Brady, Brees, Winston, Rivers - das verrückteste Quarterback-Karussell aller Zeiten?

Von Adrian Franke
26. Februar 202011:00
Die NFL erwartet ein potenziell historisches Quarterback-Karussell.getty
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Die Free Agency wirft ihre Schatten voraus - und es könnte eine historische Free Agency auf der wichtigsten Position werden: Zahlreiche potenzielle Starting-Quarterbacks werden Free Agents, weitere könnten via Trade eine Rolle spielen. SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt das Quarterback-Karussell in Bewegung und bereitet euch vor auf die möglichen Wechselspiele.

NFL Free Agent Quarterbacks: Was machen Brady, Brees und Co.?

Tom Brady - New England Patriots

Die Situation: Trotz eines weiteren Division-Titels fühlt sich die vergangene Patriots-Saison wie eine Enttäuschung an. Das liegt teilweise an dem Standard, den die Patriots über die letzten Jahre für sich selbst gesetzt haben; teilweise aber auch an der Tatsache, dass New England eine extrem gute Defense hatte.

Eine funktionale Offense hätte ohne Frage zu einem tiefen Playoff-Run geführt. Doch das war nicht möglich, und zweifellos hatte auch Brady daran eine Mitschuld. Der bald 43-Jährige bewegte sich in der Pocket nicht mehr so gut wie in den Jahren davor, hatte ungewohnte Accuracy-Wackler in seinem Spiel und hatte merklich größere Probleme mit Pressure.

Die Brady-Situation im Detail: 5 Fragen zu Bradys Zukunft

Doch genauso ist richtig: Brady war vermutlich der kleinste Teil des Patriots-Offense-Problems. Da wären die verletzungsbedingten Schwachstellen in der Offensive Line sowie allen voran die enormen Defizite im Waffenarsenal. N'Keal Harrys Rookie-Saison war von Verletzungen und verpasster Zeit geprägt, Mo Sanu war nicht die erhoffte Verstärkung und einen gefährlichen Tight End hatten die Pats schlicht nicht. Running Back James White wurde so etwas wie die gefährlichste Waffe im Passspiel, eine schlechte Nachricht für jede Offense.

Die Pats hatten schlicht keine Waffen, die Separation kreieren und Eins-gegen-Eins gewinnen konnten. In der Folge musste Brady den Ball länger halten, musste engere Fenster treffen, musste aus unsauberer Plattform werfen und musste mehr Zeit in der Pocket kreieren. Seine individuellen Probleme wurden so durch die Probleme der Offense zusätzlich noch stärker in den Mittelpunkt gerückt.

Was spricht für einen Verbleib? Bei aller Kritik an New Englands offensivem Kader: Es fällt schwer, sich ein Szenario auszumalen, in dem Brady in der geringen noch verbleibenden Zeit seiner Karriere größere Chancen auf Erfolg hätte. Die Chargers haben bessere Waffen, aber riesige Line-Probleme. Die Raiders müssen ihre Defense weiter generalüberholen und suchen weiter einen Nummer-1-Receiver. Und in puncto Coaching kommt ohnehin niemand Bill Belichick ran. Die attraktivste Option für Brady könnte, sofern Interesse besteht, Indianapolis sein - sofern er alle alten Rivalitäten mit den Colts beiseite schieben kann.

Wenn es Brady darum geht, noch einen letzten Titel zu gewinnen - und eine andere Hauptmotivation ist schwer vorstellbar - dann bietet New England ihm darauf die besten Chancen. Vorausgesetzt - und man kann davon ausgehen -, dass Brady einen möglichen Verbleib an entsprechende Bedingungen knüpfen würde: Die Pats müssen ihr Waffenarsenal aufbessern. Es braucht einen Outside-Receiver sowie einen verlässlichen Tight End, das sind die Mindestvoraussetzungen für die Offense.

Was spricht für einen Wechsel? Sollten die Patriots nicht gewillt sein, Brady entsprechende Zusagen zu machen oder sollte sich New Englands Angebot so deutlich unter den Offerten der Konkurrenz bewegen, dass Brady sich nicht wertgeschätzt fühlt, könnte das Gefühl, dass sich das Kapitel schließt, in dem 42-Jährigen reifen.

Auch denkbar ist, dass Brady in seinem niemals endenden Antrieb, beweisen will, dass er auch ohne Belichick gewinnen kann. Das sind allesamt sehr softe Faktoren, doch werden die in den Gesprächen über die nächsten Wochen die zentrale Rolle einnehmen.

