Eine turbulente NFL-Woche liegt hinter uns. Die Ausraster im Spiel zwischen Cleveland und Pittsburgh, gefolgt vom Workout von Colin Kaepernick, dominanten Ravens, wackligen Patriots und einem Zittersieg der Cowboys. In seiner wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke zurück - und ein Stück weit voraus.
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Wie geht es für Colin Kaepernick weiter?
Das war natürlich das Thema am Samstag: Colin Kaepernick hatte schließlich sein von der Liga angesetztes Workout, und hinterher sind wir nur begrenzt schlauer als vorher.
Wobei - so ganz stimmt das nicht. Einige Fragen konnten wir klären. Und einige andere Fragen wurden im Gegenzug wieder aufgeworfen.
Es gibt sehr, sehr viele verschiedene Aspekte und Blickwinkel dazu. Ich hatte in unserem Live-Podcast im Vorlauf zu Week 11 bereits etwas dazu gesagt (gibt's hier im Re-Live, ab Minute 18:08), aber vielleicht etwas koordinierter in einigen Punkten:
- Die ganze Aktion wirkte von Anfang an vonseiten der Liga extrem merkwürdig. Warum an einem Samstag statt, wie üblich, an einem Dienstag? So stellte man, in Kombination mit dem generellen kurzen Vorlauf von nur ein paar Tagen, quasi sicher, dass keine Top-Entscheidungsträger vor Ort sein können. Und es erfordert nicht viel Vorstellungskraft, um zu sagen, dass nur ein Top-Entscheidungsträger (im Endeffekt der GM und der Owner) die Entscheidung einer Kaepernick-Verpflichtung treffen können.
- Und dann weiter: Warum so kurzfristig, warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht mit mehr Vorlauf für Kaepernick, aber auch für die Teams? Welchen Grund gab es, das innerhalb von fünf Tagen durchprügeln zu müssen? Warum gab man erst Tage nach der Ankündigung die Coaches bekannt, die durch das Workout führen sollen?
- Nur zur Erinnerung: Ein solches Pro-Day-Style-Workout hat normalerweise wochenlang, detailliert geplante Choreographien und spezifisch darauf abgestimmtes Training. All das macht keinen Sinn und zumindest ich sehe keine logische Erklärung dafür, in der die NFL nicht zumindest merkwürdig aussieht. Dass sie das generell angesetzt haben, dafür darf man die Liga auch loben, weil vermutlich an der These etwas dran ist, dass Teams Kaepernick sehen, aber ihn aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht zu einem Workout einladen wollten. So bitter das auch ist. Nur warum macht man sich dann mit den ganzen Setup so angreifbar?
Die Kaepernick-Seite: Verständnis, aber auch Kritik
- Damit auf die Kaepernick-Seite. Ja, dass die NFL keine Medien vor Ort beim Workout haben wollte, ist ebenfalls merkwürdig und lässt sich nur damit erklären, dass die Liga die Bühne so klein wie möglich halten wollte. Die Gefahr für Kaepernick dabei ist offensichtlich: Hätte das Workout so wie von der NFL angesetzt stattgefunden, hätte es anschließend nichts anderes als anonyme Scout-Berichte gegeben. Und die können das Bild in der Öffentlichkeit wahnsinnig prägen.
- Ein Beispiel: Ja, ich habe mir alle Würfe dieses Workouts angeschaut. Die meisten waren gut, es gab aber auch einige Accuracy-Wackler, insbesondere tief. Als ESPN am Sonntag ein Segment zu Kaepernick hatte, wurde einer der schlechtesten Würfe in dem Video-Beitrag wie repräsentativ eingespielt. Wäre das alles gewesen, was ich davon gesehen habe, wäre mein Eindruck ein anderer gewesen.
- Aber Kaepernicks Reaktion, das Workout im Prinzip eine Stunde bevor es tatsächlich stattfinden sollte, eine Stunde nach hinten und auf ein High-School-Feld zu verlegen - damit hat er sich auch keinen Gefallen getan. Nicht nur, weil Mensch gewordene Alarmsirenen wie Stephen A. Smith das als Vorwand nutzen, um ihm zu unterstellen, dass er nur eine Show daraus machen wollte; sondern ganz schlicht auch, weil das bei Teams nicht gut ankommt.
