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Ist die Offense der Cleveland Browns repariert?
Der Hype-Train rund um die Cleveland Browns hat über die ersten drei Spieltage einen kräftigen Dämpfer abbekommen. Es war die Defense, die das Team in engen Spielen hielt - die über den Sommer so hochgelobte und mit Spannung erwartete Offense dagegen startete mit einer ganzen Reihe an Problemen in die neue Spielzeit.
Die Offensive Line war merklich nicht auf dem Vorjahres-Level, Freddie Kitchens sorgte mit einigen Play-Calls für Stirnrunzeln - vor allem aber Baker Mayfield schien im Vergleich zu seiner furiosen zweiten Saisonhälfte als Rookie zu stagnieren, bestenfalls. Zwei zentrale Probleme dabei waren erzwungene Würfe in enge Fenster sowie das Verlassen einer sauberen Pocket, beziehungsweise teilweise sogar das Bewegen hinein in den gegnerischen Pressure.
Der Sieg in Baltimore am Sonntag lässt die Panikmacher erstmal wieder verstummen; die Browns stehen nach vier Spielen an der Spitze der Division, gleichauf mit den Ravens und jetzt mit einem Auswärtssieg im direkten Vergleich in der Tasche. Doch die wichtigere Frage mit Blick auf die weitere Saison lautet: Ist die Offense repariert? War das Ravens-Spiel die Partie, in der die Offense die Wende einleitete?
Ohne zu sehr den Hype wieder anschieben zu wollen: Es war in jedem Fall ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung.
Browns-Offense: Mayfield macht Mut
Bei all den kleineren und größeren Problemen in der Browns-Offense über die ersten Partien steht Mayfields Entwicklung ganz oben. In Cleveland gibt es die berechtigte Hoffnung, hier den Quarterback für die nächsten zehn, 15 Jahre gefunden zu haben; ein Rückschritt in seiner Entwicklung war da dementsprechend nicht vorgesehen.
Browns-Offense gegen Baltimore - die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Mayfield spielte besser in der Pocket. Teilweise lief er noch in Pressure hinein oder verlor das Gefühl für die Pocket beziehungsweise den Pass-Rush, generell aber agierte er kontrollierter und arbeitete deutlich besser durch die Pocket, auch durch Traffic.
- Nach wie vor erzwang er einige Pässe in enge Fenster, auch hier aber war ein positiver Trend festzustellen.
- Die Browns arbeiteten sehr viel mit Rub-Routes (bedeutet: Route-Kombinationen arbeiten so miteinander, dass die Laufwege von einem oder mehreren Receivern es einem Verteidiger gezielt erschweren, seinen Gegenspieler zu verfolgen, indem ihm der direkte Weg versperrt wird) und erzielten so immer wieder offene Receiver.
- Motion war ein präsentes Mittel, das noch häufiger genutzt werden könnte. Es war ein Mittel, um Mayfield klare Reads und einen schnellen Release zu ermöglichen.
Der letzte Punkt war einer der auffälligsten Aspekte bei der Betrachtung des Tapes. Mayfield stand bei nur sieben seiner 32 Dropbacks unter Druck - was maßgeblich an seinem schnellen Release lag. Im Schnitt wurde er den Ball nach 2,32 Sekunden los. Zum Vergleich: Über die ersten drei Spiele betrug dieser Wert bei Mayfield im Schnitt 2,74 Sekunden. Eine deutliche Veränderung.
Schnelle Reads führen zu weniger Pressure und führen zu mehr Plays innerhalb der Struktur und aus der Pocket heraus - vereinfacht gesagt war das ein großer Teil der Formel für die Browns am Sonntag. Mayfield warf zehn Pässe bei First Down für einen Schnitt von sieben Yard pro Pass, und generell waren die Play-Designs gegen Baltimore sehr Quarterback-freundlich.
Vielleicht das am häufigsten eingesetzte Element waren die bereits angesprochenen Rub-Routes.
Cleveland erzwang mit Pre-Snap-Motion bereits erste defensive Reaktionen, und baute darauf dann gezielt Underneath-Routes auf, die einen freien Release erhielten und durch die Route-Kombination oftmals komplett ungehindert die Route bestreiten konnten.
Touchdown-Pass: Offen per Design
Diese Konzepte kennen wir seit Jahren von den Patriots, die Browns bedienten sich am Sonntag hier ebenfalls intensiv; ein ganz eklatantes Beispiel war der Touchdown-Pass auf Tight End Ricky Seals-Jones.
Die Browns spielen ein Mesh-Konzept, also zwei aufeinander zulaufende Drag-Routes über die Mitte des Feldes, parallel zur Line of Scrimmage. Seals-Jones kommt von der rechten, Odell Beckham von der linken Seite.
Die Ravens spielen Man Coverage dagegen, mit zwei freien Verteidigern in der Mitte des Feldes: Der Underneath-Verteidiger sitzt in einer kurzen Zone, der tiefe Verteidiger (rot markiert) ist die zusätzliche Absicherung für die Crossing-Route von Odell Beckham, der von der linken Seite nach rechts läuft. Die Ravens hatten sich in ihrem Game Plan ganz offensichtlich auf Beckham fokussiert, das war eine von mehreren Gelegenheiten, bei denen Cleveland das - vermeintlich - gezielt ausnutzte.
