NFL Preseason 2019: Die Gewinner
Die General Manager:
Seit einer gefühlten Ewigkeit zählen die New England Patriots nun bereits zu den besten Teams der NFL. Bill Belichick, Head Coach und gleichzeitig auch de facto General Manager der Patriots, gelingt es regelmäßig, wichtige Leistungsträger zu ersetzen und neue Stars für das Team zu finden. Da könnte sich die Frage aufdrängen: Ist es womöglich tatsächlich erfolgsversprechender, die Positionen des Coaches und des Managers zu verbinden und seinem Coach somit mehr Einfluss auf jegliche Personalentscheidungen zu gewähren?
Die vergangenen Wochen und Tage zeigen: Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Nach der Entlassung von GM Brian Gaine übernahm eine kleinere Gruppe innerhalb der Texans-Organisation zumindest übergangsweise die Aufgaben des General Managers, darunter auch Head Coach Bill O'Brien, der Berichten zufolge großen Einfluss auf die Personal-Entscheidungen des Teams hat.
Das führte in den vergangenen Wochen erst zu einem überteuerten Trade für Running Back Duke Johnson, einem stetigen Verschlechtern der Verhandlungsposition rund um Jadeveon Clowney und somit letztendlich zu einem zu günstigen Trade zu den Seattle Seahawks sowie kurz darauf einem spektakulär teuren Trade für Laremy Tunsil und Kenny Stills, der die Zukunft der Texans finster erscheinen lässt.
Für einen zweifelsohne guten, aber (noch) nicht überragenden Left Tackle, der ausgestattet mit einer überragenden Verhandlungsposition eher früher als später zum bestbezahlten Offensive Tackle der Liga werden dürfte, gaben die Texans zwei First- sowie einen Second-Round-Pick ab. Mehr als die Bears für Khalik Mack abgaben. Mehr als die Chiefs für Frank Clark abgaben. Mehr als die Rams und Eagles 2016 für Jared Goff und Carson Wentz abgaben.
O'Brien und die Texans dürften damit eine große Schwachstelle ihres Teams klar verbessert und dieses im Jahr 2019 (und womöglich auch 2020) auch verstärkt haben. O'Brien muss jetzt gewinnen, um seinen Job halten zu können. Dazu scheint ihm jedes Mittel recht. Mit einem nachhaltigen Plan für die Zukunft hat dieses Vorgehen allerdings nichts zu tun. Ein General Manager wäre dies sicher anders angegangen.
Deshaun Watson, QB, Houston Texans:
Langfristig mag der Trade mit den Dolphins für die Texans desaströs wirken, im September 2019 macht er das Team jedoch stärker. Profitieren dürfte davon insbesondere Deshaun Watson. Mit Tunsil bekommt der 23-Jährige erstmals in seiner Karriere einen überdurchschnittlichen Left Tackle an seine Seite gestellt und darf sich nun berechtigte Hoffnungen machen, in der kommenden Saison nicht erneut mit dem Bus zu Auswärtsspielen fahren zu müssen, da ein Flug seiner von den zahlreichen Hits angeschlagenen Lunge zu sehr zusetzen könnte.
Watson dürfte auch 2019 noch viele Sacks einstecken. Im Gesamtbild ist die Offensive Line der Texans immer noch unterdurchschnittlich besetzt, zudem führt der Spielstil von Watson, der den Ball zu oft zu lange hält, zu einigen vermeidbaren Sacks. Doch Tunsils Verpflichtung ist - den Preis natürlich ausgeklammert - ein Schritt in die richtige Richtung.
Zudem verstärkt Kenny Stills das Receiving Corps der Texans und gibt Watson eine zusätzliche, starke Pass-Option. Das könnte wertvoll sein - erst Recht, wenn Will Fuller auch in diesem Jahr mehrere Spiele aufgrund von Verletzungen verpassen sollte.
Die Zukunft der Miami Dolphins:
Für die Dolphins gilt das exakte Gegenteil der Texans. Mit Tunsil und Stills hat Miami seine letzten zwei überdurchschnittlichen Starter in der Offensive abgeben und auch defensiv ist das Team, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, schwach besetzt. Der Kader von Head Coach Brian Flores könnte tatsächlich der schlechteste sein, den die NFL in den letzten Jahren zum Start einer Saison zu Gesicht bekam.
Aber: Die Möglichkeiten, diesen Zustand in den kommenden Jahren schnell wieder zu ändern, sind definitiv da. Im Draft des kommenden Jahres wird Miami aller Voraussicht nach je zwei Picks in den ersten fünf (!) Runden haben. Ein Jahr später gibt es immer noch einen zusätzlichen Pick in den Runden eins und zwei. Flores und General Manager Chris Grier werden in dieser Saison evaluieren können, mit welchen Spielern man in die Zukunft gehen möchte und davon ausgehend, mit Hilfe der zahlreichen Draft-Picks sowie dem verfügbaren Cap Space, ein Team nach ihren Vorstellungen aufbauen.
Das muss nicht von Erfolg gekrönt sein. Die jahrelange Bedeutungslosigkeit der Browns kann als Negativ-Beispiel dienen, auch die Oakland Raiders werden erst noch zeigen müssen, dass sie mit ihren drei First-Round-Picks 2019 eine bessere Zukunft einläuten können. Die Voraussetzungen, um ein langfristig starkes Team aufzubauen, könnten allerdings deutlich schlechter als aktuell in Miami sein.
