NFL: Gewinner und Verlierer der Preseason: Browns, Luck, Raiders und Co.

Von Adrian Franke
03. September 201808:58
SPOX zieht nach vier Wochen Preseason-Football Bilanzgetty
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Die Preseason und die großen Kader-Cuts liegen hinter uns - Zeit für ein Zwischenfazit, bevor es schon bald in der Regular Season endlich richtig zur Sache geht! Die Cleveland Browns und die New York Jets befinden sich dabei in ungewohntem Terrain, die Raiders und Chiefs stehen mit so einigen Fragezeichen da. Die begleiten auch nach wie vor die Indianapolis Colts - dennoch gehen sie in Indianapolis mit einem guten Gefühl in die Saison.

NFL Preseason Gewinner

Andrew Luck, QB, Indianapolis Colts

Ganz Indianapolis war nach dem Drama des Vorjahres und der schweren Verletzung gespannt, wie sich Andrew Luck in der Preseason präsentieren würde. Unter dem Strich muss man sagen: Viel besser hätte es angesichts der Umstände wohl kaum laufen können.

Luck wirkte von Woche zu Woche sicherer, die Pässe wurden tiefer, die Zeit in der Pocket länger und die Scrambles mutiger. Man konnte förmlich sehen, wie er mit jedem Spiel und jedem Hit den er einsteckte selbstbewusster wurde.

Die Offensive Line der Colts gibt - trotz der Verbesserungen - noch immer berechtigten Grund zur Sorge, wenn man sich die Preseason-Auftritte anschaut. Lucks Entwicklung aber muss in Indianapolis große Hoffnung machen.

Die Cleveland Browns

Den Trainerstab in Cleveland darf man noch immer überaus kritisch hinterfragen und hier sind Änderungen in der unmittelbaren Zukunft nach wie vor alles andere als unwahrscheinlich. Kann Hue Jackson, in einer etwas zurückgezogenen Rolle das Team wirklich managen? Kann Gregg Williams eine junge Defense wirklich formen und taktisch auch richtig einstellen?

Doch was die Team-Zusammenstellung und den Kader angeht waren die Zeiten in Cleveland schon lange nicht mehr so optimistisch. Dass Myles Garrett ein Pass-Rush-Monster ist und nach einer sehr guten Rookie-Saison nochmals einige Schippen drauflegen könnte, ist eine klare Erkenntnis. Dass Josh Gordon auf einem guten Weg zu sein scheint und Cleveland zum Saisonstart zur Verfügung steht eine andere.

Vor allem aber haben die Browns die beste Quarterback-Situation seit Jahren. Tyrod Taylor gibt Cleveland eine verlässliche, sichere Option. Die Turnover sollten im Vergleich zur letzten Saison dramatisch runter gehen, das alleine wird Cleveland aufgrund der Qualität im Kader einige Siege bescheren. Baker Mayfield dahinter sieht aus, als könnte er wirklich die langfristige Antwort sein, während Joel Bitonio offenbar erfolgreich von Guard auf Tackle wechselt und so Joe Thomas ersetzt.

Die Browns sollten eine gefährliche Defense, ein solides Passspiel, eine überdurchschnittliche Line und spannende Running-Back- und Receiver-Corps haben. Ein ordentlicher Sprung nach 0-16.

Teddy Bridgewater, QB, New Orleans Saints

Vor fast auf den Tag exakt zwei Jahren zum gleichen Zeitpunkt war sich niemand sicher, ob Teddy Bridgewater jemals wieder Football spielen kann - oder ob er nach der brutalen Knieverletzung im Training möglicherweise sogar sein Bein verliert.

Dementsprechend schwierig war der Free-Agency-Markt für ihn, deshalb ließ Minnesota ihn auch zwei Jahre nach der Verletzung gehen. In den vergangenen Wochen dann nutzte Bridgewater die Preseason, um sich mehr als eindrucksvoll zurück zu melden.

Was soll man sagen? Bridgewater war DIE positive Überraschung dieser Preseason, er bewegte sich sehr rund und sicher in der Pocket, zeigte seine gewohnte Antizipation und seine Genauigkeit im Passspiel und war - bei allem Sam-Darnold-Hype - der beste Quarterback in New York.

Belohnt wurde er schließlich mit einem Trade zu den New Orleans Saints, die einerseits jetzt den besten Backup-Quarterback der Liga haben, sollte sich Drew Brees verletzen - und möglicherweise auch eine langfristige Lösung, falls sie die Verträge hinbekommen. Der Sprung von Norv Turners Offense in Minnesota, mit tiefen Dropbacks und einer schlechten Line, zu Sean Paytons kreativer West-Coast-Offense in New Orleans mit einer der besten Lines, könnte sich für Bridgewater so richtig auszahlen.

