Third and Long Super Bowl Edition: Mailbag
Enforcer: Die Pats werden Goff mit vielen Blitzen unter Druck setzen und McVay wird dagegen kein Mittel finden. Oder siehst du einen anderen Ansatz?
Das wird definitiv ein Schlüssel sein. Umgekehrt kann man natürlich sagen: Die Patriots werden auch vermehrt zu Blitzen gezwungen sein, um Goff unter Druck zu setzen, denn ansonsten ist die Offensive Line der Rams zu stark. Das wiederum muss aus Rams-Sicht die eine oder andere Gelegenheit öffnen.
Blitzen die Patriots - wie sie es ja gerne machen - aus Cover-1? Dann sollten sich Räume für die tiefen Crossing-Routes vor allem, aber nicht nur aus Play Action heraus ergeben. Wenn es die Rams mit Cover-1 zu tun hatten, sahen sie in dieser Saison weitestgehend gut aus und Goff kommt mit dem Blitz auch viel besser klar, als mit einem starken 4-Men-Rush.
Meine Vermutung: Die Route-Kombinationen und Play-Calls werden da sein, um den Blitz zu schlagen. Doch kann Goff Post-Snap die richtigen Dinge lesen? Und ist er diszipliniert genug, im Passspiel wenn nötig auch konstant kurze Completions zu nehmen? Das war in der Regular Season zu häufig nicht der Fall.
Auch mit dem Screen Game sollte L.A. eigentlich einige Antworten parat haben, für mich ist die zentrale Frage vor allem: kann Goff diese auch umsetzen? Und weiter gedacht: reicht es aus Patriots-Sicht womöglich, Goff mit flexiblen Coverages dazu zu zwingen, den Ball länger zu halten, so dass man gar nicht allzu aggressiv im Blitzing werden muss? Wenn das passiert, sehe ich ehrlicherweise keine Chance für die Rams.
Sechsdoppelfünfdreizweieins: Welche Mittel haben die Rams, um das gefährliche Kurzpassspiel und daraus resultierende lange Drives der Patriots über die Mitte zu stoppen?
Die Rams müssen gewillt sein, aggressiv in Coverage vorzugehen.
Wenn wir davon ausgehen, dass sie in ihren inzwischen bevorzugten Zone Coverages spielen wollen, dann gilt es Underneath, ähnlich wie gegen die Saints vorzugehen: Safeties, die in die Box kommen, Press-Zone-Coverage und möglichst viele kleine Anpassungen auch Post-Snap, um Brady keinen einfachen Reads zu geben und beispielsweise auch Edelmans Option Routes durcheinander zu bringen.
Der zweite Teil der Gleichung: L.A. muss verhindern, dass das passiert, was dann gegen die Saints zu häufig der Fall war - Duelle der Linebacker gegen den Pass-Catching-Back.
Das wird aus der Zone Coverage heraus schon deutlich schwieriger, weil New England hier die Matchups diktieren kann. Und wenn die Patriots, wovon ich ausgehe, viel aus 21-Personnel werfen und wir so viele Base-Formations aufseiten der Rams-Defense sehen, wird das eine unheimlich schwere Aufgabe für L.A..
Jonas Barthel und haaaaagi: Welches ist das größte Mismatch im Super Bowl? Welches ist das größte Mismatch für das jeweilige Team?
Wenn wir rein auf das individuelle Matchup - also ohne alle Scheme-Aspekte - schauen, dann ist es für mich die Defensive Line der Patriots gegen die Offensive Line der Rams. New England hat hier solide Spieler und in Flowers auch einen Faktor, der über "solide" hinausgeht. Die Offensive Line der Rams aber war das ganze Jahr über eine der drei, vier besten Lines und in den Playoffs hat L.A. hier teilweise nochmal eine Schippe drauf gepackt.