Die Glaskugel: Die Scouting Combine Ende Februar, wenn sich die NFL-Welt in Indianapolis trifft, sollte die Gerüchteküche so richtig ins Rollen bringen. Anschließend sollte Bradys Berater Don Yee - inoffiziell natürlich - einen ersten Eindruck über Bradys Markt haben, und dann dürften die Gespräche konkret werden. Letztlich sehe ich für beide Seiten kurzfristig keine bessere Alternative, deshalb die Prognose: In der zweiten März-Woche einigen sich Brady und die Patriots auf einen neuen Zweijahresvertrag.

Drew Brees - New Orleans Saints

Die Situation: Das dritte bittere Playoff-Aus in Serie - nach dem Minnesota Miracle und dem No-Call gegen die Rams enttäuschte New Orleans dieses Jahr einfach gegen ein glänzend eingestelltes Vikings-Team. Brees selbst blickte nach der Niederlage gegen Minnesota bereits nach vorne, die Saints zeigten defensiv positive Entwicklungen und sind, was den Kader und vor allem was das Cap-Management angeht, komplett im Win-Now-Modus.

Im Gegensatz zur 2018er Saison hatte Brees dieses Mal auch nicht diesen Durchhänger - womöglich hat ihm die verletzungsbedingte Zwangspause früh in der Saison dabei geholfen, dass der Arm bis zu den Playoffs funktioniert hat. Basierend auf seiner vergangenen Saison, auf der Art und Weise, wie Brees mit Coach Sean Payton, dessen Offense und dessen Play-Calling harmoniert sowie auf den Umständen im Kader, scheint alles auf einen weiteren Super-Bowl-Anlauf mit Brees hinzudeuten.

Was spricht für einen Verbleib? Die Saints haben eine exzellente Offensive Line mit dem vermutlich besten Tackle-Duo der Liga, einen der besten Wide Receiver der NFL in Michael Thomas, mit Jared Cook einen guten Pass-Catching-Tight-End und auch Alvin Kamara ist eine gute Waffe im Underneath-Passing-Game.

Die ganze Saints-Offense ist auf Brees' Stärken ausgerichtet, und falls es New Orleans gelingt, in der Offseason einen veritablen Nummer-2-Receiver zu finden - via Draft oder Free Agency - könnte diese sehr gute Offense noch einen Schritt nach vorne machen. Es ist kaum vorstellbar, dass es eine bessere Situation für Brees gibt. Und wenn die Saints 2020 auf den Titel gehen wollen, gibt es kurzfristig auch keine bessere Option.

Was spricht für einen Wechsel? Primär die langfristige Planung. Die Saints haben nicht viel Cap Space, und wenn sie mit Brees verlängern, muss man davon ausgehen, dass Teddy Bridgewater nicht gehalten werden kann. Brees nochmals einen neuen Vertrag zu geben, würde den All-In-Ansatz ein weiteres Mal unterstreichen, und den unweigerlich anstehenden Umbruch aus Cap-Sicht noch etwas schwieriger machen.

Für Brees selbst fällt es tatsächlich schwer, hier Argumente zu finden. Er ist eine Institution in New Orleans, hat die Stadt zu seiner zweiten Heimat gemacht, hat einen starken Kader und einen Coach, mit dem er bestens eingespielt ist. Seit Dienstag wissen wir, dass Brees weiterspielt - und das sollte höchstwahrscheinlich nur in New Orleans stattfinden.

Die Glaskugel: Brees genau wie die Saints haben die Saison mit dem unangenehmen Geschmack offener Ziele beendet - mal wieder. Beide Seiten scheinen fest entschlossen, 2020 noch einmal anzugreifen. Zwar kann Brees, genau wie Brady, nicht per Franchise Tag gehalten werden; eine Einigung zwischen Brees und den Saints scheint aber noch eher absehbar als die zwischen Brady und den Pats.

Philip Rivers - Los Angeles Chargers

Die Situation: In dem Fall ist die Situation völlig klar: Zunächst hatte Rivers seine Zelte in San Diego abgebrochen und seine Familie nach Florida umgesiedelt, wenig später kam dann die offizielle Team-Bestätigung: Es sei im beiderseitigen Interesse, neue Wege zu erkunden.

