!