Woche 1 in der NFL bedeutet häufig auch: Zeit für Overreactions! Die Dolphins gewinnen kein Spiel mehr, die Browns bleiben die Browns und die Vikings sind repariert. SPOX-Redakteur Adrian Franke gibt in seiner wöchentlichen Kolumne seinen Blick auf den Spieltag: Zum Debakel von Miami, zu Baker Mayfield - und warum die Cowboys endlich in der Moderne angekommen sind.
Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!
Das Dolphins-Debakel: Trust the Process!
Viele, wirklich viele haben Fragen nach den Dolphins gestellt, und ich selbst habe mich nach der RedZone am Sonntag auch gewundert: Wie sehr waren das starke Ravens, und wie sehr schwache Dolphins? Mein Eindruck nach dem Tape: Miami konnte zu absolut keinem Zeitpunkt mit der Physis und der Explosivität der Ravens mithalten, weder an der Line, noch in der Secondary, noch in der eigenen Offensive Line.
Dass Marquise Brown schnell ist, ist kein Geheimnis, und das Problem werden andere Teams auch noch bekommen. Zumindest hier würde ich nicht überreagieren, auch wenn Minkah Fitzpatrick einmal sehr schlecht aussah. Die Offensive Line ist das zu erwartende Problem und die Ravens waren unheimlich gut darin - auch das war zu erwarten -, Lamar Jackson durch Formationen und Play-Fakes (die Ravens spielten die Hälfte ihrer Pässe via Play Action!) klare Reads zu geben. Jackson hatte individuell als Passer zudem ein wirklich gutes Spiel.
Die Ravens sind ein Playoff-Anwärter mit immenser offensiver Explosivität und defensiver Komplexität. Das hat man in diesem Spiel mehr als eindrucksvoll gesehen.
Aber was bedeutet das für die Dolphins?
Nein, Miami wird nicht jedes Spiel auf diese Art und Weise verlieren. Allein das AFC-East-Duell am Sonntag zwischen den Jets und den Bills hat zwei Offenses und zwei Quarterbacks gezeigt, die deutlich holpriger als die Ravens in die Saison gestartet sind. Die Dolphins werden enge Spiele haben und auch die eine oder andere Partie gewinnen, wenn es gegen Teams aus dem unteren Liga-Drittel geht. Nicht viele zwar, aber sie werden auch nicht viele Spiele auf so deutliche Art und Weise verlieren.
Miami: Wollen Spieler das Team verlassen?
Aber eine andere Sache ist in Miami jetzt schon kritisch: Die Dolphins haben den schwächsten Kader der Liga; das wussten wir, und Week 1 hat das doppelt und dreifach unterstrichen. Jetzt muss der neue Head Coach Brian Flores allerdings aufpassen, dass er das Team nicht verliert. Niemand will so blamiert werden wie die Dolphins am Sonntag, und so kommt es wenig überraschend, dass Mike Florio von PFT in der Folge der Partie berichtete, dass mehrere Spieler ihre Berater beauftragt haben, sie aus Miami rauszuholen.
Ob das stimmt, bleibt abzuwarten, es ist zumindest vorstellbar. Flores - und natürlich weiß ich nicht, inwieweit er das schon gemacht hat - muss jetzt ganz offen und ganz ehrlich mit dem Team sein. Er muss die Spieler auf das vorbereiten, was sie in dieser Saison erwartet, er muss ihnen die richtigen Ziele vermitteln und auf die Moral aufpassen. Das ist keine einfache Aufgabe.
Damit meine ich nicht, dass er ihnen sagt, dass sie sowieso keine Chance haben; aber Ehrlichkeit und offene Kommunikation mit einem komplett neu zusammengestellten und nach Woche 1 genauso frustrierten wie verunsicherten Team ist jetzt absolut notwendig. Ansonsten droht womöglich wirklich eine historisch schlechte Saison. Auch in der Kommunikation nach außen ist es eine Gratwanderung. Die Medien in Miami werden in den nächsten drei Monaten nicht nur einfache Floskeln akzeptieren.
