Der Sprung von der GFL in die NFL ist alles andere als einfach und in vielerlei Hinsicht eine riesige Hürde - physisch, aber auch mental. Moubarak Djeri versucht diesen Schritt gerade bei den Arizona Cardinals, Wide Receiver Moritz Böhringer arbeitet noch an seinem NFL-Traum, nutzte seine Chance zumindest bei den Minnesota Vikings aber nicht.
"Letztes Jahr war ich ziemlich unvorbereitet, würde ich sagen", hatte Böhringer im Vorjahr gegenüber SPOX offen zugegeben. "Es ist etwas komplett anderes als in Deutschland, ganz klar - allein die Tatsache, dass alles hier professionell ist, ist schon eine große Umstellung. Alles ist intensiver, überall warten die Medien. Das ist schon etwas anderes."
Fabian Höller kann auf vier Jahre Football-Erfahrung in den USA zurückblicken. Im College zwar, doch die Umstellung von der GFL auf das College-Level hatte es ebenfalls in sich, wie er jetzt im Gespräch mit SPOX verriet: "Ich wusste nicht wirklich, was auf mich zukommt - klar, ich wusste, dass es schneller, härter, physischer und auch mental alles andere als einfacher sein würde. Wie viel schwerer es aber wirklich sein würde, das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht; und das war deutlich mehr."
Am ehesten würde er es so beschreiben: "Hier in Deutschland ein komplettes Spiel zu spielen, das war gar kein Problem. Im College zumindest in den ersten beiden Jahren ein komplettes Spiel durchzuhalten, das war echt heftig. Ich war anschließend komplett kaputt, das war viel härter. Das Playbook ist ebenfalls eine deutlich größere Herausforderung: von gefühlt zehn Seiten ist es hier auf 100 Seiten angestiegen."
In den USA hat Höller vier Jahre lang für UMass, die University of Massachusetts, gespielt. Inzwischen ist er zurück in Deutschland und sein Versuch im vergangenen Jahr, nach Abschluss der College-Karriere über den Draft in die NFL zu kommen, flog zunächst in Deutschland gehörig unter dem Radar. Das änderte sich - mit einer ausführlichen Dokumentation über seinen Weg bis zum Draft.
Fabian Höller: Über den Schulsport zum Football
Natürlich beginnt Höllers Football-Karriere deutlich davor. Vor dem Draft, vor UMass, vor überhaupt dem Gedanken an Football. Er kannte weder die NFL, noch College Football, noch wusste er überhaupt irgendetwas über den Sport, als im Sommer 2008 sein Sportlehrer in der Schule einige Unterrichtsstunden für Flag Football verwendete.
"Ein Mitschüler hat damals Football gespielt, bei den Cologne Falcons und er hatte mit meinem Sportlehrer ausgemacht, dass der damalige Head Coach und der amerikanische Quarterback vorbei kommen und mit uns Flag Football spielen", berichtete er gegenüber SPOX. "Mit denen haben wir etwa eineinhalb Stunden gespielt. Anschließend habe ich mit den beiden gesprochen und sie haben mich zum Training eingeladen. In den nächsten ein, zwei Wochen bin ich daraufhin einfach zum Training gegangen."
Mit schnellem Erfolg: Die Coaches entschieden nach kurzer Musterung, dass die Offensive Line Höllers neues Zuhause sein wird. Oder, wie er es sagen würde: "Sie haben mich zu den anderen dicken Jungs gesteckt."
Etwa ein Jahr dauerte es, bis sich Höller physisch, technisch und was das Playbook angeht, gut akklimatisiert hatte. Gespielt hatte er schon während dieses Jahres - mit durchwachsenem Erfolg, wie er selbst zugibt: "Zwei, drei Jahre späte habe ich mir Videos aus der ersten Saison angeschaut und konnte nur lachen und mit dem Kopf schütteln. Das sah ziemlich grausam aus!"
Vier Jahre in Wyoming leben?!
Und doch ging es schnell. Höllers damaliger Coach David Odenthal, der selbst jahrelang Center für die University of Toledo gespielt hatte, erkannte das Talent seines Schützlings und ermutigte ihn, sich für Colleges zu bewerben. Gemeinsam erstellten die beiden ein Highlight Tape und schickten es nach Höllers viertem Jahr an zahlreiche Colleges. "Auf diesem Wege bin ich zuerst in Wyoming gelandet, da war sein ehemaliger Assistenztrainer Head Coach und sein ehemaliger Mitspieler O-Line-Coach", erzählte Höller vom College-Recruiting-Prozess.
