Lombardi: Verspätete Avancen durch die New York Giants
Im nächsten Jahr kam es zum Rematch um die Krone der NFL. Doch zuvor traf sich Lombardi mit Mara zum Essen. Mara hatte eingesehen, dass es ein Fehler war, Lombardi ziehen zu lassen, anstatt ihn zum Head Coach zu machen. Er machte ihm sogar ein Angebot, letztlich doch die Giants zu übernehmen. Lombardi aber blieb cool, stand vom Tisch auf und ging mit den Worten: "Wir werden euch morgen schlagen!" Lombardi behielt Recht und die Packers verteidigten ihren Titel mit einem 16:7-Sieg.
Lombardis Erbe besteht allerdings keineswegs nur aus zahlreichen Titeln - auch wenn er der einzige Head Coach ist, der es auf fünf Championships innerhalb von neun Jahren gebracht hat -, sondern auch aus einem bestimmten Spielzug.
Lombardi etablierte in Green Bay den Power Sweep - oder: Packers Sweep -, der auch heute noch Anwendung findet. Es ist trivial formuliert ein Laufspielzug, bei dem der Running Back zunächst parallel zur Line of Scrimmage läuft und dann hinter Lead-Blockern vorwärts läuft. Dabei hat er in der Regel die Möglichkeit, nach innen oder außen zu ziehen. Die Packers nutzten den Spielzug sehr häufig und waren damit stets erfolgreich.
Das Play wurde zum Sinnbild des Erfolgs von Lombardi, da es gutes Teamwork erfordert. Jeder muss seine Aufgaben präzise erfüllen, was eine der Grundfesten der Philosophie von Lombardi war. Am Ende seiner Karriere wurde Lombardi gefragt, was er von seinen Spielern zuvorderst verlangte: "Ich will, dass er in einem Play, an dem er beteiligt ist, 100 Prozent gibt."
Vince Lombardis Kampf gegen Diskriminierung
Vince Lombardi stand jedoch nicht nur für großartige Errungenschaften im Sport. Auch auf menschlicher Basis war er zuweilen seiner Zeit voraus.
Bereits in seiner Jugend hatte er mit seinen italienischen Wurzeln zu kämpfen. Er hatte einen dunkleren Hautton als seine Schulkameraden, was immer wieder zu Diskriminierungen führte.
Das prägte Lombardi so sehr, dass er in seinem späteren Leben und als Coach keine Sekunde damit verbrachte, über die Hautfarbe eines Spielers nachzudenken. Er machte etwa Dave Robinson zum ersten schwarzen Linebacker in der Geschichte der Packers.
Und er machte die Hochzeit von Lionel Aldridge erst möglich. Der hatte nämlich eine weiße Freundin, was in der damaligen Zeit nicht gern gesehen war, um es nett zu formulieren. Aldridge also ging zu Lombardi und fragte ihn, ob er mit der Heirat einverstanden wäre, da es zuvor schon Fälle gab, in denen ein schwarzer Spieler dann seinen Job verlor und gewissermaßen von der Öffentlichkeit geächtet wurde.
Lombardi sagte Aldridge, dass es ihm komplett egal wäre, wen er heiratet, und dass er seine volle Unterstützung hätte, solange er Topleistungen auf dem Feld bringen würde. Die Hochzeit fand statt und Lombardi wehrte alle Misstöne der Gesellschaft ab.
Vince Lombardi: Saisons bei den Green Bay Packers
Jahr | Siege | Niederlage | Remis | Platzierung | Playoffs |
1959 | 7 | 5 | 0 | 3. (Western Conference) | - |
1960 | 8 | 4 | 0 | 1. (WC) | Niederlage NFL Championship |
1961 | 11 | 3 | 0 | 1. (WC) | Sieg NFL Championship |
1962 | 13 | 1 | 0 | 1. (WC) | Sieg NFL Championship |
1963 | 11 | 2 | 1 | 2. (WC) | - |
1964 | 8 | 5 | 1 | 2. (WC) | - |
1965 | 10 | 3 | 1 | 1. (WC) | Sieg Championship |
1966 | 12 | 2 | 0 | 1. (WC) | Sieg Super Bowl I |
1967 | 9 | 4 | 1 | 1. (Central Division) | Sieg Super Bowl II |
Super Bowls
Nach zwei eher durchwachsenen Jahren gewannen die Packers 1965 ihre dritte NFL Championship und damit die letzte vor dem Zusammenschluss der NFL und AFL. Es folgte ein weiterer NFL-Championship-Erfolg, dieses Mal über Tom Landrys Cowboys. Anschließend aber war freilich nicht Schluss, es stand schließlich der erste Super Bowl an - damals unter dem Titel "AFL vs. NFL World Championship Game".