Miami Dolphins: Trust the Process
Mehrfach habe ich jetzt schon auf Social Media gesehen, dass darüber hinaus betont wird, dass Miami Zuschauer verlieren und einen Image-Schaden erleiden könnte. Das ist für mich nur zu einem gewissen Teil wahr, denn wie schnell werden die leeren Plätze im Stadion wieder voll sein, wenn man nächstes Jahr einen aufregenden Rookie-Quarterback draftet? Wie schnell werden Free Agents plötzlich wieder nach South Beach kommen wollen, wenn Miami ein junges Team um diesen Quarterback aufbaut?
Ein Risiko ist da, ja natürlich. Aber dieses Risiko ist doch so viel besser, als ein 6-10-Team ohne langfristige Perspektive zu sein, das sich von Jahr zu Jahr durchwurschtelt! Und keine Angst: Selbst wenn der Umbruch katastrophal schief geht - ins Mittelmaß kommt eine Franchise früher oder später wieder.
Miami war jetzt über 15 Jahre in diesem Mittelmaß. Aus diesem Kreislauf auszubrechen und die Franchise langfristig in eine andere Richtung zu lenken, das erfordert Radikalität. Natürlich kann man Glück haben und in der dritten Runde seinen Franchise-Quarterback finden, um so die Wende einzuleiten; aber Glück ist kein Plan.
Die Dolphins haben einen langfristigen Plan, der das Produkt auf dem Feld durch prominente Abgänge sabotieren musste, um zu funktionieren. Sie müssen jedoch angesichts der kurzfristig unpopulären Ergebnisse aufpassen, dass alle dabei an Bord bleiben.
Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!
Die neue Cowboys-Offense: Willkommen im Jahr 2019
Bevor ein NFL-Spieltag beginnt, überlege ich schon immer grob, welche Themen für die Analyse interessant werden könnten. Für Woche 1 hatte ich etwa an die Chiefs-Offense gegen die Jaguars-Defense gedacht, dieses Matchup war nicht einmal auf Augenhöhe. Ich dachte an die neue Cardinals-Offense, von der wir die "Kingsbury-Elemente" so richtig aber erst im Schlussviertel sahen, als Arizona gezwungen war, aufs Tempo zu drücken. Und die Ravens gegen Miami sind, sagen wir mal, vielleicht nicht der richtige Maßstab zur Bewertung der neuen Ravens-Offense.
Die neue Cowboys-Offense war auf der Prioritäten-Liste eher weiter hinten. Ja, das Team hat einen neuen Offensive Coordinator in Kellen Moore - aber wie viel Einfluss wird der direkt haben? Wird das nicht immer noch die Offense sein, die Jason Garrett spielen lassen will und die maßgeblich vom langjährigen Offensive Coordinator Scott Linehan beeinflusst ist?
Lag ich daneben!
Diese Offense war ein Quantensprung im Vergleich zu dem, was wir von den Cowboys in den vergangenen Jahren gesehen haben. Die Basics zuerst: Dallas setzte unheimlich aggressiv auf Play Action. 46,6 Prozent der eigenen Pässe kamen via Play Action, Prescott kam letztes Jahr auf die ganze Saison gesehen auf 24,9 Prozent - obwohl er damit sehr effektiv war (8,9 Yards pro Pass, sieben Touchdowns, eine Interception).
Diese Zahlen pulverisierte er am Sonntag gegen die Giants: Prescott warf nicht nur wahnsinnig viel via Play Action, er brachte dabei auch 93,3 Prozent seiner Pässe (!) für 207 Yards und drei Touchdowns an. Ja, Vorsicht ist angesichts der Sample Size und des Gegners geboten, doch vielversprechender hätte der Auftakt in dieser Hinsicht nicht sein können.
Die Cowboys warfen den Ball in der ersten Hälfte bei 21 ihrer 33 Plays bei First und Second Down - ebenfalls ein massiver Anstieg im Vergleich zu denselben Situationen in der Vorsaison. Und sie waren dabei extrem effizient. Dallas setzte jede Menge Pre-Snap-Motion ein, um die defensiven Zuordnungen durcheinander zu bringen, zusätzlich attackierte man brutal stark über die tiefe Mitte des Feldes; der Bereich, in dem statistisch die meisten Yards und Punkte für die Offense rauszuholen sind.