- Schauen wir den Zeitplan nochmal an. Teams haben am Dienstag erfahren, dass dieses Workout stattfinden soll. Das heißt, Reiseplan-Änderungen für Pro-Scouts mussten durchgeführt werden und immerhin über 20 Teams planten, Scouts zum ursprünglichen Workout zu schicken. Von diesen Teams blieb beim tatsächlichen Workout nur ein kleiner Teil übrig; zum Teil vielleicht aus Trotz, zum Teil mit Sicherheit aber auch einfach, weil noch eine Planänderung in den Schedule der Scouts nicht rein gepasst hat, so blöd das klingt.
- Was hätte Kaepernick also machen sollen? Ich kann komplett nachvollziehen, dass er nicht einfach ein privates Workout haben wollte. Er hätte beides machen können: Das von der Liga angesetzte Workout, um sich hier nicht angreifbar zu machen, und dann einfach eine Stunde später das öffentliche, auf YouTube gestreamte Workout. Auch wenn da natürlich dann kein Scout mehr gekommen wäre, so hätte sich zumindest jeder selbst ein Bild von seinen Würfen und seiner physischen Verfassung machen können.
Findet Colin Kaepernick jetzt ein Team? Wer könnte Interesse haben?
- Welche Teams waren letztlich beim tatsächlichen Workout noch vor Ort? Das wissen wir inzwischen ja: Kansas City, die Jets, Philly, Tennessee, Buffalo, Detroit, San Francisco, Washington. PFT vermeldete, dass es zumindest bislang keine konkrete Anfrage infolge der Trainingseinheit gab.
- Das Problem damit ist doch: Was genau hätte Kaepernick denn bei diesem Workout zeigen können, damit sich ein Team sagt: Wir nehmen den unvermeidbaren medialen Zirkus einer Verpflichtung in Kauf? Ich würde behaupten, dass man bei einem Workout mit Pässen ohne Defense so sehr gar nicht überzeugen kann.
- Hier sind die positiven, rein sportlichen Takeaways: Kaepernick hat sich gut bewegt und sein Arm hat definitiv noch die Power. Aber das sagt uns einfach nicht viel aus, und ich vermute, dass im Endeffekt Teams genau zu diesem Schluss kommen werden: "Er ist vielleicht besser als unser aktueller Backup, aber er ist nicht so gut, dass es uns das ganze Drumherum wert wäre." Traurig, keine Frage.
- Zum Abschluss vielleicht eine positive Note: Welche Teams könnten denn tatsächlich, in welchem Szenario auch immer, Interesse haben? Zunächst einmal ist völlig klar, dass wir hier vorerst ausschließlich von einer Backup-Rolle sprechen. Kein Team wird Kaepernick nach drei Jahren als Starter holen, weshalb ich auch der Meinung bin, dass ein langfristig geplantes Workout im Frühjahr für alle Beteiligten viel sinnvoller gewesen wäre.
Also, welche Teams? Wo wären Owner und Management stark genug und gewillt, Kaepernick zu holen? Und wo wäre er gleichzeitig ein Backup-Upgrade sowie ein Scheme-Fit? Zwei Teams stehen für mich ganz oben:
- Mein erster Gedanke waren die Panthers. Der neue Owner David Tepper scheint diese Franchise in vielerlei Hinsicht modernisieren zu wollen, Kaepernicks Freund und Mit-Protestler Eric Reid ist bereits in Carolina und Kaepernick wäre eine interessante Option für diese Offense, in der es große Quarterback-Fragezeichen gibt. Tepper hat sogar mit Reid über Kaepernick gesprochen.
- Kansas City fände ich ebenfalls sehr spannend. Ein glasklarer so definierter Backup-Spot unter einem tollen Head Coach in Andy Reid, der bereits mehrfach in seiner Karriere gezeigt hat, dass er mit dem Medienrummel um einen seiner Spieler fertig wird. Chiefs-Besitzer Clark Hunt hat zudem bereits vor einer Weile öffentlich erklärt, dass er kein Problem damit hätte, Kaepernick zu verpflichten.
