Vor ungefähr einem Jahr bereits war Ndamukong Suh Free Agent. Die Miami Dolphins hatten ihn gerade erst zur Halbzeit seines Sechs-Jahres-Rekord-Vertrags für Defensive Linemen in Höhe von 114,375 Millionen Dollar entlassen. Und der Defensive Tackle durfte sich sein nächstes Team aussuchen.
Suh ging zu den Los Angeles Rams, die gerade im Prozess waren, ihr Team mit zahlreichen Top-Transfers massiv aufzurüsten. Suh verriet im Vorfeld von Super Bowl LIII, dass er durchaus hätte woanders hingehen können.
Er bestätigte damit vorherige Aussagen von Rams-GM Les Snead: "Ich werde nicht über Zahlen sprechen, aber es ist eine zutreffende Aussage." Und weiter: "Ich hätte zu zwei anderen Teams gehen können, die mir deutlich mehr gezahlt hätten. Aber ich will gewinnen und in einer guten Gruppe von Leuten sein und in einer großartigen Organisation von oben bis unten. Und ich hatte das Gefühl, dass L.A. die richtige Wahl war." Bei den Rams unterschrieb er für ein Jahr und 14 Millionen Dollar.
Und die Rechnung der Rams ging auch beinahe auf: Das Team unterlag erst den New England Patriots im Super Bowl. Zuvor aber schon wurde deutlich, warum sie unter anderem Suh geholt hatten. War die Defense über weite Strecken der Saison noch eine wacklige Baustelle, die nur gelegentlich die Vorschusslorbeeren rechtfertigte, so fand die Unit spätestens im Dezember zueinander.
Ndamukong Suh zeichnet sich durch große Flexibilität aus
Einer der Hauptgründe dafür war Suh. Der legendäre Defensive Coordinator Wade Phillips sprach vor dem Super Bowl darüber, was Suh ausmacht: "Wir haben ihn als Defensive Tackle, Defensive End und Nose Guard eingesetzt", sagte Phillips über die Flexibilität des D-Liners. Phillips betonte, dass es eine Weile gebraucht hatte, um zu verstehen, für welche Matchups Suh am besten zu gebrauchen war.
Phillips erklärte auch, warum Suh einen verhältnismäßigen schwachen Start in die Saison hatte und nahm dafür die Schuld auf sich: "Es ging mehr darum, dass wir viel ausprobierten, um ihn in die richtige Position zu bringen. Er selbst war immer in der Lage, Plays zu machen."
Diese Flexibilität wurde besonders deutlich in den Playoffs, als Suh und Kollegen zur Höchstform aufliefen und das Laufspiel der Konkurrenz konsequent stoppten - ein Punkt, der in der Regular Season noch kaum funktioniert hatte (1,5 Prozent DVOA in Lauf-Defense, Platz 28 in der NFL). Suh wurde gerade im NFC Championship Game - aber auch im Super Bowl - immer wieder verschoben, was gerade den Saints im Laufe des Spiels große Probleme bereitete.
Unterm Strich zeichnete sich Suh wie üblich sowohl gegen den Pass als auch gegen den Lauf aus. Laut Pro Football Focus kam er auf 48 Total Pressures (12. in der NFL) und 30 Defensive Stops (10. in der NFL).
Suh: Defensive Player of the Year 2010
Nun ist Suh erneut auf dem Markt und gilt als einer der besten verfügbaren Defensivspieler. Er mag zwar nicht mehr ganz so dominant daherkommen wie zu seinen Anfangszeiten in Detroit, als er zum Defensive Rookie of the Year 2010 ausgezeichnet wurde, doch seine Leistungen ähneln denen seiner letzten sechs Spielzeiten in der NFL.
Eine weitere große Veränderung zu seiner Anfangszeit ist sein Verhalten auf dem Platz nach dem Pfiff des Schiedsrichters. Suh galt jahrelang als einer der besten Verteidiger in der NFL. Doch er galt auch als einer der schmutzigsten Spieler dieser Liga. Der zweite Pick insgesamt im Draft 2010 fiel immer wieder negativ auf.
Suh trat einst einem am Boden liegenden Aaron Rodgers auf den Knöchel, an Thanksgiving 2011 stieß er den Helm von Packers-Lineman Evan Dietrich-Smith mehrfach in den Boden und trat ihm anschließend auf den Arm. Zudem trat er Texans-Quarterback Matt Schaub einst in die Familienplanung und leistete sich diverse weitere Entgleisungen, die zu zahlreichen Geldstrafen und Suspendierungen führten.
All das scheint aber weit weg zu sein, denn dieser Tage hat sich Suh scheinbar besser im Griff. Mit seinen bald 33 Jahren sagte er kürzlich: "Ich bin introvertiert. Und ich habe kein Problem damit, im Hintergrund zu stehen und nur ein Zahn im Rädchen zu sein." Die Rede war von seiner Rolle im Team der Rams, wo er im langen Schatten von Superstar Aaron Donald stand.
Heute sagt Suh über seine damaligen Aussetzer: "Es gab offensichtlich ein paar Missgeschicke am Anfang meiner Karriere. Einige Leute reden davon noch Jahre später, während andere es nach ein paar Tagen gut sein ließen. Es ist deren Entscheidung."
Suh: "Ich bin immer noch aggressiv"
Suh wurde auch gefragt, ob sein Alter und seine Erfahrung zu seinem kontrollierteren Verhalten geführt hätten. Seine Antwort: "Ich bin nicht sicher, ob sich irgendwas geändert hat", sagte er augenzwinkernd. "Ich bin immer noch aggressiv. Ich jage immer noch Quarterbacks. Ich weiß es nicht, da müssen Sie vielleicht die Schiedsrichter fragen."
Suh kassierte zwar auch 2017 und 2018 weiterhin zahlreiche Flaggen, darunter einige für Überhärte - an Quarterback und sonstigen Gegenspielern - doch die richtig schmutzigen Aktionen blieben weitestgehend aus.
Blickt man nun auf den diesjährigen Free-Agent-Markt, dann wird schnell deutlich, dass Suh sich einmal mehr in einer Ausnahmerolle befindet. In der Defensive Line dürfte wohl nur Edge-Spieler Trey Flowers höher bewertet werden als Suh. Und in der Mitte der Line gibt es wohl keinen besseren Kandidaten.
Im Vorjahr waren Medienberichten zufolge neben den Rams auch die Jets - die wohl das größte Angebot abgegeben hatten - sowie die Saints und Titans an Suh dran. Auch in diesem Jahr dürfte es nicht lange dauern, bis Suh ein Team findet. Erneut stellt sich aber die Frage: Will er nochmal abkassieren oder hat ihm der Super-Bowl-Run in der Vorsaison so sehr gefallen, dass er einen erneuten Anlauf wagen will?
Ndamukong Suh übertrumpfte sogar Aaron Donald
Dass Suh noch einiges im Tank hat, steht dagegen wohl außer Frage. In den zwei Playoff-Spielen vor Super Bowl LIII brachte er es auf 1,5 Sacks und sieben Pressures - die drittmeisten aller Linemen der Liga über diesen Zeitaum, und zwei mehr als Nebenmann Donald!
"Wir sind es gewohnt, dass Suh gut spielt", sagte Phillips und betonte nach dem Championship Game: "Die letzten zwei Spiele waren seine besten." Suh ist weiterhin in der Lage, auf großer Bühne den Unterschied zu machen. Die Frage ist also lediglich: Für wen?