Third and Long Week 4: Browns sind zurück - Detroits Defense beeindruckt

Von Adrian Franke
01. Oktober 201910:39
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf Woche 4 in der NFL.getty
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Woche 4 in der NFL - und die Browns sind zurück? So zumindest lässt sich der Auftritt der Offense in Baltimore deuten. Außerdem: Wie sieht das Kräfteverhältnis in der NFC North nach dem ersten Viertel der Saison aus? Wo stehen die Ravens eigentlich inzwischen? Wo liegen die Probleme der Rams-Offense, und wie geht es in Atlanta weiter? SPOX-Redakteur Adrian Franke geht in seiner wöchentlichen Kolumne durch die Liga.

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Ist die Offense der Cleveland Browns repariert?

Der Hype-Train rund um die Cleveland Browns hat über die ersten drei Spieltage einen kräftigen Dämpfer abbekommen. Es war die Defense, die das Team in engen Spielen hielt - die über den Sommer so hochgelobte und mit Spannung erwartete Offense dagegen startete mit einer ganzen Reihe an Problemen in die neue Spielzeit.

Die Offensive Line war merklich nicht auf dem Vorjahres-Level, Freddie Kitchens sorgte mit einigen Play-Calls für Stirnrunzeln - vor allem aber Baker Mayfield schien im Vergleich zu seiner furiosen zweiten Saisonhälfte als Rookie zu stagnieren, bestenfalls. Zwei zentrale Probleme dabei waren erzwungene Würfe in enge Fenster sowie das Verlassen einer sauberen Pocket, beziehungsweise teilweise sogar das Bewegen hinein in den gegnerischen Pressure.

Der Sieg in Baltimore am Sonntag lässt die Panikmacher erstmal wieder verstummen; die Browns stehen nach vier Spielen an der Spitze der Division, gleichauf mit den Ravens und jetzt mit einem Auswärtssieg im direkten Vergleich in der Tasche. Doch die wichtigere Frage mit Blick auf die weitere Saison lautet: Ist die Offense repariert? War das Ravens-Spiel die Partie, in der die Offense die Wende einleitete?

Ohne zu sehr den Hype wieder anschieben zu wollen: Es war in jedem Fall ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung.

Browns-Offense: Mayfield macht Mut

Bei all den kleineren und größeren Problemen in der Browns-Offense über die ersten Partien steht Mayfields Entwicklung ganz oben. In Cleveland gibt es die berechtigte Hoffnung, hier den Quarterback für die nächsten zehn, 15 Jahre gefunden zu haben; ein Rückschritt in seiner Entwicklung war da dementsprechend nicht vorgesehen.

Browns-Offense gegen Baltimore - die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Mayfield spielte besser in der Pocket. Teilweise lief er noch in Pressure hinein oder verlor das Gefühl für die Pocket beziehungsweise den Pass-Rush, generell aber agierte er kontrollierter und arbeitete deutlich besser durch die Pocket, auch durch Traffic.
  • Nach wie vor erzwang er einige Pässe in enge Fenster, auch hier aber war ein positiver Trend festzustellen.
  • Die Browns arbeiteten sehr viel mit Rub-Routes (bedeutet: Route-Kombinationen arbeiten so miteinander, dass die Laufwege von einem oder mehreren Receivern es einem Verteidiger gezielt erschweren, seinen Gegenspieler zu verfolgen, indem ihm der direkte Weg versperrt wird) und erzielten so immer wieder offene Receiver.
  • Motion war ein präsentes Mittel, das noch häufiger genutzt werden könnte. Es war ein Mittel, um Mayfield klare Reads und einen schnellen Release zu ermöglichen.

Der letzte Punkt war einer der auffälligsten Aspekte bei der Betrachtung des Tapes. Mayfield stand bei nur sieben seiner 32 Dropbacks unter Druck - was maßgeblich an seinem schnellen Release lag. Im Schnitt wurde er den Ball nach 2,32 Sekunden los. Zum Vergleich: Über die ersten drei Spiele betrug dieser Wert bei Mayfield im Schnitt 2,74 Sekunden. Eine deutliche Veränderung.

