Shaun O'Hara im Interview: "Die dümmste Entscheidung, die ich je getroffen habe"

Von Adrian Franke
02. Februar 201809:20
Shaun O'Hara gewann 2007 mit den Giants den Super Bowl gegen die Patriots.getty
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Shaun O'Hara war Teil des Teams der New York Giants, das 2007 die perfekte Saison der New England Patriots verhinderte - mit einem Sieg über die haushoch favorisierten Patriots im Super Bowl. Es gibt einige Parallelen zwischen jenem Giants-Team und der diesjährigen Version der Philadelphia Eagles, die ebenfalls im Super Bowl ihr Glück gegen die Pats versuchen. Im SPOX-Interview erklärt O'Hara, worauf es ankommt; Super Bowl LII gibt es am Sonntag ab 23.45 Uhr live auf DAZN - wahlweise mit deutschem oder dem US-Originalkommentar!

SPOX: Mr. O'Hara, ganz direkt: Ich hatte mich sehr auf dieses Interview gefreut, unter anderem weil ich glaube, dass es zwischen dem Eagles-Team dieses Jahr und Ihrem Giants-Team, das den Super Bowl gegen die Patriots gewonnen hat, einige Parallelen gibt. Vielleicht zunächst einmal: Die Giants waren damals 12-Punkte-Underdogs und im Moment leben die Eagles diesen Underdog-Status voll aus. Was macht das mit einem Team? Ist das wirklich ein so großes Thema innerhalb einer Mannschaft?

Shaun O'Hara: Um ganz ehrlich zu sein: Mit diesen Dingen beschäftigen Spieler sich normalerweise nicht wirklich intensiv. Die Fans freut oder ärgert das eher. Als Spieler ist es schön, wenn man aus derartigen Dingen zusätzliche Motivation ziehen kann - vor allem aber nimmt es etwas Druck weg. Wenn die ganze Woche über vor dem Super Bowl niemand wirklich erwartet dass man gewinnt, dann geht man selbst auch lockerer mit der Situation und den Fragen zum Spiel um.

SPOX: Also ist der mediale Umgang für die Spieler schwieriger, wenn man selbst der Favorit ist?

O'Hara: Die Fragen können dann etwas kniffliger werden, ja. Ich glaube, dass die Eagles hier in einer großartigen Situation sind: Jeder zweifelt an Nick Foles, jeder zweifelt an diesem Team und ich verstehe es - es geht gegen Brady und Belichick, die schon so häufig im Super Bowl waren. Die Eagles werden sich in ihrer Rolle wohlfühlen, das ist ein sehr physisches Team und sie konnten im AFC Championship Game beobachten, was New England Probleme bereitet. Ich glaube, die Eagles können mithalten.

SPOX: Das führt gleich zur nächsten Parallele zu Ihrem Super-Bowl-Team 2007: Die Stärke dieses Teams war die Offensive und die Defensive Line, bei den Eagles ist das im Prinzip ganz ähnlich: Philly hat die wohl beste O- und D-Line in den gesamten Playoffs. Wie wichtig ist das für ein Team und vor allem: Welche Rolle spielt das, wenn es gegen Tom Brady geht?

O'Hara: Wenn man eine gute Offensive Line hat, gibt dir das die Chance, eine gewisse Balance zu wahren. Hier leistet Philly sehr gute Arbeit, so sehr ihre Offense auch darauf ausgelegt war, Big Plays zu kreieren. Carson Wentz hatte natürlich eine tolle Saison, aber Nick Foles hat sich jetzt deutlich gesteigert - viel davon hängt mit den Run Pass Options zusammen. Die Eagles hatten die ganze Saison über ein gutes Run Game, sie haben die Liga in Runs über mindestens zehn Yards angeführt. Philly hat eine sehr athletische Offensive Line und kann dich aus verschiedenen Richtungen attackieren.

SPOX: Und dazu kommt natürlich die dominante Defense...