Somit richtet sich der Fokus für dieses Segment eher auf Rivers selbst. Der litt im vergangenen Jahr unter einer desolaten Offensive Line, die über längere Phasen noch ohne Pouncey und Okung, ihre beiden besten Spieler, auskommen musste. Doch selbst unabhängig davon hatte Rivers zu viele individuelle, gravierende Fehler in seinem Spiel. Er kann noch immer ein guter Quarterback sein, ähnlich wie Brady werden die Umstände um ihn herum aber merklich wichtiger.

Anders formuliert: Er kann die Offense zu einem zunehmend geringeren Teil tragen und ist abhängiger von der Situation, in die er kommt. Die Armstärke ist bei Rivers nicht so sehr das Thema, eher war es der Anstieg an Risiko-Pässen bis hin zu Würfen schlicht in Coverage, sowie das bestenfalls inkonstante Verhalten gegen Pressure, das seine Fehler letztes Jahr charakterisierte.

Was spricht für einen Verbleib? Nichts mehr. Rivers und die Chargers werden nicht mehr zusammenkommen.

Was spricht für einen Wechsel? Die größere Frage bei Rivers lautet: "Was spricht fürs Weitermachen?" Rivers selbst hat zwar klar gemacht, dass er noch spielen will, doch bereits mit der Einschränkung, dass er selbst sich eher für eine Übergangslösung für etwa zwei Jahre sieht. Brady-Bestrebungen, bis 45 zu spielen, hat er also nicht.

Das kreiert dennoch einen interessanten Markt: Könnte Gruden in Rivers ein Upgrade über Carr sehen? Argumentieren kann man dafür definitiv, und Rivers könnte die Ära Las Vegas eröffnen, während dahinter ein Rookie rangeführt wird. Auch halten sich Gerüchte, dass Bruce Arians und die Tampa Bay Buccaneers interessiert sind. Arians bevorzugt genau wie Gruden erfahrene Quarterbacks und könnte sich mit Rivers ein ähnliches Szenario erhoffen wie das, das er in Arizona mit Carson Palmer hatte.

Wäre Rivers ein Upgrade gegenüber Winston? Für mich nicht, doch könnte man Rivers vermutlich auf zwei Jahre limitiert halten und währenddessen einen Neustart planen. Winston dürfte kaum unter dem Franchise Tag spielen wollen, und dann wird hier schnell ein deutlich größeres Investment nötig. Auch die Indianapolis Colts sollten Interesse an Rivers haben: Rivers wäre eine Verbesserung zu Jacoby Brissett, und die Colts sind nicht so weit weg davon, in den Playoffs Alarm zu machen.

Die Glaskugel: Was wäre die ideale Situation? Rivers braucht ein Team mit sehr guten Umständen - beginnend mit der Offensive Line -, das gewillt ist, einer Übergangslösung über zwei Jahre zuzustimmen, das jetzt gewinnen will und in dem Rivers trotz seiner enttäuschenden 2019er Saison ein Upgrade darstellen würde. Und so wirklich scheint nur ein Team hierauf zu passen. Prognose: Rivers geht zu den Colts.

Dak Prescott - Dallas Cowboys

Die Situation: Vier Jahre lang war Prescott das größte Schnäppchen in der NFL: Ein guter bis sehr guter Starting-Quarterback, der unter seinem Viertrunden-Rookie-Vertrag spielt. Nur um das einzuordnen: Kein Team gab 2019 weniger Geld für die Quarterback-Position aus als Dallas (2,9 Millionen Dollar) und unter anderem folgende Quarterbacks hatten 2019 einen höheren Cap Hit als Prescott: A.J. McCarron, Nate Sudfeld, Colt McCoy, Chase Daniel und Brian Hoyer.

Diese Zeiten sind vorbei. Prescott spielte letztes Jahr über weite Strecken wie ein Top-10-Quarterback und jetzt sind die Cowboys am Zug. Überdurchschnittliche Quarterbacks findet man nicht häufig in den späten Draft-Runden, auch wenn Cowboys-Fans hier mit Tony Romo und dann Dak Prescott eine spektakuläre QB-Folge vorweisen können. Da Prescott keine Fifth-Year-Option in seinem Vertrag hat, wird er Unrestricted Free Agent und die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die Lage am Verhandlungstisch gestaltet.

Was spricht für einen Verbleib? Eigentlich alles. Prescott ist die A-Lösung unter allen diesjährigen Free Agents: Er ist mit seinen 26 Jahren erst am Anfang seiner Prime, kommt ohne Verletzungssorgen, spielte letztes Jahr seine wohl beste NFL-Saison und passt in das Quarterback-Bild des mobilen Pocket-Passers, das die NFL immer mehr prägt.