Realistisch glaube ich, dass das nicht passieren wird und dass wir Kaepernick nicht mehr in der Liga sehen werden. Aber dass das Workout überhaupt stattgefunden hat und dass es mutmaßliches Interesse zumindest in der Form von Neugier einiger Teams gibt, öffnet die Tür zumindest wieder ein wenig. Und ja, im Gegensatz zu Stephen A. Smith und Konsorten denke ich schon, dass Kaepernick noch spielen will, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
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Wo liegen die Probleme der Patriots-Offense?
Als Brady nach dem Sieg über die Eagles zu seiner Pressekonferenz erschien, hatte man nicht den Eindruck, als hätte sein Team gerade gewonnen. Eher wirkte er, als hätte jemand ihm gerade den letzten Nachtisch in der Kantine vor der Nase weg geschnappt.
"Wir hatten Hochs und Tiefs. So sah es für mich aus. Vermutlich müssen wir uns also überall steigern", lautete Bradys Analyse. Keine zwei Minuten stand er, sichtbar erschöpft, auf dem Podium.
Doch es war keine Aussage, die dem Moment geschuldet war.
Am Montagmorgen in der Greg Hill Show legte Brady, dessen 14 Incompletions in der ersten Halbzeit gegen die Eagles einen persönlichen Karriere-Höchstwert bedeutet hatten, nochmals nach: "Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir gewonnen haben. Aber ich wünschte, wir hätten offensiv besser spielen können."
Dass die Patriots offensiv nicht gut waren, das war offensichtlich. Gegen eine zuletzt mehr als nur schlagbare Eagles-Secondary knackte Brady gerade so die 200-Passing-Yard-Marke (216), New England hatte ganze 19 First Downs und verzeichnete 4,2 Yards pro Play. Zum Vergleich: In der eigenen Division kam Miami am Sonntag bei der Niederlage gegen Buffalo ebenfalls auf 19 First Downs, bei 4,7 Yards pro Play.
Nicht gerade die offensive Gesellschaft, in der die Patriots sich messen wollen.
Patriots: Gronk, das Run Game - und die Offensive Line
Und doch ist das Thema insgesamt nicht neu. Bereits vor dem Spieltag stand New Englands Offense nach DVOA insgesamt auf Patz 11, die Passing-Offense auf Rang 13. Hinter Teams wie Oakland, den Chargers oder Jacksonville.
Entgegen einiger Takes ist dabei nicht das vertikale Passspiel das größte Problem - vielmehr ist es einerseits das Mid-Range-Passspiel (etwa acht bis 15 Yards tief), hier macht sich das Fehlen von Rob Gronkowski besonders bemerkbar, andererseits ist es aber auch das Run Game, in dem New England deutlich ineffizienter ist.
Letztes Jahr noch gehörte New England noch zu den konstantesten und schlicht auch besseren Rushing-Teams der Liga. Dieses Jahr sind sie hier ins untere Liga-Mittelfeld abgerutscht - geht man nach einer Statistik wie Yards pro Run, sind sie sogar eines der ineffizientesten Teams ligaweit.
Die Run-Designs sind dabei nicht großartig anders, Michel läuft auch ähnlich häufig gegen 8-Men-Boxes (29,8 Prozent) wie letztes Jahr (26,7 Prozent). Individuell besser war Michel letztes Jahr nach Kontakt, durchschnittlich holte er pro Run nach Kontakt 2,65 Yards heraus - dieses Jahr steht er hier nur bei 2,01 Yards.
Doch wenn ein Run Game so merklich schlechter wird, während gleichzeitig der Quarterback deutlich häufiger unter Druck steht, obwohl er den Ball im Schnitt genau so schnell loswird wie im Vorjahr, dann rückt natürlich die Offensive Line in den Mittelpunkt. Ganz konkret: Center Ted Karras und Left Tackle Marshall Newhouse sind gigantische Probleme für diese Offense. Der Rest der Line ist ebenfalls nicht so dominant wie letztes Jahr, doch diese beiden stechen ganz klar negativ heraus.
