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Gronk tritt zurück: Das größte Mismatch der NFL verlässt die Liga

Von Pascal De Marco
Rob Gronkowski spielte neun Jahre in der NFL.
© getty

Der Rücktritt von Rob Gronkowski bedeutet, dass der wohl beste Tight End der NFL die Liga verlässt. Mit erst 29 Jahren schafft es der dreimalige Super-Bowl-Sieger sogar, die auf alles vorbereitet scheinenden New England Patriots mit einigen Fragen zu hinterlassen. SPOX blickt auf die Karriere von Gronk und das Denkmal, das sich der Superstar auf dem Weg in die Hall of Fame gebaut hat.

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Er hatte bereits - das ist kein Geheimnis - vor der letzten Saison mit diesem Gedanken gespielt. Rob Gronkowski überlegte schon in den Wochen nach der Super-Bowl-Niederlage gegen die Eagles intensiv, sich von dem Spiel zu verabschieden, das er so sehr liebt.

Der Körper, der gegnerische Defenses und Coaches jahrelang zur Verzweiflung getrieben hat, musste bereits so viele Schläge hinnehmen. Schläge, die sich bemerkbar machten und erste Sorgen hinter dem Gesicht erkennen ließen, welches eigentlich stets fröhlich und jederzeit ein breites Grinsen parat hatte.

Für ein weiteres Jahr wollte Gronk jedoch zurückkommen. Vielleicht hat er es einfach gespürt, dass etwas Besonderes in dieser Mannschaft liegen würde. Und auch wenn seine Leistungen 2018 keineswegs mit der eigenen Version in den vergangenen Jahren zu vergleichen war, hatte er an der märchenhaften Saison der New England Patriots und dem sechsten Titelgewinn der Belichick-Brady-Ära merklichen Anteil.

Nun allerdings soll es das gewesen sein. Gronkowski tritt als wohl bester Tight End aller Zeiten zurück. Nach 115 Regular-Season-Spielen mit 79 und 16 Postseason-Spielen mit 12 Touchdowns verlässt das größte Mismatch der NFL die Liga.

Gronkowksi: "45 bis 50 angebotenen Stipendien"

"Rob wird das Spiel als einer der Besten verlassen, die jemals auf der Position gespielt haben", kommentierte der stets auf Vorsicht bedachte Bill Belichick vielleicht noch etwas konsterniert die Nachricht, die seine langjährige Waffe am Sonntagabend via Instagram und einige Stunden vorher gegenüber Patriots-Besitzer Robert Kraft kommuniziert hatte.

Belichick, der 2019 in seine 45. Saison in die NFL gehen wird, wusste genau, was er an dem physischen Freak hatte. Uncharakteristisch für ihn und seine Draft-Strategie tradete er in der zweiten Runde des Drafts 2010 sogar nach oben, um sich das 1,98 Meter große und 120 Kilogramm schwere College-Versprechen aus Arizona zu sichern.

Hier imponierte Gronk nämlich, nachdem er sich aus "45 bis 50 angebotenen Stipendien", ausgerechnet für die Wildcats und gegen prominentere Programme wie die aus Clemson, Syracuse oder Ohio State entschieden hatte. In zwei Jahren sammelte der physisch dominierende Tight End 75 Receptions für 1.197 Yards und 16 Touchdowns.

Zwei Jahre auf dem Feld genügten Gronkowski um sich für den Schritt in die NFL zu entscheiden. Doch sammelte er auch schon erste Verletzungen: Das Junior-Year verpasste er aufgrund von einer Rücken-Operation, erste gesundheitliche Probleme und Zweifel kamen auf. Ein Grund, warum Gronk erst in der zweiten Runde vom Board ging.

Rob Gronkowski und Aaron Hernandez: Ultimative Flexibilität

Belichick jedoch hatte eine genaue Vision, wie das Spiel mit Gronkowski funktionieren könnte. Er nämlich bildete gemeinsam mit Aaron Hernandez schnell eines der gefährlichsten Tight-End-Duos aller Zeiten. Dabei machte vor allem die Vielseitigkeit der bulligen Gestalten die Pats-Offense zu einer schwer bespielbaren Einheit.