Das Mesh-Konzept ist per Definition schon eine Rub-Route, das Ziel der beiden direkt parallel zueinander verlaufenden Routes gegen Man Coverage lautet, die Verteidiger dazu zu zwingen, um Mitspieler und die andere Route herum zu navigieren, und gleichzeitig am eigenen Gegenspieler dran zu bleiben.
Cleveland reicht das aber nicht. Man kann antizipieren, dass mindestens einer der freien Zone-Verteidiger Beckham doppeln wird, wodurch Seals-Jones höchstwahrscheinlich ohnehin ein Eins-gegen-Eins hat; die Browns bauen durch die vertikale Route des innen postierten Tight Ends auf der rechten Seite der Formation noch einen weiteren Rub-Effekt ein.
Safety Tony Jefferson (lila Kreis) muss deshalb um mehrere Spieler herumkommen, damit er Seals-Jones, der die untere Crossing-Route läuft, verfolgen kann. Das ist ein aussichtsloses Unterfangen, deshalb war Seals-Jones so komplett offen für den Touchdown.
Die Browns öffnen die Mitte des Feldes
Und das war wirklich ein konstantes Thema. Immer wieder setzte Cleveland einfache Route-Kombinationen ein, um Mayfield schnelle Pässe zu ermöglichen. Und nicht nur das: Cleveland öffnete zum inzwischen bereits wiederholten Male die Mitte des Feldes.
Tatsächlich habe ich an irgendeinem Punkt aufgehört zu zählen, wie häufig Cleveland einfache Routes - bevorzugt aus Stack- oder Bunch-Formations (bedeutet: mehrere Receiver stehen vor dem Snap eng beieinander) - über die Mitte laufen ließ.
Mayfield brachte acht von elf Pässen für 156 Yards über die Mitte des Feldes, wenn er über die Line of Scrimmage warf; die meisten Targets, Completions und Yards davon gingen an Jarvis Landry, der in diesem Spiel bis zu seiner Verletzung endlich in der Saison ankam.
Das beinhaltete auch Play Action, um offene Completions über die Mitte des Feldes zu kreieren.
Ein Beispiel hier, und auch in diesem Fall gilt, gewissermaßen als Motto für das gesamte Tape: Es muss nicht übermäßig kompliziert sein, um zu funktionieren.
Bei 1st&10 ist es ein ganz normales Play-Action-Design, die beiden Linebacker machen den Schritt auf die Line zu und öffnen so den Raum in ihrem Rücken. Mayfield liefert den Ball gegen Pressure zum offenen Receiver. Neues First Down.
Hier war am ehesten noch Nachholbedarf am Sonntag, denn diese Szene war eher die Ausnahme: Mayfield warf fast 30 Prozent seiner Pässe via Play Action - und war dabei massiv ineffizient. 16 Prozent geringere Completion-Quote, 2,6 Yards pro Pass weniger als beim Standard-Passing; dazu kam die Interception bei Play Action.
Und natürlich darf auch das Run Game nicht unerwähnt bleiben. Cleveland hatte mit dem Run Game gegen die Ravens-Front, in der der Ausfall von Brandon Williams sehr deutlich bemerkbar war, konstanten Erfolg.
Nick Chubb erlief fünf First Downs, vier Runs über zehn oder mehr Yards, drei Touchdowns und 59 Yards nach Kontakt. Davon kam ein Touchdown, zwei First Downs, zwei Runs über mindestens zehn Yards und 21 Yards nach Kontakt bei Outside Runs über die rechte Seite - mit dem Highlight natürlich in Form des 88-Yard-Touchdowns von Nick Chubb, der das Spiel entschied.
Kritisch hierbei sind die beiden grün markierten Verteidiger. Die Line blockt alles nach innen, abgesehen vom Center und dem Right Guard, die als Puller nach außen ziehen. Die beiden setzen die entscheidenden Blocks gegen die Verteidiger, und weil dann zusätzlich noch Safety Tony Jefferson das Play falsch ließt und außen attackiert statt die Mitte des Feldes abzusichern, hat Chubb freie Bahn Richtung Endzone.
Was wäre jetzt das Fazit dafür? Die Browns werden nach diesem Spiel nicht plötzlich magisch 35 Punkte pro Spiel auflegen und die NFL überrollen. Aber das ist natürlich auch nicht der Punkt: In dieser noch immer frühen Phase der Saison geht es vor allem darum, Trends zu erkennen und Probleme aus den ersten Spielen auszubügeln.
Das Tape der Browns-Offense gegen die Ravens zeigt ein Team, das hierbei auf dem richtigen Weg ist. In puncto Play-Designs, offensiven Anpassungen, Play-Calls, aber auch Quarterback-Play.
Mit San Francisco, Seattle, New England, Denver und Buffalo vor der Brust werden wir schon bald wissen, wie valide dieser Eindruck ist.