Kellen Moore: Gewinnen mit Play-Calling und Play-Designs
Moores genereller Play-Calling-Ansatz hat mich also schon begeistert. Allerdings ging das auch einher mit klaren Play-Designs, mit Spielzügen, bei denen man eindeutig erkennt, wie er die Defense attackieren wollte und wie die einzelnen Elemente des Designs aufeinander abgestimmt waren. Das war regelmäßig ein Faktor, der mir unter Linehan gefehlt hat.
NFL GamepassEin paar Beispiele: Zum Start etwas ganz Simples, der 28-Yard-Touchdown zu Blake Jarwin im ersten Viertel.
Die Giants sind in einer Cover-4-Variante und das Ziel der Cowboys ist klar: Der aus Sicht der Offense linke Safety soll attackiert werden. Deshalb gibt es den Play-Action-Fake zu Elliott auf der Seite der Formation. Der Safety bewegt sich als Reaktion darauf die entscheidenden beiden Schritte nach vorne, was für Prescott bereits der glasklare Indikator dafür ist, wo dieser Ball hingehen muss.
Das ist das erste zusammenspielende Element; wichtig ist dann noch, dass keiner der anderen Defensive Backs diese Lücke schließen kann. Desshalb werden die drei anderen DBs jeweils direkt beschäftigt und haben einen klaren Gegenspieler vor sich, den sie im Zuge ihrer Zone-Zuteilung respektieren müssen. Das Resultat ist einer der einfachsten Touchdown-Pässe in Woche 1.
NFL GamepassDiese Szene ist exemplarisch für eine weitere positive Entwicklung im ersten Spiel unter Moore: Die Cowboys sind hier nach einer Strafe in der Red Zone bei 3rd&10; der Raum in diesem Bereich des Feldes ist sehr eng, während die Defense ganz klar auf den Pass gehen kann.
Also gibt es zwei klare Prioritäten für das offensive Play-Designs Es muss Platz geschaffen werden, und der Quarterback braucht Pre-Snap ein möglichst klares Bild davon, was die Defense in der Coverage vorhat.
Moore löst das so: Zunächst sind alle drei Wide Receiver auf der rechten Seite der Formation, ihnen gegenüber stehen die drei Giants-Cornerbacks. In Kombination mit der Pre-Snap-Motion von Amari Cooper, dem daraufhin Giants-Top-Corner Janoris Jenkins folgt, darf Prescott eine Man Coverage antizipieren.
Die ist wiederum wichtig, damit die Route-Kombination am unteren Bildrand funktioniert. Dallas setzte unter Linehan zu häufig auf ISO-Routes, Moore macht hier das Gegenteil. Bunch- und Stack-Formationen - also Receiver eng beieinander postiert - sah man immer wieder, gegen die Man Coverage der Giants ist es hier der perfekte Call.
Michael Gallup räumt mit seiner erst nach außen, dann nach innen gehenden Route den Weg frei, und ehe der tiefer postierte Corner, der für Randall Cobb zuständig ist, sich daraus befreit hat, ist der Ball bereits zum neuen First Down bei Cobb angekommen.
NFL GamepassEin anderes Beispiel für intelligente, effiziente und moderne Play-Designs, die man bei den Cowboys so einfach viel zu selten gesehen hat, ist dieser 18-Yard-Pass zu Cobb beim letzten Touchdown-Drive vor der Halbzeitpause.
Auch hier gilt wieder: Es ist nicht die Neuerfindung des Rads, aber es ist ein Design, das der Defense das Leben zusätzlich schwer macht, dem Quarterback einfache Pässe und dem Receiver Yards nach dem Catch ermöglicht.
Cobb ist zunächst als isolierter Receiver auf der rechten Seite der Formation. Vor dem Snap setzt er sich in Bewegung (gelb markiert) und ist hinter QB Prescott, als der den Ball erhält. Cobbs Gegenspieler (rot) muss ihm also bereits da folgen, ohne dass er weiß, was sein Mann vorhat - er kann also nicht einfach im Vollsprint hinterher.
Alles, was Prescott dann machen muss, ist eine kurze Ballübergabe an Elliott anzutäuschen, um so den rechten Defensive End an die Line ran zu ziehen, und dann einen kurzen Swing-Pass zu Cobb werfen. Der Pass geht kaum über die Line of Scrimmage, am Ende steht ein Raumgewinn von fast 20 Yards.
