Draft: Dwayne Haskins in der Analyse: Stärken, Schwächen, Prognose

Von Adrian Franke
27. März 201908:20
SPOX blickt vor dem Draft auf die Top-Quarterback-Prospects.getty
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One-Hit-Wonder oder der Quarterback mit den besten Chancen dieser Klasse, in der NFL erfolgreich zu sein? Bei Dwayne Haskins gehen die Meinungen auseinander. Die SPOX Draft Coverage startet mit den Quarterback-Prospects, nach dem Auftakt mit Kyler Murray gibt es heute Teil 2 der SPOX QB-Prospect-Analyse-Reihe mit Dwayne Haskins.

Als die NFL noch dachte, dass Kyler Murray Baseball spielen würde, schien er der klare Nummer-1-Quarterback des diesjährigen Drafts zu sein. Dwayne Haskins hat zwar nur eine Saison als Starter vorzuweisen, die aber war spektakulär. 50 Touchdowns in 14 Spielen, dabei nur acht Interceptions - Haskins wurde am Ende dritter in der Abstimmung für die Heisman Trophy.

Für viele hat sich trotz Murrays Entscheidung gegen Baseball und für die NFL an der Quarterback-Hackordnung an der Spitze nichts geändert. Haskins ist der prototypische Pocket Passer was Statur, Stärken und Spielstil angeht. Das macht ihn zu einem spannenden Prospect mit einer Chance, ein NFL-Starter zu werden.

Welche Kriterien spielen dabei zentrale Rollen? Um meinen Maßstab offen zu legen, wenn in den nächsten Tagen die Quarterback-Analysen allesamt raus kommen - das sind für mich die wichtigsten Eigenschaften eines Quarterbacks, in dieser Reihenfolge, wenngleich einige natürlich zusammenhängen:

  1. Accuracy und Antizipation
  2. Processsing, Reads, Decision-Making
  3. Pocket-Verhalten
  4. Mechanics: Füße, Wurfbewegung, Release
  5. Off-Skript Plays, Improvisieren
  6. Armtalent und Deep Passing
  7. Athletik

NFL Draft 2019 Analyse: Dwayne Haskins, QB, Ohio State

Haskins wäre beinahe gar nicht bei Powerhouse-Schule Ohio State gelandet - er hatte schon bei Maryland unterschrieben. Doch als dort Coach Randy Edsall, nur wenige Monate nachdem er einer Vertragsverlängerung zugestimmt hatte, gefeuert wurde, entschied sich Haskins für einen Wechsel und ging zu den Buckeyes.

Doch bis er auf die ganz große Bühne durfte dauerte es. Auf ein Redshirt-Jahr 2016 folgte der Backup-Spot hinter J.T. Barrett 2017, als Haskins nur sehr vereinzelt zum Einsatz kam.

2018 sollte dann sein Jahr werden. Der 21-Jährige spielte eine fantastische Saison, in der er mehrere Rekorde brach: Den Passing- und Touchdown-Rekord für eine Big-Ten-Saison sowie Schul-Rekorde für Total Offense Yards in einer Saison und in einem Spiel sowie Passing Yards in einem Spiel.

Haskins hatte in keinem einzigen Spiel weniger als 225 Passing Yards, acht Mal knackte er die 300 Yards und vier Mal die 400 Yards. Haskins ist einer von nur sechs Spielern mit 50 Touchdown-Pässen in einer Saison.

Dwayne Haskins' College-Statistiken 2018

Average Depth of TargetYards/AttDeep Passing Adj. Comp.Total TDTotal INTAdj. Comp. vs. PressureTD/INT vs. Pressure
9,1 (37)948,6% (14)50862,5% (11)4/3

Anm. d. Red.: Alle Advanced Stats stammen von Pro Football Focus. In Klammern steht für die bessere Einordnung bei einigen Stats der Rang unter allen College-Quarterbacks. "Adj. Comp." steht für "Adjusted Completion Percentage".

Eines der ersten Dinge, das auf Haskins' Tape auffällt, und in meinen Augen ist es auch seine beste Eigenschaft, ist sein Spielverständnis. Haskins weiß schon sehr konstant, wo er mit dem Ball hin muss, er versteht Defenses, er versteht seine Route-Kombinationen und er trifft gute Entscheidungen.

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Das sind sehr wichtige Eigenschaften sowie Qualitäten, die sehr viele Quarterbacks noch lernen müssen, wenn sie in die NFL kommen, oder zumindest hier deutlich weniger weit in ihrer Entwicklung sind als Haskins.