Schnelle Reads führen zu weniger Pressure und führen zu mehr Plays innerhalb der Struktur und aus der Pocket heraus - vereinfacht gesagt war das ein großer Teil der Formel für die Browns am Sonntag. Mayfield warf zehn Pässe bei First Down für einen Schnitt von sieben Yard pro Pass, und generell waren die Play-Designs gegen Baltimore sehr Quarterback-freundlich.

Vielleicht das am häufigsten eingesetzte Element waren die bereits angesprochenen Rub-Routes.

Cleveland erzwang mit Pre-Snap-Motion bereits erste defensive Reaktionen, und baute darauf dann gezielt Underneath-Routes auf, die einen freien Release erhielten und durch die Route-Kombination oftmals komplett ungehindert die Route bestreiten konnten.

Touchdown-Pass: Offen per Design

Diese Konzepte kennen wir seit Jahren von den Patriots, die Browns bedienten sich am Sonntag hier ebenfalls intensiv; ein ganz eklatantes Beispiel war der Touchdown-Pass auf Tight End Ricky Seals-Jones.

SPOXNFL Gamepass

Die Browns spielen ein Mesh-Konzept, also zwei aufeinander zulaufende Drag-Routes über die Mitte des Feldes, parallel zur Line of Scrimmage. Seals-Jones kommt von der rechten, Odell Beckham von der linken Seite.

Die Ravens spielen Man Coverage dagegen, mit zwei freien Verteidigern in der Mitte des Feldes: Der Underneath-Verteidiger sitzt in einer kurzen Zone, der tiefe Verteidiger (rot markiert) ist die zusätzliche Absicherung für die Crossing-Route von Odell Beckham, der von der linken Seite nach rechts läuft. Die Ravens hatten sich in ihrem Game Plan ganz offensichtlich auf Beckham fokussiert, das war eine von mehreren Gelegenheiten, bei denen Cleveland das - vermeintlich - gezielt ausnutzte.

Das Mesh-Konzept ist per Definition schon eine Rub-Route, das Ziel der beiden direkt parallel zueinander verlaufenden Routes gegen Man Coverage lautet, die Verteidiger dazu zu zwingen, um Mitspieler und die andere Route herum zu navigieren, und gleichzeitig am eigenen Gegenspieler dran zu bleiben.

Cleveland reicht das aber nicht. Man kann antizipieren, dass mindestens einer der freien Zone-Verteidiger Beckham doppeln wird, wodurch Seals-Jones höchstwahrscheinlich ohnehin ein Eins-gegen-Eins hat; die Browns bauen durch die vertikale Route des innen postierten Tight Ends auf der rechten Seite der Formation noch einen weiteren Rub-Effekt ein.

Safety Tony Jefferson (lila Kreis) muss deshalb um mehrere Spieler herumkommen, damit er Seals-Jones, der die untere Crossing-Route läuft, verfolgen kann. Das ist ein aussichtsloses Unterfangen, deshalb war Seals-Jones so komplett offen für den Touchdown.

Die Browns öffnen die Mitte des Feldes

Und das war wirklich ein konstantes Thema. Immer wieder setzte Cleveland einfache Route-Kombinationen ein, um Mayfield schnelle Pässe zu ermöglichen. Und nicht nur das: Cleveland öffnete zum inzwischen bereits wiederholten Male die Mitte des Feldes.

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Tatsächlich habe ich an irgendeinem Punkt aufgehört zu zählen, wie häufig Cleveland einfache Routes - bevorzugt aus Stack- oder Bunch-Formations (bedeutet: mehrere Receiver stehen vor dem Snap eng beieinander) - über die Mitte laufen ließ.

Mayfield brachte acht von elf Pässen für 156 Yards über die Mitte des Feldes, wenn er über die Line of Scrimmage warf; die meisten Targets, Completions und Yards davon gingen an Jarvis Landry, der in diesem Spiel bis zu seiner Verletzung endlich in der Saison ankam.

Das beinhaltete auch Play Action, um offene Completions über die Mitte des Feldes zu kreieren.

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Ein Beispiel hier, und auch in diesem Fall gilt, gewissermaßen als Motto für das gesamte Tape: Es muss nicht übermäßig kompliziert sein, um zu funktionieren.

