In der Nacht auf Mittwoch haben die Los Angeles Rams erst zwei Trades mit den Baltimore Ravens und Cleveland Browns durchgeführt und sich anschließend in einem echten Blockbuster-Deal Jalen Ramsey von den Jacksonville Jaguars geschnappt. Sind die Rams damit wieder ein Contender? Welche Probleme ergeben sich in der Zukunft? Und was bedeuten die Trades für die Jaguars und Ravens? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
1. Was versprechen sich die Rams von den Trades?
Kurz gesagt: Den besten Cornerback der NFL. Ramseys Potenzial sowie seine Klasse sind unbestritten. Seit 2017 hat kein Cornerback weniger Yards pro Target zugelassen, sein erlaubtes Passer Rating ist das zweitbeste (hinter seinem ehemaligen Teamkollegen A.J. Bouye) und seine Coverage Success Rate belegt in diesem Zeitraum ligaweit Platz sechs. Zudem kann der 24-Jährige sowohl als Outside Corner als auch im Slot spielen.
Es besteht also kein Zweifel: Ramsey ist einer der besten Spieler überhaupt auf seiner Position, das belegen auch seine Auszeichnungen: 2017 wurde er zum First-Team-All-Pro, in den vergangenen beiden Saisons in den Pro Bowl gewählt.
Les Snead, General Manager der Rams, hofft offenbar die Defense der Rams durch Ramseys Verpflichtung auf ein neues Level heben zu können. Mit Aaron Donald verfügt Los Angeles bereits über den besten (Interior-)Pass-Rusher der Liga, zusammen mit dem vielleicht besten Cornerback dürfte das so manchen Gegner vor eine große Herausforderung stellen - erst recht, wenn Aqib Talib (Rippen) zum Ende der Regular Season wieder von der Injured-Reserve-Liste aktiviert werden kann.
Der Trade ist obendrein auch ein Signal: Trotz drei Niederlagen in Folge und einem mittlerweile deutlichen Rückstand auf Platz eins in der NFC West sehen sich die Rams nach wie vor als Titelkandidat und tun alles dafür, um ihre eigenen Super-Bowl-Chancen zu maximieren. Los Angeles vertraut offenbar darauf, dass Head Coach Sean McVay die Probleme der Offense lösen kann (so zweifelhaft das auch sein mag) und investiert daher stark in die Defense. Mit Ramsey kommt nun die Premium-Version unter den Soforthilfen.
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Auf Kenny Young, der im Marcus-Peters-Trade aus Baltimore kommt, hält man zudem offenbar große Stücke. Er wäre nicht der erste junge Linebacker, der unter Wade Philipps zu einem Top-Spieler auf seiner Position reifen würde. Austin Corbett, der aus Cleveland kommt, soll ein Upgrade in der Offensive Line darstellen. Darüber hinaus schaffen die Rams durch die Abgabe von Peters Cap Space, den sie dringend benötigen werden, um eine Verlängerung mit Ramsey auszuhandeln.
2. Welche Probleme ergeben sich für die Rams?
Die Rams mögen mit Ramsey einen Superstar bekommen. Doch ist das wirklich das, was dem Team zur Ligaspitze noch gefehlt hat? Aaron Donald, Todd Gurley, Brandin Cooks, Jared Goff, Aqib Talib, und, und, und. Los Angeles mangelt es in der Spitze aktuell wohl kaum an Klasse, viel mehr sind es die Breite und die Tiefe des Kaders, die McVay und Co. derzeit große Probleme bereiten.
Die Offensive Line ist nach den Abgängen von John Sullivan und Rodger Saffold im Sommer eine riesige Problemzone, die Outside-Pass-Rusher Dante Fowler Jr. (zwei Sacks) und Samson Ebukam (null Sacks) machten zudem nicht den erwünschten Schritt nach vorne. Auf dem Linebacker-Level klafft nach der Verletzung von Clay Matthews (Kiefer) ein Loch und auch die Cornerback-Position ist bis zur Rückkehr von Talib mit Troy Hill und Rookie David Long dünn besetzt.
Die beste Möglichkeit, solche Schwachstellen systematisch anzugehen, ist durch den Draft. Dieser Ressourcen berauben sich die Rams aber regelmäßig selbst. Ramsey hat zwei Erstrundenpicks gekostet, Cooks zuvor einen Erstrundenpick, Peters einen Zweitrundenpick, Sammy Watkins einen Zweitrundenpick, Fowler einen Drittrundenpick und so weiter und so fort. Stand heute werden die Rams zwischen den Jahren 2016 und 2022 keinen (!) Erstrundenpick zur Verfügung haben.