Es war gleichzeitig auch die Belohnung für...

Die New York Jets

Der Draft-Trade nach oben war ein enormes Risiko, die Rechnung der Jets ging - dank des Barkley-Picks der Giants - voll und ganz auf: Gang Green bekam seinen Wunsch-Quarterback in Sam Darnold und dessen Auftritt insbesondere im dritten Preseason-Spiel hat den Weg für den Starting-Spot wohl endgültig geebnet.

New York hat noch immer riesige Fragezeichen, vor allem was die Offensive Line und den Pass-Rush betrifft. Ansonsten aber sollte es eine aggressive Defense mit einer starken Secondary sein; und vor allem ist endlich das Gefühl bei den Jets spürbar, den Franchise-Quarterback gefunden zu haben.

Dabei managte New York die Situation ideal: Josh McCown wurde quasi raus gehalten und rutscht in die Mentoren-Rolle, Bridgewater durfte sich zeigen und durch den Trade bekommen die Jets etwas von dem Draft-Kapital zurück, das sie (letztlich) für Darnold opfern mussten.

Adrian Peterson, RB, Washington Redskins

Nach der wenig überraschenden Entlassung in Arizona stand die Frage schon im Raum: Findet Adrian Peterson noch ein Team? Seine Stärken und Schwächen sind auf die heutige NFL nur noch schwer übertragbar - zwar ist Peterson noch immer ein gefährlicher Runner, im Passspiel aber für ein Team eine große Hypothek. Es besteht immer die Gefahr für ein Peterson-Team, zu ausrechenbar zu werden.

Durch die ausgesprochen bittere Verletzung von Derrius Guice wurde einer der wenigen Plätze, für die Peterson in Frage kam, frei: Ein Power-Runner primär für First und Second Down, der mit einem Pass-Catching-Back - Chris Thompson - kombiniert wird. Das wäre exakt die Rolle von Guice gewesen, jetzt übernimmt sie wohl Peterson.

Dass er noch immer ein sehr guter Runner ist, zeigte er eindrucksvoll, als er wenige Tage nach seiner Verpflichtung direkt für Washington spielte. Hier sollte er Rob Kelley und Samaje Perine hinter sich lassen können, und falls die Redskins in Spiele kommen, in denen sie 20, 25 Mal laufen wollen, ist Peterson der richtige Mann.

Alfred Morris, RB, San Francisco 49ers

Ähnliche Situation wie bei Peterson - eine Verletzung spült Morris ins Rampenlicht. Durch das unfassbar unglückliche vorzeitige Saisonaus von Jerick McKinnon dürfte Morris zumindest der First- und Second-Down-Back in San Francisco werden - in Kyle Shanahans Offense, die er bereits zumindest in Teilen aus Washington kennt.

Michael Dickson, P, Seattle Seahawks

Punters are people, too. Und es sieht so aus, als hätten die Seahawks einen ziemlich guten Vertreter gedraftet...

NFL Preseason Verlierer

Die Oakland Raiders

Einen Elite-Verteidiger der zur absoluten Liga-Spitze gehört und auf seiner Position einer der zwei, drei besten Spieler ist, den tradet man in seiner Prime nicht. Auch für zwei Erstrunden-Picks nicht. Unter dem Strich können die Raiders nun hoffen, dass sie auch nur einen Spieler bekommen, der halbwegs ein Khalil Mack wird. Und dafür muss Gruden besser draften als zuletzt in Tampa Bay. Das macht man eher weniger, wenn man selbst noch einen Zweitrunden-Pick abgeben muss.

Kein Spieler hatte mehr Quarterback-Pressures als Mack, seitdem der in die Liga gekommen ist; und trotz der absurden Argumentation, dass Oaklands Defense ja auch mit Mack schlecht gewesen wäre, war und wird sie noch viel schlechter ohne ihn sein.

Da flog es schon fast ein bisschen unter dem Radar, dass wenige Stunden nachdem der Trade bekannt geworden war, Martavis Bryant entlassen wurde; jenen Martavis Bryant, den die Raiders erst trotz seiner Vorgeschichte einige Monate davor für einen Drittrunden-Pick aus Pittsburgh geholt hatten.

Zusätzlich dazu gab Jon Gruden noch einen Fünftrunden-Pick aus, um in A.J. McCarron seinen Backup-Quarterback-Spot zu verbessern - in einer Saison, in der es schmerzhaft offensichtlich ist, dass die Raiders nichts mit dem Titel zu tun haben werden.

