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Watson, Brissett, Rosen: Das sind die Gewinner und Verlierer der Preseason

Von Jan Dafeld
Josh Rosen und Jacoby Brissett haben ereignisreiche Tage hinter sich.
© getty
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NFL Preseason 2019: Die Verlierer

Die Indianapolis Colts:

Jacoby Brissett mag mehr als ein durchschnittlicher NFL-Backup sein, dennoch trifft der Rücktritt von Andrew Luck die gesamte Franchise natürlich unglaublich hart. Der 29-Jährige zählte zu den zehn besten Quarterbacks der NFL, mindestens die halbe Liga befindet sich praktisch permanent auf der Suche nach genau diesem Spieler. Durch Peyton Manning und im Anschluss Luck waren die Colts eine der ganz wenigen Franchises, die über Jahre hinweg von dem Luxus profitierte, absolute Planungssicherheit auf der wichtigsten Position im Football zu haben. Dies ist nun schlagartig anders.

Über die kommenden zwölf Monate ergeben sich für Indy nun drei Szenarien. Das unwahrscheinlichste: Jacoby Brissett schlägt voll ein, überzeugt die Franchise davon, dass er der Quarterback der Zukunft sein kann und unterschreibt einen langfristigen Vertrag. Szenario Nummer zwei: Brissett spielt gut und etabliert sich als durchaus legitimer Starter.

Die Colts halten ihn in dem Fall mit überschaubarem Risiko, zum Beispiel durch den Franchise Tag oder durch einen Vertrag mit eher niedrigen Garantien, und evaluieren die Situation im darauffolgenden Jahr weiter.

Das dritte, und in den Augen vieler wahrscheinlichste, Szenario: Echtes Starter-Niveau kann Brissett bei den Colts nicht - oder zumindest nicht konstant - unter Beweis stellen. Indianapolis sieht ihn somit nicht als die langfristige Antwort auf dieser Position und steigt ins Rennen um einen neuen Franchise-Quarterback ein - per Free Agency oder, wahrscheinlicher, im Draft. Eine Suche, die dann richtig teuer werden könnte.

Josh Rosen, QB, Miami Dolphins:

Es fällt nicht schwer, angesichts der Entwicklungen rund um Josh Rosen in den vergangenen eineinhalb Jahren, ein wenig Mitleid mit dem 22-Jährigen zu haben. Rosen galt als eines der größten Quarterback-Talente des Landes, mehrere Teams hatten ihn als First-Round-Talent auf dem Zettel. Die Cardinals tradeten im Draft 2018 extra nach oben, um sich mit Rosen ihren Quarterback der Zukunft zu sichern. Aber: Rosen landete in der ligaweit schlechtesten Situation und musste seine erste Saison in einer praktisch dysfunktionalen Offense verbringen. Dass er dabei nur selten glänzen konnte, ist verständlich.

Durch einen Trade zu den Miami Dolphins sollte eigentlich vieles anders werden. Auch Miami galt zwar als schwächeres Team, das mitten im Rebuild steckte, mit Laremy Tunsil verfügte das Team aber über einen guten Pass-Protector, auch der Receiving-Corps war zumindest passabel. Nach dem Trade mit den Texans ist all das allerdings dahin.

Rosen wird sich - sobald er denn dann wirklich statt Ryan Fitzpatrick spielen darf - erneut in einer Offense zurechtfinden müssen, die kaum NFL-Niveau hat. Er ist von der schlechtesten Offense-Situation 2018 in die mutmaßlich schlechteste Offense-Situation 2019 gefallen.

Um im kommenden Jahr nicht erneut einen neuen Quarterback vor die Nase gesetzt zu bekommen, müsste Rosen alle Zweifel ausräumen, dass er die langfristige Lösung als Signal Caller für die Franchise sein kann. Das scheint angesichts der äußeren Umstände geradezu unmöglich. So scheint ihm auf lange Sicht schon jetzt kaum mehr als eine Backup-Rolle möglich zu sein. Und das ohne jemals eine wirkliche Chance in einer echten NFL-Offense erhalten zu haben...

Die Los Angeles Chargers:

Melvin Gordon bestimmt derzeit den Großteil der Schlagzeilen rund um die Los Angeles Chargers. Und doch ist es nicht das Fernbleiben des Running Backs, das das Team über die vergangenen Wochen klar geschwächt hat. Viel schwerwiegender: Mit Derwin James und Russell Okung fallen zwei wichtige Leistungsträger der Franchise lange aus.

Okung wird die Saison auf der Non-Football Illness List beginnen und somit mindestens die ersten sechs Spiele des Teams verpassen. James dürfte in den kommenden Tagen auf der Injured Reserve List landen und damit für mindestens acht Spiele ausfallen, tatsächlich wird er vielleicht die gesamte Regular Season verpassen.

Für manche Beobachter zählten die Chargers zu den komplettesten Teams der Liga und somit auch zum absoluten Favoritenkreis. Ohne ihren besten Offensive Lineman sowie ihr Schweizer Taschenmesser in der Defense muss hinter diesen Status vorerst allerdings wieder ein Fragezeichen gesetzt werden.