Der Druck, der auf Lombardi und den Packers lastete, war enorm. Es ging nicht nur um eine Meisterschaft, es ging um die Ehre der gesamten NFL, die sich als überlegene Liga wähnte und keinesfalls eine Pleite im ersten großen Kräftemessen mit der juvenilen AFL - die Spielpläne blieben bis 1970 getrennt - hinnehmen wollte.
Wellington Mara schickte Lombardi sogar einen Brief vor dem Spiel und nannte ihn den "besten General" für die anstehende Schlacht.
Die Packers enttäuschten nicht und schlugen die Kansas City Chiefs mit 35:10, die Macht der NFL war gebührend demonstriert.
Ice Bowl
Ein Jahr später kam es erneut zum Duell mit den Cowboys in der Vorschlussrunde. Im legendären Ice Bowl machte die Frozen Tundra ihrem Namen alle Ehre. Und die Packers, die lange Zeit in Schwierigkeiten waren, brauchten ein Comeback in den Schlusssekunden, um die Partie nach einem 14:17-Rückstand noch zu drehen.
Kurz vor der Goal Line mit wenigen Sekunden auf der Uhr wurde debattiert, welcher Spielzug der richtige war. Lombardi hatte eine andere Idee, doch Quarterback Bart Starr, der MVP der ersten beiden Super Bowls, schlug einen QB-Sneak vor, weil er glaubte, trotz des gefrorenen Spielfelds genug Traktion zu haben.
Lombardis Antwort: "Dann lauf den Spielzug und nichts wie raus hier!" Er lief ihn - in die Endzone - und die Packers erreichten auch den zweiten Super Bowl. Wie sich herausstellte, war dieses Spiel - 33:14 gegen die Oakland Raiders - zugleich Lombardis letztes Spiel als Packers-Head-Coach.
Der Coach war müde, sein Team war es ebenso. Die Stars - Starr, Ray Nitschke, Robinson oder Jerry Kramer, um nur ein paar zu nennen - ebenso. Lombardi blieb noch ein Jahr im Front Office, musste sich jedoch eingestehen, dass ein Job außerhalb des Coachings nichts für ihn war.
Die Vince Lombardi Trophy
Und so schloss er sich für die Saison 1969 den Washington Redskins an, die er in seiner letztlich einzigen Saison zu einer 7-5-2-Bilanz führte - es war die erste Saison mit positiver Bilanz für die Skins seit 1955. Kurz vor Beginn der zweiten Spielzeit in der Hauptstadt trat Lombardi aufgrund gesundheitlicher Probleme zurück.
Wie viele Menschen Lombardi in seiner Karriere positiv berührte, zeigte sich in seiner wohl schwersten Stunde. Seine letzten Wochen - er litt an Krebs im Endstadium - verbrachte er in einem Krankenhaus in Georgetown und alle seine Weggefährten kamen, um sich zu verabschieden. Die Packers reisten mit einem gecharterten Flieger an, viele seiner Spieler bei den Giants waren da, die Redskins sowieso.
Redskins-QB Sonny Jurgensen berichtete, dass ihm Lombardi Wochen vor dessen Tod erklärte, dass er sich auf mehr 3-4-Defenses einstellen müsse, da die Teams der AFC - 1970 war das erste Jahr des einheitlichen Spielplans - diese Defensiv-Formation bevorzugten. Selbst kurz vorm Ende gab es für ihn vor allem eines: Football.
Mit seinem alten Schützling bei den Giants, Wide Receiver Frank Gifford, sprach Lombardi schließlich über das Wetter. Gifford verriet jedoch, dass Lombardi ihm kurz vorm Abschied gestand: "Frank, es tut weh, zu gehen."
Drei Monate nach seinem Tod erwies ihm die NFL die letzte Ehre und zementierte den Status des legendären Coaches für die Ewigkeit: mit der Vince Lombardi Trophy.