Die diesjährige Free Agency hat schon einige überraschende Deals produziert - doch der Schocker kam vergangene Nacht in der Form eines Trades: Die New York Giants schicken Odell Beckham zu den Cleveland Browns und zeigen damit eindrucksvoll, dass sie das planloseste Team in der NFL sind. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Adrian Franke.
Ein Rebuild in der NFL ist eine heikle Sache und erfordert von dem jeweiligen Team drei Dinge: Geduld, Disziplin - und einen konkreten Plan. Wie soll der Salary Cap gemanagt werden? Wie kommt man an zusätzliche Draft-Picks und welche Positionen will man hoch anpeilen? Und vor allem: Wie will man die wichtigste Position - den Quarterback - adressieren?
Giants-Geschäftsführer Dave Gettleman hat im Dezember 2017 ein Team übernommen, das eine Neuausrichtung brauchte. Eine massive Free-Agency-Shoppingtour hatte die Giants 2016 in die Playoffs befördert, dennoch war klar, dass dieses Team einen Umbruch benötigen wird. Ganz besonders auf der Quarterback-Position.
Gettleman und das Front Office der Giants haben seither eindrucksvoll gezeigt, dass sie diesen Plan nicht haben. Die Giants bewegen sich nach dem Beckham-Trade im Nichts, und das nicht nur, weil sie einen der positionsübergreifend besten jungen Spieler der gesamten Liga gerade abgegeben haben. Etwas, das man als Team schlicht nicht macht. Auch nicht im Umbruch, und insbesondere nicht für diesen Preis.
Giants ignorieren die wichtigste Position
Die Giants hatten im vergangenen Draft eine Möglichkeit auf dem Silbertablett. New York hatte den Second Overall Pick. Nachdem Cleveland an 1 Baker Mayfield genommen hatte, hätten sich die Giants Sam Darnold schnappen können. Oder Josh Rosen.
Stattdessen entschied sich New York für Running Back Saquon Barkley und baute sich damit selbst das Gerüst für eine imposante Abwärtsspirale. Mit diesem Pick ignorierten die Giants nicht nur den Wert der Position, die Tatsache, dass man Running-Back-Qualität auch mit deutlich geringeren Draft-Ressourcen findet und die finanzielle Bedeutung - ein hoch gepickter Running Back lässt die Vorteile eines bei den meisten Positionen im Vergleich günstigen Rookie-Vertrags verschwinden - sie ignorierten außerdem die wichtigste Position auf dem Feld.
Statt den überfälligen Nachfolger für Eli Manning zu finden, die Giants hätten Manning traden oder ihn dieses Jahr günstig entlassen können, investierte Gettleman in einen Running Back und machte sich anschließend über Football-Analytic-Abteilungen lustig.
Giants-Plan? Welcher Giants-Plan?
Seinen Quarterback zu finden ändert alles, umso mehr, wenn man ihn mehrere Jahre unter dem Rookie-Vertrag hat. Hier liegt der absolute Wert des Drafts, so öffnen sich Titelfenster für Teams. Man muss nur auf die Eagles und Rams der vergangenen beiden Jahre sowie aktuell auf die Chiefs und Browns schauen. Es ist der größte Vorteil, den es in puncto Kader-Zusammenstellung und Salary Cap in der NFL gibt.
Mit der Entscheidung für Barkley - der eine statistisch tolle Saison hatte und ein guter Spieler ist, die Giants waren aber trotz seiner spektakulären Rookie-Saison nur auf Rang 18 in puncto Rushing-DVOA und beendeten die Saison mit fünf Siegen - haben die Giants das nicht nur komplett ignoriert. Sie haben gleichzeitig gezeigt, dass sie sich jetzt noch im Titelfenster wähnen.
Eine massive Fehlkalkulation, welche die Planlosigkeit schonungslos offenlegt. Genau wie der neue 80-Millionen-Dollar-Vertrag, welchen die Giants Beckham vor sieben Monaten gegeben haben. Ein Vertrag, der dafür sorgt, dass man nach dem Trade auf 16 Millionen Dollar Dead Cap sitzen bleibt.
Die Giants hatten vor einem Jahr die Möglichkeit, ein neues Team um einen jungen Quarterback und einen der besten jungen Wide Receiver in der NFL aufzubauen. Stattdessen stehen sie heute ohne Beckham und ohne Quarterback-Plan, dafür mit einem 38-jährigen Eli Manning, der deutlich über den Zenit hinaus ist und mit einem teuren Running Back da, der rund 1.000 NFL-Touches haben und einen neuen Vertrag fordern wird, ehe man in New York wieder ernsthaft an die Playoffs denken kann.
"Verheerend" wäre noch freundlich ausgedrückt. Und "Plan" wohl auch.
OBJ weg - wie soll der Giants-Umbruch aussehen?
Jetzt sind die Giants also endgültig im Umbruch und haben dafür alle ihre jungen Säulen abgegeben, ohne sonderlich viel im Gegenzug zu erhalten. Auf Damon Harrison, Olivier Vernon und Landon Collins folgte jetzt der eine Elite-Spieler auf einer Premium-Position, den die Giants in ihren Reihen hatten.
Die Art Spieler, um die man seinen Umbruch herum gestalten und um den man das neue Team aufbauen soll. Wenige Spieler - Quarterbacks ausgeschlossen - haben ligaweit einen größeren Wert als Beckham, der Coverages und Defenses diktieren und eine Offense tragen kann. Die Giants haben ihn für einen Erst- und Drittrunden-Pick sowie eine schlechtere Version von Landon Collins in Jabrill Peppers abgegeben.
Hier ist nicht nur keine Idee zu erkennen, die Giants haben sich über die letzten beiden Offseasons selbst gegen eine Wand in die Ecke in einem tiefen Loch gefahren. Ja, sie könnten mit den zusätzlichen Picks im kommenden Draft nach oben traden und sich einen Quarterback holen. Um das aber unmissverständlich zu sagen: Sie hätten dann einen unfassbar teuren Preis gezahlt und ihren Rebuild um mehrere Stufen zurückgesetzt, um ein schlechteres Quarterback-Prospect zu draften, als sie 2018 an Nummer 2 hätten bekommen können.
Das Festhalten an Manning und damit einhergehend das Ignorieren der Quarterback-Frage, die Ressourcen- und Positions-Wert-Fehlkalkulation mit Barkley an 2, und ultimativ der Exodus in der Defense gekrönt mit dem Weggeben des Franchise-Aushängeschildes und einzigen Unterschieds-Spielers im Team: Die Giants unter Gettleman haben eindrucksvoll gezeigt, dass sie keinen Plan haben.
Wo ist das Licht am Ende des Tunnels? Die Idee, dass New York im kommenden oder im nächstjährigen Draft seinen Quarterback findet und so tatsächlich wieder nach vorne blicken kann. Doch bis dieser Quarterback gut genug ist, um wieder Richtung Playoffs schauen zu können, werden Nate Solder und Kevin Zeitler jenseits der 30 sein und beide neue Verträge verlangen, beide sind bis einschließlich 2021 gebunden. Genau wie Barkley, der spätestens 2022 noch teurer wird.
Selbst wenn auf der Quarterback-Position also der Idealfall eintritt, haben die Giants einen langen Weg vor sich, um aus ihrer aktuellen Situation wieder rauszukommen. Von anderen Szenarien ganz zu schweigen.