So gewinnen moderne Offenses. Den eigenen Spielern das Leben erleichtern und es im gleichen Zuge der Defense so schwer wie möglich machen.
NFL GamepassEin letztes Beispiel: Das Ende dieses Drives mit dem 21-Yard-Touchdown-Pass auf Amari Cooper.
Wieder beginnt das Play mit Pre-Snap-Motion, Cobb bewegt sich aus dem Slot auf der linken Seite in die Bunch-Formation rechts. Allein diese Bunch-Formation ist bereits wahnsinnig schwer zu verteidigen: Drei Receiver stehen sehr eng beieinander und kreuzen ihre Laufwege nach dem Snap. Für Verteidiger in Man Coverage ist es extrem herausfordernd, da am eigenen Spieler dran zu bleiben.
Das gelingt den Giants zwar, doch hatte die Pre-Snap-Motion vor allem ein Ziel: Amari Cooper, beziehungsweise vor allem sein Gegenspieler, soll auf der linken Seite isoliert werden.
Dadurch, dass Gallup, Cobb und Witten auf der rechten Seite stehen, ist nicht nur Cobbs Gegenspieler mitgekommen. Auch der tiefe Safety orientiert sich Pre-Snap klar in Richtung der drei Receiver. Prescott weiß damit, dass er Cooper komplett isoliert gegen einen der jungen Giants-Cornerbacks hat. Er geht kurz durch seine Reads auf der rechten Seite, feuert dann aber den Ball zu seinem Nummer-1-Wideout, der durch das Play-Design ein exzellentes Matchup erhalten hat und dieses auch gewinnt.
Von allem, was ich aus Woche 1 gesehen habe, hat die Cowboys-Offense in mir die meiste Vorfreude geweckt. Wenn sich dieser Trend fortsetzt und die Offense sich so entwickelt, wie sie es zum Auftakt angedeutet hat, muss man Dallas als ernsthaftes Playoff-Team auf dem Zettel haben. Mindestens.
Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!
Browns-Hype, Jaguars-QB, Vikings, Bengals, Patriots - eure Fragen
Chris Hook, Dennis SK, Pingpong Penguine: Browns-Quarterback Baker Mayfield schockierend schwach oder die Titans-Defense so stark? Oder ist es doch einfach die Line der Browns, die sie möglicherweise diese Saison an Größerem hindern könnte? Ist Mayfield hinter dieser Line nur die Hälfte wert?
Für mich ein klassisches "Overreaction-Spiel" in Woche 1. Ja, wir haben bei den Browns die befürchteten Probleme in der Offensive Line immer wieder gesehen und das wird man in den kommenden Spielen beobachten müssen. Diese Probleme wurden natürlich mit dem völlig berechtigten Platzverweis von Greg Robinson noch größer, als Cleveland dann noch Spieler herumschieben musste. Das war ein Brandherd, gleichzeitig lag hier nicht der zentrale Grund für die Niederlage. Die O-Line ist nicht gut, aber sie ist auch nicht so schlecht, dass sie eine Saison versenken sollte.
Mein Eindruck nach dem Tape dieses Spiels: Mayfield wollte zu häufig zu viel. Immer wieder hat er den Ball lange gehalten und vor allem regelmäßig versucht, hochriskante Pässe in engste Fenster zu werfen. Das führte zu Turnovern sowie zu Pässen, die ebenfalls in Turnovern hätten enden können. Aber: Er war auch nicht so schlecht, wie die Highlight-Zusammenschnitte nahelegen könnten.
Das kann man zu einem gewissen Grad der Week-1-Aufregung zuschieben, genau wie auch die unglaubliche Masse an Strafen, die die Browns kassiert haben. Cleveland kassierte 18 Penalties, der Franchise-"Bestwert" seit 1951. Das allein macht es schwer, ein Spiel in der NFL zu gewinnen. Aber Mayfield hatte auch einige absolut sehenswerte Pässe, die defensive Front hatte dominante Phasen und an der individuellen Qualität des Waffenarsenals hat sich ebenfalls nichts geändert.
Clevelands Fehlstart war in meinen Augen, zumindest zu einem beträchtlichen Part, das Ergebnis von zu vielen Emotionen und daraus resultierend Undiszipliniertheiten sowie dem Willen, zu viel machen zu wollen. Nicht nur bei Mayfield, sondern generell. Das ist nichts, was ein Team über die gesamte Saison prägen sollte. Nach all dem Offseason-Hype war das natürlich ein Schlag in die Magengegend, für mich ist das aber eines der Spiele, bei dem man am meisten mit Woche-1-Überreaktionen aufpassen sollte.
