Gleichzeitig allerdings wird im Gespräch mit Höller, der in UMass Mikrobiologie und Biochemie studiert und jetzt noch an der Uni Tübingen seinen Master in Biochemie macht, auch klar, dass er reflektiert mit dem Thema umgeht. Etwa macht er kein Geheimnis daraus, was bei ihm nach vier Jahren College Football negativ hängen geblieben ist: "Die Tatsache, dass man durch alles durchspielen muss, egal wie schlimm die Schmerzen waren. Das war körperlich wirklich hart, in meinem letzten Jahr bin ich rumgelaufen wie eine Mumie teilweise, weil alles irgendwo mit Tape fixiert war."
Das Problem: Wer wegen Verletzungen pausiert, mit denen man möglicherweise irgendwie spielen könnte, rutscht in der Depth Chart ganz schnell ab und muss sich erst wieder hoch arbeiten. Dazu kommt, wie Höller es selbst auf den Punkt brachte, "dass der Zusammenhalt in der Gruppe der O-Line so groß ist, dass man die anderen Jungs nicht im Stich lassen will. Aber jedem - zumindest den ersten sieben, acht, die immer gespielt haben - ging es gegen Mitte und Ende der Saison körperlich schon ziemlich schlecht teilweise."
Das dürfe man, und auch das ist Höller merklich wichtig zu betonen, nicht falsch verstehen, "man hat es trotzdem gerne gemacht und man macht es, weil es Spaß macht und weil man diesen Sport liebt. Aber das ist eben die andere Seite, die man nicht so sieht: Man ist zusammengetaped und manchmal wirft man Ibuprofen ein, damit man durch den Tag kommt."
Bei ihm selbst war es ganz konkret "teilweise so, dass ich nachts kaum schlafen konnte, weil ich bei jeder Bewegung aufgewacht bin. Das war natürlich weniger schön. Ich hatte beispielsweise Entzündungen an beiden Ellbogen in meinem letzten Jahr, in einem Spiel bin ich so auf die Hand - glücklicherweise die linke, also nicht die Hand, die ich für den Snap brauche - gefallen, dass ich mir das Handgelenk kaputt gemacht habe. Anschließend bekam ich eine Gipsschiene, jede Menge Tape drum herum und weiter geht's!"
Der Doku-Startschuss: Ein Zufallstreffen an Silvester
Dennoch entschied sich Höller, nachdem ihm die eigene Familie und auch seine Coaches dazu geraten hatten, dafür, es im Draft zumindest zu versuchen: "Letztlich habe ich mir gesagt, dass ich nichts zu verlieren habe. Das Schlimmste, was passieren konnte - und letztlich ja auch passiert ist (lacht) - war, dass ich nicht ausgewählt werde. Aber das ist ja nichts Schlimmes."
Gleichzeitig war es rückblickend betrachtet auch der Startschuss zum Filmprojekt. "Ich kannte Fabian Höller aus meiner Heimatstadt Köln. Als er seinen Freunden mitteilte, dass er am Pro Day teilnimmt und sich somit für den NFL Draft bewirbt, war für Nico und mich sofort klar, dass wir rüber fliegen müssen. Zudem brauchten wir noch ein Thema für unser Abschlussprojekt an der Filmschule. Deswegen konnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen", verriet Fabian Jänsch, einer der beiden Produzenten, im Gespräch mit SPOX.
Die Idee entstand dabei spontan - und zufällig. "Fabian habe ich 2016 auf einer Silvesterfeier in Köln kennengelernt. Wir sprachen ein wenig über Football und feierten mit unseren Freunden. Wenig später erzählte er mir dann auch von seiner Draft Idee und so kam eins zum anderen", berichtete Jänsch weiter und Höller fügte hinzu: Mir war nur wichtig, dass ich mich weiterhin voll konzentrieren kann und nicht noch Dinge drum herum organisieren muss. Aber die beiden haben sich voll nach mir gerichtet und mir hat es wirklich super viel Spaß gemacht."
Überzeugungsarbeit? Fehlanzeige. "Er war sofort dabei. Fabian nutzt jede Gelegenheit, die er bekommt. Sei es auf sportlicher, beruflicher oder einfach auch menschlicher Ebene. Er meinte, egal wie der Film wird, die Erfahrung, die er dort sammeln wird, wird es ihm schon wert sein", erklärte Jänsch.
Das passt zu Höllers allgemeiner Aussage, die er gleich zu Beginn unseres Gesprächs getätigt hatte: "Es ist ein Sport, bei dem man nie aufhört zu lernen - wobei ich das auch allgemein im Leben wichtig finde, dass man nie aufhört zu lernen. Ich glaube, es wäre ziemlich dämlich, zu sagen: "Ich bin perfekt."
Große Freiheiten für "The Germans with the Camera"
Für die beiden Filmemacher war das eigene Football-Interesse bis dahin auf die NFL fokussiert, wie es Nico Baumbach auf den Punkt brachte: "Ich glaube uns beiden sind die Dimensionen vom College Football erst klar geworden, als wir uns mit unserem Doku-Thema beschäftigt haben. Ich habe vorher weitestgehend nur die NFL verfolgt, seit ich 2006/2007 ein Jahr drüben gelebt habe. Das auch College Football so enorm groß ist, war mir vorher nicht klar - und ich kann es immer noch nicht wirklich glauben."
