"Alles, was wir brauchten, war ein Funken", sagte Superstar-Edge-Rusher J.J. Watt nach dem Sieg der Houston Texans über die Buffalo Bills im Wildcard Game. "Wenn du dann Deshaun Watson zu dem Funken dazu packst, dann hast du ein verdammt großes Feuer."
Eine treffende Umschreibung für das, was sich in Houston am Samstag ereignete. Auf der der einen Seite sah man einen Quarterback, der stark begann und dann mit fortschreitender Spieldauer regelrecht implodierte und eine verheerende Entscheidung nach der anderen traf. Josh Allen nahm einen Sack bei 4th&27 und kostete seinem Team im vierten Viertel samt Strafe für Intentional Grounding innerhalb von zwei Spielzügen satte 36 Yards.
Auf der anderen Seite stand Watson, der zögerlich und unspektakulär startete und in der Summe auch dank seiner Unentschlossenheit sieben Sacks einsteckte. Es schien eine Wiederholung der schwachen Vorstellung aus der Vorsaison im Wildcard Game zu werden.
Doch dann drehten die Texans auf.
Den Funken, den Watt ansprach, lieferte freilich der Rückkehrer selbst. Er schaffte einen Sack gegen Allen in der Red Zone und hielt die Bills damit im Alleingang bei einem Field Goal zum 16:0. Anschließend übernahm Watson das Kommando.
Houston Texans: Deshaun Watson reißt das Spiel an sich
Sinnbild dafür war sein beherzter 20-Yard-Touchdown-Lauf, der die Texans erstmals aufs Scoreboard brachte. Beispielhaft auch, wie er den zweiten Touchdown einfädelte: An der Goal Line sollte es ein Pitch-Play auf Carlos Hyde werden, doch der Running Back fumbelte den Ball ins Aus. Bei anderen Teams und anderen Quarterbacks wäre Hyde dann wohl erstmal untendurch gewesen. Nicht so bei Houston und Watson.
Watson ging direkt zurück zu Hyde und warf ihm einen kurzen Touchdown-Pass in die Flat zu. "Yo, Los! Dreh dich um!", beschrieb Hyde die Situation: "Ich drehte mich um und der Ball war genau da." Watson bewies Leader-Qualitäten, anstatt sich nur mit sich selbst zu befassen in einer durchaus brenzligen Situation. Sein Meisterstück in diesem denkwürdigen Spiel jedoch kam erst in der Overtime, nachdem sich Allen gefangen und sein Team immerhin zum Ausgleich geführt hatte.
Bei einem 2nd&6 nahe der Mittellinie bekam Watson den Snap in der Shotgun aus einem Empty-Set und wurde prompt von zwei anrauschenden Verteidigern links und rechts attackiert. Ein sicherer Sack, oder? Nicht dieses Mal! Per Spin-Move wand sich Watson aus der misslichen Lage, lief nach rechts und fand dann Running Back Taiwan Jones zum Checkdown, aus dem dieser letztlich den Catch-and-Run zum entscheidenden Field Goal machte. Kurz nach dem Pass wurde Watson überdies noch umgenietet.
"Das ist nichts Neues für meinen Jungen. So etwas macht Nummer 4 nun mal", kommentierte Left Tackle Laremy Tunsil. Tunsil war freilich auch einer der Gründe, warum "sein Junge" sieben Sacks kassierte ...
Das allerdings ist Watson natürlich gewöhnt, kassierte er doch im Vorjahr bereits 62 Sacks, die mit Abstand meisten der Liga. 2019 waren es immer noch 44, was zumindest mal andeutet, dass die O-Line weiterhin zu den Großbaustellen dieses Teams gehört. Ebenfalls gewöhnt sein sollten Beobachter indes mittlerweile auch große Momente von Watson. Schon länger!
Deshaun Watson führte Clemson auf den Thron
Sein Stern ging bereits im Jahr 2017 vollends auf, als er mit seinem Game Winning Drive im National Championship Game das große Alabama mit Clemson Sekunden vor Schluss besiegte. Damals fand er mit einer Sekunde auf der Uhr Wide Receiver Hunter Renfrow in der Endzone zum Touchdown. Es war der Startschuss für Clemsons großartige Ära - sie stehen in diesem Jahr nun schon zum dritten Mal in vier Jahren im Endspiel.
Watson legte gewissermaßen den Grundstein und setzte seinen Siegeszug dann in der NFL 2018 nahtlos fort - bis er sich das Kreuzband riss. Bis dahin war er sogar ein ernsthafter MVP-Anwärter und legte seine mit Abstand effektivste Saison hin - sein Total QBR von 83,6 (nach sieben Spielen) war besser als die 81,7 von Lamar Jackson in dieser Saison.
Seither ging das Niveau freilich zurück, obgleich er in der aktuellen Saison zeitweilig auch auf MVP-Kurs war, zwischendrin aber auch ein paar Durchhänger hatte, sodass der Abstand auf Jackson - und sicherlich auch Russell Wilson - am Ende zu groß wurde in dieser Hinsicht.