Newhouse, so die Hoffnung, wird ab kommender Woche durch Isiah Wynn ersetzt. Der Vorjahres-Erstrunden-Pick hat fraglos mehr Potenzial, blickt bisher aber auch auf ganze 82 NFL-Snaps und kommt jetzt von der zweiten Verletzung seiner noch jungen NFL-Karriere zurück. Zumindest Geduld ist hier also angebracht.
Air Raid Patriots?
Damit auf ins Tape: Ich habe für das Eagles-Spiel alle Patriots-Offense-Snaps noch einmal angeschaut und nach Personnel und grundlegender Formation eingeordnet; extrem auffällig war zum wiederholten Male, wie eindimensional New England in der zweiten Hälfte agierte. Abgesehen von den drei letzten Snaps hatte New England ein Play in 20-Personnel (2 Running Backs, 0 Tight Ends, 3 Wide Receiver) - und spielte ansonsten ausschließlich in 11-Personnel (1 RB, 1 TE, 3 WR).
Diese Eindimensionalität konnte man zuletzt bereits häufiger bei den Pats beobachten. Teilweise hängt das mit der No-Huddle-Offense zusammen, da darin die gleiche Personnel-Gruppe naturgemäß auf dem Feld bleibt. Doch ist das nur ein kleiner Part, New England hat sich, ganz konkret über die letzten drei Wochen, deutlich stärker auf 11-Personnel verlagert und ist hieraus extrem überdurchschnittlich Pass-lastig geworden.
Meine Idee, um die Offense zu reparieren, geht in eine noch extremere Richtung. Die Pats haben einen extrem spielintelligenten Quarterback, drei oder gar vier (inklusive Dorsett) Wide Receiver, die individuell gewinnen können, Probleme in der Offensive Line, keine nennenswerte Production von ihren Tight Ends und mehrere Running Backs, die auch gemeinsam auf dem Feld als Runner und Receiver eingesetzt werden.
All das schreit für mich förmlich nach mehr Air Raid Elementen. Mesh, eine Kurzpass-Timing-Offense, generell die Mitte des Feldes attackieren, No-Huddle, Spread-Formationen, 10- und 20-Personnel - diese Dinge meine ich. Das will ich von den Pats mehr sehen.
NFL GamepassUnd es ist nicht so, als würde New England klassische Air-Raid-Elemente nicht schon nutzen. Das hier dargestellte Play zeigt einen 10-Yard-Pass zu Dorsett - über ein Mesh-Konzept aus einer Empty Formation. Viel mehr klassische Air Raid geht kaum.
Patriots: Shotgun Empty gegen die Eagles
Down&Distance | Personnel | Play | Resultat |
3rd&7 | 11 | Pass Short Middle | +12 |
1st&10 | 11 | Pass Short Middle | +10 |
1st&10 | 11 | Pass Short Left | Incomplete |
1st&10 | 11 | Pass Short Middle | +12 |
1st&10 | 11 | - | Sack |
2nd&17 | 11 | Throwaway | Incomplete |
2nd&11 | 11 | Pass Deep Left | Incomplete |
Das erwarte ich noch viel häufiger von den Pats in der Zukunft, um der Offense einen Rhythmus zu geben. Gegen die Eagles hatte New England sieben Snaps aus Empty Sets, alle aus 11-Personnel - und in einem Spiel, in dem man Big Plays meist vergebens suchte, hatten Brady und Co. daraus drei Pässe mit mindestens zehn Yards Raumgewinn.
Brady kann das Spiel in der No-Huddle an der Line of Scrimmage dirigieren, er ist ein präziser Underneath-Quarterback, die drei Receiver sind positionell austauschbar einsetzbar - New England hat hier in meinen Augen noch deutlich mehr Potenzial als sie bisher zeigen.
Was dagegen in Philly für diese Offense einfach gar nicht funktionierte, war die I-Formation (Quarterback Under Center mit zwei Backs hinter ihm im Backfield) und auch wenn New England das stets als festen Part seiner Offense hatte - unter anderem aufgrund der Rolle des Fullbacks für diese Offense, was aufgrund der Verletzungen auf dieser Position ohnehin vorerst kein Faktor ist -, so passt es für mich einfach nicht zum aktuellen Personal dieser Offense.