Jacoby Brissett, QB, Indianapolis Colts:
Das Karriereende von Andrew Luck ist unglaublich bitter für ihn, für die Indianapolis Colts und die gesamte NFL. Profiteur der couragierten Entscheidung des Ex-Colts-Quarterbacks ist nun allerdings Jacoby Brissett. Der 26-Jährige geht in sein letztes Vertragsjahr und kann sich plötzlich als potenzieller Starter empfehlen. Quarterbacks mit Starter-Potenzial winkt als Free Agent ein riesiger Haufen Kohle, selbst als Top-Backup kann man mit einem mehr als üppigen Gehalt rechnen.
Und: Die Umstände für Brissett könnten definitiv schlechter sein. Die Offensive Line der Colts zählte im Vorjahr zu den besten der Liga, der Supporting Cast mit T.Y. Hilton, Devin Funchess, Parris Campbell, den Tight Ends Eric Ebron und Jack Doyle sowie den Running Backs Marlon Mack und Nyheim Hines kann sich sehen lassen, zudem scheint das Scheme von Head Coach Frank Reich eines der Quarterback-freundlicheren der Liga zu sein.
Ohne Frage wird Brissett Lucks Leistung aus dem Vorjahr nicht duplizieren können, der ehemalige Patriot ist kein MVP-Kandidat und ohnehin ein mobilerer Quarterback-Typ, kein klassischer Pocket-Passer wie Luck. Doch Brissett deutete bereits an, dass er besser als ein durchschnittlicher QB-Backup sein kann. Eine bessere Gelegenheit, um dies unter Beweis zu stellen, hätte er kaum erwischen können.
John Schneider, GM, Seattle Seahawks:
Wer zum Abschluss der letzten NFL-Saison vorausgesagt hätte, die Seahawks würden über das kommende halbe Jahr Pass-Rusher Frank Clark, einen Drittrundenpick 2020 sowie die Linebacker Jacob Martin und Barkevious Mingo gegen Jadeveon Clowney, einen Erstrundenpick 2019 und einen Zweitrundenpick 2020 eintauschen können, der wäre höchstwahrscheinlich für verrückt erklärt worden. Doch genau das ist Seattles General Manager John Schneider gelungen!
Schneider bewies sowohl bei Clarks als auch bei Clowneys Trade ein sehr gutes Gespür für den perfekten Zeitpunkt: So schlug er bei den Chiefs, die gerade erst Pass-Rusher Dee Ford an die 49ers abgegeben hatte, für Clark mehr Gegenwert heraus, als die meisten Beobachter vermutet hätten. Am Samstag sicherte er sich dann Clowney, dessen Trade-Wert mit dem Verstreichen der Deadline für eine Vertragsverlängerung am 15. Juli stark gesunken war, zu einem sehr überschaubaren Preis.
Die Seahawks mussten so wenig abgeben, dass sie es sich sogar leisten könnten, Clowney im Anschluss an die kommende Saison nicht zu verlängern, diesen ziehen zu lassen und durch den fälligen Compensatory Pick trotzdem als klarer Gewinner des Trades dazustehen. Viel besser hätten die Offseason und Vorbereitung zumindest in Bezug auf diese Personalien für die Seahawks nicht laufen können.
Taysom Hill, QB/ST, New Orleans Saints:
Gäbe es einen MVP der Preseason, Taysom Hill könnte sich wohl Chancen auf den Award ausrechnen. Der 29-Jährige überzeugte in allen vier Spielen und bewies, dass er auch auf dem NFL-Level mehr als ein Gadget-Player sein kann. Erster Backup der Saints bleibt vorerst Teddy Bridgewater und dennoch dürfte es wichtig für Hill gewesen sein, zu zeigen, dass er nicht zwingend spezielle Packages braucht, um effektiv zu sein.
Der ehemalige Undrafted Free Agent wird vielleicht nicht der Nachfolger von Drew Brees werden, in der kommenden Offseason wird er allerdings Restricted Free Agent. Seine Leistungen als klassischer Quarterback in der Preseason könnten das Interesse an seinen Diensten bereits jetzt erhöht haben.
Austin Ekeler und Justin Jackson, RB, Los Angeles Chargers:
Auf den Streik von Running Back Melvin Gordon hätten die Los Angeles Chargers höchstwahrscheinlich verzichten können. Schlaflose Nächte dürfte ihnen die Posse allerdings auch nicht bereiten. Der Wert eines Running Backs ist mittlerweile überschaubar, zur absoluten Spitze gehörte der 26-Jährige auf seiner Position zudem sowieso nicht.
Profiteure dieser Entwicklung sind nun zwei Spieler, die in der vergangenen Saison noch als Backups hinter Gordon fungierten: Austin Ekeler und Justin Jackson. Beide deuteten ihre Klasse in ihren limitierten Rollen bereits an, 2019 könnten sie nun als gemeinsamer One-Two-Punch in einer guten Offense noch mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Ekeler, der mehr als Receiving-Back fungieren dürfte, und Jackson, der stärker den klassischen Runner verkörpert, sollten sich gut ergänzen. Ekeler wird am Ende der Saison zudem Restricted Free Agent. Gordons Fernbleiben kommt für ihn somit geradezu zum perfekten Zeitpunkt.