Kirk Cousins und der historische Vertrag: Doch sind die Vikings wirklich besser?

Pascal De Marco
21. März 201811:53
Kirk Cousins unterzeichnete bei den Minnesota den in dieser Höhe ersten voll garantierten Vertrag in der Geschichte der NFL.getty
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Der größte Fisch der Free Agency war letztlich schnell vom Markt: Quarterback Kirk Cousins hat sich den Minnesota Vikings angeschlossen und unterzeichnete dabei einen Vertrag, der die Free-Agency-Verhandlungen revolutionieren könnte. Wie ändert sich dadurch die Situation der Vikings, was passiert jetzt mit der Offense und was bedeutet der Deal für die Quarterbacks, die künftig in die Free Agency treten? SPOX blickt auf die fünf wichtigsten Fragen rund um den Cousins-Deal.

1. Was passiert mit den auslaufenden Verträgen in Minnesota im nächsten Jahr?

Die Vikings haben sich auf den Quarterback ihrer nächsten drei Spielzeiten festgelegt und dafür tief in die Tasche gegriffen. So tief, dass es in jedem Fall andere zukünftige Planungen beeinträchtigen wird: 84 Millionen Dollar ist der Vertrag wert. Zum ersten Mal in der Ligageschichte ist ein Deal in dieser Höhe voll garantiert.

Wie ist Cousins' Vertrag strukturiert?

JahrBasis GehaltSigning BonusWorkout BonusCap Hit
201822,5 Millionen Dollar1 Millionen Dollar500.000 Dollar24 Millionen Dollar
201927,5 Millionen Dollar1 Millionen Dollar500.000 Dollar29 Millionen Dollar
202029,5 Millionen Dollar1 Millionen Dollar500.000 Dollar31 Millionen Dollar

Diese Zahlen werden von Minnesota geschicktes und vorsichtiges Salary-Cap-Management um Cousins herum verlangen. Schon in der kommenden Saison gehen mit Anthony Barr, Eric Kendricks, Stefon Diggs und Danielle Hunter eine Reihe wichtiger Säulen in das letzte Vertragsjahr, die nicht zuletzt in der erfolgreichen Vorsaison bewiesen haben, dass ihnen gute Verträge zustehen.

Wie also sieht die Situation der Vikings nach dem Cousins-Vertrag aus?

Für die aktuelle Free Agency hat man noch Cap Space in Höhe von 27,3 Millionen Dollar zur Verfügung. So viel, dass man neben den Rücklagen für die neuen Rookie-Verträge tatsächlich noch mit Defensive Tackle Sheldon Richardson einen weiteren Hochkaräter nach Minneapolis locken konnte. Acht Millionen Dollar kassiert Richardson 2018 unter einem Einjahresvertrag.

Betrachtet man den Salary Cap dieser Saison, so nimmt Cousins' Vertrag 13,6 Prozent der Gesamtkapazität ein. Bei einer angenommenen Salary-Cap-Steigerung von rund zehn Millionen Dollar für die nächsten beiden Jahre würde Cousins 2019 15,5 Prozent des Gesamtetats und 2020 schließlich 15,7 Prozent davon einnehmen.

Sicherlich hohe Prozentualen, die im Vergleich zu anderen großen Quarterback-Deals der jüngeren Vergangenheit aber nicht aus der Reihe fallen. Nach dem aktuellen Stand der Dinge ist Cousins Cap Hit 2018 der sechsthöchste unter den QBs ligaweit. Für 2019 rangiert er nach dem Stand der Dinge auf Platz 3, 2020 auf Platz 2. Hier aber werden noch mehrere große Deals etwa für Aaron Rodgers oder Matt Ryan Cousins nach unten rutschen lassen.

Die Zahlen, die für Cousins in den nächsten Jahren in den Büchern stehen, sehen also auf den ersten Blick schwerer aus, als dass sie es im Falle der Vikings sind. Man war vor dem Cousins-Deal in einer ausgesprochen guten Cap-Situation und hat sich von allen drei Quarterbacks der Vorsaison getrennt. Dies gewährte weiteren Handlungsspielraum für etwa den Richardson-Deal, aber auch um die in der kommenden Saison anstehenden Verlängerungen anzugehen.

