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Goffs Wackler: Müssen sich die Rams Sorgen machen?
Es ist keine neue Erkenntnis, dass Jared Goff noch immer überdurchschnittliche Probleme mit Pressure hat. Teilweise, gerade in der ersten Saisonhälfte, sah das besser aus; vor allem aber musste er sich dieses Jahr hier deutlich seltener beweisen, als die meisten Quarterbacks. Goff ging in Week 14 mit einer Clean-Pocket-Quote - also Dropbacks ohne Pressure - von 70 Prozent.
Von allen Quarterbacks mit mindestens 300 Dropbacks ist das der achtbeste Wert, und das obwohl er den Ball in der Play-Action-lastigen Offense der Rams in 67,4 Prozent der Fälle 2,5 Sekunden oder länger hält. Das wiederum ist der klar höchste Wert aller Quarterbacks und die vielen Plays, bei denen Goff aus der Pocket sprinten, nur einen Teil des Feldes lesen und sich nicht innerhalb der Pocket bewegen muss, entsprechen merklich eher seinen Stärken.
Gegen Detroit in der Vorwoche gab es dann eine kräftige Erinnerung an Goffs nach wie vor größte Schwachstelle: Wenn die Lions ihn unter Druck setzen konnten, brachte Goff nur einen (!) von zehn Pässen an (kein Drop bei den neun Incompletions). Wenn die Pocket enger wird und Goff unter Bedrängnis werfen muss, dann wackelt er.
Das hat man in seiner bisherigen NFL-Karriere als ein weitestgehend konstantes Thema sehr deutlich beobachten können und das war auch gegen die Bears wieder der Fall. Chicago konnte Goff auffallend oft ohne Blitzing unter Druck setzen, und der hatte einige desolate Würfe vor allem gegen Pressure. Es ist ein zentraler Grund für nun zwei aufeinanderfolgende schlechte Spiele der Rams-Offense.
Seine drei Interceptions kamen allesamt, als Chicago ihn ohne einen Blitz unter Druck setzen konnte. Generell blitzte Chicago nur neun Mal, konnte Goff aber bei herausragenden 25 seiner 48 Dropbacks unter Druck setzen. Bei diesen 25 Dropbacks brachte der Quarterback der Rams ganze acht (!) Pässe für 88 Yards an, kassierte drei Sacks und warf drei Picks. Goff brachte keinen Pass über 20 Yards (0/3, 2 INT) und nur drei über zehn Yards (3/10, 55 YDS, 2 INT) an.
Vor allem in der ersten Saisonhälfte hat er gezeigt, dass er mehr als nur ein Produkt des Schemes und der Umstände sein kann. Die Spiele gegen die Chargers und vor allem gegen die Vikings stechen da heraus, aber auch später in der Saison gegen die Saints. Aber er ist insgesamt immer noch stärker von den Umständen abhängig, als die Elite auf der Position.
Oder anders formuliert: Wenn die Protection konstant wackelt und das Play-Calling mal nicht überlegen ist, wenn er im Down-und-Distance-Game konstant aufholen muss, wenn er gegen Pressure spielen muss und wenn er in offensichtliche Wurf-Situationen kommt, dann ist Goff noch nicht in der Quarterback-Riege angekommen, die das regelmäßig ausgleichen kann.
Das heißt nicht, dass Goff da nicht noch hinkommen kann. Analysiert man sein Tape aber, dann ist ein Spiel wie das gegen die Bears nicht ganz so überraschend; und ja, dann kann man sich auch fragen, ob die Quarterback-Position in den Playoffs ein Problem werden könnte.
Genau wie bei den Bears übrigens, die dieses Spiel trotz nur 110 Passing-Yards und drei Picks bei 30 Trubisky-Pässen gewannen.
Wie die Ravens die Chiefs ärgerten: Playoff-Football!
