Eines vorneweg: Grundsätzlich sollten Teams in der NFL, die eine reelle Chance auf eine Lombardi Trophy sehen, mutig und aggressiv vorgehen. Titelfenster in der NFL sind meist nur unglaublich kurz geöffnet - mit den Patriots als die allseits bekannte Ausnahme -, dafür sorgen Salary Cap, das Draft System und die generell enge Leistungsdichte vor allem an der Spitze. Insbesondere in den Playoffs mit nur einem Spiel statt einer Serie oder zumindest Hin-und Rückspiel ist der ganz große Erfolg kaum planbar.
Was Teams jedoch machen können, ist, die Wahrscheinlichkeit auf den Einzug in den Super Bowl und letztlich die Chance auf den Gewinn des Titels zu maximieren.
Die Vikings haben deshalb genau richtig gehandelt, als sie sich vor einigen Wochen Kirk Cousins geholt haben. Das mag finanziell bedingt mittelfristig einen oder zwei Defense-Starter kosten, doch ist dieses Team jetzt bereit für den ganz großen Wurf - vorausgesetzt, man hat den Quarterback in Position. Cousins gibt Minnesota die höchste Wahrscheinlichkeit auf Erfolg in unmittelbarer Zukunft.
Die Rams waren in puncto Gesamtkader noch nicht so weit, sahen sich nach dem Division-Titel in der vergangenen Saison aber nahe genug dran an der Ligaspitze, dass man sich für die aggressivste Offseason der vergangenen Jahre entschied: Mit Aqib Talib, Marcus Peters und Ndamukong Suh wurde die Defense nicht nur prominent, sondern auch mit einem interessanten Plan verstärkt. Jetzt war mit Brandin Cooks auch die Offense an der Reihe; und mit einem Erstrunden-Pick ließen sich die Rams das auch einiges kosten.
Rams: Cooks-Trade ein zu aggressiver Schritt
Dieser Trade beseitigt auch allerletzte Zweifel daran, dass L.A. 2018 als seine Chance auf den Titel sieht. Er zeigt aber auch ein in diesem Fall zu aggressives Vorgehen, und das gleich aus zweierlei Hinsicht.
Brandin Cooks ist ein guter Receiver, mitunter ein sehr guter sogar. Nicht umsonst haben die Patriots erst im Vorjahr selbst einen Erstrunden-Pick bezahlt, um Cooks aus New Orleans loszueisen. Doch leisten sich die Rams hier einen teuren Luxus. Man hat im Vorjahr schon einen Zweitrunden-Pick für Sammy Watkins bezahlt, nur um ihn dann nach einem Jahr via Free Agency zu verlieren. Jetzt legt man einen Erstrunden-Pick für Cooks obendrauf.
Die Offense von Sean McVay benötigt schematisch einen Speed-Deep-Receiver, Watkins und jetzt auch Cooks sind das. Doch hat Goff in der vergangenen Saison konstante Probleme offenbart, wenn es darum ging, Watkins Downfield zu finden und dann auch zu treffen. Das wird mit Cooks nicht auf Knopfdruck besser werden.
Vor allem aber ist das tatsächliche Deep-Passing-Game der Rams unter McVay eine primär schematische Angelegenheit. Spieler werden über Route-Kombinationen und gezieltes Attackieren einzelner Defense-Bereiche frei taktiert, mit anderen Worten: Einen Big-Play-Receiver wie Cooks "braucht" es so gesehen gar nicht. Und um das Speed-Element in der Offense zu erfüllen, hätte man sich auch für viel weniger Geld und ohne Pick-Preis etwa einen Mike Wallace verpflichten oder sich in den mittleren Runden im Draft einen Receiver holen können.