Bei 1st&10 ist es ein ganz normales Play-Action-Design, die beiden Linebacker machen den Schritt auf die Line zu und öffnen so den Raum in ihrem Rücken. Mayfield liefert den Ball gegen Pressure zum offenen Receiver. Neues First Down.

Hier war am ehesten noch Nachholbedarf am Sonntag, denn diese Szene war eher die Ausnahme: Mayfield warf fast 30 Prozent seiner Pässe via Play Action - und war dabei massiv ineffizient. 16 Prozent geringere Completion-Quote, 2,6 Yards pro Pass weniger als beim Standard-Passing; dazu kam die Interception bei Play Action.

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Und natürlich darf auch das Run Game nicht unerwähnt bleiben. Cleveland hatte mit dem Run Game gegen die Ravens-Front, in der der Ausfall von Brandon Williams sehr deutlich bemerkbar war, konstanten Erfolg.

Nick Chubb erlief fünf First Downs, vier Runs über zehn oder mehr Yards, drei Touchdowns und 59 Yards nach Kontakt. Davon kam ein Touchdown, zwei First Downs, zwei Runs über mindestens zehn Yards und 21 Yards nach Kontakt bei Outside Runs über die rechte Seite - mit dem Highlight natürlich in Form des 88-Yard-Touchdowns von Nick Chubb, der das Spiel entschied.

Kritisch hierbei sind die beiden grün markierten Verteidiger. Die Line blockt alles nach innen, abgesehen vom Center und dem Right Guard, die als Puller nach außen ziehen. Die beiden setzen die entscheidenden Blocks gegen die Verteidiger, und weil dann zusätzlich noch Safety Tony Jefferson das Play falsch ließt und außen attackiert statt die Mitte des Feldes abzusichern, hat Chubb freie Bahn Richtung Endzone.

Was wäre jetzt das Fazit dafür? Die Browns werden nach diesem Spiel nicht plötzlich magisch 35 Punkte pro Spiel auflegen und die NFL überrollen. Aber das ist natürlich auch nicht der Punkt: In dieser noch immer frühen Phase der Saison geht es vor allem darum, Trends zu erkennen und Probleme aus den ersten Spielen auszubügeln.

Das Tape der Browns-Offense gegen die Ravens zeigt ein Team, das hierbei auf dem richtigen Weg ist. In puncto Play-Designs, offensiven Anpassungen, Play-Calls, aber auch Quarterback-Play.

Mit San Francisco, Seattle, New England, Denver und Buffalo vor der Brust werden wir schon bald wissen, wie valide dieser Eindruck ist.

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Wieso konnten die Lions Patrick Mahomes ärgern?

Die Detroit Lions sind ohne Zweifel eine große Überraschung: Ein Team, das viele vor der Saison bestenfalls als graue Maus im Liga-Mittelfeld eingestuft hatten, präsentiert sich, angetrieben von einem sehr guten Saisonstart von Matt Stafford, überraschend explosiv offensiv - und ist defensiv viel mehr als nur ein unangenehmes Team mit einer guten Run-Stopping-Front.

Das wurde gegen die Chiefs eindrucksvoll deutlich. 315 Passing-Yards von Patrick Mahomes verraten das auf den ersten Blick nicht - doch dass Mahomes nach 14 Spielen in Folge mit je mindestens zwei Touchdown-Pässen pro Spiel ohne Touchdown blieb, dass er keinen Pass über mehr als 20 Yards anbrachte und dass die Chiefs-Offense zu einer Kurzpass-Offense wurde, das kann man den Lions nicht hoch genug anrechnen.

Über die ersten drei Spiele stand Mahomes 28 Mal unter Druck, dabei brachte er 16 Pässe für 241 Yards und zwei Touchdowns an. Gegen die Lions alleine kamen 15 seiner Dropbacks gegen Pressure. Zwei Completions für 16 Yards standen am Ende zu Buche.

Ein enormer Unterschied. Detroit hatte Erfolg mit seinen Blitzes, wenngleich sie dieses Mittel nur selten einsetzten, kamen aber auch ohne den Blitz zu Mahomes. Über angetäuschte Rusher, Pass-Rush aus unterschiedlichen Richtungen, Quarterback-Spies und vor allem durch spektakulär gute Coverage, die oftmals via Man Coverage sehr gut funktionierte.