Oaklands Offseason ging blitzartig von "kurios" zu "desolat" und Raiders-Fans müssen sich schon fragen, ob der mit einem Zehnjahresvertrag ausgestattete Gruden nicht Gefahr läuft, das Team um Jahre zurück zu setzen. Falls das nicht schon passiert ist. Die Beziehungen zu einigen der Leadern innerhalb des Teams, in dem Khalil Mack ein extrem hohes Standing genoss, dürfte zumindest angespannt sein.

Blake Bortles, QB, Jacksonville Jaguars

Respektive die Jaguars selbst. Dieses Team ist defensiv mitten in seinem Titelfenster, das mit Blick auf die Verträge und das Alter einiger Leistungsträger vermutlich noch zwei Jahre geöffnet sein sollte. Die Idee, ein Team, das so zusammengestellt ist wie die Jaguars - mit einer Elite-Defense und einem klaren Fokus auf das Run Game - sein Titelfenster mit Bortles aufs Spiel setzt, ist gelinde gesagt absurd.

Alles was die Jaguars bräuchten ist ein Game Manager, ein Quarterback, der dem Team keine Spiele im Alleingang gewinnt, so lange er im Gegenzug auch keine im Alleingang verliert. Bortles' Turnover-Probleme und generelle Inkonstanz, das hat die Preseason gezeigt, als er wieder mehrfach Underneath-Verteidiger schlicht ignorierte, werden so schnell nicht weg gehen.

Die Chiefs-Defense

Insbesondere Kansas Citys Coverage-Potential, einer der wichtigeren Aspekte von Defenses in der heutigen NFL, wies in der Preseason genauso besorgniserregende wie im Vorfeld befürchtete Lücken auf. Die Starting-Defense der Chiefs ließ in drei Spielen gegen drei Backup-Quarterbacks Touchdowns zu, gegen die Bears hatte Chase Daniel gleich vier Scoring-Drives, drei davon für Touchdowns.

So spektakulär Kansas Citys Offense auch werden könnte, und trotz Patrick Mahomes muss hier erst einmal eine signifikante Steigerung gelingen, wenn man bedenkt, wie gut Alex Smith letztes Jahr als Deep Passer war; so anfällig könnte die Defense werden. Die Chiefs haben das größte Potential für das Shootout-Team der kommenden Saison, was in Kombination mit den Fehlern, die Mahomes fraglos machen wird, ein gefährliches Rezept ist.

Die Buffalo Bills

Ähnlich wie bei den Chiefs bestätigten sich auch bei den Bills eine der düsteren Prognosen: Die Offensive Line wird die ganze Saison über ein riesiges Problem sein, egal wer der Quarterback ist.

Und die Quarterback-Frage selbst ist in der Bewertung selbstverständlich nicht unerheblich. Die Bills dürfen es sich unter keinen Umständen leisten, Josh Allen zu verbrennen, weil er (wie in Preseason-Woche 3 zu sehen) definitiv nicht bereit ist und dann hinter einer der schwächsten Lines der Liga zu viele Hits und Sacks einsteckt.

Die Eagles-QB-Situation

Vor einem halben Jahr schien Philadelphia noch die luxuriöseste Quarterback-Situation der Liga zu haben - wenige Tage vor dem Regular Season Opener häufen sich die Fragezeichen. Carson Wentz wird nach seinem erst im Dezember erlittenen Kreuzbandriss nicht bereit sein, vielleicht auch für mehr als nur das erste Spiel nicht. Wie also wird sich Super-Bowl-MVP Nick Foles präsentieren?

Wenn die Preseason ein Fingerzeig ist, dann könnte der Titelverteidiger ein Problem haben. Foles wirkte teilweise verloren, lediglich bei einfachen One-Read-Plays änderte sich der Eindruck ein wenig. Foles warf Pässe in Coverage und las Verteidiger falsch - er sah aus wie der Nick Foles, der seit Jahren einer der extremsten Quarterbacks der Liga in puncto Höhen und Tiefen ist.

Paxton Lynch, QB, Denver Broncos

Abgesehen von einem guten Auftritt im vierten Preseason-Spiel war es eine weitere verheerende Saisonvorbereitung für Paxton Lynch. Wieder wurde er intern von einem einstigen Siebtrunden-Pick überholt (erst Trevor Siemian, jetzt Chad Kelly), und auch wenn die Broncos ihm vorerst noch Galgenfrist geben haben: Niemand konnte ernsthaft der Meinung sein, dass Lynch noch eine längere NFL-Zukunft hat. So war die Meldung vom Sonntag wenig überraschend. Lynch wurde entlassen und der Wunsch der Broncos-Fans, bei denen er komplett unten durch ist, erfüllt.