Insgesamt sechs Wochen lang, vom Pro Day bis zum Draft, begleiteten die beiden Höller in Massachusetts; ob im Klassenzimmer, im Labor oder zu ungemütlich frühen Zeiten auf dem Trainingsplatz. Die Schule war dabei kooperativ, Jänsch führte weiter aus: "Wir waren sehr sehr positiv überrascht. Am ersten Tag wurden wir von der Football PR-Agentin und ihren Assistenten begrüßt. Es war alles geplant und durchdacht."
Ziemlich schnell vertrauten ihnen die Verantwortlichen der Schule "und wir hatten komplette Freiheiten. Natürlich lief alles in Rücksprache mit der Presseabteilung ab, aber wir hatten weitaus mehr Freiheiten als die restlichen Medienvertreter. Nach ein paar Tagen kannte eigentlich auch jeder "The Germans with the Camera". Somit konnten wir direkt Interviewtermine mit Spielern und Coaches ausmachen."
Der Draft-Prozess: Speed-Tage und Hünen in der Kabine
Für Höller selbst begann dabei ebenfalls die vielleicht wichtigste Etappe seiner College-Karriere: Die Vorbereitung auf den Draft. Da er noch Kurse abschließen musste, konnte er sich nicht auf einem der Camps im Süden vorbereiten - Höller arbeitete mit seinen Coaches und in den Einrichtungen der UMass. Die für sich betrachtet natürlich noch immer hohe Standards mitbringen.
"Es ist für Europäer einfach unbegreiflich wie professionell ein Hochschulsport betrieben werden kann. Das sind unvorstellbare Dimensionen", erzählte Jänsch und führte weiter aus: "Die Einrichtungen sind unfassbar beeindruckend. Aber auch die Sportler sind sehr beeindruckend. In Deutschland bin ich mit meinen 1,85 Metern eigentlich immer einer der Größeren. Im Locker Room von UMass kommt man sich jedoch vor wie ein kleiner Zwerg, wenn da zwei Meter große D-Liner und Tight Ends an einem vorbei gehen."
Höller erarbeitete mit seinem Krafttrainer einen konkreten Plan, da es ein Winter mit vergleichsweise wenig Schnee war, konnte er auch auf dem Feld arbeiten. "Unter dem Strich", fasste er zusammen, "habe ich ganz normal trainiert und zusätzlich Dinge wie "Speed-Tage", bei denen der Fokus auch auf der Technik lag, eingeschoben. Drei, vier Wochen vor dem Pro Day bin ich beim Bankdrücken mehr Richtung 100-Kilo-Test gegangen und habe die anderen Drills so gemacht. Beim Pro Day selbst war es tatsächlich sogar besser als ich erwartet hatte."
Dass es letztlich nicht geklappt hat - das merkt man ihm an - hat für Höller keine Welt zusammenstürzen lassen. Stattdessen bleibt sein Fazit pragmatisch: "Ich selbst dachte mir, dass ich in 20, 30 Jahren meinen Kindern und hoffentlich irgendwann meinen Enkelkindern sagen will, dass ich es versucht und alles gegeben habe. Darauf kann ich viel stolzer sein als wenn ich es gar nicht erst versucht hätte."
Der nächste Football-Film kommt bestimmt!
Und das Feedback für den Film? "Teilweise wurde ich schon gefragt, ob und wann ein nächster Teil rauskommt. Der wäre dann natürlich nicht mehr über mich. Die Medienpräsenz war schon etwas größer als sonst. Aber das Drumherum hat mich nicht wirklich beeinflusst. Manchmal, wenn ich beim Football war, haben mich die Leute darauf angesprochen. Aber das Feedback war durchaus positiv", berichtete Höller.
Er selbst spielt aktuell übrigens wieder in Köln bei den Crocodiles - neben seinem Studium in Tübingen. Losgelassen hat ihn das Football-Fieber mitnichten, auch die Ex-Kollegen schaut er sich gerne noch an, auch wenn er zugibt: "Das tut manchmal auch weh, man kennt 80 Prozent der Jungs genau, weiß, welchen Spielzug sie jetzt spielen - und ärgert sich umso mehr, dass man selbst nicht dabei ist. Wenn sie verlieren, weißt du haargenau, was da jetzt abgeht; das ist schon ein sehr mulmiges Gefühl und tut auch weh, das muss ich ehrlich sagen."
Klar ist schon jetzt, dass es nicht die letzte Football-Doku der beiden Filmemacher gewesen sein soll. "Wie schon angesprochen hat uns das Football-Fieber schon länger gepackt. Wir planen definitiv schon weiter, aber sind im Moment noch fleißig und geben den Leuten bald bekannt, was es genau ist. Es wird definitiv wieder um Football gehen und einen deutschen Bezug wird es auch geben", kündigte Fabian Jänsch gegenüber SPOX an.
Nico Baumbach machte es noch spannender: "Es gibt bald Neuigkeiten!"