Lions: Coverage glänzt, Aggressivität in der Red Zone

Slot-Cornerback Justin Coleman hatte ein weiteres herausragendes Spiel und verteidigte Sammy Watkins, der oftmals aus dem Slot heraus eingesetzt wurde, extrem stark - nicht nur in der Endzone, als er einen vermeintlich sicheren Touchdown verhinderte.

Die Safeties und Linebacker hatten die Running Backs weitestgehend gut im Griff; einzig Travis Kelce war ein Problem, auf das die Lions keine wirkliche Antwort hatten. Auch der zweite Tight End Deon Yelder hatte zwei kritische Big-Play-Catches. Ansonsten aber hatten die Lions sehr gute Matchups und waren regelmäßig auch im vertikalen Passspiel auffallend eng am Gegner dran.

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Und besonders auffällig: Detroit glänzte mehrfach in der Red Zone. Die hier abgebildete Szene kam bei Second Down beim ersten Drive der Chiefs, der ultimativ an diesem Punkt und dann mit einem verschossenen Field Goal endete.

Es ist auch ein exzellentes Beispiel dafür, wie Detroit mit einem ursprünglichen 3-Men-Rush Druck kreierte: Die Lions spielen Man Coverage, mit einem freien tiefen sowie zwei freien Underneath-Verteidigern. Die Aufgabe der beiden Underneath-Verteidiger besteht darin, kurze Pass-Zonen zuzustellen sowie auf Mahomes' Bewegungen zu reagieren. In gewisser Hinsicht also fungieren beide als Quarterback Spy.

Als Mahomes dann tatsächlich aus der Pocket raus geht, weil die Coverage im ersten Moment alles zustellt, sind beide sofort zur Stelle und setzen Mahomes unter Druck, so dass der den Ball schnell loswerden muss und letztlich keinen Receiver findet.

Der Auftritt der Lions-Defense war so gesehen keine Blaupause, aus zweierlei Gründen: Die Chiefs-Offense hat immer noch weit über 400 Yards sowie drei Touchdowns aufgelegt - zu sagen, dass Detroit Kansas City "gestoppt" hat, wäre also nicht wirklich richtig.

Darüber hinaus sind nicht viele Teams zu einer solchen Man-Coverage-Leistung in der Lage, wie sie die Lions am Sonntag gezeigt haben - auch Detroit selbst nicht auf einer wöchentlichen Basis.

Es ist aber, und da schließt sich der Kreis, vom grundlegenden Ansatz her eine sehr spannende Vorlage für die Patriots, denen die Lions-Defense philosophisch durch Matt Patricia natürlich nahe steht, und die noch wesentlich besseres (Matchup-)Cover-Personal hat.

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Ravens, Falcons, Giants, Vikings - eure Fragen

nnb: Wo stehen die Ravens nach 4 Wochen?

Eine Frage, auf die man detaillierter antworten muss. Die Ravens haben noch immer ein sehr gutes Run Game, eine der besten Offensive Lines der Liga und den explosivsten Runner auf der Quarterback-Position, den wir derzeit in der NFL haben.

Das gibt Baltimore schon einmal eine gewisse Base-Line. Die Frage ist dann, wie weit geht es nach oben? Und das hängt davon ab, wie konstant Lamar Jackson als Passer spielen kann. Ich habe meine Draft-Evaluierung noch einmal angeschaut, und im Prinzip hatte ich damals die gleiche Frage gestellt: Teilweise spektakulär, teilweise komplett daneben als Passer - wie konstant kann er als Passer werden?

Dass das herausragende Spiel gegen die Dolphins direkt zum Auftakt kam, zieht diesen "Week-1-Effekt" nach sich. Heißt: Was ein Team oder ein Spieler im ersten Spiel zeigt, setzt sich viel mehr in den Köpfen von uns allen fest als, was in Woche 2 passiert. Obwohl es natürlich beides nur je ein Spiel ist und an sich gleichermaßen in die Bewertung einfließen sollte.