Wyoming lud und flog ihn zu einem offiziellen Besuch ein, "drei Tage lang war ich da. Aber scheinbar habe ich den Verantwortlichen nicht so gefallen, umgekehrt hat es mir dort allerdings auch nicht wirklich gefallen. Klar, die Jungs waren alle nett, aber man muss sich vorstellen, dass das irgendwo im Nirgendwo ist. Wirklich. Zwar traumhaft schön, mal zum Urlaub machen - aber vier Jahre dort leben? Das ist doch eine andere Sache."
Die erste Erfahrung mit dem College-Recruiting-Prozess blieb also fruchtlos. Doch bald schon zeigte eine andere Schule Interesse, Rutgers meldete sich wenige Tage vor Weihnachten 2012. "Dann bin ich fünf Tage vor Weihnachten nach New York geflogen, und dort hat es mir sehr gut gefallen. Die Gespräche waren super."
Das Team bereitete sich damals gleichzeitig auf ein Bowl-Spiel einige Tage später vor, man ging mit großem beiderseitigem Interesse sowie der Ankündigung der College-Verantwortlichen, sich zeitnah nach dem Spiel zu melden, auseinander - "aber die Tage vergingen, dann war schon Mitte Januar und ich hatte noch immer nichts gehört."
So wurde langsam auch die Zeit bis zum College Signing Day Anfang Februar knapp. Dann kam der Anruf von UMass.
College Recruitment: UMass als Last-Minute-Treffer
Eine Woche vor dem Signing Day wurde noch der offizielle Besuch angesetzt, woraufhin der Head Coach Höller ein Stipendium anbot. Kurz darauf war alles in trockenen Tüchern.
Doch gewährt Höllers Geschichte, wie er im Gespräch mit SPOX weiter erzählte, hier einen interessanten Einblick in die Praktiken beim Rekrutieren von College-Athleten.
"Rutgers wollte mir scheinbar ein Stipendium anbieten, allerdings hatten sie nur zwei freie Plätze für Offensive Linemen in dem Jahr. Einer war schon weg als ich da war, und kurz nach meinem Besuch hat offenbar ein zweiter Lineman zugesagt - also war mein Platz auch weg", wie Höller später erfahren hat.
Doch der Coach, der ihn rekrutiert hatte, "kannte einige Leute bei UMass und hat alle Sachen, die sie über mich hatten, an UMass weitergegeben. So wurde UMass überhaupt erst auf mich aufmerksam, die Coaches dort haben mir das später bestätigt. Wie es letztlich auch dazu kam: Ich habe mit UMass eine gute Entscheidung getroffen."
Vor 80.000 in Wisconsin, Kracher gegen Notre Dame
Es dauerte anschließend nicht lange, ehe Höller die neuen - man könnte auch sagen: amerikanischen - Dimensionen bewusst wurden: "Mein allererstes College-Spiel war gleich in Wisconsin, vor 80.000 Zuschauern - da ist man dann doch schon etwas nervöser." Als Backup-Center nahm er einige Snaps beim Aufwärmen, "die gingen irgendwo hin, aber sicher nicht zum Quarterback. Da musste man erst mal mit der eigenen Nervosität kämpfen, im Spiel hat es anschließend glücklicherweise besser geklappt."
Bei den Heimspielen, von denen viele im Stadion der New England Patriots ausgetragen wurden, war nicht ganz so viel los. Beim Walkthrough erlebten Höller und Co. dafür allerdings regelmäßig das Training der Pats quasi hautnah, Höller lernte hier auch den deutschen Ex-Patriots-Tackle Sebastian Vollmer kennen: "Das war wirklich cool. Wir haben da weniger über Football konkret gesprochen, sondern uns eher allgemein unterhalten. Er kommt ja auch aus der Nähe von Düsseldorf und da hat man einfach ein bisschen gequatscht."
Doch die spektakuläre College-Atmosphäre war vor allem gegen die großen Schulen zu spüren - Wisconsin, Penn State, Florida oder auch Notre Dame, "das waren alles tolle Spiele, tolle Stadien. In Notre Dame war es ein tolles Gefühl, als wir zum 21:21 ausgeglichen haben, das Stadion plötzlich still war und man sich auf einmal selbst wieder hören konnte."
Diese Spiele gehören, das wird schnell klar, auch in seine persönliche Highlight-Sammlung. "Notre Dame gehört sicher dazu, auch wenn wir am Ende ein wenig untergegangen sind - aber bis kurz vor der Halbzeit waren wir mit denen auf Augenhöhe. Dazu zählen für mich auch Spiele wie gegen Mississippi State oder South Carolina, die bis zur letzten Minute komplett offen waren und man diese großen SEC-Teams am Rande einer Niederlage hatte. Das sind schon Momente, die bleiben."