Dennis Freese, dasweißichdochnicht, MT - Herbrum 7, Benjamin Moser: Wie werden die Jaguars nach der Verletzung von Foles mit ihrer Quarterback-Situation umgehen?
Foles wird den Jaguars mindestens bis Woche 11 fehlen. Aber die Jags suchen weder eine Alternative zu Foles - dem sie gerade erst viel Geld gezahlt haben - noch wollen sie Gardner Minshew als Backup ersetzen. Deshalb brauchten sie nicht mehr als einen Backup, der ihnen eine Base-Line gibt und der nicht viel Geld kostet. Ich dachte da etwa an die Kategorie Paxton Lynch; am Ende ist es der Ex-Steeler Josh Dobbs geworden.
Und das ergibt Sinn: Ich sehe keinen Grund, warum man Minshew jetzt nicht starten lassen sollte. Offensichtlich hat er in der Saisonvorbereitung als Late-Round-Pick so überzeugt, dass er der klare Backup-Quarterback war. Er hatte, das hat man immer wieder gehört, bereits ein hohes internes Standing und auch sein Debüt gegen die Chiefs kann sich absolut sehen lassen.
Er hatte einzelne Fehler, darunter ein Pass, der ein Pick Six hätte sein müssen, in der Summe aber sah man die Kurzpass-Accuracy, das Timing und das gute Pocket-Verhalten. Er hatte einige exzellente Pässe in engste Fenster und beherrschte die Offense schon erstaunlich gut. Das sah nach viel mehr als einem Late-Round-Rookie-Backup aus.
Minshew war mein Nummer-5-Quarterback vor dem Draft, und zumindest ich habe ihn nirgendwo sonst so hoch gesehen. Damit ist auch klar, dass ich bei ihm vermutlich positiver gestimmt bin als die meisten, wenn es darum geht, wer die nächsten zwei Monate für die Jaguars Quarterback spielen soll.
Was wir von der Offense gestern gesehen haben - kurze Route-Kombinationen, Screens, ein schneller Rhythmus im Passspiel und darauf aufbauend einige vertikale Shot-Plays - passt perfekt zu dem, was Minshew im College ausgezeichnet hat. Ich persönlich bin gespannt darauf, ihn über die nächsten Wochen auf NFL-Level zu studieren. Anhand meiner Analyse seines College-Tapes hätte es die Jaguars mit der bitteren Foles-Verletzung in meinen Augen deutlich schlimmer treffen können.
Markus: Die Pats haben in Week 1 oft mit 20-Personnel gespielt und haben mit AB jetzt auch effektiv sieben Wide Receiver im Kader für den zweiten Spieltag. Denkst du, dass wir in den nächsten Spielen auch Air Raid Ansätze sehen werden, da James White auch oft als Receiver genutzt wird?
Sehr gute Beobachtung - und ja, das ist genau das, was ich erwarte. Als wir vor der Saison spekuliert haben, wie die Patriots ihre Offense - insbesondere angesichts der Tight-End-Fragezeichen - anpassen könnten, war das auch für mich der logische Schritt.
Die Pats haben sich in der Offseason mehrere große Wide Receiver geholt, die gewissermaßen die Rolle eines Receiving-Tight-Ends ausfüllen können; und mit zwei Running Backs, beziehungsweise einem Running Back und einem Fullback auf dem Feld, spielten schon letztes Jahr nur die 49ers häufiger als New England. Die Patriots kreieren so Matchup-Vorteile und schaffen es, die Defense ins Base-Personnel zu bekommen.
Insbesondere 20-Personnel, also zwei Running Backs und keinen Tight End auf dem Feld, sieht man in Air Raid Offenses häufiger: Der zweite Running Back gibt einem mehr Möglichkeiten für Blitz-Pickups, gleichzeitig müssen beide aber auch in der Lage sein, Routes zu laufen. New England hat die Spieler dafür und hat genauso gespielt. 20-Personnel war so etwas wie die Basis ihrer Offense in Week 1.