Jackson war in Woche 1 herausragend und in Woche 2 noch immer sehr gut, gefolgt von einem ganz schwachen Spiel - rein auf das Passspiel bezogen - in Kansas City und jetzt einem von Fehlern geprägten Spiel gegen die Browns. Wenn Jackson im Endeffekt dieser Passer ist, also inkonstant mit enormen Ausschlägen nach oben, aber auch immer wieder Durchhängern nach unten, wird es generell schwer sein, die Ravens zu prognostizieren.

Dann nämlich hängt es davon ab, wann er heiß läuft und wann er einen schlechten Tag oder eine schlechte Phase in einem Spiel hat. Für mehr Stabilität würde es dabei sorgen, wenn sich die Pass-Defense fangen und nicht mehr durch Coverage-Probleme auffallen würde. Insbesondere die Kommunikation zwischen Cornerbacks und Safeties muss wieder viel besser werden.

Unter dem Strich stehen die Ravens aktuell irgendwo im oberen Liga-Drittel - nicht mehr und nicht weniger. Um in die Top-8 oder gar den engsten Contender-Kreis zu klettern, müssen das Passspiel konstanter und die Defense weniger fehlerhaft werden. Für beides gibt es natürlich keinerlei Garantie.

Burton77767: Woran liegt es, dass Minnesota so gar nichts zusammen bekommt?

Man muss immer und immer wieder beim gleichen Thema anfangen, wenn es um die Vikings geht: Mit dieser Offensive Line, gepaart mit diesem offensiven Ansatz, ist Minnesota nicht mehr als bestenfalls ein Playoff-Kandidat.

Wir hatten das Thema bereits letztes Jahr, als Kirk Cousins am Anfang der Saison einige gute Spiele trotz permanentem Pressure ablieferte - und man warnen musste, dass das so nicht konservierbar ist. Jetzt war die Hoffnung, dass die Protection mit einigen Upgrades besser funktioniert; bisher ist das absolut nicht der Fall.

Dabei wird jetzt in dieser Saison die Problematik in ihrem ganzen Extrem deutlich: Wenn Cousins Spiele unter konstantem Druck spielen muss, sieht man das, was man im Moment sieht. Eine Offense, der die Explosivität im Passspiel weitestgehend komplett fehlt, in der Cousins hektisch den Dumpoff-Pass sucht - und dabei noch den Ball viel zu lange hält - und die eben nur funktioniert, wenn das Run Game komplett dominiert.

Das ist in keiner Hinsicht die Formel, um 2019 offensiv zu gewinnen. Der grundsätzliche offensive Ansatz in Minnesota mit dem Fokus auf das Run Game ist ohnehin schon schwierig, dazu fehlt dann, und das macht es zu einem echten Problem, ein funktionierender Plan B, auf den man notfalls zurückgreifen kann, genau wie die Offensive Line, um so auch bessere Gegner bezwingen zu können.

Und dann kommen eben individuelle Fehler dazu. Einmal sind es Drops, dann sind es Coverage-Fehler und der Game Plan scheint komplett eindimensional und klammert sich daran, früher oder später ein effizientes Run Game aufziehen zu können.

Die Defense ist sicher nicht auf dem Level von vor zwei Jahren, aber sie ist immer noch gut genug. Von der Vikings-Offense dagegen lässt sich das nicht behaupten, und ehrlicherweise ist es schwer, eine wirkliche Besserung zu prognostizieren. Die wird nur kommen, wenn die Pass-Protection besser wird, ansonsten wird es auch von Cousins keinen signifikanten und vor allem konstanten Leistungssprung geben.

In der Summe führt das - dazu in der nächsten Frage mehr - zu finsteren Saison-Aussichten für Minnesota.

SvenSchüler: Wie schätzt du die Kräfteverhältnisse in der NFC North aktuell ein? Sind die Lions tatsächlich ein Mitfavorit auf den Division-Sieg?

Bleiben wir in der NFC North und gewissermaßen auch bei den Vikings. Die Lions sind für mich eine der größten Positiv-Überraschungen aus dem ersten Saisonviertel, und inzwischen muss man das auch ernst nehmen. Stafford spielt gut, die Offense ist explosiv und die Defense ist extrem unangenehm.