Jimmy Garoppolo, QB, San Francisco 49ers:

Ja, Jimmy Garoppolos üble Leistungen im Abschlusstraining vor dem Preseason-Spiel gegen die Denver Broncos sowie der schlechte Auftritt in jenem Match sollten nicht überbewertet werden. Es war nur das Training Camp, es war nur die Preseason.

Und doch kann nicht bestritten werden, dass sich der Blick auf Garoppolo in den vergangenen zwölf Monaten sehr stark gewandelt hat. Nach seinen beeindruckenden Auftritten mit fünf Siegen aus fünf Spielen sowie einer monumentalen Vertragsverlängerung in San Francisco galt Garoppolo vor der vergangenen Saison als eines der größten Quarterback-Talente der gesamten Liga, die 49ers als einer der Top-Kandidaten auf den Titel des am stärksten verbesserten Teams.

2019 tritt dieser Optimismus doch deutlich gedämpfter auf. Kann Garoppolo fit bleiben? Wie groß ist der Druck auf John Lynch und Kyle Shanahan? Will Garoppolo zu viel machen?

Auch wenn es nur die Preseason gewesen sein mag: Garoppolo wirkte in seinen Bewegungen nicht wirklich flüssig, das Vertrauen in das frisch operierte Knie scheint (noch) nicht voll da zu sein. Das liefert berechtigten Grund zur Sorge. Überzeugt Garoppolo in den ersten Spielen der kommenden Saison, dürften all die Zweifel so schnell verfliegen wie sie gekommen waren, klar. Gelingt ihm dies allerdings nicht, dürften die Sorgenfalten in San Francisco schnell tiefer werden - und er zusätzlich unter Druck geraten.

Die Minnesota Vikings:

Angesichts der Trade-Exzesse der Houston Texans in den vergangenen Tagen und Wochen könnte man unter Umständen annehmen, Draft-Picks seien in der NFL plötzlich weniger wert als bislang angenommen. Das sind sie allerdings nicht. Für (fast) jedes Team stellen diese nach wie vor ein sehr wertvolles Gut dar, das überlegt eingesetzt werden will. Auch für die Minnesota Vikings. Eigentlich.

Einen Fünftrundenpick für einen Kicker zu investieren, stellt also bereits eine bemerkenswerte Handlung dar. Diesen Spieler dann kurz darauf wieder zu entlassen, wirft sicherlich kein gutes Licht auf das Management dieses Teams. Dieses Szenario ein Jahr später dann praktisch genau so zu wiederholen, kommt einem Debakel gleich.

Doch genau das ist bei den Vikings geschehen, erst 2018 mit Fünftrunden-Pick Daniel Carlson, 2019 dann mit Kaare Vedvik, der per Trade aus Baltimore kam. Carlson hatte für die Vikings nur einen von vier Kicks getroffen, bei den Raiders verwandelte er kurz nach seiner Entlassung 16 von 17 Versuchen. Vedvik wiederum hatte bei den Ravens 12 von 13 Kicks in der Preseason getroffen, in Minnesota waren es dann auch bei ihm wieder nur einer von vier.

Das lässt zwei Schlüsse zu. Entweder: Die Vikings leiden tatsächlich unter einem alten Kicker-Fluch. Oder, etwas wahrscheinlicher: Die Probleme liegen tiefer (Snapper? Holder? Coaching?) und sind nicht einzig und allein am Kicker selbst festzumachen.

Jerick McKinnon, RB, San Francisco 49ers:

14. März 2018: Die San Francisco 49ers verpflichten Jerick McKinnon für 30 Millionen Dollar über vier Jahre. Es ist ein Schocker! McKinnon, der in seinen ersten vier Jahren in Minnesota nie den Status des klaren Nummer-eins-Backs erreichen konnte und der noch nie 1.000 Scrimmage Yards erreicht hat, wurde zu einem der bestbezahlten Running Backs der NFL. Noch heute rangiert McKinnons Jahresgehalt auf Platz sechs unter Spielern auf seiner Position.

Dem heute 27-Jährigen sollte der umstrittene Deal damals zum großen Durchbruch verhelfen. Running Backs nehmen eine große Rolle im Passing-Game von Head Coach Kyle Shanahan ein, McKinnon war offenbar dessen erklärter Wunschspieler für diese Rolle. Knapp ein halbes Jahr später riss sich McKinnon allerdings das Kreuzband. Die vermeintliche Breakout-Saison war vorbei, bevor sie überhaupt begann.

Seitdem wurden die Vorzeichen für McKinnon schlechter und schlechter. Matt Breida überzeugte in seiner Abwesenheit, dann kam Tevin Coleman in der Offseason aus Atlanta. Am Samstag gab es dann allerdings die erneute Hiobsbotschaft: McKinnon muss erneut operiert werden und wird auch 2019 die gesamte Saison verpassen. Im Sommer kann San Francisco durch eine Entlassung McKinnons 4,4 Millionen Dollar einsparen. McKinnons große Chance könnte somit an ihm vorbeiziehen, ohne auch nur ein Down für die Franchise gespielt zu haben.

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