2. Sind die Vikings nun wirklich besser als mit Keenum?

Nach den Ausfällen von Teddy Bridgewater und Sam Bradford stand mit Case Keenum früh in der vergangenen Saison plötzlich der dritte Quarterback auf dem Kunstrasen des U.S. Bank Stadiums. Doch entgegen der Erwartung, dass die Vikings-Offense nun nur noch über eingeschränkte Möglichkeiten verfügt, überraschte Keenum im System von Pat Shurmur und bewies, dass er ein valider Starter sein kann.

Zieht man einen Vergleich über die vergangene Saison, so werden die Vorteile, die Cousins gegenüber Keenum gewähren soll rein sportlich noch nicht klar. Keenum lieferte Karrierehöchstwerte in den Kategorien Passing-Yards, Pass Efficiency, Touchdown-Rate und Passer Rating. Letzteres um fünf Plätze besser als Cousins.

SaisonsErf. PässeAngekommene PässePassing YardsTouchdownsInterceptions
Keenum 2012-16454/77758,4 Prozent5.224 Yards2420
Keenum 2017325/48167,9 Prozent3.547 Yards227

Der ehemalige Vikings-Quarterback, der inzwischen einen Zweijahresvertrag über 36 Millionen Dollar bei den Denver Broncos unterzeichnet hat, brachte außerdem mehr Pässe an, hatte eine besser Turnover-Rate und einen höheren approximativen Wert (Pro Football Focus) als Cousins.

Keenum, der die Vikings ins NFC Championship Game führte, profitierte dabei zweifelsohne vom Scheme Shurmurs. Shurmur wird allerdings in der kommenden Saison nicht mit Cousins zusammen arbeiten, da er inzwischen neuer Head Coach der New York Giants ist.

Warum also ist Cousins so viel mehr wert als Keenum?

Bei all den genannten Kategorien, in denen Cousins schlechter abschloss als Keenum, muss man sagen, dass er in Washington mit einem weitaus schlechteren Supporting Cast arbeitete. Dies wiederum hatte deutlich konservativere Game Plans zu Folge.

Cousins durchschnittliche Yards pro Pass waren in der letzten Saison mit 7,6 nur knapp oberhalb der Marke von Keenum (7,4), 2016 aber warf er mit 8,1 für einen deutlich höheren Wert. Ein höherer Wert, der besser reflektiert, was Cousins mit den richtigen Waffen und einem guten Scheme anrichten kann.

Cousins wird in Minnesota nicht nur bei windstillen Verhältnissen spielen können, sondern auch mit der am besten gerankten Defense der letzten Saison. Eine Defense, die 2017 übernehmen konnte, wenn Keenum einen seiner schlechteren Tage hatte. In Washington hat Cousins in drei Jahren lediglich zwei Spiele gewinnen können, wenn seine Mannschaft weniger als 18 Punkte erzielt hat. Cousins Defenses wurden in diesen Jahren an 21., 28. und 28. Stelle bewertet.

QuarterbackTeamBilanz bei 19+ erzielten PunktenBilanz bei 18 oder weniger erzielten Punkten
Kirk CousinsRedskins 2015-201722-11-12-12
Case KeenumVikings 20179-12-2

Außerdem wird der 30-Jährige eine ruhigere Pocket vorfinden. Die Vikings erlaubten nur in 4,65 Prozent aller Dropbacks einen Sack. Bei den Redskins waren es 7,06 Prozent und somit zwölf Plätze schlechter als Minnesota. Cousins wird hier alles vorfinden, um erfolgreicher zu sein als in Washington. Deshalb glauben die Vikings, dass sie mit Cousins die Quarterback-Frage für die nächsten Jahre beantwortet haben.

3. Was bringt Cousins mit?

Diese Kategorie beantworten wir am besten mit dem guten alten Gut-und-Böse-Spiel. Cousins bringt eine Vielzahl hervorragender Fähigkeiten mit, die die Vikings dazu bewogen haben, eine ordentliche Stange Geld für ihn in die Hand zu nehmen. So kann er durch seine Armstärke, Genauigkeit und Antizipation hervorragend tiefe Pässe werfen. Seit 2015 hat er ein Quarterback Rating von 101 bei Pässen, die mindestens 15 Yards geflogen sind. Ein besserer Wert als der von Tom Brady während dieser Zeitspanne.

