Der letzte Pass, den Tom Brady im Trikot der New England Patriots geworfen hat, endete in einem Pick-Six. Kann das sein? So jedenfalls endete das Wildcard Game gegen die Tennessee Titans am Samstag.
Die Patriots sind erstmals seit der Saison 2009 in der Wildcard-Runde der NFL-Playoffs gescheitert. Und wie damals kam die Pleite wenig überraschend und war gewissermaßen folgerichtig. Wie damals gegen Baltimore und Ray Rice wurde das Team von Bill Belichick defensiv überrannt. Offensiv wiederum fehlten merklich die Playmaker.
Das Spiel gegen die Titans war so etwas wie die natürliche Konklusion einer langen und schwierigen Saison der Patriots. Defensiv standen sie zumeist ihren Mann, bekamen aber auch dieses Mal Probleme, wenn es darum ging, den Lauf effektiv zu stoppen. Das weitaus größere Problem war aber auch dieses Mal die eigene Offense, die so lange in der Belichick-Brady-Ära das Prunkstück des Teams darstellte, speziell in der zweiten Hälfte dieser Erfolgsgeschichte.
Die Receiver waren auch dieses Mal eher selten offen oder ließen gute Pässe fallen. Zudem machten Spieler wie der sonst verlässliche Guard Shaq Mason schwere Fehler - er negierte einen 38-Yard-Pass auf Benjamin Watson als "ineligible Receiver downfield". Zudem stand man sich mit fragwürdigen Entscheidungen - sowohl im Play-Calling als auch bei der Frage "4th Down ausspielen oder kicken" - viel zu häufig selbst im Weg.
Heraus stachen dabei die drei Läufe durch die Mitte von der 1-Yard-Linie, die nicht zum Erfolg führten oder der Fullback-Dive mit Linebacker Elandon Roberts bei 3rd&1 früher im Spiel, der ebenfalls einen Drive killte.
New England Patriots: Schlechteste Offense seit 20 Jahren?
Diese Offense war sicherlich die schlechteste seit fast 20 Jahren für die Patriots und wurde auch durch zahlreiche Ergänzungen wie Mohamed Sanu oder die verspätete Ankunft von Rookie-Receiver N'Keal Harry nicht besser. Zudem würde man gerne das Kapitel Antonio Brown gerne vergessen, obgleich der wohl den mit Abstand besten Eindruck eines Patriots-Receiver in diesem Jahr gemacht hat.
Über allem schwebt nun aber die Zukunft von Tom Brady. Direkt nach dem Spiel wollte sich der größte Quarterback der einhundertjährigen Geschichte der NFL nicht festlegen, bekundete lediglich seine Liebe zu den Patriots. "Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht. Und ich werde keine Vorhersagen machen." Er sagte zudem, dass ein Rücktritt nach dieser Saison "eher unwahrscheinlich" sei. Und Bill Belichick? Der wiegelte selbstredend mit wenigen Worten bei jeglicher Frage, die über das aktuelle Spiel hinausging, ab.
Bradys Vertrag läuft aus und ein Franchise Tag ist vertraglich ausgeschlossen. Zugleich aber stellt sich die Frage, ob Bill Belichick überhaupt mit ihm weitermachen will - oder Brady dort weitermachen will. Zumal auch Offensive Coordinator Josh McDaniels womöglich sein letztes Spiel in Foxborough/MA gecoacht haben könnte. Für ihn stehen zahlreiche Interviews für offene Head-Coach-Stellen an.
2010 war Belichicks Antwort darauf, dass es "dieses Team einfach nicht drin hatte", wie er Brady gegenüber in einer TV-Doku eingestand, ein neues Offensiv-Konzept mit zwei Tight Ends. Im Draft holte er Rob Gronkowski und Aaron Hernandez - Letzteren würde man in New England auch gern gänzlich aus den Geschichtsbüchern streichen - und plötzlich rollte die Offense wieder. 2010 sah im Prinzip die effizienteste NFL-Offense des Jahrzehnts, was Brady dessen zweiten MVP einbrachte.
Die Frage nun aber ist zunächst mal, ob Brady aus Belichicks Sicht überhaupt noch Teil der Lösung ist. Immerhin begleitete die Patriots neben der eigenen offensiven Ineffizienz noch ein weiterer roter Faden: All die Teams, denen man unterlag, setzten auf einen mobilen, athletisch starken Quarterback. Das krasse Gegenteil des klassischen Pocket-Passers Brady. Belichick scheute sich noch nie davor, seinen Stil radikal zu ändern, wenn er sah, dass die NFL eben dies erforderte.
Erfindet Belichick die Offense der Patriots neu?
Die Patriots hatten bereits im Vorjahr kolportiertes Interesse an einem gewissen Lamar Jackson. Sie zogen ihn nicht im Draft, die Ravens schlugen zu und sind aktuell das Team der Stunde. Könnte Belichick nun im zweiten Anlauf ebenfalls auf diesen Trend aufspringen und seine Offense komplett auf den Kopf stellen?
Ebenso wird auf dem Prüfstein stehen, wie dieses Team Entscheidungen trifft. Nicht zuletzt im Titans-Spiel wurde deutlich, dass neueste analytische Erkenntnisse zumindest keine große Rolle gespielt haben können - was im Übrigen auch für den Gegner mitunter galt. All die Punts nahe der Mittellinie hätten eigentlich ausgespielt werden müssen, der vierte Versuch an der Goal Line ebenfalls.
Und das lässt sich auch nicht mit mangelndem Vertrauen in die eigene Offense oder übermäßigem Vertrauen in die eigene Defense wegdiskutieren. Zumal letztere Schlussfolgerung ein weiteres Argument für das Ausspielen gewesen wäre - wenn man scheitert, stünde da immer noch die beste Defense der Liga, um den Schaden zu begrenzen!
Die Patriots-Dynasty scheint nach zwei Jahrzehnten tatsächlich zu Ende zu sein. Die Entscheidungen der kommenden Wochen und Monate werden nun darüber entscheiden, welchen Weg die Franchise in den nächsten paar Jahren einschlägt. Wagt man doch noch einen Anlauf mit der "alten Garde" - neben Brady läuft auch der Vertrag von Safety Devin McCourty aus - und neuen Waffen? Oder kommt es tatsächlich zum großen Neuanfang?