Keine Frage, er hatte was die Offensive Line angeht bisher in seiner NFL-Karriere glänzende Umstände, auch der Trade für Amari Cooper half ihm ohne Zweifel. Aber genauso sollte außer Frage stehen, dass Prescott mindestens einer der 15 besten Starting-Quarterbacks der NFL ist. Und ja, der zwölftbeste Quarterback der Liga kann je nach Timing zeitweise wie der zweitbeste Quarterback der Liga bezahlt werden.

Doch sind das immer nur Momentaufnahmen, die in der Regel selten länger als ein paar Monate Bestand haben. Und wenn man auf einer Position ein paar Millionen mehr investieren sollte, dann für die des Quarterbacks.

Was spricht für einen Wechsel? Eigentlich nichts. Ein überdurchschnittlicher Starting-Quarterback Mitte 20 kommt in der NFL eigentlich nicht auf den Markt; das jüngste, am ehesten passende Beispiel wäre wohl Kirk Cousins, bei dem in Washington alles damit anfing, dass sich die Redskins nicht langfristig an ihn binden wollten und ihn schließlich nach zwei Franchise Tags gehen lassen mussten. Und hier wird die Parallele interessant.

Die Cowboys haben sich in der vergangenen Offseason entschieden, den Vertrag von Ezekiel Elliott zu priorisieren, und das bringt sie in eine prekäre Lage: Bereits jetzt ist davon die Rede, dass Prescott mutmaßlich den Franchise Tag erhält. Zunächst, um einen langfristigen Deal auszuhandeln; doch mit jedem Monat, der hierbei verstreicht, wird die Verhandlungsposition für die Prescott-Seite stärker. Der Tag würde Prescott um die 30 Millionen Dollar für 2019 einbringen, es gibt schlimmere Einjahresverträge.

Will Prescott also pokern und auf sich selbst setzen, hätte er jetzt eine goldene Gelegenheit dazu. Und man darf nicht vergessen, dass er als Viertrunden-Pick einen Unterschriftsbonus in Höhe von 383.000 Dollar hatte - kein Vergleich zu Jared Goff (25 Mio. Dollar) und Carson Wentz (18 Mio.), die im gleichen Jahr gedraftet wurden und bereits neue Verträge unterschrieben haben. Prescott könnte daran interessiert sein, seinen Wert jetzt auf die Spitze zu treiben.

Dallas derweil sollte alles versuchen, um Prescott zu halten. Einen Franchise-Quarterback zu finden ist so unglaublich schwierig, hier darf ein Front Office eigentlich nicht pokern.

Die Glaskugel: Die wilden Gerüchte über mögliches Interesse an Tom Brady sind eigentlich nur mit dem Glamour-Wunsch von Jerry Jones zu erklären. Die Cowboys haben, wenn man alle Umstände berücksichtigt, den aus sportlicher Sicht größten angehenden Free Agent der diesjährigen Free Agency in ihren Reihen, und sollten diesen dementsprechend priorisieren. Und zwar mit einer langfristigen Vertragsverlängerung, ehe Patrick Mahomes und Deshaun Watson womöglich im Sommer den Markt komplett neu ausrichten.

Teddy Bridgewater - New Orleans Saints

Die Situation: Bridgewaters Pfad hätte auch ganz anders aussehen können. Vor einem knappen Jahr traf er sich mit den Miami Dolphins und erwog ernsthaft, in seine Heimatstadt zurück zu gehen und dort als Starter seine Karriere neu auszurichten.

Er entschied sich dagegen, kehrte als Backup nach New Orleans zurück und höchstwahrscheinlich war das die richtige Entscheidung: Die Verletzung von Drew Brees gab Bridgewater fünf Start-Einsätze für die Saints, in denen er einen sehr guten Eindruck hinterließ - etwas, das ihm bei den Umständen in Miami deutlich schwerer gefallen wäre.

Das bringt ihn in eine glänzende Ausgangslage. Der 27-Jährige hat untermauert, dass er noch ein guter Starting-Quarterback sein kann und ließ so auch nach außen hin seine katastrophale Knieverletzung aus Vikings-Zeiten endgültig hinter sich. Diese fünf Spiele öffnen ihm für 2020 ganz neue Türen, Bridgewater sollte einen deutlich interessanteren Markt haben als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.