Die Bears haben noch immer eine herausragende Defense und stehen hier für mich nach New England ligaweit auf dem zweiten Rang, da ist die Offense natürlich ein erhebliches Fragezeichen. Unabhängig davon, wie lange Trubisky jetzt ausfällt. Die Packers-Defense hat das Potenzial für die Top-10, die Offense zeigt zumindest positive Tendenzen - und hat den einzigen Quarterback in der Division, der ein Spiel wirklich komplett an sich reißen und dominieren kann.

Was bedeutet das alles? Im Moment sehe ich die Vikings auf dem letzten Platz in der NFC North. Dann die Bears, die eben mit ihrer Defense immer noch Spiele gewinnen können, aber mehr von ihrer Offense brauchen, und die Lions grob auf Augenhöhe, mit den Packers vielleicht einen Schritt davor. Die Bears, Lions und Packers letztlich aber im gleichen Dunstkreis.

Einen Favoriten gibt es da für mich nicht. Oder anders gesagt: Zumindest die Lions, Bears und Packers würde ich aktuell alle als Mitfavoriten bezeichnen. Die Vikings sehe ich einen halben Schritt dahinter.

Jörg Walhorn, CharlesMundi: Sind die Giants Playoff-ready mit Daniel Jones, oder bin ich gerade nur zu gehyped? Wohin geht es für die Giants mit steigender Formkurve?

Von den Playoffs ist New York schon noch ein gutes Stück entfernt. Daniel Jones hatte einen vielversprechenden Auftakt in Tampa Bay, keine Frage - für die genauere Analyse verweise ich da auf die Kolumne letzte Woche.

Aber seine Spielweise ist und bleibt riskant, daran wird sich auch nichts ändern, das ist sein Stil. Er hält den Ball lange in der Pocket und ist gleichzeitig nicht gut, was sein Gefühl für den Pass-Rush angeht, was für Fumbles sorgt. Read-Probleme sind zu erwarten, zusätzlich wird er auch immer wieder Pässe in enge Fenster zwingen.

Gegen Washington hätte er mehr als die beiden Picks haben können, und ein vertikales Passspiel war de facto nicht existent und führte zu Turnovern.

Die Prüfungen werden über die nächsten Wochen fraglos schwieriger mit den Vikings und den Patriots. Dann sollten wir schon mehr wissen. Der Auftakt für Jones war vielversprechend, auch wenn es gegen zwei Defenses ging, die seine Fehler nicht so bestraft und seine Schwachstellen nicht so ausgenutzt haben, wie andere Teams das machen werden. New York ist für mich dieses Jahr ein potenzielles Sechs-Siege-Team.

Florentin Bomhoff: Ist McVay vom Rest der Liga entschlüsselt? Liegt es an der Defense? Der schlechten Ausführung von Goff? Oder war das heutige Spiel ein Ausrutscher?

Fairerweise muss man sagen, dass die Frage im Laufe des Spiels schon kam - die Total Stats im Passspiel gegen Tampa Bay würden ja eher nicht nahelegen, dass die Offense ein Problem hat.

Warum habe ich die Frage trotzdem mit rein genommen? Weil ich denke, dass die Offense sehr wohl Probleme hat und uns dieses Thema weiterhin begleiten wird. Sicher, die Offensive Line erlebt den Rückschritt, den man zu einem gewissen Grad erwarten musste, und darunter leidet Goff.

Was wir aber auch sehen, ist zumindest teilweise tatsächlich eine Entschlüsselung. Teams verteidigen das Run Game der Rams immer häufiger mit einer 6-1-Front - also sechs Spieler an der Line of Scrimmage mit einem Verteidiger dahinter -, um so zu verhindern, dass L.A. in seinem Outside Zone Run Game explodieren kann.

In Coverage haben Defenses nachhaltig Erfolg mit Cover-4-Varianten, was den Rams einen Teil der Explosivität im Passspiel nimmt. Das merkt man ganz konkret auch im Play Action Game, wo Goff deutlich mehr Fehler unterlaufen als letztes Jahr. Er wird noch mehr das Mid-Range-Passspiel, also etwa in der 10-20-Yard-Range hinter der Line of Scrimmage, bedienen müssen, und da gab es auch gegen Tampa einige gute Ansätze.