Patriots: I-Formation gegen die Eagles
Down&Distance | Personnel | Play | Resultat |
1st&10 | 21 | PA Screen | +12 |
1st&10 | 21 | Inside Run | +3 |
1st&10 | 21 | Inside Run | +3 |
1st&10 | 21 | PA (Throwaway) | Incomplete |
1st&10 | 22 | PA Short Right | Incomplete |
2nd&Goal | 11 | PA Medium Middle | Incomplete |
1st&10 | 21 | Run Middle | +2 |
1st&10 | 22 | Pass Short Right | -1 |
Generell, und das dürfte wenig überraschend kommen, war New England offensiv mit Abstand am produktivsten, wenn das Passspiel über In-Breaking-Routes lief.
NFL GamepassBei dieser Szene holte Edelman aus dem Slot zwölf Yards bei 2nd&10 gegen Man Coverage; Philadelphia spielte einen seiner wenigen Blitze und hatte deshalb keinen Underneath-Zone-Verteidiger zur Absicherung.
NFL GamepassNächstes Play, ebenfalls 2nd&10: Rookie-Receiver N'Keal Harry ist isoliert Eins-gegen-Eins, Play Action räumt Mitte des Feldes für den Passweg zusätzlich frei. Einfach elf Yards.
Das letzte Beispiel - das ist der 22-Yard-Catch-and-Run von Ben Watson bei langem Third Down:
NFL GamepassNew England stellte Julian Edelman mehrfach mehrere Yards hinter der Line of Scrimmage auf und gab ihm so einen zusätzlich freien Release. Hier erhält Watson Platz Underneath mit Edelmans Route und der Out-Route auf der anderen Seite als Ablenkung. Brady trifft ihn in vollem Lauf und komplett ungedeckt, Watson holt nach dem Catch zusätzliche 17 Yards raus.
Patriots-Offense: Wo geht die Reise hin?
Was sind also die weiteren Aussichten? Mit N'Keal Harry bekommt man mindestens eine Red-Zone-Waffe für den Rest der Saison dazu, und potenziell auch mehr: Harry, Edelman und Sanu können allesamt die Rolle des (Big-)Slot-Receivers ausfüllen und sind dementsprechend positionell auf dem Feld austauschbar. Mit White und Burkhead haben die Pats auch weiterhin Waffen, um Matchups gegen Linebacker zu forcieren.
Die dominante Downfield-Mismatch-Waffe wie Gronk kommt (vermutlich) nicht einfach so um die Ecke, und das scheint auch nicht die Art Offense zu sein, die New England sein will. Zumindest die Tatsache, dass man sich für Harry und Sanu entschieden hat, legt nahe, dass die Pats auch stilistisch bewusst ihre Offense ändern.
Und vielleicht wird die Line mit Wynn zurück auch wirklich schnell stabiler - dass sie das Vorjahres-Level erreicht wäre aber dann doch eine ziemliche Überraschung. Deshalb wäre New England meiner Meinung nach eben gut beraten, die Spread-Formationen noch zu intensivieren. So kann man, insbesondere aus 20-Personnel, auch in der No-Huddle sehr flexibel sein, gleichzeitig könnte man die Runs gegen eine leichte Box nach oben schrauben und so das Run Game wieder effizienter machen.
Und wenn man schon drei verschiedene Starting-Slot-Receivertypen und den wohl spielintelligentesten Quarterback der Liga hat - warum die dann nicht auch dementsprechend einsetzen?
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Lamar Jackson, Playoff-Teams, Dallas, Brady - eure Fragen
Alexander Schäfer und Simon: Was denkst du, wie lange wird Lamar Jackson so weiterspielen? Gab ja in der Vergangenheit viele mobile Quarterbacks, die ein bis zwei wirklich gute Saisons hatten, wonach es dann abwärts ging. Wird er es über mehrere Jahre schaffen? Wer hat realistische Chancen, diese Ravens zu schlagen?
Ich denke, hier muss man mit den jeweiligen Begriffen und Definitionen vorsichtig sein, einfach weil unter dem Oberbegriff "mobile Quarterbacks" gerne falsche Konnotationen kursieren. Das tatsächliche sportliche Problem ist dabei nämlich übergreifend: Eine Offense in der NFL wird früher oder später aus schematischer Sicht entschlüsselt, und wer sich nicht anpassen kann, der hat verloren.