Man sieht sie bei diesem Play zusammengefasst: Haskins weiß, wo ein Receiver aufgrund der Coverage und der anderen Routes drum herum frei werden wird. Die vertikale Route zieht den tiefen Safety mit, der Running Back in der Flat nimmt einen Linebacker aus dem Zentrum und der Underneath Crosser, auf den sich Haskins zunächst mit seinen Augen fixiert, räumt den anderen Linebacker aus dem Weg.

Haskins weiß das, und er nutzt es perfekt. Indem er zunächst auf den Underneath Crosser schaut und dann, als sich die Verteidiger entsprechend bewegen, erst zu seinem gewünschten Read zurückkommt, als der komplett offen ist. So funktioniert Quarterback-Play aus der Pocket in der NFL.

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Und das fällt konstant auf. Haskins, besser als jeder andere Quarterback dieser Klasse, versteht es, mit seinen Augen Linebacker und Safeties zu manipulieren, indem er scheinbar an einem Read klebt, nur um den Ball dann in das Fenster zu werfen, das der Verteidiger deshalb gerade geöffnet hat.

In die Kategorie fällt auch dieses Play. Haskins erkennt, dass sich eine vertikale Route öffnet, wenn er es schafft, den Underneath-Verteidiger (Nummer 25) aus dem Weg zu bekommen, ohne dass der tief postierte Safety sich Richtung Zentrum orientiert. Er blickt daher direkt nach dem Snap nach links und im exakt richtigen Moment schaut er wieder Richtung Goal Post, wo sein Receiver frei steht.

Dwayne Haskins Analyse: Accuracy? Ja - manchmal

Zu wissen, wo man mit dem Ball hin muss ist aber nur die halbe Miete - man muss auch in der Lage sein, ihn dahin zu bekommen.

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Dieses Thema muss bei den Schwächen leider fortgesetzt werden, doch zunächst das Positive: Haskins legt mitunter fantastisches Ball Placement an den Tag.

Je nachdem, welches Haskins-Tape man schaut oder welche Szene man daraus sieht - teilweise könnte man den Eindruck bekommen, dass die Accuracy seine beste Eigenschaft ist.

Er bewegt sich gut in der Pocket, er wartet darauf, dass sich seine Routes entwickeln und er trifft engste Fenster, oft auch perfekt weg von einem Verteidiger, der sich eigentlich in guter Position befindet. Hier wird auch seine Armstärke deutlich.

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Generell fällt immer wieder auf, dass Timing und Rhythmus im Kurzpassspiel seine große Stärke sind, er gleichzeitig aber insbesondere in der Intermediate-Distanz einen tollen Touch-Pass werfen kann.

Crosser-, Underneath-Routes, Mesh-Konzepte - Haskins ist, was seine Stärken als Passer angeht, ein prototypisches Prospect für eine West Coast Offense.

Er behält die Augen meist Downfield, er gibt seinen Receivern und den Route-Kombinationen eine Chance, er geht konstant durch seine Reads und er ist in der Lage, all das mit einem perfekten Pass abzuschließen, sobald sich die Lücke öffnet, die er antizipiert hat.

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NFL Draft 2019: Dwayne Haskins' Schwächen

Doch wie gesagt muss man auch bei Haskins' Schwächen zum Oberbegriff "Accuracy und Ball Placement" zurückkommen.

Denn so fantastisch er hier teilweise auftritt - es ist noch nicht konstant da, und die Wackler und Pässe, die nur ein paar Zentimeter daneben kommen, dadurch aber fatale Konsequenzen haben können, treten deutlich zu häufig auf.

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Tatsächlich hat fast jedes seiner Tapes solche Szenen zu bieten. Ein Receiver ist offen, Haskins könnte den Ball in ein klar sichtbares Fenster platzieren; doch der Wurf landet ein klein wenig im Rücken seines Ziels, was dem Verteidiger die Chance gibt, den Catch doch noch zu verhindern.

Das ist ein ernsthaftes Problem. Haskins' Spiel ist darauf aufgebaut, aus der Pocket heraus Defenses lesen und schlagen zu können. Das erfordert ein hohes Maß an Spielintelligenz, die ich bei ihm definitiv erkenne. Es erfordert aber eben auch ein hohes Maß an Accuracy, und zwar konstant.