Generell probiert McVay ohne Frage verschiedene Dinge aus. 2-Tight-End-Formationen, deutlich mehr Spread-Sets als letztes Jahr, mehr 4-Receiver-Sets. Doch das vertikale Passspiel ist im Moment einfach nicht da.

Jared Goff ist ein hochtalentierter Passer, physisch gesprochen, und das hat einen Wert. Auch gegen die Bucs hatte er einige tolle Pässe, die längst nicht jeder Quarterback in der NFL so anbringt. Die Rams sind gleichzeitig schematisch nicht so dominant wie letztes Jahr; das konnte man auch kaum erwarten, wir sehen aber jetzt auch, dass Goff Probleme damit hat, darüber hinaus Offense zu kreieren.

Aber wir sehen immer noch gutes Play-Calling und gute Play-Designs; die spannende Frage wird sein, ob Goff im Laufe der Saison mehr individuell betrachtet leisten kann. Das können Plays außerhalb der Struktur sein, es kann auch bedeuten, dass er in diesem neuen Rhythmus der Offense besser zurechtkommt und konstanter spielt. Zumindest Letzteres traue ich ihm definitiv zu.

Higgens64, Marcel Schmidt, KO26: Wird es in Atlanta noch in der Saison einen Head-Coach-Wechsel geben? Wie könnte man die Falcons wieder in die richtige Spur bringen? Quo vadis, Atlanta?

Ob es während der Saison passiert, ist natürlich schwer absehbar - aber dass hier ein Trainerstab am letzten Strohhalm hängt, dafür muss man kein Hellseher sein. Dan Quinn ist All-In auf sich selbst gegangen, indem er den Posten des Defensive Coordinators übernommen hat, doch auch in diesem Jahr haben die Falcons mal wieder nicht ansatzweise eine Top-10-Defense. Eigentlich sein Steckenpferd.

Offensiv hofften Quinn und die Falcons, dass man mit der Rückkehr von Dirk Koetter schnell eine bessere Offense aufs Feld führen kann, nachdem seit dem Abschied von Kyle Shanahan hier eine Art Identitätssuche stattfindet. Koetter hatte bereits vor einigen Jahren mit Ryan zusammengearbeitet, dieses Übergangsjahr, das nicht nur, aber insbesondere Ryan gerne mal mit einem neuen Coordinator hat, sollte so möglichst eingedämmt werden.

Das ist in der Theorie schön und gut, doch wenn besagte Offense schematisch nicht funktioniert, bringt das alles nichts. Und da sehen wir bisher die Effekte, von denen Buccaneers-Fans ebenfalls ein Lied singen können: viele riskante vertikale Pässe in enge Fenster, der Quarterback muss oft den Ball lange in der Pocket halten, und in der Summe, umso mehr mit einer wackligen Offensive Line, führt das zu einem drastischen Anstieg was die Turnover angeht.

Für mich sehen die Falcons Stand heute wie ein heißer Kandidat auf eine Generalüberholung im Trainerstab aus, spätestens nach der Saison. Die erfolgreichste Zeit von Quinn in Atlanta ging ganz konkret auf Kyle Shanahan zurück und obwohl immer wieder Ressourcen in die Defense gesteckt wurden und es durchaus individuelle Qualität (Trufant, Jarrett, Jones u.a.) gibt, bleibt die Entwicklung der Defense insgesamt aus. Und das ist kein gutes Zeichen für die Zukunft von Dan Quinn bei den Falcons.

Hans Wuast: Glaubst du, dass Brees nach seiner Zwangspause in möglichen Playoffs groß aufgeigt? Letzte Saison ging ihm ja hinten raus (auf hohem Niveau) die Luft aus.

Daran musste ich auch schon denken. Wenn die Saints halbwegs unbeschadet aus den Spielen ohne Brees gehen - und meine Mindest-"Forderung" von drei Siegen scheint jetzt schon zu niedrig angesetzt -, dann könnte das wirklich ein Glück im Unglück sein, und sich in Brees' Spiel in der entscheidenden Phase der Saison bemerkbar machen.