Hernandez, der Inside wie Outside auflaufen konnte, sich mit Wes Welker auf der Slot-Position abwechselte und dann sogar Fähigkeiten als Running Back für sich entdeckte. Gronkowski, der in seinen Rollen als Receiver wie als Blocker gleichermaßen leidenschaftlich wie erfolgreich spielte. Selbst wenn Gronk blockte, war er für Defenses stets als Receiver mit verzögertem Release im Auge zu behalten.

Das Duo sorgte schon in seiner ersten gemeinsamen Saison für 16 Touchdowns. Als Gronk jedoch im zweiten Jahr erst sein unfassbares Potenzial entfaltete, umsetzte und alleine 18 Mal in der Endzone feierte, war allen klar, dass es sich hier um einen ganz besonderen Spieler handelte.

Gronk: 120 Kilogramm Dominanz

Gronkowski, der den Körper eines Offensive Lineman und die Schnelligkeit und die Hände eines Wide Receivers vereinigte, war die neue Attraktion der Liga. Seine athletischen Fähigkeiten und seine herausragende Balance erlaubten ihm gemessen an seiner physischen Gestalt schier unmögliche Receptions.

Egal ob er der Ball auf Kniehöhe oder in seinen Rücken geworfen bekam. Egal ob er sich gegen einen oder mehrere Verteidiger behaupten musste und dabei massiven Gegnerkontakt hinnehmen musste. Egal ob er sich so weit strecken musste, dass er den Ball nur noch mit einer Hand erreichte. Gronk würde den Pass sichern, und wenn er dafür an der Seitenlinie nur noch mit den Zehenspitzen Bodenkontakt im Feld hatte.

Eines der selten ausgesprochenen Komplimente Belichicks kam Gronkowski dann zuteil, als die Pats den Youngster nach nur zwei Jahren für sechs Jahre und 54 Millionen Dollar an sich banden. Ein Vertrag, zu dem New Englands Head Coach nur wenige Spieler halten würde. Ein Vertrag, der die Wertschätzung zeigte, die Belichick gegenüber diesem Typ Spieler hatte. Eine Wertschätzung, die über neun Jahre anhalten sollte.

Bill O'Brien voll des Lobes über Gronk

Gronk war aber nicht nur wegen dem Wert als Receiver und seiner spektakulären Highlights der neue Star in Boston. Mit genauso viel Herz, wie er in das offene Feld lief um physisch schwächere Spieler zu frustrieren und unglaubliche Zahlen aufzulegen, war er in Sachen Blocking dabei.

Der Spieler, der für Defenses aufgrund seiner Athletik nicht mit ähnlich physisch gebauten Spielern zu verteidigen war, war ein genauso wichtiger Part in den Trenches. Manche bezeichneten ihn als die Erweiterung der Offensive Line und damit auch ein enorm wichtiges Element für Dante Scarnecchia, dem vermeintlich besten O-Line-Coach der letzten Dekade in der NFL.

"Meiner Meinung nach ist es die beste Kombination von Kraft, Athletik, großartigen Händen und exzellenten Instinkten. Und das war vom ersten Tag an, als er nach New England kam, so", fasste Bill O'Brien das Fähigkeiten-Potpourri zusammen. Der heutige Texans-Coach arbeitete in den ersten zwei Jahren als Offensive Coordinator mit Gronk zusammen.

"Natürlich ergab sich einiges aus dem Lernprozess. Er hatte aber von Anfang an tolle Instinkte und unglaubliche Fähigkeiten. Er hatte von vornherein ein gutes Gefühl dafür, wie Routen gelaufen werden. Er verstand Coverages. Er verstand es, Separation zu kreieren. Er konnte blocken. Außerdem brachte er eine gewisse Härte mit nach New England."

Rob Gronkowski ist immer Kind geblieben

Gronk separierte sich von der Konkurrenz auf seiner Position durch die Exzellenz, die er in beiden Phasen seines Spiels an den Tag legte. Er war ein echter hybrid Tight End, wie es sie in der NFL auf diesem Level nur wenige gab, und Vorbild für so viele, die auf der Position heute begeistern können. Kaum einer schafft es aber auch nur annähernd beide Phasen derart verlässlich zu vereinen. Blocking Tight Ends fehlen meist die Dynamik und die Hände. Receiving Tight Ends hingegen geht meist die Technik oder die Leidenschaft für die Schmutzarbeit ab.