Das mag bei einer Offense, die auch auf die Rushing-Fähigkeiten ihres Quarterbacks setzt, dann beispielsweise der Fall sein, wenn er als Runner nicht mehr so effizient ist wie zuvor, und dann als Passer nicht gut genug ist, um das auszugleichen. Bei Lamar Jackson sehen wir ja aber schon jetzt in seinem zweiten Jahr, dass er immense Fortschritte als Passer gemacht hat.
Seine Beinarbeit ist besser, in der Folge ist seine Accuracy konstanter, er bewegt sich besser in der Pocket, er behält die Augen Downfield, er trifft engste Fenster und er ist sehr sicher aus Empty Sets, also auch ohne Play Action.
Wenn wir gezielt auf Offenses schauen, die um einen Running-Quarterback herum aufgebaut sind - in der jüngeren Vergangenheit wäre etwa Carolina ein gutes Beispiel -, dann ist im Endeffekt immer die große Frage: Wie kann sich die Offense weiterentwickeln? Und auch hier sehen wir bei den Ravens sehr positive Tendenzen, wenn wir von der vergangenen auf diese Saison schauen.
Deshalb ist das für mich ein relativ klarer Fall: Lamar Jackson wird so weiterspielen, solange er und die Ravens-Offense sich weiter entwickeln. Womöglich bedeutet das irgendwann weniger designte Quarterback-Runs, doch für den Moment ist Baltimore damit unfassbar erfolgreich und Jackson ist in diesen Designs individuell nichts anderes als ein echter Game-Changer.
Und auch hier wieder: Baltimore hat sich in seinen Run-Designs verbessert, seine Run- und Pass-Designs noch besser miteinander kombiniert und den Kader weiter spezifisch auf diese Art Offense ausgerichtet, gerade was die Rolle der Tight Ends angeht. Ich glaube, das wir noch nicht einmal den Zenit dieser Version der Ravens-Offense kennen, und die Liga ist aktuell noch nicht in der Lage, sich daran anzupassen.
Und ich glaube auch, dass generell Quarterbacks die auch einen Wert als Runner haben - Jackson ist hier natürlich die oberste Spitze, vielleicht aller Zeiten - die NFL über die nächsten Jahre stärker prägen werden. Russell Wilson, Kyler Murray, Deshaun Watson, Dak Prescott, Carson Wentz: Quarterbacks, die als Scrambler Schaden anrichten und zumindest gelegentlich auch bei designten Runs ein Faktor sein können. Schlicht als Ergänzung zum Passspiel.
pascaalho: Welche Teams mit einem negativen Record haben deiner Meinung nach noch realistische Chancen auf die Playoffs?
Die NFC können wir hier gleich direkt ausschließen, da gibt es zu viele zu gute Teams in der Spitze, dass es hier durchaus möglich ist, dass wir am Ende zwei Wildcard-Teams mit zwölf Siegen haben. Seit mindestens 2002 gab es nur ein Mal mehr als zwei Teams in der NFC mit mindestens acht Siegen über die ersten elf Spieltage (3, 2017) - dieses Jahr haben wir fünf!
In der AFC gibt es dafür einige Optionen. Cleveland (4-6) will ich noch nicht komplett abschreiben, auch wenn ich es bei den Browns mit all der Unruhe, all den Diskussionen, den offensiven Problemen nicht nur, aber insbesondere in der Red Zone und jetzt der Suspendierung von Myles Garrett einfach nicht sehe.
Die Jaguars (4-6) finde ich interessanter, weil Jacksonville offensiv explosiv und defensiv aggressiv sein kann. Bisher haben sie das dieses Jahr zu selten konzentriert auch aufs Feld gebracht, doch der ausstehende Schedule (Titans, Raiders, Falcons auswärts, Buccaneers, Chargers, Colts daheim) ist nicht nur machbar - es geht auch gegen mehrere direkte Konkurrenten im theoretischen Wildcard-Rennen. Und im Gegensatz zu Cleveland ist auch in der Division noch mehr möglich.