Cousins kommt darüber hinaus gut mit Druck klar. Er schafft es bis zur letzten Möglichkeit zu warten, dass einer seiner Receiver sich frei laufen kann, und findet ihn auch dann noch, wenn der Verteidiger ihn schon beinahe erwischt hat. Er scheint ein sehr gutes Verständnis für seine Offense zu haben und darüber, wo sich seine Receiver hinbewegen.

Darüber hinaus ist er ein hervorragender Quarterback bei Play Action. Washington hat die drittmeisten Yards nach Play-Action-Pässen in der letzten Saison abgespult. 2016 waren es sogar die meisten. Die Redskins haben in der letzten Saison in 20 Prozent der Fälle Play Action gespielt. Bei den Vikings war es eine leicht höhere Nummer mit 26 Prozent.

Cousins war darüber hinaus sehr effektiv darin, Pässe auf Running Backs zu spielen. 79 Pässe auf Backs waren es in der letzten Saison. Lieblingstarget Chris Thompson gelangen dabei 13,1 Yards pro Reception. Das sollte mit Minnesotas Dalvin Cook problemlos fortsetzbar sein.

Auf der negativen Seite scheint Cousins Probleme bei Deep Zone Coverages zu haben und hier vor allem damit, Pässe in enge Fenster zu werfen. In der Kategorie "Big Time Throws" wurde Cousins von Pro Football Focus an 17. Stelle eingestuft. Er tendiert dazu, lieber einen Tick zu aggressiv zu spielen.

Cousins bleibt gerne lange mit dem Ball in der Pocket, was wir einerseits als positives Merkmal erwähnt haben. Jedoch kann dies auch zum Nachteil werden. Kein Quarterback hat in den letzten drei Jahren mehr Fumbles kassiert als Cousins. Er hat kein gutes Gefühl dafür, wann ein Edge-Rusher seinen Gegner geschlagen hat. Die durchschnittliche Interception-Rate von Quarterbacks unter Druck stand in der letzten Saison bei 2,6 Prozent. Cousins kam auf 4,1 Prozent.

PFF hat Cousins darüber hinaus bei Third Down lediglich an 30. Stelle bewertet. Bei Third and Long hat er in den letzten drei Jahren 7,5 Yards pro Passversuch erreicht und dabei die fünftmeisten Interceptions geworfen.

4. Was passiert in der Vikings-Offense?

Nicht nur einen neuen Quarterback wird es in Minnesota geben, in John DeFilippo wird auch ein neuer Offensive Coordinator die Strippen ziehen. DeFilippo empfahl sich in der Vorsaison als Quarterbacks-Coach bei den Philadelphia Eagles. Er wird aller Voraussicht nach eine West Coast Offense spielen, die in einer Mixtur aus Play-Action, Run-Pass-Options und viel Bewegung harmoniert.

DeFilippo musste beim Champion während der Saison mit zwei komplett verschiedenen Quarterbacks umgehen und sich dementsprechend an die jeweiligen Qualitäten anpassen. Dies ist in beeindruckender Manier gelungen und spricht für seine hervorragenden Qualitäten. Viele Coaches hätten in der Situation wohl eher versucht, den Quarterback in ihr System zu pressen als anders herum.

Die West Coast Offense von DeFilippo basiert auf schnellen Entscheidungen und kurzen Pässen. Play Action erwähnten wir ohnehin in den Stärken von Cousins. Diese Fähigkeit wird er auch bei den Vikings zum Einsatz bringen, die zwar in Jerick McKinnon ihren Receiving-Back aus der zweiten Saisonhälfte verlieren. Dalvin Cook allerdings ist ebenfalls ein guter Receiver, den der neue Quarterback hier zum Einsatz bringen wird. Cook soll nach seiner Kreuzbandverletzung rechtzeitig zum Trainingsbeginn fit werden.

Diese Art der Offense wird Cousins' Fehler limitieren und seine Turnover-Zahlen herunterschrauben. Dabei ist er der weitaus komplettere Quarterback als Keenum. Defenses werden sich auf ein großes Repertoire an offensiven Möglichkeiten einstellen müssen. Die solide Offensive Line stellt hierbei noch das vermeintlich schwächste Glied dar, vor allem was die Interior-Positionen angeht.