Was spricht für einen Verbleib? Bridgewater, das ist kein Geheimnis, fühlt sich mehr als wohl bei den Saints und in New Orleans. Er kennt die Franchise inzwischen, er kennt Head Coach Sean Payton, der wiederum jüngst erst seinen Vertrag verlängert hat. Die Umstände in New Orleans sind stabil, das Team ist stark besetzt. Falls Bridgewater im Zweifelsfall bereit ist, noch ein Jahr hinter Brees zu warten, könnte die mittel- und langfristige Perspektive in New Orleans für ihn vielversprechend sein.

Für die Saints wäre ein Bridgewater-Verbleib so oder so ein Idealszenario: Hinter Brees hätte man abermals den vermutlich besten Backup-Quarterback der Liga in seinen Reihen. Sollte Brees alle überraschen und wechseln, hätte man mindestens eine sehr gute Übergangslösung; ein Quarterback, der die Offense kennt und gezeigt hat, dass er sie umsetzen kann.

Was spricht für einen Wechsel? Doch für wie viel Geld wäre Bridgewater bereit, auf 2020 zu verzichten, ohne darüber hinaus eine langfristige Garantie zu haben, dass er dann auch 2021 wirklich als Starter übernehmen darf?

Die Saints haben nicht viel Cap Space - knapp zehn Millionen Dollar stehen nach aktuellem Stand für 2020 zu Buche, um genau zu sein. Daran wird sich fraglos noch einiges ändern, wenn Entlassungen, Umstrukturierungen und Vertragsverlängerungen ins Spiel kommen. Doch wird hierbei auch der mutmaßliche Vertrag von Brees noch obendrauf kommen.

Und das führt auch direkt zum Kern aus Team-Sicht: Die Saints werden sich höchstwahrscheinlich entscheiden müssen, ob sie nochmal einen Titel-Anlauf mit Brees starten - oder ob sie mit Bridgewater verlängern und so die Weichen eher für die nächsten Jahre stellen. Brees war insgesamt letztes Jahr eigentlich zu gut, als dass man sich vorstellen kann, dass die Saints ihren Franchise-Quarterback jetzt nicht halten.

Ein weiteres Jahr als Backup derweil sollte für Bridgewater eigentlich keine Option sein. Sein Markt dürfte jetzt so gut sein wie zu keinem anderen Zeitpunkt, und wer weiß, wie sich das Bild für ihn gestaltet, sollte er jetzt eine komplette Saison hinter Brees auf der Bank sitzen.

Die Glaskugel: Bridgewater könnte eine sehr interessante Option für einen spezifischen Kreis an Teams sein. Er könnte - was Starting-Quarterback-Gehälter im Vergleich angeht - nach wie vor ein echtes Schnäppchen werden. In einer auf Präzision und das Kurzpassspiel ausgelegten Offense aber könnte er sich als eine gute (Übergangs-)Lösung etablieren.

Die Gerüchteküche rund um den 27-Jährigen ist noch vergleichsweise ruhig; die Bears könnten durchaus Sinn machen, um ein potenzielles Trubisky-Upgrade zu verpflichten, ohne sich dabei in Unkosten zu stürzen. Es wäre eine Situation ähnlich wie Mariota/Tannehill in Tennessee letztes Jahr, und der Erfolg, den die Titans hatten, indem sie einen wackligen Starter um einen ernsthaften Konkurrenten ergänzt haben, färbt womöglich auf andere Front Offices ab.

Jameis Winston - Tampa Bay Buccaneers

Die Situation: Vielleicht die kurioseste Situation aller Quarterbacks. Winston hatte eine historische Saison - in einer Spielzeit 5000 Passing-Yards, 30 Touchdown-Pässe und 30 Interceptions zu knacken, das hatte es noch nie vorher gegeben. Doch was macht man als Coach, als Franchise daraus?

Spezifischer gefragt: Was macht Bruce Arians daraus, der zwar eine risikofreudige Offense verfolgt, am Ende des Jahres aber sichtlich genervt von Winstons Turnovern war und das zum Saisonabschluss auch medial deutlich kommunizierte? Und was macht General Manager Jason Licht, dessen Zukunft in Tampa trotz der jüngsten Vertragsverlängerung davon abhängen wird, ob die nächste Quarterback-Entscheidung sitzt?

Weiter gefragt: Was verlangt Winston selbst? Wäre er bereit, unter dem Franchise Tag zu spielen? Welche Konditionen fordert er unter einem langfristigen Vertrag? Es ist vielleicht die offenste Ausgangssituation, die am deutlichsten in alle Richtungen gehen könnte.