Das äußerte sich konkret unter anderem darin, dass Watson nie in drei Spielen in Serie ein Passer Rating von 100+ geliefert hat. Dieses Rating mag nicht übermäßig aussagekräftig sein, ist aber ein guter Indikator. Vor allem, wenn man bedenkt, dass auch die Texans als Team noch keine Siegesserie von drei Spielen am Stück hingelegt haben.
Watson gab am Samstag die Richtung vor. Doch eigentlich tat er dies schon unter der Woche mit einer Gruppen-Textnachricht mit der Message: "Zeit, großartig zu sein!" - das stand dann auch auf einer Karte, die zusammen mit brandneuen Beats-Kopfhörern an seine Offensiv-Kollegen ging. Eine ähnliche Aktion startete Watson indes damals vor dem National Championship Game - mit dem Motto: "Lasst uns legendär sein!" Allerdings ohne Kopfhörer.
Wie wichtig ein Quarterback für ein Team ist, stellte Watson also maßgeblich unter Beweis, doch die große Frage bleibt, ob das auch gegen die Chiefs reichen wird. Im Gegensatz zu den Bills werden sie sich nicht mitunter selbst durch fragwürdige Play-Calls oder Personnel-Packages - warum bekam Frank Gore so oft ineffektiv den Ball? - schlagen. Auch wird Patrick Mahomes aller Voraussicht nach nicht gegen Ende in sein Verderben laufen.
Deshaun Watson: Statistiken 2019
Kategorie | Wert | Liga-Rang |
Total QBR | 68,9 | 7 |
DYAR | 725 | 13 |
DVOA | 9,6 Prozent | 12 |
ANY/A | 6,63 | 12 |
Können Houston Texans in einem Shootout mithalten?
Unabdingbar bleibt in jedem Fall, dass Watson erneut zur Höchstform auflaufen und zur Not auch mit mehreren Verteidigern selbst in die Endzone marschieren muss. Die Offense der Chiefs wird auf Hochtouren laufen, die der Texans aber darf dem in nichts nachstehen. Ein Shootout ist wahrscheinlich, doch können die Texans da mithalten?
Ausgeschlossen ist dies nicht, schließlich gewannen die Texans schon einmal in dieser Saison im Arrowhead Stadium. Damals produzierte Watson drei Touchdowns (1 Pass, 2 Rush, 88,1 QBR) und bekam eine starke Vorstellung von Hyde (26 CAR, 116 YDS, TD). Zudem profitierten die Texans von einer nicht allzu epischen Vorstellung von Mahomes (61,8 QBR). Die Chiefs und Mahomes haben seither ihre Form verbessert und nur noch zwei Spiele verloren - aktuell reiten sie eine Erfolgswelle von sechs Siegen in Serie.
Helfen dürfte Watson und den Texans nun aber, dass mit Will Fuller wohl der Schlüssel zu ihrer Offense zurückkehrt. Der Deep Threat erleichtert das Offensivspiel der Truppe, in dem er mit seinem Speed die gegnerische Coverage entzerrt und den Receivern mehr Platz gibt. Gleichzeitig gibt er dem Laufspiel mehr Räume.
Wie wichtig Fuller für die Texans-Offense und Watson ist, zeigt indes auch ein Blick auf die Statistik. Trivial formuliert belegt Watson in den Kategorien Deep Pass Attempts, Deep Passing Yards, Deep Passing Touchdowns und Adjusted Completion Percentage jeweils einen Top-3-Rang in der Liga. Ohne ihn jedoch ist er durch die Bank Mittelmaß - seine Adjusted Completion Percentage (31,6 Prozent) sogar der schlechteste Wert in der NFL.
Deshaun Watson: Statistiken mit und ohne Will Fuller
Kategorie | Rang mit Fuller (Wert) | Rang ohne Fuller (Wert) |
Spiele | 10 | 5 |
Deep Pass Attempts | 3 (55) | 20 (19) |
Deep Passing Yards | 1 (894) | 18 (217) |
Deep Passing Touchdowns | 1 (10) | 20 (1) |
Adjusted Completion Percentage | 2 (61,8) | 32 (31,6) |
Und Fuller nimmt ein wenig Aufmerksamkeit von Top-Receiver DeAndre Hopkins, der gegen Buffalo in der ersten Hälfte nicht stattfand.
Letzteres aber könnte auch selbstverschuldet sein, schließlich stellte Houston Hopkins anfangs in den Slot, um Top-Cornerback Tre'Davious White aus dem Weg zu gehen. In der zweiten Halbzeit jedoch ging er auf die Seite raus und machte Plays - auch gegen White. Entsprechend dürfte Hopkins die immer noch schlagbare Chiefs-Secondary schon von Beginn an außen attackieren.
Wie auch immer sie es anstellen, großartig müssen die Watson und Kollegen in jedem Fall sein, um die anstehende Hürde zu nehmen und erstmals in der Franchise-Geschichte ein AFC Championship Game zu erreichen. Ein Funken von Watt aber wäre auch nicht verkehrt.