Cousins kann Spiele auch in einem Shootout gewinnen. Verbessert sich die Offensive Line, so steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit noch einmal bemerklich. Cousins wirft bei sauberer Pocket für ein Passer Rating von 106,5. Bei den Vikings hat er außerdem ein breiteres, verlässlicheres und weitaus gesünderes Waffenarsenal als in seiner letzten Saison in Washington zur Verfügung.

5. Wie ist der Cousins-Deal strukturiert und was bedeutet er für andere Quarterbacks?

Die Schlagzeilen, die Cousins voll garantierter Vertrag geschrieben hat, waren groß. Es ist wie erwähnt der erste komplett garantierte Vertrag, der in der NFL vergeben wurde. Laut Spotrac sind die 84 Millionen Dollar, die er an garantiertem Geld verdient, nach Lions-Quarterback Matthew Stafford (92 Millionen Dollar) und Colts-Quarterback Andrew Luck (87 Millionen Dollar) die meisten ligaweit.

Das Durchschnittsgehalt, welches Cousins in den nächsten drei Jahren verdienen wird, ist mit 28 Millionen Dollar außerdem das meiste aller Spieler. Während er in der ersten Saison 22,5 Millionen Dollar an Basisgehalt sehen wird, steigt dieser Wert im zweiten Jahr auf 27,5 Millionen Dollar und 2020 schließlich auf 29,5 Millionen Dollar. Cousins' Unterschriftsbonus belastet den Cap mit einer Millionen Dollar pro Jahr, dazu kommt ein Workout Bonus von 500.000 Dollar.

Über diese Zahlen hinaus wäre ein möglicher Franchise Tag für die Vikings viel zu teuer - Berichten zufolge hat der Vertrag Klauseln, die einen Trade und den Transition Tag ausschließen - und der Quarterback kann mit 32 Jahren noch einmal auf den freien Markt treten. Ein Deal, der jedem Team Angst machen muss, der für Quarterbacks, die in Zukunft aber auf den Markt treten ein hervorragendes Beispiel sein sollte.

Wie wird sich der Deal also auf Free Agents in der Zukunft auswirken?

Franchise Quarterbacks sind rar und müssen von Teams dementsprechend hoch bezahlt werden. Cousins wusste das. Ein dritter Franchise Tag wäre für Washington zu teuer gewesen. Es hieß, "zahlt mit den Tag oder gebt mir einen voll-garantierten Vertrag." - Die Redskins lehnten ab und Cousins trat auf den Markt.

Hier war die Nachfrage war groß. Cousins konnte in den Verhandlungen mit den Vikings und den Jets ein hohes jährliches Gehalt verlangen. Schließlich hatte er sogar den Luxus, ein höher dotiertes Angebot der New York Jets ablehnen zu können und sich stattdessen für die sportlich aussichtsreichere Variante zu entscheiden.

Die Dauer des Vertrages spricht dabei wieder für den Quarterback. Langzeitverträge sind in den meisten Fällen für die Franchise von Vorteil. Es sei denn, dass sie hinten raus so teuer gestaltet werden, dass sie wie im Falle von Joe Flacco bei den Baltimore Ravens den Team-Rebuild verhindern. Kurze Verträge hingegen sind angenehmer für den Spieler - wenn der gewillt ist, auf sich selbst zu setzen. Das Team gerät dadurch unter Druck, schnell auf den Erfolg setzen zu müssen. Ist dies nicht der Fall, so kann der Spieler in eine andere Richtung gehen.

Soll stattdessen lieber ein langfristiger Vertrag abgeschlossen werden, so könnten, ähnlich wie in der NBA, künftig prozentuale Aufschläge verhandelt werden. Diese garantieren den Spielern höhere Gehälter angesichts des konstant steigenden Salary Caps. Diese Variante könnte schon bei Matt Ryan und Aaron Rodgers interessant werden.

Die beiden sind nämlich die großen Namen von Quarterbacks, die die nächsten beiden Free-Agency-Klassen anführen. Atlantas Ryan wird der Erste sein, der bei den Verhandlungen auf den Vertrag von Cousins deuten kann. Rodgers hingegen wird 2020 Free Agent.

Der Franchise-Quarterback ist DER gefragte Spieler. Dementsprechend sollten sich die Free Agents künftig auch bei den Verhandlungen verhalten. Die Free Agency ist eine der wenigen Fälle einer kurzen Karriere, in denen der Spieler am längeren Hebel sitzt.