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Free Agency: Lohnen sich teure Shopping-Touren?
Jahr für Jahr ist es ein spannender Diskussionspunkt: Lohnen sich teure Free-Agency-Shoppingtouren - oder macht es hier mehr Sinn, die Füße still zu halten? Was ist der "richtige" Ansatz, wenn man an die Free Agency herangeht und was ist erfolgsversprechender?
Die kurze Antwort wäre: Wie so häufig gibt es keine allgemein gültige Formel. Andernfalls würde jedes Team diese ja einfach befolgen. Der Salary Cap ist seit 2013 um stolze 40 Prozent gestiegen, von 123 Millionen Dollar 2013 bis auf 177,2 Millionen Dollar in diesem Jahr. Ein drastischer, einschneidender und ungewöhnlich konstanter Anstieg, auf den sich auch die Teams erst einstellen mussten.
Das hatte ganz unterschiedliche strategische Auswirkungen zur Folge, vor allem aber gibt es uns inzwischen einen Datensatz, mit dem man arbeiten kann. Um einige Tendenzen im Umgang der Teams mit der Free Agency zu erkennen, sowie die Folgen aus aggressivem und konservativem Verhalten besser einschätzen zu können, habe ich die letzten fünf Jahre unter die Lupe genommen - mit wiederkehrenden Teams an beiden Enden des Spektrums.
NFL Free Agency Modell 1: Die Big Spender
Wer das Gefühl hat, dass Jacksonville seit Jahren konstant unverhältnismäßig viel Geld in der Free Agency ausgibt, der, nunja, der hat völlig Recht. Es hat inzwischen gar fast groteske Züge angenommen.
Jacksonville stand 2014 (112,9 Mio./Rang 4), 2015 (176,4 Mio./Rang 2), 2016 (230 Mio./Rang 1) und 2017 (178,8 Mio./Rang 1) in der Top-4 was Ausgaben in der Free Agency (aufgelistet wird das gesamte Volumen der in der Free Agency herausgegebenen Verträge) angeht. Und das bekanntermaßen mit zweifelhaftem Erfolg: Jacksonville kam zwischen 2014 und 2016 nicht über fünf Siege in einer Saison hinaus (3,5,3).
Dazu gehörten desolate Free-Agency-Klassen, wie etwa die 2015: Mit Dan Skuta (5 Jahre, 20,5 Mio.), Julius Thomas (5 Jahre, 46 Mio.), Davon House (4 Jahre, 24,5 Mio.) und Jared Odrick (5 Jahre, 42,5 Mio.) wurde viel Geld in Spieler investiert, die sich schnell als Fehleinkäufe entpuppten.
Die Top-Free-Agency-Shopper seit 2013:
Jahr | Team | Ausgaben Free Agency Gesamtvolumen (Salary Cap) | Bilanz Vorjahr | Bilanz Saison nach der FA |
2013 | Miami Dolphins | 159,9 Millionen Dollar (123 Mio.) | 7-9 | 8-8 |
2014 | Tampa Bay Buccaneers | 152,4 Millionen Dollar (133 Mio.) | 4-12 | 2-14 |
2015 | New York Jets | 182,8 Millionen Dollar (143,28 Mio.) | 4-12 | 10-6 |
2016 | Jacksonville Jaguars | 230 Millionen Dollar (155,27 Mio.) | 5-11 | 3-13 |
2017 | Jacksonville Jaguars | 178,8 Millionen Dollar (167 Mio.) | 3-13 | 10-6 (Playoffs) |
Unter dem Strich lassen sich bei den spendierfreudigen Teams drei Oberkategorien erkennen. Es gibt einerseits die Teams, die über einen gewissen Zeitraum nur wenig Erfolg im Draft und dementsprechend einerseits Geld (weil Verträge nicht verlängert wurden) und andererseits auch viele Löcher haben. Die Jaguars fallen fraglos in diese Kategorie, die Dolphins 2013 wollten ebenfalls krampfhaft nach oben - und boten für Spieler wie Mike Wallace, Dannell Ellerbe und Philip Wheeler viel zu viel Geld. Man wollte sich in gewissem Maße den erweiterten Team-Kern kaufen und setzte auf die komplett falschen Pferde.