Dass die Ravens eine der Top-Defenses in der NFL sind, ist keine neue Erkenntnis. Tatsächlich hatte ich Baltimores Defense bereits vor einigen Wochen gegen die Saints genauer unter die Lupe genommen und kam zu dem Zeitpunkt zu dem Schluss, dass die Ravens die beste Defense der Liga haben.
Mit den Cowboys und vor allem den Bears als Konkurrent würde ich die Aussage heute nicht mehr ganz so stark treffen; doch gehört Baltimore immer noch zur Liga-Elite was Defenses angeht, und das hat man gegen die Chiefs wieder mal gesehen.
Die Ravens spielen - gerade im krassen Gegensatz zu den Cowboys und den Bears - eine schematisch in höchstem Maße komplexe Front. Dallas agiert viel aus einigen Zone-Konzepten heraus und blitzt vergleichsweise wenig, Chicago arbeitet eher mit einzelnen, subtilen Post-Snap-Adjustments.
Baltimore dagegen wirft einer Offense so viele Aufgaben wie möglich entgegen, und zwingt den Quarterback genau wie die Offensive Line, in den Protection-Calls permanent nach dem Snap nochmals Anpassungen vornehmen zu müssen.
Die Ravens schieben dabei gerne einen oder auch zwei Defensive Backs in die Box und bringen regelmäßig Druck aus unterschiedlichsten Richtungen, wie etwa dieses Beispiel aus dem Saints-Spiel zeigt.
Genau dieses Element konnte man gegen Kansas City ebenfalls sehen, und das fast noch ausgeprägter, als in einigen vergangenen Spielen. Die Ravens zeigten immer wieder 6- und 7-Men-Pressure, brachten daraus dann nur zu gerne vier Spieler mit stattdessen mehreren zusätzlichen Zone-Verteidigern.
Eine derartige Formation aus Sicht der Defense beeinflusst die Offense ungemein. Wenn die Defense jedem Offensive Lineman einen direkten Gegenspieler gegenüberstellt, dann muss die O-Line das in ihrem Protection-Call respektieren und ist deutlich limitierter - denn es könnte ja sein, dass wirklich jeder Offensive Lineman nach dem Snap auch einen direkten Gegenspieler hat.
Mit der Art und Weise, wie Baltimore daraus dann fließend in seine Coverages übergeht, kann es so in Spielen gegen die Ravens durchaus regelmäßig vorkommen, dass Offensive Linemen nach dem Snap plötzlich scheinbar beschäftigungslos sind, weil ihr vermeintlicher Gegenspieler sich in Coverage zurückfallen lässt. So kann die Defense ein nummerisches Übergewicht erzeugen, ähnlich wie es auch die Patriots-Defense gerne spielt.
Und die Ravens waren damit überaus erfolgreich! 57 Dropbacks hatte Mahomes am Sonntag, bei 30 davon stand er unter Druck - eine enorme Quote. Baltimore hatte auch keinerlei Angst davor, gegen die explosive Chiefs-Offense zu blitzen (24 Blitze insgesamt), doch die Sacks und Turnover kamen allesamt ohne den Blitz.
Mahomes brachte insgesamt gegen Pressure nur 13 von 26 Pässen für 165 Yards und einen Touchdown an, warf eine Interception und kassierte drei Sacks. Auf dem Bild zu sehen ist die Front, die Baltimore spielte, um Mahomes unter Druck zu setzen, was im Pick des Chiefs-Quarterbacks endete.
Wieder stehen, wie so häufig bei dieser Ravens-Defense, sechs Spieler direkt an der Line of Scrimmage. Baltimore lässt daraus dann gerne zwei Spieler in Underneath-Zone-Coverage zurückfallen, um dem Quarterback einen schnellen Passweg über die Mitte zuzustellen.
Aber, und das ist in der Bewertung dieser knappen Ravens-Niederlage in Kansas City wichtig, man muss es nicht nur auf die starke Defense beschränken. Auch offensiv kann man bei den Ravens immer wieder Fortschritt und positive Momente erkennen.