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Haskins kann ein punktgenauer Passer sein, die Konstanz aber hat er hier noch nicht. Und das obwohl seine Mechanics, also die Beinarbeit, die Wurfbewegung mit dem Arm und sein ganzer Bewegungsablauf beim Wurf schon sehr sauber aussehen.

Dennoch steht bei fast jedem Spiel für mich die Notiz, dass er mehrere Pässe leicht in den Rücken eines Receivers wirft. Das kann, wie beim ersten Beispiel gegen Maryland, einen Touchdown-Pass kosten. Es kann aber auch, wie bei Ohio States Debakel gegen Purdue, mal schnell in einem Pick Six enden.

Diese Accuracy-Inkonstanz muss Haskins reparieren. Dann könnte der Weg frei sein, um ein wirklich guter NFL-Pocket-Passer zu werden.

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Dwayne Haskins: Kein Deep Ball Passer

Bei Accuracy gibt es Licht und Schatten, mit sehr vielen guten, und noch zu vielen schlechten Plays. Was das vertikale Passspiel angeht, müsste man das anders formulieren.

Wenn Haskins tief passen soll, gibt es einzelne gute (und auch ein paar exzellente) Plays. Doch meist fällt eher auf, dass dieser Bereich des Spiels überhaupt nicht seine Stärke ist.

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Seine Pässe sind hier teilweise komplett wild, selbst offene Receiver verfehlt er Downfield mitunter um mehrere Meter. Haskins zeigt hier sehr häufig kein gutes Gefühl für das Timing der Route seines Receivers und bringt den Ball dann überhaupt nicht in den Catch-Radius seines Ziels.

Vergleichbare Szenen gibt es sehr viele; in jedem Fall genug, um festhalten zu können, dass dieser Aspekt des Spiels nicht Haskins' Stärke ist.

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Ein letzter Kritikpunkt lässt sich wohl am ehesten mit Haskins' Unerfahrenheit erklären; denn genau wie bei der Accuracy-Thematik sieht man auch bei seinem Pocket-Movement und generellen Pocket-Verhalten sehr viel Positives - gelegentlich aber hat er fast absurd aussehende Aussetzer.

Generell hatte Haskins vor allem in der ersten Saisonhälfte riesige Probleme mit Pressure und wusste oft noch nicht so richtig, wohin mit sich selbst in der Pocket. Das verbesserte sich in der zweiten Saisonhälfte - nochmal: es war seine erste und einzige College-Saison als Starter - merklich, und lässt durchaus berechtigte Hoffnung zu, dass er sich hier in der NFL noch verbessern wird.

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Draft-Analyse Dwayne Haskins: Das Fazit

Haskins, obwohl er nur ein Jahr im College als Starter gespielt hat, bringt schon sehr viel mit, das NFL-Teams begeistern wird. Allen voran sein Spielverständnis dürfte Scouts und Coaches auch in den Meetings beeindrucken, er ist hier - sofern sich das anhand des Tapes analysieren lässt - weiter als der Rest dieser Klasse.

Die Mechanics in der Pocket sehen ebenfalls gut aus, Haskins erinnert an den typischen Pocket Passer, der das Spiel mental und dann mit präzisem Passspiel gewinnt. Die Anlagen dafür sieht man, und insbesondere sein Verständnis für Coverages und seine Route-Kombinationen sowie die bereits ausgeprägte Fähigkeit, durch seine Reads zu gehen, haben mich beeindruckt.

Wenn da eben nicht die Inkonstanz wäre. Dafür, dass sein Spiel das Kurzpass-Spiel ist, hat er hier noch entschieden zu viele Fehler drin, die repariert werden müssen. Bedenkt man aber, dass Haskins mit Blick auf die geringe College-Spielzeit noch vergleichsweise am Anfang seiner Entwicklung steht und blickt man auf seine Technik, dann scheint es durchaus möglich, ihn hier zu einem konstanteren Passer zu machen.

Gelingt das seinen Coaches, dann hat sein neues Team in Haskins einen klassischen West-Coast-Pocket-Passer, der von Anfang an eine gute Base-Line mitbringt. Haskins könnte die ideale Lösung für die New York Giants sein, die unter Pat Shurmur eine West Coast Offense spielen, mit Spielern wie Tate, Engram, Barkley und Shepard stark auf das Kurzpassspiel setzen und durch ihr Festhalten an Eli Manning Haskins noch etwas Zeit geben würden, um an seiner Accuracy zu arbeiten.