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Dazu kommt, dass die Rams sich aus finanzieller Sicht mittlerweile in einer deutlich schlechteren Position befinden. Als Watkins, Cooks und Peters verpflichtet wurden, verfügte das Team noch über großen finanziellen Spielraum, heute haben Donald, Goff, Gurley und Cooks allesamt neue Verträge unterschrieben, die sie ligaweit mitunter zu den teuersten Spielern auf ihrer Position machen. Ramsey dürfte es ihnen bald nachtun. So wird der Franchise bald zwangsläufig Geld an anderen Stellen fehlen. Womöglich spekulieren die Rams auf eine deutliche Anhebung des Salary Caps in den kommenden Jahren. Eine durchaus riskante Taktik.
Langfristig verschlechtert der Trade für Ramsey die finanzielle und in der Folge womöglich auch die sportliche Situation der Rams somit deutlich. Das wäre zu entschuldigen, sofern dieser das Team kurzfristig klar verstärken würde. Doch tut er das? Ramseys sportliche Klasse mag unbestritten sein, die großen Baustellen befinden sich in Los Angeles dennoch woanders (Offensive Line!). Gelingt den Rams auch mit ihrem neuen Star-Corner kein schneller Turnaround, dürfte der Super Bowl in weite Ferne geraten.
3. Was bedeutet der Trade für Jalen Ramsey?
Ramsey bekommt das, was er wollte. Und das bedeutet in erster Linie: Geld, Geld, Geld. Nach der Abgabe von zwei Erstrunden- sowie einem Viertrundenpick sind die Rams praktisch dazu gezwungen, ihren neuen Star-Spieler langfristig zu halten und diesen daher mit einer Vertragsverlängerung auszustatten. Eine ähnliche Situation wie die der Houston Texans nach dem Trade für Laremy Tunsil.
Die bessere Verhandlungsposition haben somit eindeutig Ramsey und sein Agent. Der Cornerback, der im Sommer bereits in einem mit Geldsäcken gefüllten Truck zum Training Camp der Jaguars erschienen war und einen Begleiter durch ein Megaphon "Es ist Zeit, das Geld zu bekommen!" rufen ließ, spielt derzeit im letzten Vertragsjahr seines Rookie-Deals. In der kommenden Saison würde er über die Option im fünften Jahr des Vertrags 13,7 Millionen Dollar verdienen.
Alles spricht nun dafür, dass Ramsey eher früher als später zum bestbezahlten Cornerback der NFL aufsteigen wird. Der Franchise Tag im Anschluss an die kommende Saison ist zwar theoretisch eine Option für Los Angeles, angesichts der zahlreichen Streiks (Le'Veon Bell, Melvin Gordon, Jadeveon Clowney) zuletzt, scheint es allerdings unwahrscheinlich, dass die Rams sich diesem Drama aussetzen wollen werden.
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Darüber hinaus wird sich der 24-jährige Neuzugang in Los Angeles aller Voraussicht nach aber auch über ein defensives Scheme, das eher seinen Vorstellungen entspricht, freuen können: Ramsey bevorzugt Man Coverage, er verteidigt den besten gegnerischen Receiver am liebsten Eins-gegen-eins. Die Jaguars ließen zuletzt zu viel Zone Coverage spielen.
Die Rams spielten in der laufenden Saison zwar nur bei 34 Prozent ihrer Snaps - ein äußerst niedriger Wert - Man Coverage, allerdings dürfte das stärker dem eigenen Personal geschuldet sein. In den vergangenen Saisons setzte Philipps noch mehr auf Man Coverage (41 Prozent 2018, 53 Prozent 2017). Mit Ramsey an Bord dürfte der Defensive Coordinator wieder stärker auf diese zurückgreifen.
4. Was bedeutet der Ramsey-Trade für die Jaguars?
Zuallererst bedeutet er das Ende einer Saga. Beginnend mit seinem großspurigen Auftritt zu Beginn des Training Camps, über eine Auseinandersetzung mit Head Coach Doug Marrone an der Seitenlinie bis hin zu Ramseys Trade-Forderung: Der Cornerback bestimmte zuletzt die Schlagzeilen rund um die Jaguars.