Die Patriots werden dieses Jahr eine Top-5-Offense haben, daran besteht für mich kein Zweifel. Pittsburghs Defense zum Auftakt war zwar desolat und auch hier gilt, dass man nicht überreagieren darf. Doch der Ansatz der Patriots, viel mit Play Action zu agieren, die Steelers in der tiefen Mitte des Feldes zu attackieren und mit den Wide Receivern und Running Backs die gewohnten Mismatches im Passspiel zu kreieren, wird mit Antonio Brown auf dem Feld nur noch gefährlicher werden.
Max G.: Welche Gründe gibt es für die schwache Offensivleistung der Falcons?
Protection, Protection, Protection. Zwei Themen prägten die Offseason der Falcons aus Offense-Sicht: Die Investitionen in die Offensive Line auf der einen sowie die Rückkehr von Offensive Coordinator Dirk Koetter auf der anderen Seite.
Diese beiden Dinge gehen Hand in Hand. Die Falcons hatten letztes Jahr schon Probleme in der Offensive Line, diese wurden im Saisonverlauf immer größer. Diese Baustelle musste also so oder so adressiert werden. Gleichzeitig steht Koetter für eine deutlich vertikalere Passing-Offense als das, was Atlanta letztes Jahr gespielt hat. Das bedeutet unweigerlich auch, dass der Quarterback den Ball länger halten muss, tiefe Dropbacks hat und die Route-Kombinationen mehr Zeit brauchen.
Matt Ryan hatte am Sonntag ein grausames Spiel gegen Pressure. Quarterbacks haben gegen Pressure grundsätzlich naturgemäß schlechtere Stats als aus einer sauberen Pocket heraus, aber auch mit dem Maßstab war Ryan am Sonntag schlecht, wenn er unter Druck stand. Und vereinfacht gesagt: Wenn Ryan gegen Pressure so schlecht aussieht, wird Koetters Offense vermutlich immer gehörig Sand im Getriebe haben, weil dann aus erhofften Big Plays eher Turnover werden. Wenn er dann aber auch noch konstant unter Druck steht, ist das Spiel offensiv so gut wie verloren.
Für Atlanta war das Spiel am Sonntag gegen eine Starke Vikings-Front eine sehr gute erste Standortbestimmung, und die ging - angefangen mit Rookie-Tackle Kaleb McGary - gehörig in die Hose.
Wie bei jedem Team gilt auch hier, dass man Woche 1 nicht zu hoch hängen sollte. Aber da es bei Atlanta ein Thema ist, das sich von der Vorsaison über die Starter-Einsätze der Preseason bis in Woche 1 durchgezogen hat, ist ein höheres Maß an Skepsis hier durchaus angebracht. Mit der Verletzung von Rookie-Guard Chris Lindstrom obendrauf ist drastische Besserung auch nicht abzusehen.
Der Ortegajäger: Wie sehr bist du von der Leistung der Bengals überrascht und lassen sich im Laufe der Saison konstant ähnliche Spiele abliefern?
Zunächst einmal: Respekt vor dem Auftritt der Bengals in Seattle. Ich dachte nicht, dass dieses Spiel so eng werden würde, weil ich davon ausging, dass die Seahawks-Offense dieses Spiel durch die Luft besser kontrolliert (was bei besserem Play-Calling womöglich auch machbar gewesen wäre, herzlich willkommen zurück bei dieser Storyline! Seattle war hier wieder ein absolutes Desaster!); vor allem aber ging ich davon aus, dass Seattles Front eine schon jetzt absolut dezimierte Bengals-Line auseinandernehmen würde.
Teilweise haben wir das auch gesehen. Im Run Game war für die Bengals nicht viel zu holen, Clowney und Jefferson dominierten an der Line of Scrimmage. Aber Head Coach Zac Taylor und Andy Dalton zogen ein gutes Kurzpassspiel auf und Seattle hatte keine Antworten auf John Ross. Hier wurden die Schwachstellen in Seattles Secondary, die sowohl die Cornerbacks als auch Safety betreffen, überdeutlich.
Cincinnati gelang es in der Summe, Seattles Schwachstellen - ganz besonders die Secondary, aber auch die Underneath-Coverage einer Seahawks-Defense, die extrem viel mit Base-Personnel und extrem wenig im Sub-Package auf dem Feld war - zu attackieren, während die Seahawks-Offense ihren Teil dazu beitrug, dass das Spiel eng blieb.