Die Chargers wären ansonsten noch zu nennen. Aber mit dieser Offensive Line, der andauernden Selbstzerstörung und den Problemen in der Defense - dass die Chargers dort stehen, wo sie stehen, ist kein Zufall oder Pech. Dieses Team hat einen merklichen Rückschritt im Vergleich zu vergangener Saison gemacht und ich sehe sie unter dem Strich als ein 6-10-Team.
Burton77767: Wie gut ist Dallas wirklich? Das war vor allem defensiv keine überzeugende Leistung gegen die Lions?
Das ist genau richtig beobachtet, und da reden wir nicht nur vom Lions-Spiel. Vielmehr haben wir eine deutliche Regression im Vergleich zur vergangenen Saison bei den Cowboys, und das auf allen Ebenen der Defense.
Byron Jones konnte seine Elite-Corner-Saison in der Vorsaison bisher nicht bestätigen, das Linebacker-Duo bestehend aus Jaylon Smith und Leighton Vander Esch ist insbesondere in Coverage deutlich anfälliger - einzig im Pass-Rush kann man insgesamt Fortschritte vermelden, weil Demarcus Lawrence nach einigen Startschwierigkeiten in der Saison angekommen ist, Robert Quinn sich als eine gute Verpflichtung entpuppt hat und mit Michael Bennett ist hier sogar noch Luft nach oben.
Doch wenn wir davon ausgehen, dass die Defense in der Summe nicht ihr Vorjahreslevel hat, kann das schon eben zu schwierigeren Spielen führen - wie etwa einer unerwartet engen Partie gegen Jeff Driskel und Bo Scarbrough in Detroit.
Die Offense auf der anderen Seite hat einfach, das lässt sich inzwischen festhalten, zwei Gesichter. Das eine Gesicht ist das, wenn sie das Passspiel öffnen, wenn die Play-Designs greifen, wenn Dak Prescott insbesondere auch bei Early Downs werfen darf. Das andere Gesicht ist die konservative, Run-Establishment-Fratze, die Dallas nur zu gerne ebenfalls zeigt. Prescott spielt zu gut dieses Jahr, als dass man ihm den Ball unnötig häufig aus der Hand nehmen sollte.
In der Summe ergibt das ein gutes, manchmal eben sehr gutes Team. Aber eben nicht mehr. So wie die Eagles sich aktuell verkaufen, sollte Dallas trotzdem als Division-Favorit in das letzte Saisondrittel gehen. In den dann anstehenden NFC-Playoffs würde ich sie Stand heute aber als das schwächste Team sehen.
Regular season Phil und appletechnikblog: Sieht Brady in deinen Augen mittlerweile wirklich so aus als sei er eben nur noch Durchschnitt? Ist das Ende also jetzt in Sicht? Oder ist der Einfluss einer schwächelnden Offensive Line und eines mieses Receiving-Corps doch ziemlich groß? Ist Brady endgültig über den Zenit?
"Nur noch Durchschnitt" wäre mir zu drastisch, auch wenn er am Sonntag wirklich nicht gut war. Ansonsten reden wir, auf die Saison gesehen, in meinen Augen relativ konstant vom etwa zehntbesten Quarterback der Liga. Mal vielleicht Platz 8, mal Platz 12, aber in dieser Range.
Auffällig ist, dass er mit Druck deutlich größere Probleme hat als in den vergangenen Jahren. Das geht auch auf sein Pocket-Movement zurück, das einfach nicht diese Effizienz und Antizipation hat, an die wir uns bei Brady über die letzten drei, vier Jahre extrem gewöhnt haben. Und kombiniert man das dann mit der Tatsache, dass er auch deutlich häufiger unter Druck steht als in den vergangenen drei Jahren, ist das Ergebnis natürlich unschön.
Darüber hinaus ist das Passspiel weniger gefährlich als letztes Jahr, was maßgeblich auch am Fehlen von Rob Gronkowski liegen könnte. Die Patriots haben auf die Saison gesehen gar nicht so sehr vertikal, aber insbesondere in der Mid-Range (zehn bis 20 Yards Downfield) Probleme, vergleicht man es etwa mit letztem Jahr. Das war stets Gronk-Territorium.