Mit den Rams hat General Manager David Caldwell nun ein Team gefunden, das den von den Jaguars geforderten Preis zu zahlen bereit ist. Zuvor hatte dieser angeblich bereits Angebote über zwei Erstrundenpicks (ohne einen Viertrundenpick) für seinen Star-Corner abgelehnt. Dass Ramsey auch nach einem angeblich gut verlaufenden Treffen mit Owner Sadiq Khan nicht gegen die Saints auflief, dürfte letztlich mit entscheidend für die Entscheidung der Jaguars gewesen sein.
Der sportliche Verlust ist dabei nicht von der Hand zu weisen: Mit Bouye verfügt das Team zwar nach wie vor über einen herausragenden Cornerback. Tre Herndon, während Ramseys Abwesenheit Cornerback Nummer zwei, offenbarte in den Vorwochen allerdings bereits klare Schwächen.
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Doch: Der Abgang von Ramsey offenbart den Jaguars auch so manche Chancen. Ohne den 24-Jährigen und seine mögliche Vertragsverlängerung verfügt Jacksonville über deutlich mehr finanzielle Flexibilität. Flexibilität, die man zum Beispiel für eine Vertragsverlängerung von Pass-Rusher Yannick Ngakoue nutzen könnte. Auch eine namhafte Verpflichtung für die Offensive in der kommenden Offseason erscheint nun deutlich wahrscheinlicher.
Darüber hinaus verfügen die Jaguars nun über mehr Draft-Kapital als jedes andere Team, mit Ausnahme der Dolphins. Ob Cornerback, Offensive Line oder Wide Receiver - Caldwell kann im Sommer so theoretisch jede Schwachstelle im Team angehen. Und: Mit vier Erstrundenpicks in den nächsten zwei Jahren könnte Jacksonville im Draft theoretisch sogar ganz nach oben gehen. Mit Nick Foles und Gardner Minshew als möglichen Starting Quarterbacks scheint das aktuell zwar unwahrscheinlich, völlig ausschließen sollte man diese Option allerdings auch nicht. Dass die Jaguars im Frühjahr 2020 in Tua Tagovailoa die Lösung all ihrer Probleme sehen werden, liegt zumindest im Bereich des Möglichen.
5. Was bedeutet der Young-Peters-Trade für die Ravens?
Mit der Verpflichtung von Earl Thomas sowie dem Festhalten an Jimmy Smith und Brandon Carr legten die Ravens ihren Fokus im Sommer auf ihre Pass-Verteidigung, insbesondere auf die eigene Coverage. Diese Rechnung ging bislang allerdings nicht wirklich auf. Nach sechs Spielen rangiert Baltimores Defense gerade mal im unteren Mittelfeld der Liga - äußerst uncharakteristisch für die defensiv geprägte Franchise.
Verantwortlich dafür sind unter anderem Verletzungen: Mit Tavon Young, Tony Jefferson, Deshon Elliott (alle IR) sowie Jimmy Smith mussten die Ravens zahlreiche Ausfälle in der eigenen Secondary verkraften. Doch selbst unter Berücksichtigung dieser Umstände blieb die Defense bislang klar hinter den Erwartungen zurück. Der Pass-Rush ist zu zahnlos, ja, doch auch eklatante Abstimmungs- und Tackling-Probleme in der Secondary prägten in mehreren Spielen das Bild.
Mit Peters bekommt General Manager Eric DeCosta nun einen Spieler, der auf dem Papier sehr gut in das aggressive, von Man Coverage geprägte, defensive Scheme von Don "Wink" Martindale passt und der über das Potenzial verfügt, zu den besten Spielern auf seiner Position zu zählen. Der 26-Jährige wurde in seiner ersten NFL-Saison zum Defensive Rookie of the Year gewählt, zudem stand er zwei Mal im Pro Bowl und wurde 2016 zum First-Team All-Pro gewählt. Eine Secondary mit Thomas, Peters und Marlon Humphrey kann sich sehen lassen und dürfte für einige Turnover sorgen.
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Gleichzeitig kann Peters' aggressiver Spielstil allerdings auch zu Big Plays gegen die eigene Defense führen, in dieser Saison bereits unter anderem gegen die Buccaneers und die Seahawks geschehen. In Los Angeles soll so mancher Verantwortlicher diese Ausfälle von Peters leid geworden sein.
Für die Ravens ist der Trade allerdings mit vergleichsweise wenig Risiko verbunden. Young, den Baltimore an die Rams abgab, hatte in den letzten beiden Spielen null Defensiv-Snaps gespielt. Sollten die Ravens nicht mit Peters, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, verlängern, dürfte via Compensatory Pick zudem ein Dritt- oder ein Viertrundenpick als Entschädigung für die Franchise herausspringen.