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Die Packers, die Panthers, die Seahawks und die Vikings: einige der Top-Teams könnten 2018 offensiv ein ganz anderes Gesicht präsentieren. Klare Umbrüche in der Philosophie, neue Coaches, neue Spieler - alle vier Teams könnten in einem halben Jahr schematisch deutlich verändert daherkommen.
Wie konkret könnte das aussehen? Welche neuen Ideen erhalten Einzug, wo wird an der grundsätzlichen Scheme-Philosophie gefeilt? In der neuen "Third and Long"-Ausgabe werden diese vier Teams, die allesamt mit neuem Offensive Coordinator unter altem Head Coach an den Start gehen, genauer analysiert.
Einige der ligaweit neuen Offenses wurden dementsprechend hier nicht berücksichtigt, weil sie bereits in den vergangenen Wochen ausführlicher erklärt wurden. Konkret gemeint sind:
- Die Teams mit neuen Head Coaches wie etwa Chicago, Arizona, Tennessee oder Oakland.
- Die Teams mit neuem Offensive Coordinator und Erstrunden-Quarterbacks, also die Jets, Bills und Browns.
Analyse: Seattle Seahawks
Neuer Offensive Coordinator: Brian Schottenheimer.
Bisherige Prägung: Air Coryell und eine Mischung aus Power und Outside Zone Run Game.
In einem Satz: Ein vertikales Passspiel mit überdurchschnittlich viel Play Action, ergänzt durch ein Run Game, welches die Defense in die Breite zieht.
Analyse: Wenn es in der heutigen NFL um die Frage nach Sieg oder Niederlage geht, ist das Passspiel der maßgebliche Faktor. Da ist die folgende Aussage Schottenheimers vor ein paar Tagen durchaus kritisch zu hinterfragen: "Meine Offenses waren immer dann am stärksten, wenn wir den Ball in den Momenten laufen konnten, in denen die Defense einen Run erwartet hat. Und wir konnten Pässe anbringen, wenn die Defense einen Pass erwartet hat. Das gibt einem einfach die Balance, die man für Erfolg braucht."
Dazu ein klares: Sind Sie sicher, Herr Schottenheimer? Eine gute Balance ist garantiert kein Nachteil und ein dominantes Run Game bringt einige Vorteile mit sich - etwa die größere Kontrolle über die Uhr und damit verbunden eine Entlastung für die eigene Defense. Auch kann es einer Defense sehr wohl Schwierigkeiten bereiten, wenn die Offense in ihren Run-Formationen vielseitig ist und so die Defense dazu bringt, häufiger eine Base-Defense als ein Sub-Package aufs Feld zu schicken.
Allerdings, und das kann man nicht häufig genug betonen, gibt es statistisch keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen gutem Passspiel und gutem Run Game, genau wie es keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen einem guten Run Game und einem effizienten Play-Action-Passspiel gibt.
Bei Letzterem geht es einzig darum, wie gut der Fake verkauft wird; Verteidiger lesen in diesem Sekundenbruchteil bestimmte Bewegungen und können nicht darüber nachdenken, ob das Run Game des Gegners eigentlich in der Gesamtanalyse eine Gefahr darstellt.
Und dennoch, das hatte Head Coach Pete Carroll schon letztes Jahr betont, soll das Run Game auch quantitativ wieder eine größere Rolle einnehmen - was zumindest in der Vorsaison nicht klappte. Die Seahawks waren 2017 ein teilweise historisch schlechtes Rushing-Team. Ein Beispiel: Die Seahawks hatten in der Vorsaison 23 Runs innerhalb der gegnerischen 10-Yard-Line - für insgesamt 0 Yards. Zum Vergleich: 31 Spieler kamen ligaweit in diesem Bereich individuell auf mindestens 20 Rushing-Yards. 50 Runs für Minus-Yards hatten die Seahawks 2017. Das sind Blocking- und Scheme-Probleme, keine Running-Back-Probleme.