Und da müssen sich die Bengals auch an die eigene Nase packen, dass sie das nicht besser ausgenutzt haben. Cincinnati hatte fast 200 Yards mehr als Seattle, blieb aber mehrfach in der Red Zone ohne Punkte. Fumbles, dazu ein Field-Goal-Fehlschuss - die Seahawks hätten sich in keinster Weise über eine Niederlage beschweren dürfen.
Was sagt uns das aus Bengals-Sicht? Es war ein ermutigendes Debüt für Zac Taylor und die Passing-Offense, auch wenn man bei John Ross und seiner Vorgeschichte mit Verletzungen und Inkonstanz natürlich auf die Euphoriebremse treten muss. Aber die defensive Front war stark, die O-Line-Problemen wurden kaschiert und die Taylor/Dalton-Kombination lässt hoffen.
Sascha Steinfeldt: Haben die Vikings tatsächlich die Offense zum Laufen gebracht (sogar im wahrsten Sinne des Wortes), indem die O-Line stabiler ist? Oder lag es am Unvermögen der Falcons?
Am ehesten liegt die Antwort in der Mitte. Dass Minnesotas Run Game im Kubiak-Scheme aber effizienter werden würde, war absehbar; und genau diesen Effekt sahen wir am Sonntag: Minnesota war mit seinen Outside-Zone-Runs konstant gefährlich und hat in Dalvin Cook dafür auch den perfekten Running Back. Einige explosive Runs über außen, einige explosive Runs durch die eingebauten Cutbacks nach innen. Das war kein Zufall, und das wird auch ein konstantes Thema für die Vikings-Offense bleiben.
Ein ganz großes Aber: Die Vikings haben dieses Spiel auf eine Art und Weise gewonnen, auf die sie - da muss man sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen - nicht wahnsinnig viele Spiele gewinnen werden. Nicht nur weil Cousins gerade einmal zehn (!) Pässe warf; vor allem die Pass-Protection war gegen einen nicht gerade furchteinflößenden Falcons-Pass-Rush ein echtes Problem. Wieder einmal.
In der Folge passierte das, was wir letztes Jahr auch einige Male gesehen haben: Cousins hatte ein gutes, vor allem nahezu fehlerfreies Spiel gegen Pressure. Nur ist das nicht konstant wiederholbar und Minnesota könnte in gewisser Weise Gefahr laufen, in der Offense ähnliche Probleme wie im letzten Jahr zu bekommen; mit einem besseren Run Game für einen leicht erhöhten Floor.
football-pillsen: Die größte Überraschung für dich sind nicht die Ravens, weil ...?
... ich nicht erwartet hätte, dass wir diesen Auftritt der Redskins-Offense in der ersten Hälfte bei den Eagles sehen würden. Dass Washingtons Defense den Eagles einige Probleme bereiten konnte, war nicht allzu überraschend - zumal Philly im Laufe des Spiels hier ja klar das Zepter übernahm und insbesondere über DeSean Jackson zu Big Plays kam.
Case Keenum musste nur einen Sack einstecken, er warf einige perfekte Deep Balls; und all das ohne auch nur den Ansatz eines Run Games. Keenums Inkonstanz, die untrennbar mit seinen Hochs verbunden ist, war im Laufe des Spiels ebenfalls zu sehen. Die Redskins waren nicht in der Lage, weitere Big Plays nachzulegen oder kontrollierende, lange Drives hinzulegen.
Aber die Hochs in diesem Spiel waren schon deutlich mehr, als ich für den Auftakt bei den Eagles erwartet hatte, und in Person von Terry McLaurin hatte Washington ein sehr vielversprechendes Wide-Receiver-Debüt. Nichts davon hatte ich am Sonntag kommen gesehen.
Die andere große Überraschung ist Oakland. Dass die Raiders, umso mehr natürlich ohne Antonio Brown, gegen diese Broncos-Defense unter Vic Fangio ein solches Spiel hinlegen würden, hatte ich absolut nicht erwartet. Wenn ich einen Spieler individuell als Überraschung in Week 1 herausstellen würde, wäre es vielleicht sogar Derek Carr.