Böhringer wird bei den Cincinnati Bengals als Tight End gelistet, der Deutsche hat den Positionswechsel in den vergangenen Wochen spezifisch vorbereitet. Mit den Bengals gab es schon vorher einige Berührungspunkte, Böhringer blickt im Gespräch mit SPOX optimistisch auf seine NFL-Chancen auf der neuen Position.
SPOX: Herr Böhringer, es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass wir uns das letzte Mal unterhalten haben - wie ging es für Sie direkt nach der Entlassung in Minnesota weiter?
Moritz Böhringer: Ich bin zunächst in Minnesota geblieben und habe dort trainiert, für mich selbst. Anschließend bin ich noch für ein paar Wochen nach Houston und habe dort trainiert. Anfang Januar schließlich kam ich hier her nach Florida, zu IMG, und bin seither hier.
SPOX: Also waren Sie die komplette Saison über in den USA?
Böhringer: Kurz über Weihnachten war ich daheim, über die Feiertage und für Neujahr. Ansonsten aber schon, ja.
SPOX: War es für Sie somit direkt nach dem Ende in Minnesota klar, dass Sie es weiterhin in der NFL versuchen wollen?
Böhringer: Ja, auf jeden Fall. So lange irgendein Team Interesse hat, würde es ja keinen Sinn machen, aufzuhören. Und ich war mir eigentlich relativ sicher, dass ich irgendwo noch eine Chance bekommen würde.
SPOX: Seit wann sind Sie konkret in dem International Pathway Programm der NFL? Gehört das gesamte Training seit Anfang Januar in Florida dazu? Und wie kann man sich den Rekrutierungsprozess der Liga dabei vorstellen?
Böhringer: Genau, im Januar hat das begonnen, seitdem bin ich im Programm. Die NFL hat mich gefragt, ob ich bei dem Programm mitmachen will - und ich habe schnell zugestimmt. Da gibt es ja keine wirklichen Nachteile für mich. Anschließend bin ich direkt zum Training nach Florida geflogen und vor knapp einem Monat war ich dann beim Pro Day in Tampa dabei.
SPOX: Wie schnell ging das alles? Wie schnell mussten Sie sich entscheiden?
Böhringer: Etwa einen Monat vorher hat sich das alles entwickelt, ungefähr Ende November wurde der Kontakt hergestellt. Da war direkt klar, dass ich im Januar loslegen müsste, aber ich habe schnell zugesagt.
NFL: Wer sind die NFL-Pathway-Spieler 2018?
Spieler (Herkunftsland) | Position | Team |
Moritz Böhringer (Deutschland) | Tight End | Cincinnati Bengals |
Christopher Ezeala (Deutschland) | Fullback | Baltimore Ravens |
Tigie Sankoh (UK) | Defensive Back | Cleveland Browns |
Christian Scotland-Williamson (UK) | Tight End | Pittsburgh Steelers |
Moritz Böhringer über Training, Pathway und Tight-End-Umschulung
SPOX: Dabei wurden Sie und die anderen Prospects innerhalb des Programms auch von einem Kamera-Team begleitet, ist das korrekt? Was hat es damit auf sich?
Böhringer: Ja, das stimmt. Die NFL hat alles vor Ort gefilmt, daraus soll eine Dokumentation entstehen. Wann genau die veröffentlicht wird, weiß ich allerdings nicht. [Ergänzung d. Red.: Die NFL hat nach Rücksprache bestätigt, dass die Dokumentation "NFL Undiscovered" im Juli veröffentlicht wird.]
SPOX: Wie lief das Training in den vergangenen Wochen dann ab? Wurden Sie konkret auch inhaltlich auf etwas vorbereitet oder waren das eher allgemeine Workouts?
Böhringer: Wir hatten am Morgen immer Speed- und Agility-Training, das also war schon spezifische Vorbereitung auf den Pro Day. Anschließend hatten wir Football-Session, wo positionsspezifische Dinge trainiert wurden - beispielsweise Routes laufen, Fußarbeit und Blocking. Auch Special Teams und Tackling wurde trainiert, gewissermaßen also das Gesamtpaket, um sich als Football-Spieler weiter zu entwickeln.
SPOX: Wo sehen Sie sich dann jetzt im Moment, im Vergleich etwa zu damals, als Sie in die Liga kamen? Ich erinnere mich, dass Sie mir damals gesagt haben, dass Sie gar nicht wussten, was Sie alles mit dem Rummel erwartet und eben auch, was das Spielerische angeht. Wo sehen Sie sich vor diesem Hintergrund jetzt?
Böhringer: Ich bin auf jeden Fall auf einem viel höheren Niveau, auch was das ganze Spielverständnis angeht. Wir haben auch gemeinsam immer Tape geschaut, um uns dort zu verbessern und auch die taktischen Aspekte und Coverages besser zu verstehen. Im Prinzip war es ein dreimonatiges Football-Bootcamp. Das hat mich definitiv deutlich weitergebracht.
SPOX: Bei den Cincinnati Bengals werden Sie jetzt als Tight End, nicht mehr als Wide Receiver, gelistet. Wie kam die Entscheidung für den Positionswechsel zustande?