Kategorie Nummer zwei sind die Teams, die einen bestimmten Bereich ihres Teams drastisch und aggressiv angehen, dabei aber zu häufig die langfristige Perspektive aus dem Blick verlieren. So gelang es den Jets 2015, mit den Verpflichtungen von Darrelle Revis, Antonio Cromartie, Marcus Gilchrist und Buster Skrine mal eben die komplette Secondary zu überholen. Im Gegenzug gab es eine gute Saison, in der man die Playoffs nur haarscharf verpasste - gefolgt von dem dann nötigen kompletten Umbruch und somit wieder Zeit im Keller.
New York war damals weit davon entfernt, ein Contender zu sein und umso drastischer war schließlich der Absturz. Allerdings gibt es auch die positiven Beispiele: In die Kategorie Nummer drei nämlich zähle ich hier die Teams, die sich durch eine aggressive Free Agency in den Kreis der Contender bringen.
Das beste Beispiel dafür sind fraglos die Broncos. Denver rangierte 2014 mit Ausgaben in Höhe von 127,6 Millionen Dollar auf dem zweiten Platz - und das bei nur sieben Free-Agency-Verpflichtungen. Zum Vergleich: "Spitzenreiter" Tampa einigte sich in dem Jahr mit 24 Free Agents. Dafür aber kamen mit Aqib Talib, T.J. Ward, DeMarcus Ware und Emmanuel Sanders auch Säulen des Teams, das 2015 schließlich den Super Bowl gewinnen sollte.
Die Giants versuchten 2016 ein ähnliches Modell und legten in der Free Agency die Basis für den Playoff-Einzug: Damon Harrison (5 Jahre, 46,25 Mio.), Janoris Jenkins (5 Jahre, 62,5 Mio.) und Olivier Vernon (5 Jahre, 85 Mio.) gaben einer New Yorker Defense ohne Biss eine Identität. Jacksonville stand jetzt zwei Mal nacheinander ganz oben, doch kann man klar sagen, dass ohne die Vorjahres-Verpflichtungen von Calais Campbell, A.J. Bouye und Barry Church die dominante Defense der vergangenen Saison - und damit auch die Playoff-Teilnahme - nicht zustande kommt.
Das Gegenbeispiel: Indianapolis wähnte sich 2013 im zweiten Jahr mit Andrew Luck bereit für den großen Wurf und landete mit Ausgaben in Höhe von 142,8 Millionen Dollar auf Rang 2 hinter Miami. Doch waren hier massive Fehlkäufe dabei: Right Tackle Gosder Cherilus (5 Jahre, 35 Mio.), Defensive Tackle Ricky Jean Francois (4 Jahre, 22 Mio.) und Safety LaRon Landry (4 Jahre, 24 Mio.) waren nur je zwei Jahre in Indy.
Die richtige Spieler-Evaluierung ist hier natürlich zentral, so oder so aber sind Beispiele wie Denver nach wie vor die absolute Ausnahme. Zu häufig nämlich versuchen schlechte Teams einige ihrer Baustellen mit viel Geld zu stopfen, während anderswo die Problemzonen bleiben. Und zu häufig betrifft das ganz konkret die Quarterback-Position, so dass die Free-Agency-Shoppingtour zum Tropfen auf dem heißen Stein wird.