Das sorgt ja letztlich dafür, dass wir über all die Blitz- und Pressure-Pakete der Patriots sprechen, und darüber, wie New England Jared Goff dennoch unter Druck setzen kann. Und vielleicht gelingt das den Patriots auch genau so, gleichzeitig aber muss man den Spieß auch umdrehen: die Rams haben hier an der Line of Scrimmage erst einmal den klaren Vorteil, und wenn die Patriots in ihren Play-Calls aggressiver werden (müssen), dann ist es die Aufgabe der Rams, darauf Konter parat zu haben.
Wenn wir mehr Richtung "Big Picture" denken, dann kann man in meinen Augen genau hier aber kurioserweise auch den Spieß umdrehen: Ein elementares Mismatch ist nämlich auch das der Belichick-Coverages gegen Jared Goff.
Goff hat über die letzten beiden Jahre eine sehr positive Entwicklung durchlaufen, da gibt es keine Frage. Ich sehe aber immer noch einen Quarterback, der mit seinen Reads teilweise wackelt, teilweise ungeduldig wird, wenn die Defense komplexer agiert und der große Probleme gegen Pressure bekommt.
Gerade der erste Part ist eine Spezialität der Patriots, die gerne unmittelbar vor und dann auch nach dem Snap Pressure- und Coverage-Zuteilungen umstellen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir im Nachhinein hier über ein Schlüsselduell sprechen - entweder, weil Goff hier große Probleme bekommt, oder aber weil die Patriots es eben nicht schaffen, diesen vermeintlichen Vorteil auszunutzen und Goff ein gutes Spiel abliefert.
Philipp: Woran liegt es, dass in den Playoffs ein Spiel von New England öfters zwei unterschiedliche Halbzeiten hat? Nachdem Team 1 in der ersten Hälfte dominiert, wird Team 2 in der zweiten Halbzeit dominant. Anpassungen, Kondition - Overpaced in Halbzeit 1, konservatives Play-Calling oder eine Mischung aus allem? Wird es im Super Bowl wieder so sein?
Interessanterweise verlaufen Super Bowls mit Patriots-Beteiligung ja nicht selten genau umgekehrt: New England startet eher langsam, punktet selten früh und dreht dann nach und nach auf. Ich hatte mich schon häufiger gefragt, ob bei Belichick im Super Bowl da mehr dahinter steckt.
Teams stellen für den Game Plan im Super Bowl gerne nochmal Dinge um und zeigen Ansätze, die sie bisher nicht gezeigt haben - es ist nicht mehr als eine Theorie, aber womöglich nutzt Belichick die ersten Drives, um zu testen, wie der Gegner auf bestimmte Dinge reagiert, ehe New Englands Game Plan gewissermaßen seine zweite Stufe erreicht.
Was die "regulären" Playoffs angeht: mein Eindruck bei den Patriots ist hier, dass New England ganz gezielt vom Start weg auf beiden Seiten des Balls die größte Schwachstelle des Gegners attackiert oder dem Gegner die größte Stärke wegnimmt. Dieses Jahr war das gegen die Chargers und Chiefs ganz besonders deutlich.
Was das Entwickeln des Game Plans angeht, ist es eine relativ normale Woche, und kein Team ist besser darin, gezielte Bereiche beim Gegner anzugreifen - vor allem, wenn es schon 16 Game-Tapes gibt. Die Patriots schaffen es also, den Gegner zu Umstellungen zu zwingen und dazu, Dinge anders zu lösen um entweder bei einer Schwachstelle auszuhelfen oder mit einem Plan B gewinnen zu können.
Gelingt das einem Team, wie etwa den Chiefs - in diesem Duell war das ja in der Regular Season und im Championship Game der Fall -, dann gibt es eine packende zweite Hälfte. Gelingt es nicht, wie im Chargers-Spiel, dann wird es auch nicht mehr spannend.
Jan P. Schwarzkopf: Wird es ein spektakuläres High-Scoring-Game? Oder erwarten uns viele lange Drives mit vielen kurzen Plays (wie die Pats in den Playoffs bisher)? Oder irren wir uns alle und am Ende entscheiden die Defenses?