Böhringer: Vor allem aufgrund der Matchups. Ich war ja eh ein großer, schwerer Receiver, da war es für mich nicht so schwierig, noch etwas Gewicht drauf zu packen. Als Tight End gibt es im Passspiel bessere Matchups, gegen Linebacker und Safeties, da kann ich mit meiner Geschwindigkeit und Größe besser beikommen.
NFL: Böhringer über Blocking und die Cincinnati Bengals
SPOX: Blocking ist dabei natürlich ein deutlich größerer Aspekt - ich vermute, daran haben Sie dann in den vergangenen Monaten auch spezifisch gearbeitet?
Böhringer: Genau, ich habe dafür unter anderem konkret mit den Offensive Linemen trainiert und viel am Blocking gearbeitet. In der GFL musste ich das nicht wirklich machen, vor allem nicht an der Line, also als In-Line-Blocker - wenn dann eher als Receiver außen. Aber Blocken generell ist auch mehr eine Frage des Willens und danach, wie aggressiv man ist. Die Technik bekommt man relativ schnell hin.
SPOX: Und würden Sie sagen, dass Sie sich als Blocker inzwischen wohlfühlen?
Böhringer: Ja, und auf jeden Fall viel mehr als noch am Anfang.
SPOX: Seit wann wussten Sie, dass Sie innerhalb des Pathway Programms einem Team "zugeteilt" werden? Wussten Sie das von Anfang an oder kam das erst später raus?
Böhringer: Wir wussten irgendwann im Laufe des Trainings, dass wir zu einem Team kommen würden. Anfangs waren wir noch mehr, ich glaube sechs Jungs. Dann hat sich irgendwann herauskristallisiert, wer zu einem Team kommen würde und auch die Division wussten wir dann. Aber das konkrete Team haben wir erst am Montag ... (überlegt) nein, am Dienstag erfahren.
SPOX: Also als es die Öffentlichkeit auch erfahren hat!
Böhringer: Genau! (lacht)
SPOX: In der Redaktion haben wir darüber diskutiert, wie konkret die Regeln aussehen - Sie können innerhalb des Programms in den 53er Kader berufen werden, oder?
Böhringer: Ganz genau. Nur wenn ich ins Practice Squad kommen würde, würden die Bengals einen zusätzlichen Practice-Squad-Platz von der Liga erhalten und dann wäre ich da gelistet.
Cincinnati Bengals: Böhringer über die nächsten Schritte
SPOX: Wann stoßen Sie dann zum Team? Wann geht's nach Cincinnati?
Böhringer: Das Rookie-Minicamp startet nächste Woche Donnerstag, vermutlich fahre ich am Dienstag oder am Mittwoch nach Cincinnati. Danach OTAs, dann Training Camp - das volle Programm!
SPOX: Und in der Preseason dürfen Sie auch ganz regulär spielen?
Böhringer: Ja. Der Anfang über die kommenden Wochen und Monate ist ganz normal, wie bei jedem Spieler, als würde es das Programm nicht geben.
SPOX: Ziehen Sie jetzt auch direkt komplett nach Cincinnati?
Böhringer: In Minnesota war es so, dass wir am Anfang eine Unterkunft gestellt bekommen haben, bis zum Training Camp. Anschließend musste man sich selbst etwas suchen. Ich denke, dass das in Cincinnati ähnlich sein wird. Also werde ich es erst einmal so machen, eventuell ist zwischendurch auch noch ein kurzer Abstecher nach Deutschland drin, wenn ich Zeit habe. (lacht)
SPOX: Gab es schon Kontakt mit dem neuen Team? Hat einer der Coaches Sie bereits kontaktiert?
Böhringer: Ja, der Head Coach hat mich am Dienstag angerufen, da haben wir uns ein bisschen unterhalten. Außerdem war ich ja ohnehin schon vorher in Cincinnati: Mit den Vikings hatten wir eine gemeinsame Trainingseinheit mit den Bengals und als ich von den Vikings entlassen wurde, war ich nochmals in Cincinnati, für ein Workout. Dementsprechend kenne ich die Coaches bereits ein bisschen.
SPOX: Aber mit den Spielern gab es bisher noch keinen Kontakt?
Böhringer: Nein, noch nicht - aber das kommt ja jetzt ganz schnell, wenn ich im Minicamp dabei bin.
SPOX: Zum Abschluss: Wie schätzen Sie Stand heute Ihre Chancen ein? Natürlich ist das schwierig zu prognostizieren, ich weiß - aber sehen Sie Ihre Chancen jetzt als Tight End beispielsweise größer?
Böhringer: Ja, das denke ich schon. Ich glaube, dass meine athletischen Fähigkeiten besser zu der Position passen und mich zu einem der potentiell athletischsten Tight Ends der ganzen Liga machen. Obwohl ich an Gewicht zugelegt habe, war ich bei den Tests, bei den Werten - etwa bei der Geschwindigkeit - auf dem gleichen Level wie vorher. Insofern denke ich, dass ich da eine größere Chance habe, mich frei zu laufen und letztlich eben auch Plays zu machen.