NFL Free Agency Modell 2: Winterschlaf
Jahr | Team | Ausgaben Free Agency Gesamtvolumen | Bilanz Vorjahr | Bilanz Saison nach der FA |
2013 | Dallas Cowboys | 11,5 Millionen Dollar | 8-8 | 8-8 |
2014 | Cincinnati Bengals | 8,9 Millionen Dollar | 11-5 | 10-5-1 |
2015 | Green Bay Packers | 5,8 Millionen Dollar | 12-4 | 10-6 |
2016 | Carolina Panthers | 14,4 Millionen Dollar | 15-1 | 6-10 |
2017 | Cincinnati Bengals | 14,6 Millionen Dollar | 6-9-1 | 7-9 |
Das krasse Gegenbeispiel sind die Teams, die sich Mitte März scheinbar im tiefsten Winterschlaf befinden. Green Bay gehörte lange zu dieser Gruppe, Pittsburgh ebenso. Hier wird das Bild schon schwieriger zu interpretieren, ein paar Schlüsse aber lassen sich doch ziehen.
Das gilt insbesondere, wenn man den Blick etwas erweitert und die knausrigen Teams der vergangenen fünf Jahre unter die Lupe nimmt.
Die Top-5 der niedrigsten Free Agency Ausgaben waren:
2013: Dallas, Pittsburgh, Carolina, Green Bay, Jacksonville (alle unter 18 Mio.)
2014: Cincinnati, Kansas City, Seattle, Chargers, Houston (alle unter 33 Mio.)
2015: Green Bay, Pittsburgh, Detroit, Minnesota, Carolina (alle unter 23 Mio.)
2016: Carolina, Buffalo, San Francisco, Green Bay, Cincinnati (alle unter 19 Mio.)
2017: Cincinnati, Kansas City, Houston, Oakland, Seattle (alle unter 26 Mio.)
Was sofort auffällt: Fast jedes einzelne dieser Teams hatte zum Zeitpunkt der jeweiligen Free Agency seinen Franchise-Quarterback - zumindest nach eigener Einschätzung - bereits gefunden.
Das macht einerseits gewisse Dinge einfacher, mit einem Franchise-Quarterback können Löcher viel leichter gestopft und mögliche Defizite viel einfacher überspielt werden. Auch fällt auf, dass hier einige der kompletteren Kader der vergangenen Jahre aufgelistet sind.
Gleichzeitig aber kann man ebenso konstatieren: Teams ziehen die falschen Schlüsse, wenn sie ihren Franchise-Quarterback haben. Oder anders gesagt: Sie werden zu bequem und zu konservativ.
Bei den Packers habe ich das bereits mehrfach kritisiert, Green Bay hat es über Jahre nicht geschafft, den eigenen Kader vernünftig mit einzelnen Hochkarätern zu komplettieren und so das Titelfenster weiter aufzustoßen, so lange man Aaron Rodgers noch hat.
Ein Beispiel hätten sich die Packers an den Super-Bowl-Siegern der vergangenen Jahre nehmen können. Denn hier wird ein klares, sich wiederholendes Muster deutlich. Ein Muster, welches Green Bay in diesem Jahr mit Jimmy Graham und Mo Wilkerson möglicherweise ebenfalls übernimmt.
Die Super Bowl Champions der vergangenen Jahre
Aufgelistet sind die jeweiligen Free-Agency-Ausgaben in der Free Agency direkt vor der Super-Bowl-Saison.
Saison | Team | Ausgaben FA Gesamtvolumen (Rang ligaweit) | Bilanz Vorjahr | Bilanz Saison nach der FA |
2013 | Seattle Seahawks | 26,01 Millionen Dollar (26) | 11-5 | 13-3 |
2014 | New England Patriots | 68,34 Millionen Dollar (15) | 12-4 | 12-4 |
2015 | Denver Broncos | 34,14 Millionen Dollar (27) | 12-4 | 12-4 |
2016 | New England Patriots | 39,54 Millionen Dollar (22) | 12-4 | 14-2 |
2017 | Philadelphia Eagles | 50,61 Millionen Dollar (21) | 7-9 | 13-3 |
Was sticht heraus? Zunächst einmal, wie eng die Platzierungen im Liga-Gesamtbild doch beieinander liegen. Vier Mal zwischen 21 und 26, lediglich die 2014er Patriots waren der Ausreißer nach oben. Der Reihe nach:
2013: Seattle war zwar sparsam, landete aber zwei Volltreffer: Michael Bennett (1 Jahr, 4,8 Mio.) und Cliff Avril (2 Jahre, 13 Mio.) sollten die Defensive Line sowie den Pass-Rush der Seahawks über Jahre prägen.