Mein Gefühl ist, dass wir tendenziell eher keinen Shootout sehen - ich tippe auf rund 45 kombinierte Punkte. Nicht unbedingt, weil wir einen drastischen offensiven Einbruch sehen werden, sondern weil ich genau die langen Drives vermute, die du angesprochen hast.
Die Patriots werden, ob mit intensivem Kurzpassspiel oder auch einem erneut sturen Run Game, wieder mehrere lange Drives mit hoher Completion-Quote hinlegen und auf dieser Seite des Balls würde ich auch auf keine Interception tippen. Die Rams werden natürlich auf ihr Play-Action-Passspiel bei First Down setzen, gleichzeitig gehe ich aber auch davon aus, dass McVay ebenfalls stärker auf das Run Game setzen will.
Und ja, ich vermute auch, dass wir mehr guten defensiven Football sehen werden als es in den meisten Spielen dieser Playoffs der Fall war. New England wird Goff das eine oder andere Mal auf dem falschen Fuß erwischen, womöglich auch für eine kritische Red-Zone-Interception, wenn das Feld und der Spielraum für Goff noch kleiner werden. Und die Rams werden defensiv für das Kurzpassspiel der Patriots jedenfalls die größte Aufgabe dieser Playoffs darstellen.
So gesehen also eine Mischung aus verschiedenen Aspekten, die in der Summe zu weniger Punkten führen.
Franze Huber: Wer macht das Play-Calling bei den Pats eigentlich? McDaniels, Belichick oder macht TB12 viel allein? Und wer macht das defensive Play-Calling? Flores oder Belichick? Man hört immer, dass Belichick der beste Head Coach ist, aber warum sind dann die OCs und DCs immer so beliebt, falls BB die Plays callt?
Für das direkte Play-Calling sind Brian Flores (Defense) und Josh McDaniels (Offense) zuständig. Man darf dabei allerdings nicht so sehr in Extremen denken. Ein Beispiel: Nach nahezu jedem defensiven Drive beraten sich Flores und die defensiven Position-Coaches mit Belichick, um mögliche Scheme-, Game-Plan- oder individuelle Änderungen vorzunehmen.
Das Play-Calling selbst geht natürlich zurück auf den unter der Woche entwickelten Game Plan, und hier ist Belichicks taktisches Mastermind zu finden. Das Play-Calling ist für sich betrachtet eine ganz eigene Kunst, aber wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist es letztlich auch eine Interpretation des zuvor entwickelten Game Plans. Natürlich kommen da die angesprochenen Umstellungen und Anpassungen dazu, die aber nimmt kein Coach einfach alleine vor.
Offensiv ist McDaniels' Rolle exponierter als die der Defensive Coordinators unter Belichick, weil er auch im Game Plan eine noch höhere Autorität hat, als derzeit etwa Brian Flores. Das Play-Calling kommt von McDaniels, die Patriots-Offense ist gleichzeitig aber vermutlich das extremste Beispiel, wenn es darum geht, verschiedene Optionen einzubauen.
Brady geht nicht nur - wie viele andere Quarterbacks auch - mit zwei Play-Calls aus dem Huddle, um gegebenenfalls mit einem Wort von einem Pass in einen Run checken zu können. Die Art und Weise, wie Play-Designs und Play-Beschreibungen in der Patriots-Offense funktionieren und wie verschiedene Route-Kombinationen als Konzepte zusammengefasst werden, gibt Brady Freiheiten an der Line of Scrimmage, wie sie kaum ein anderer Quarterback in einer anderen Offense haben kann.
Das ist ein Kernelement dafür, dass die Offense so gut funktioniert. Es ist McDaniels' herausragende Qualität als Game-Plan-Entwickler und auch als Play-Caller, mit Brady als zweitem Play-Caller auf dem Feld. Die Patriots sind auch deshalb Jahr für Jahr so stark, weil in puncto Game Plans kein Team ihnen etwas vormacht.