Die Rams-Trades in diesem Jahr:
Spieler | abgebendes Team | aufnehmendes Team | Preis |
Cornerback Marcus Peters | Kansas City Chiefs | Los Angeles Rams | Zweitrunden-Pick 2019; Viertrunden-Pick 2018 - Rams erhalten zusätzlich Sechstrunden-Pick 2018 |
Defensive End Robert Quinn | Los Angeles Rams | Miami Dolphins | Viert- und Sechstrunden-Pick 2018 - Dolphins erhalten zusätzlich Sechstrunden-Pick 2018 |
Linebacker Alec Ogletree | Los Angeles Rams | New York Giants | Viert- und Sechstrunden-Pick 2018 - Giants erhalten zusätzlich Siebtrunden-Pick 2019 |
Wide Receiver Brandin Cooks | New England Patriots | Los Angeles Rams | Erst- und Sechstrunden-Pick 2018 - Rams erhalten zusätzlich Viertrunden-Pick 2018 |
Cornerback Aqib Talib | Denver Broncos | Los Angeles Rams | Fünftrunden-Pick 2018 |
Rams-Aussichten: 2018 top - danach Fragezeichen
Stattdessen sind die Rams jetzt komplett All-In für 2018. Nach der Saison werden Suh und eben auch Cooks - weshalb die Pats bereit waren, sich schon wieder von ihm zu trennen: die Vorstellungen waren weit auseinander - Free Agents, Talib ist dann 33 Jahre alt und in der Offensive Line dürfte es dann an der Zeit sein, Andrew Whitworth zu ersetzen.
Dabei darf man nicht vergessen, dass es gerade zwei Jahre her ist, dass die Rams einem Monster-Trade für Jared Goff mit den Tennessee Titans zugestimmt hatten: Neben dem Tausch der Erstrunden-Picks 2016 erhielt Tennessee zwei Zweitrunden- und einen Drittrunden-Pick 2016 sowie den Erst- und Drittrunden-Pick 2017. L.A. "verlor" also fünf hohe Picks, aus denen man als Team mehrere Starter erwarten würde.
Dieses Spiel geht jetzt weiter. Die Rams haben in diesem Jahr ihren Erst- (Cooks), Zweit- (der Watkins-Trade aus dem Vorjahr), Viert- (Marcus Peters) und Fünftrunden-Pick (Aqib Talib) abgegeben. Mit anderen Worten: L.A. fehlen perspektivisch betrachtet mehrere Starter, die vier beziehungsweise fünf Jahre lang kostengünstig unter dem Rookie-Vertrag spielen.
NFL: Patriots gehen den anderen Weg
Jetzt All-In zu gehen ist philosophisch der richtige Move für die Rams, ganz besonders vor dem Hintergrund, das Goff und Gurley noch unter ihren Rookie-Verträgen spielen. Vor allem die Zeit, in welcher der Starting-Quarterback noch seinen Rookie-Vertrag hat, muss ein Team ausnutzen und die Rams machen genau das. Die Cooks-Verpflichtung allerdings hat, während defensiv vergleichsweise vernünftig und effizient investiert wurde, nicht nur in Kombination mit dem Watkins-Trade einen zu hohen Preis.
Die Rams laufen jetzt ernsthaft Gefahr, in mutmaßlich zwei Jahren vor einem ernsthaften Umbruch zu stehen, für den es dann an Nachschub aus dem Draft mangelt. Bis dahin, und das steht außer Frage, haben sie ihre kurzfristige Chance auf den Titel voll maximiert. Und, das muss man auch festhalten, sollte es tatsächlich mit dem Titel klappen, werden die Rams gerne anschließend einen kleinen Umbruch in Kauf nehmen.
Das Risiko dabei ist aber extrem hoch und in Cooks' Falle unnötig hoch. Nur wenige Teams hatten in den vergangenen Jahren wirklich großen Erfolg, wenn sie sich in der Free Agency mehrere Leistungsträger eingekauft oder via Trade geholt haben. Die Broncos mit ihrer Free Agency 2014 und dann dem Titel 2015 wären wohl das prominenteste Beispiel dafür, doch hat sich auch Denver seine Defense-Runderneuerung in der Free Agency Geld und keine Reihe an hohen Picks kosten lassen.
Beim Cap - hier steht L.A. aktuell für 2018 und 2019 sehr gut da - kann man auf die eine oder andere Art etwas Raum schaffen. Fehlt aber der Talentnachschub, wird das früher oder später ein ernsthaftes Problem. Spätestens, wenn Gurley, Goff, Lamarcus Joyner und Aaron Donald ihre neuen Verträge haben und man sich von einigen Leistungsträgern trennen muss.
New England indes geht den genau anderen Weg: Die Patriots - ihrerseits ebenfalls ohne Frage noch im Win-Now-Modus und angesichts von Bradys Alter vielleicht noch eher als die Rams - haben jetzt vier Picks in der Top-63, nachdem die Pats selbst in den vergangenen Jahren mehrere hohe Picks weg getradet hatten. Das gibt New England die Chance, sich im Draft für die Zukunft aufzustellen. Möglicherweise ist es aber auch der Versuch, nach Jimmy Garoppolo einen weiteren Brady-Erben zu finden.