O'Hara: ...genau. Defensiv sind sie großartig gegen den Run und weil sie bei First und Second Down hier so stark sind, können sie bei Third Down das tun, was sie am liebsten machen: Den Quarterback attackieren. Die Eagles haben die Liga in puncto Quarterback-Hits angeführt. Viel davon kam zustande, weil sie die Gegner in lange Third Downs gebracht haben. Sie können in ihrer Front auf hohem Niveau Spieler rotieren und haben dann jemanden wie Chris Long, der bei Third Down reinkommt. Außerdem hatten Spieler wie Brandon Graham und Vinny Curry sehr gute Saisons.

SPOX: Trotzdem ist es für die meisten der Eagles-Spieler der erste Super Bowl - bei Ihnen und den 2007er Giants war das ganz ähnlich. Inwiefern unterscheiden sich die beiden Wochen vor dem Super Bowl von den Wochen davor in den Playoffs und der Regular Season, und wie gehen die Spieler mit der Nervosität um?

O'Hara: Die Super-Bowl-Woche kann man mit keiner anderen Woche vergleichen. Die zentrale Herausforderung liegt darin, dass vor den Kick-Offs alles länger dauert. Das Aufwärmen dauert länger, die Halbzeit dauert länger - es ist extrem wichtig, dass man seine Emotionen kontrolliert und nicht alles Pulver in der ersten Hälfte verschießt. Für mich einer der besonderen Aspekte rund um die Patriots ist der, dass sie häufig in der ersten Hälfte wackeln, aber dann in der zweiten Hälfte das Spiel drehen.

SPOX: So wie im vergangenen Super Bowl.

O'Hara: Ja. Jeder erinnert sich natürlich noch daran, als Atlanta mit 28:3 führte und alles nach einem Falcons-Sieg aussah. Aber ihnen ging der Sprit aus. Solche Erfahrungen helfen den Patriots enorm, das konnten wir im Championship Game gegen Jacksonville erneut sehen. Die Jaguars lagen mit 20:10 in Führung, konnten diesen Vorsprung aber nicht über die Runden bringen - weil die Patriots verstehen, dass das Spiel im vierten Viertel gewonnen wird. Für ein Team, das zum ersten Mal im Super Bowl steht, ist es sehr schwer, noch im letzten Viertel noch Energiereserven zu haben. Das ist ein zentraler Aspekt. Außerdem darf man nicht unterschätzen, wie intensiv und physisch es im Super Bowl zur Sache geht. Diese Dinge werden immer noch ein wenig nach oben geschraubt.

SPOX: Gab es damals bei Ihnen irgendeinen besonderen Trick? Irgendetwas, das die Coaches beispielsweise gemacht hätten, um das Team mental auf den Super Bowl vorzubereiten?

O'Hara: Man muss sich all diese Dinge einfach gezielt bewusst machen. Viele beispielsweise machen ihr Aufwärmprogramm alleine für sich, einfach um Adrenalin zu sparen. Normalerweise kommt man nach dem Aufwärmen zurück in die Kabine und hat dann etwa fünf Minuten bis zum Kick-Off. Beim Super Bowl dauert alles länger, deshalb starten manche ihr Aufwärmprogramm auch später.

SPOX: 2007 gab es die Situation, dass die Giants gegen New England bereits in Week 17 gespielt haben. Damals war das eine große Sache, die Patriots brauchten noch einen Sieg für eine perfekte Regular Season (16 Siege, keine Niederlage, d. Red.) und Ihre Giants haben die Starter eingesetzt - obwohl es für New York mit Blick auf das Playoff-Seeding nichts mehr zu gewinnen oder verlieren gab. Es war dann ein enges Spiel, was hat diese Partie mit dem Team gemacht? War es wirklich der Katalysator, für den es viele Außenstehende bis heute halten?