Seahawks: Rushing-Stats über die vergangenen Jahre:
Jahr | Run-Versuche | Liga-Platzierung Runs | Yards pro Run |
2017 | 409 | 20 | 4,0 |
2016 | 403 | 20 | 3,9 |
2015 | 500 | 3 | 4,5 |
2014 | 525 | 2 | 5,3 |
2013 | 509 | 2 | 4,3 |
2012 | 536 | 1 | 4,8 |
2011 | 444 | 15 | 4,0 |
Schottenheimers Verpflichtung passt zu Carrolls Wunsch. Schon bei seinen vergangenen NFL-Stationen arbeitete er bei den Jets und den Rams unter Head Coaches, die auf Defense und Run Game setzen. Auch der unerwartet hohe Draft-Pick, den Seattle in Running Back Rashaad Penny investierte, passt in diese Theorie: Penny ist nicht nur ein 3-Down-Back, er ist auch einer der besten Contact-Runner der diesjährigen Draft-Klasse. Ein Element, das die Offense mit Marshawn Lynch so stark machte.
In jedem Fall wird sich die generelle Herangehensweise verändern, wo in Seattle in den vergangenen Jahren das Zone Blocking dominierte, werden unter Schottenheimer deutlich mehr Power-Elemente Einzug erhalten. Und auch im Passspiel könnte es eine 180-Grad-Drehung geben: Seattles Passing Game war über die vergangenen Jahre konstant in der West Coast Offense geprägt - Schottenheimer bringt gewissermaßen den gegensätzlichen Ansatz dazu mit.
In der Air Coryell Offense ist der vertikale, lange Pass die oberste Priorität, in der West Coast Offense bauen die meisten Konzepte auf horizontalen Pässen auf. Schottenheimer, unter dem außerdem das Play-Action-Spiel und Pre-Snap-Motion - gute Aussichten für Wilson - hoch gehen dürften, setzt gerne auf lange Routes und tiefere Route-Kombinationen. Das setzt natürlich die Offensive Line unter Druck, da diese Pässe tiefere Dropbacks des Quarterbacks und somit auch längere Zeit bis zum Pass erfordern.
Nach wie vor stecken in Seattles Line durchaus beachtliche Ressourcen, jetzt wird sich zeigen, ob das Coaching in den vergangenen Jahren wirklich das Problem war - oder ob es ein Talent-Problem ist. Zu Wilson und dem Receiving Corps sollte das neue Passspiel passen: Doug Baldwin ist einer der gefährlichsten Downfield-Slot-Receiver, Tyler Lockett eine explosive Speed-Waffe. Beides passt zu einem vertikaleren Ansatz, und dass der lange Pass eine der Stärken Wilsons ist, ist kein Geheimnis.
Analyse: Carolina Panthers
Neuer Offensive Coordinator: Norv Turner.
Bisherige Prägung: Klassische Air Coryell Schule.
In einem Satz: Vertikales Passspiel in dem der Running Back und der Tight End prominente Rollen haben, sowie ein Power Run Game.
Analyse: Wenn man die Air Coryell Offense auf ihre Basiselemente runterbrechen will, könnte man mit diesen Punkten starten:
- Ein vertikales Passspiel mit vielen Downfield-Pässen und tiefen Dropbacks für den Quarterback.
- Ein Power Run Game, welches die durch die vertikalen Routes geschaffenen Räume ausnutzen soll.
- Ein Fokus auf das Play Action Passspiel, um beides zu verbinden.
- Ein Tight End als Downfield-Receiver.
Die älteren Cowboys-Fans können bestätigen, dass diese Elemente exakt das Grundgerüst der Turner-Offense beschreibt. Anfang der 90er Jahre verpasste Turner der Cowboys-Offense eine Generalüberholung, Big Plays im Passspiel ebneten den Weg für Emmitt Smith und das Power Run Game: Vor jenen Cowboys-Teams hatte noch kein Team den Super Bowl gewonnen, das den Leading-Rusher dieses Jahres in seinen Reihen hatte; Turner und Smith änderten das.