David Nicolas: Die Vergleiche von einer Ablösung der Brady-Belichick-Ära durch die Goff-McVay-Kombi werden laut. Die Rams mussten für diesen Super Bowl aber verdammt viel investieren. Wie siehst du die Zukunft der Rams?
So eine Dynasty wie die der Patriots werden wir in der NFL für sehr lange Zeit nicht mehr sehen und ich glaube dass auch die Rams es schwer haben werden, ihren Erfolg über mehrere Jahre zu konservieren. Mit unter anderem Roger Saffold, Ndamukong Suh und Lamarcus Joyner nach dieser sowie Aqib Talib, Andrew Whitworth, Michael Brockers, John Sullivan und Marcus Peters nach der nächsten Saison haben viele Leistungsträger auslaufende Verträge.
Die Offensive Line wird so nicht mehr lange zusammenspielen; Donald, Woods, Gurley und Cooks wurden bereits bezahlt und der Mega-Vertrag für Goff wird früher oder später ebenfalls kommen.
Mit McVay, einem aggressiven GM, einem der besten - wenn nicht dem besten - Special-Teams-Coach in der NFL und natürlich Wade Phillips haben die Rams eine hervorragende Basis, um langfristig erfolgreich zu sein, daran besteht für mich kein Zweifel. Doch L.A. wird, wie so viele Super-Bowl-Sieger in den vergangenen Jahren, über die nächsten beiden Jahre auch einen Aderlass erleben und in der Folge auch schwächere Spielzeiten hinlegen.
Volker: Gegen die Saints war Sean McVay erstaunlich konservativ. Ist dies auch gegen die Patriots zu erwarten oder wird er wieder mal ein Trickplay einbauen?
Wenn es, wie im Saints-Spiel, ein dringendes Big Play braucht, um im Spiel zu bleiben, durchaus möglich. Generell aber, und das wird im Super Bowl womöglich eine erneute Storyline, ist der Umgang mit Fourth Down bei allem berechtigten Lob für Sean McVay zumindest bislang seine große Schwachstelle als Head Coach.
Ein ausführlicher Artikel bei The Ringer hat das sehr treffend herausgearbeitet. Bei Fourth-and-Short (maximal 2 Yards zum neuen First Down), in den ersten drei Vierteln (das Schlussviertel aufgrund des allgemeinen rapiden Anstiegs an Fourth-Down-Versuchen aufgrund von angestrebten Comebacks) und den Bereich gerade außerhalb der Field-Goal-Reichweite (30- bis 40-Yard-Linie) ausgeschlossen, haben die Rams die zweitwenigsten Fourth Downs ausgespielt, nur die Jets waren noch konservativer.
In den vergangenen beiden Jahren rangieren die Rams unter den gleichen Rahmenbedingungen auf Rang 27 was das prozentuale Ausspielen von Fourth-and-Short in Field-Goal-Reichweite angeht; außerhalb der Field-Goal-Reichweite haben die Rams in diesem Modell bei allen 13 Fourth-and-Shorts gepuntet und somit hier als einziges Team nicht ein Mal das kurze Fourth Down ausgespielt.
Nicht nur gegen die Saints im Championship Game, sondern auch in mehreren Regular-Season-Spielen haben die Rams kurz vor der gegnerischen Endzone bei kurzen Fourth Downs Field Goals gekickt, und so Chancen liegen gelassen, in Führung zu gehen (statt auszugleichen) oder aus einer 1- eine 2-Possession-Führung zu machen.
Man kann es nicht genug betonen, und die Eagles im Vorjahr sind natürlich das Musterbeispiel: Im Super Bowl darf man nicht konservativ coachen, und erst recht nicht gegen die Patriots. Insofern wird es sehr spannend zu sehen sein, ob McVay aus seiner eigenen Haut kann.
mwaldo: Hallo Adrian, wenn du HC in der NFL wärst, wen würdest du als Offensive Coordinator und als Defensive Coordinator einstellen, wenn alle Coaches zur Verfügung stünden?
Kyle Shanahan und Bill Belichick.