Es ist ein Zusammenspiel vieler Dinge. Brady hat sich in der Pocket verschlechtert, die Waffen sind schlechter, man ist ausrechenbarer geworden und die Offensive Line ist deutlich schlechter. Das letzte Saisondrittel wird hier sehr spannend: Lässt Bradys Arm nach, wenn es kälter und windiger wird? Können Isaiah Wynn, N'Keal Harry und Mo Sanu der Offense insgesamt eine neue Richtung geben? Und finden die Patriots ihre Matchup-Waffen für ein vertikales Passspiel auch ohne Tight Ends? Brady ist immer noch gut genug, aber er wird die Offense nicht alleine tragen.
Marvin Schaller: Ist es an der Zeit, sich aus Tampa Bays Sicht nach einem neuen Quarterback umzusehen?
Ja, auch wenn das Spiel gegen die Saints mal wieder auch ein Beispiel für Winston-Pech war - diese "Rücken-Interception" von Howard und die absurd abgefälschte Interception wenig später, da kann man Winston keine großartigen Vorwürfe machen. Bei den anderen Picks sieht das natürlich anders aus.
Die Turnover sind einfach ein Problem und in dieser Offense werden sie auch nicht weniger werden. Das ist dann vielleicht auch der andere Punkt: Die Offense von Bruce Arians verlangt viel vom Quarterback und hat erhöhtes Turnover-Risiko; und Winston hat zusätzlich dazu zu viele individuelle Aussetzer, die weitere Turnover hinzuzufügen, dass unter dem Strich der Ball zu häufig an den Gegner geht.
Neben der Tatsache, dass so Spiele verloren werden, hat das auch den Effekt, dass das Narrativ rund um Winston immer weitere Nahrung erhält; teilweise gerechtfertigt, teilweise ungerechtfertigt. Winston braucht anderswo einen Neustart, in einer anderen Offense. Und die Bucs brauchen einen Neustart mit einem Quarterback, der die individuellen Turnover runter schraubt und dabei trotzdem aggressiv im vertikalen Passspiel agiert.
Die Frage ist nur: Ist Bruce Arians bereit, einen Rookie-Quarterback heranzuziehen? Denn in der Free Agency werden sie einen solchen Quarterback vermutlich nicht finden. Andy Dalton wäre dafür vermutlich meine Wahl.
Niklas und lgw1899: Siehst du im Cardinals-Backfield eine Wachablösung? Oder glaubst du, Johnson bekommt wieder seine übliche Rolle?
Was auch immer der Grund dafür ist, aber Johnson ist definitiv nicht ansatzweise in Topform. Das mag ein Verletzungsproblem sein - er hatte ja bereits mit einigen Blessuren auch dieses Jahr wieder zu kämpfen -, es mag auch sein, dass er sich ein paar Prozentpunkte schont, nachdem er bezahlt wurde.
So oder so: Die Realität ist, dass Kenyan Drake bereits im Training vor dem 49ers-Spiel den Großteil der - medial beobachteten - Snaps mit der Starting-Offense absolviert hat. Und in Arizona hat man im Zuge des Drake-Trades kein Geheimnis darum gemacht, dass man Drake für die Free Agency nach der Saison auf dem Zettel hatte. Das hat mich schon stutzig gemacht, wenn man sieht, wie sich Chase Edmonds neben Johnson präsentiert hat.
Doch die Realität ist auch, dass Edmonds deutlich explosiver aussah als Johnson über die ersten Wochen - und dann kam Drake und sah vom ersten Spiel weg viel besser in dieser Offense aus als Johnson bisher. Vielleicht überlegt Arizona, sich von Johnson zu trennen, das würde ich nicht mehr ausschließen. Für den Moment sind Drake und Edmonds die besseren Optionen für die Offense und Drake bis auf weiteres in meinen Augen der Starter.
Finanziell wäre ein Johnson-Abgang nur via Trade realistisch. Sechs Millionen Dollar an Dead Cap würden bleiben, würde Arizona einen Trade-Partner finden. Angesichts von Johnsons Vertrag müsse man ihn aber ohne Gegenwert abgeben.