O'Hara: Ich glaube dieses Spiel, und die Tatsache, dass wir die Patriots schon da beinahe geschlagen haben, hat uns jede Menge Selbstvertrauen gegeben. Jedes Team versucht immer, herauszufinden, wie gut es wirklich ist. Dieses Spiel hat uns ein Gefühl dafür gegeben, wo wir standen. Es hat uns auch gezeigt, dass wir ein sehr physisches Team waren, das haben wir damals während der Partie gespürt. Und wir haben gemerkt, dass wir gegen Tom Brady in keinen Shootout geraten wollen. Wir haben gemerkt, dass der einzige Weg die Patriots zu schlagen darin liegt, das Spiel langsamer zu machen. Ab diesem Punkt konnte unsere Defense das Zepter übernehmen.

SPOX: Noch vor dem Super Bowl gab es das Championship Game gegen die Packers und Brett Favre in Green Bay. Ist es wirklich etwas anderes, ein Playoff-Spiel in Lambeau zu spielen?

O'Hara: Oh ja, keine Frage. Wann auch immer man in Lambeau spielt, hat man einen Gänsehaut-Moment. Man saugt die Legacy dieses Feldes förmlich auf. Ich habe da einige Male gespielt, dieses Championship Game war aber unvergleichlich. Es war der kälteste Tag meines Lebens, so kalt war mir noch nie! Und die dümmste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe, war die, an diesem Tag ärmellos aufzulaufen. Ich weiß nicht, was wir uns damals gedacht haben! Woran ich mich noch erinnere, ist, dass mir durch den Kopf ging: "Jeder fühlt sich gerade so richtig mies." Wann man bei derart niedrigen Temperaturen spielt, ist das physischere Team deutlich im Vorteil. Diese kalten Hits tun wirklich weh. Und ich glaube, die Tatsache, dass Brett Favre etwas älter war, hat ebenfalls geholfen. Seine Bälle sind etwas kürzer geflogen.

SPOX: Sie haben es bereits angesprochen, die Giants waren ein sehr physisches Team. Damals hatten Sie auch mit Ahmad Bradshaw und Brandon Jacobs ein sehr gutes Running-Back-Duo, und hier kommen wir zu den Parallelen zurück: Die Eagles sind mit Jay Ajayi und LeGarrette Blount in einer ähnlichen Situation. Wie wichtig kann so etwas für ein Team insbesondere in den Playoffs sein?

O'Hara: Wann auch immer man gegen eine großartige Offense spielt, ist es eine Möglichkeit, sie ein wenig aus dem Spiel zu nehmen um ihre Feuerkraft zu reduzieren. Das Run Game ist hierfür hauptverantwortlich. Für uns war Brandon Jacobs der Hammer, er hat Defenses müde gemacht. Später hat uns Ahmad Bradshaw dann einen neuen Boost gegeben und für die Defense eine ganz andere Aufgabe dargestellt. Wenn man diese Option hat, kann das eine wichtige Waffe sein.

SPOX: Wenn Sie den Eagles-Spielern ein, zwei Tipps für den Super Bowl geben könnten - welche wären das?

O'Hara: Zunächst einmal: Ihr dürft keine Field Goals kicken. Ihr müsst Touchdowns hinbekommen. Das muss offensiv die Einstellung sein. Defensiv - man muss Tom fast blitzen. Wenn man ihn mit der Front Four unter Druck setzen kann, ist das natürlich super. In jedem Fall muss man Wege finden, damit er sich in der Pocket unwohl fühlt. Man darf ihm keine vier Sekunden in der Pocket geben. Je länger er da steht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er dich zerlegt.

SPOX: Letzte Frage: Was ist Ihr Tipp? Wer gewinnt, und warum?

O'Hara: Es ist schwierig, aktuell gegen Brady zu tippen, wenn man sieht, was er immer wieder leistet. Die Verpflichtung von Brandin Cooks hat dieser Offense ein Deep-Ball-Element gegeben, das sie so lange Zeit nicht hatte. Ich denke auch, dass es Gronkowski ein großer Faktor sein wird. Ich werde nicht gegen Brady tippen, aber ich mag die Eagles und deren Matchups. Ich hoffe einfach auf ein gutes Spiel - und auf einige gute Werbe-Clips!