Neben dem Feld wusste sich der Superstar über natürliche Art und Weise einen Platz in den Herzen der Fans in New England und über die gesamte Nation bis über den großen Teich zu manifestieren. Genauso hart, wie er auf dem Platz zu Werke ging, ging es mit Gronk auf Parties zur Sache. Scheu vor der Kamera hatte er nicht, im Gegenteil: Niemand genoss die Siegeszüge durch Boston mehr; und manchmal bekommt man den Eindruck, dass man diese Aussage bei Gronk auch über das Leben an sich tätigen könnte.

Spitzbübische Kommentare und jugendliche Bemerkungen tat man ihm ohne jegliche negative Gedanken ab. Die Person Gronkowski lebt durch kleine Scherze. Scherze, über die er gerne selbst lauter lacht als jeder andere im Raum. Als er im Saison-Finale 2017 um eine Reception einen 2-Millionen-Dollar-Bonus verpasste, freute er sich nach dem Spiel lautstark, dass er die Saison ausgerechnet mit "69" Receptions beendete.

Gronkowski: Verletzungen zeigen ihre Wirkung

Das Lachen jedoch fiel Gronk mit den Jahren immer schwerer. Ab seiner dritten Saison in der NFL sollte er es kein einziges Mal mehr schaffen, eine volle Saison über 16 Spiele zu absolvieren. Die physische Spielweise des Tight Ends hatte ihre Zeichen hinterlassen.

Ein Kreuzbandriss, wiederkehrende Rückenprobleme, ein gebrochener Unterarm und Gehirnerschütterungen sollten selbst bei einem Panzer wie Gronk merkliche Narben hinterlassen. Der 29-Jährige spekulierte nach dem verlorenen Super Bowl XLII schon über sein Karriereende. Nach nur neun Jahren ist es jetzt also so weit.

Der wohl beste Tight End aller Zeiten hat das Spiel verlassen; doch wer weiß, ob es nicht eine Fortsetzung gibt - ganz im Hollywood-Stil, wo viele Gronks nächste Karriere - neben dem Wrestling - sehen. Drew Rosenhaus, der Berater des Tight Ends, verkündete am Morgen bei ESPN, dass es ihn nicht wundern würde, sollte es einen Rücktritt vom Rücktritt geben.

"Sollte das Team nächstes Jahr Probleme haben", verriet Rosenhaus, "und beispielsweise Tom Brady ihn anrufen und sagen: "Rob, ich brauche dich." Dann wäre ich nicht geschockt, wenn er für ein paar Spiele zurückkommen würde."

Patriots vor Problemen ohne Gronk?

Diskussionen, ob der Titel des "Besten Tight Ends aller Zeiten" gerechtfertigt ist, wird es freilich geben. Bei kaum einem Spieler werden sie nicht vorgenommen. Gronk wirft jedenfalls neben all den Facetten, die er als Spieler mitbringt, auch drei Ringe, fünf Pro-Bowl-Teilnahmen und fünf All-Pro-Nominierungen mit in den Ring.

Gronkowski hat eine Messlatte auf seiner Position gesetzt, die schlicht und ergreifend unfair ist, für all das, was nach ihm kommt. Er war die wohl verlässlichste Waffe, mit der Tom Brady in seiner Karriere zusammengespielt hat. Kaum ein Nicht-Quarterback konnte jemals Spiele in kritischen Phasen derart an sich reißen.

Ein Hall of Famer ohne Zweifel und der wohl dritte nach Jim Brown und Gale Sayers, der in Canton aufgenommen wird, ohne je ein NFL-Spiel mit 30 absolviert zu haben - sofern Rosenhaus' Prognose nicht doch noch wahr wird.

Für die Patriots hinterlässt er außerdem eine nicht zu verkennende Lücke. Sicher wird das Belichick-Regime erneut einen Weg finden, eine Offense zu gestalten, die in ihrer Form und Vielfältigkeit wohl nur sehr schwer zu kontrollieren sein wird. Das allerdings muss sie nun ohne das größte Mismatch der NFL tun.

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