Dass die Ravens eines der dominantesten Rushing-Teams sind, seitdem Lamar Jackson für Joe Flacco übernommen hat, ist genauso wenig ein Hot Take wie die Aussage, dass die Ravens-Defense gut ist. Wichtig für Baltimore wird es aber mit Blick auf die Playoffs sein, aus den Run-Konzepten auch im Passing Game besser zu werden; und das muss maßgeblich über das Scheme funktionieren, hier ist Jackson nämlich nach wie vor extrem inkonstant.
Genau diese Ansätze kann man zunehmend feststellen, wie etwa bei diesem wichtigen Touchdown zu Maxx Williams spät im dritten Viertel. Bei einem kurzen Fourth Down kommen die Ravens in einer engen Formation aufs Feld, mit Williams als H-Back und vermeintlichem Blocker im Backfield.
Baltimore deutet daraus zunächst den Run an, den diese Formation auch nahelegt, stattdessen ist es aber ein Play-Action-Fake. Die vermeintlichen Run-Blocks auf der rechten Seite fungieren so als abschirmende Blocks für den Pass, Williams - der zunächst wie der Lead-Blocker wirkt - ist stattdessen der primäre Receiver für das Play. Der blau markierte Verteidiger wird durch den Fake aus dem Play genommen.
Ein ganz zentraler Aspekt, wenn es darum geht, Baltimores Passing Game schematisch besser zu machen, ist dieser: Die Ravens müssen ihre Passing und ihre Rushing Plays exzellent miteinander kombinieren; also ähnliche Formationen und Personnel Groupings spielen und dann auch die Play-Designs ähnlich aussehen lassen.
Während der ersten drei Starts von Jackson hatten die Ravens eine der höchsten Quoten was Multiple-TE-Sets angeht: 27 Prozent ihrer Snaps erfolgten mit zwei oder drei Tight Ends auf dem Feld. Das große Problem dabei aber? Baltimore warf deutlich zu selten insbesondere aus 12-Personnel und fokussierte sich stattdessen auch hieraus sehr stark auf den Run.
Variationen der Formation wie beim Touchdown zu Williams sah man häufiger. Mit einem Tight End im Backfield oder leicht versetzt, und daraus dann verschiedensten Plays.
Ob ein Zone Read, ein Inside Run, Play Action, einfache Pässe - wer in den nächsten Wochen die Ravens anschaut, wird diese Formation häufiger sehen und das wird die Ravens schwerer vorhersehbar machen.
Wenn es dann ans "normale" und vor allem das vertikale Passing Game geht, muss es eine hohe Priorität sein, Jackson möglichst klare Reads zu geben. Beim Touchdown vier Minuten vor dem Ende, der um ein Haar der Game Winner gewesen wäre, gelingt den Ravens genau das.
Kansas City spielt Outside Man Coverage (blau markiert) und hat einen tiefen Zone-Safety (rot). Die Ravens nutzen das für eine tiefe Rub Route, und je nachdem wohin sich der Safety orientiert und ob möglicherweise ein Cornerback seinen Receiver nicht durch das Chaos in der Mitte des Feldes verfolgen kann, weiß Jackson genau, wo er mit dem Ball hin muss.
Und das Fazit? Baltimore ist ein unorthodoxes Team, auf beiden Seiten des Balls. Die Defense gehört zum Aggressivsten, was die Liga zu bieten hat; während die Offense in Zeiten der Passing-Game-Explosion damit punktet, Gegnern über das Run Game weh zu tun und so vieles, was die Ravens ansonsten machen, auf den Run Konzepten aufbaut.
Das ist eine spannende weil andere Formel. Es ist aber auch ein Musterbeispiel dafür, wie ein Team sein Scheme an die Qualitäten der eigenen Spieler anpasst.
Der Auftritt der Ravens in KC war der eines Playoff-Teams, Baltimore gehört in die Postseason. Und dort wären die Ravens einer der unangenehmsten Gegner, mit dem es eines der Top-Teams zu tun bekommen könnte.