Direkt fallen zwei Dinge auf: Cam Newtons Stärke ist das Downfield-Passing-Game. Er wird nie ein konstant akkurater Kurzpass-Quarterback sein, ein Passspiel rund um viele lange Pässe herum aufzubauen macht also definitiv Sinn. Darüber hinaus legen die Panthers seit Jahren einen Fokus auf ihr Power Run Game. Es war auch in der fast perfekten 2015er Saison ein zentrales Element dieses Teams, in Kombination mit Newtons Rolle als Runner kann es eine gefährliche Waffe sein.
Hier allerdings wartet auch prompt das erste große Fragezeichen: Wie genau wird Turner Newton einsetzen? Seine Qualitäten im Run Game sind ohne Frage eine seiner besten Eigenschaften und ein Weg, wie Newton konstant Spiele zugunsten der Panthers beeinflussen kann. Seine 5,4 Yards pro Run in der Vorsaison bei 139 Carries sind ein ligaweiter Spitzenwert. Turner ließ zumindest durchblicken, dass er Newton ebenfalls intensiv als Runner einsetzen wird - das würde dem Norv-Turner-Scheme, wie wir es bisher kennen, eine neue Dimension geben.
Auch wenn man sich weiter mit dem Kader und den Idealvorstellungen von Turner beschäftigt, findet man gute Fits. Ein Problem war die Tatsache, dass Christian McCaffrey nicht nur in Pass-Protection große Probleme hatte, sondern auch bei den Power-Runs viel zu wenig zeigte. Der nach seiner Entlassung in Denver verpflichtete C.J. Anderson soll hier jetzt helfen, während McCaffrey eine Darren-Sproles-ähnliche Rolle - Sproles hatte einst bei den Chargers unter Turner gespielt - einnehmen könnte.
Darüber hinaus will Turner einen Tight End, der vertikale Routes läuft und eine echte Bedrohung im Passspiel ist; Greg Olsen ist genau das, und dahinter steht mit Rookie Ian Thomas eine weitere Option für exakt diese Rolle zur Verfügung. Ein anderer großer Vorteil: Rob Chudzinski brachte Turners grundsätzliche Philosophie und vor allem die Terminologie 2011 und 2012 mit nach Carolina. Seither hat sich die Offense verändert, wie Turner selbst aber feststellte, ist die Sprache in weiten Teilen identisch geblieben. Das sollte den Lernprozess erheblich beschleunigen.
Und dann ist da noch die Frage, welche Anpassungen Turner zusätzlich zum laufenden Quarterback vornimmt - hier kann man zumindest ein wenig spekulieren. Die Air Coryell Offense hat immer Elemente eingebaut, um kürzere Raumgewinne zu erzielen. Das soll einerseits die Räume ausnutzen, die das vertikale Passspiel schafft, andererseits soll es auch verhindern, dass sich die Defense zu sehr auf die Downfield-Routes konzentriert.
Zu einem nicht unerheblichen Teil gehört dem Power Run Game diese Rolle, doch auch Underneath-Routes sind hier ein wichtiges Mittel. Turner könnte diesen einen größeren Fokus einräumen: Einmal durch McCaffrey selbst, aber auch Curtis Samuel ist in diesem Bereich des Feldes zuhause.
Und dann ist da der Erstrunden-Pick dieses Jahres, entschieden sich die Panthers doch gegen einen großgewachsenen, physischen Receiver und stattdessen für D.J. Moore; Moore hat die Geschwindigkeit für die tiefen Routes, kann aber auch im Slot eingesetzt werden, und wird eher mit seinem Route-Running Separation kreieren. Ein klares Umdenken im Vergleich zu den Kelvin-Benjamin/Devin-Funchess-Jahren.