2014: Die Anomalie dieser Liste, die aber leicht zu erklären ist. New England kaufte sich damals mit Brandon Browner und Darrelle Revis ein neues Starting-Cornerback-Duo ein, welches individuell und schematisch großen Anteil am Trimuph hatte.
2015: Denver gab zwar im Titel-Jahr nicht viel aus, hatte aber im Jahr davor mit Aqib Talib, T.J. Ward, DeMarcus Ware und Emmanuel Sanders kräftig eingekauft und das zweitmeiste Geld ausgegeben (127,6 Mio. Dollar)
2016: Gezielte Verstärkungen prägen bei den Pats 2016 das Bild: Chris Hogan, Chris Long, LeGarrette Blount.
2017: Und auch Philly verstärkte seinen Kader punktuell äußerst sinnvoll. Unter anderem mit Alshon Jeffery, Torrey Smith, LeGarrette Blount, Patrick Robinson und natürlich Nick Foles.
Free Agency Fazit: viel hilft manchmal viel
Man kann bei der Betrachtung der Free Agency nur schwer Teams über einen Kamm scheren - zu unterschiedlich sind die letztlich die Voraussetzungen. Aber gewisse Trends lassen sich doch erkennen. Etwa, dass ein sehr aggressives Vorgehen nur dann Sinn macht, wenn das Team schon mehrere Puzzleteile für den ganz großen Wurf bereit hat - so wie Denver 2014 und 2015. Das abschreckende Beispiel hierfür bleiben die Jets.
Allerdings sollten Teams aus den vergangenen fünf Jahren, die mit Blick auf den Salary Cap für alle Teams Neuland waren, auch andere Lektionen mitnehmen. Ein Contender mag nicht in der Free Agency entstehen, sehr wohl aber erfährt er hier den finalen Schliff. Das zeigen alle Super-Bowl-Champions der vergangenen Jahre.
Die Prime-Jahre eines Elite-Quarterbacks zu verschwenden, weil man glaubt, eben aufgrund dieses Quarterbacks sparsam vorgehen zu können, ist dagegen eine grobe Fehleinschätzung. Das soll kein blinder Aufruf zum wilden Ausgeben sein, eher die Aufforderung zu punktuell mehr Mut. Wer seinen Quarterback aber noch nicht gefunden hat, wird in der Free Agency höchstwahrscheinlich keinen Contender aufbauen. So sehr es Jacksonville auch versucht.
Abschließend gibt es passend dazu noch eine dritte Kategorie der spendierfreudigen Teams, und die wird in diesem Jahr - mit dem Cap auf seinem vorläufigen Höhepunkt und Cap-Rollover der vergangenen Jahre als großer Bestandteil der Free Agency - so richtig deutlich: Dabei handelt es sich um die Teams, die dem Quarterback, in den sie Geld oder Pick(s) investiert haben und in dem sie ihren Franchise-Quarterback sehen, zum nächsten Schritt verhelfen wollen.
Chicago ist das deutlichste Beispiel: Die Bears führen die laufende Free Agency in puncto Vertrags-Gesamtvolumen deutlich an (216,9 Millionen Dollar), mit Allen Robinson, Taylor Gabriel und Trey Burton wurde hier aber auch kräftig in das Waffenarsenal von Mitch Trubisky investiert. Die Titans (128,5 Mio./Platz 4) gehen mit Josh Kline und Dion Lewis bei Marcus Mariota in eine ähnliche Richtung, genau wie San Francisco (121 Mio./Rang 6) mit Weston Richburg und Jerick McKinnon bei Jimmy Garoppolo.
Und die Jaguars? 171 Millionen Dollar bringen Jacksonville hinter Chicago und den Jets auch in diesem Jahr aufs Treppchen.