Was spricht für einen Verbleib? Bei aller Kritik an Winstons Turnovern, die nicht alle selbst verschuldet sind, aber gerade letztes Jahr doch zu häufig auf Winston zurückfielen: Jameis Winston ist eine Big-Play-Maschine. 5000 Yards und 30 Touchdowns schafft man nicht nur, weil man zwei sehr gute Wide Receiver hat - Winston spielte phasenweise wie ein Top-10-Quarterback, und phasenweise eben wie einer der schlechtesten Starter der Liga.

Und das ist der Kern des Ganzen: Akzeptiert man die Turnover, weil man weiß, dass man die Big Plays eben auch bekommt? Ist man gewillt, die Offense noch stärker um Winston herum aufzubauen und dementsprechend in ihn zu investieren? Man kann dafür argumentieren, und dann wäre Tampa schlecht beraten, Winston gehen zu lassen und dann für ein oder zwei Jahre mit Rivers oder Brady zu überbrücken.

Was spricht für einen Wechsel? Für Winston selbst ist Tampa ebenfalls eine gute Situation, mit einem Head Coach, der grundsätzlich einen aggressiven Quarterback haben will, dem vermutlich besten Wide-Receiver-Duo der Liga, einer durchschnittlichen Offensive Line und einem eher kleinen Medienmarkt, was angesichts der "schlechten Winston-Spiele" durchaus auch ein Vorteil sein kann.

Doch vielleicht reicht das nicht? Vielleicht sieht Tampa Bay mehr Wert darin, die Offense in ruhigere Fahrwasser zu bringen, und einen "sichereren" Quarterback mit höherer Base-Line und niedrigerem Ceiling zu holen - wie etwa einen Andy Dalton? Und umgekehrt: Was, wenn Tampa Winston nur kurzfristig binden will? Womöglich gibt es dann für Winston interessantere Optionen auf dem Markt.

Die Glaskugel: So spannend ich es auch fände, Winston etwa in der Offense von Frank Reich in Indianapolis zu sehen, die weniger vom Quarterback verlangt und ihm gleichzeitig exzellente Protection bietet - am Ende vermute ich, dass beide Seiten sich noch einmal zusammenraufen und einen kurzfristigen Vertrag, vielleicht über zwei bis drei Jahre, schließen. Arians gibt Winston noch eine Chance, die Bucs investieren in die O-Line und hoffen, dass Winstons enorme Turnover schon schlicht durch natürliche Regression wieder etwas runter gehen.

Ryan Tannehill, Tennessee Titans

Die Situation: Als High-End-Backup nach Tennessee gekommen, übernahm Tannehill nachdem Mariota zunehmend große Probleme hatte. Was auf den ersten Blick wie eine bestenfalls minimale Verbesserung wirkte, entpuppte sich schnell als Glücksgriff für die Titans: Tannehill spielte die mit weitem Abstand beste Saison(-Hälfte) seiner Karriere, er glänzte in der Play-Action-Offense der Titans und war schon fast unheimlich effizient, während er gleichzeitig Woche für Woche Big Plays auflegte.

Tannehills Titans-Vertrag lief, zu Backup-Bezügen, nur ein Jahr und somit ist der 31-Jährige aus seiner Sicht zum perfekten Zeitpunkt Free Agent: Nie war sein sportlicher Wert höher, nie war sein Ruf besser und nie dürften mehr Teams Interesse an ihm haben.

Somit rücken die Titans in den Fokus, die schon in den nächsten Tagen eine erste Entscheidung treffen müssen: Erhält Tannehill zunächst einmal den Franchise Tag, um seinen Verbleib in jedem Fall zu sichern?

Was spricht für einen Verbleib? Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass Tannehill 2019 der beste Titans-Quarterback seit Steve McNair war - und es ist schlicht schwer vorstellbar, dass die Titans ihn gehen lassen. Tennessee, das über Jahre hoffte, dass Marcus Mariota den nächsten Schritt machen könnte, hat in Tannehill eine potenziell gute Lösung für die nächsten Jahre gefunden und wenn der Routinier die vergangene Saison auch nur halbwegs bestätigen kann, ist Tennessee wieder ein Playoff-Anwärter.

Und aus Tannehills Perspektive? Nachdem er in Miami sehr viel Inkonstanz und sehr wenige wirklich gute Teams um sich herum hatte, dürfte er Tennessee mehr als nur zu schätzen wissen. Die Titans haben eine gute Offensive Line, sie haben junge Receiving-Waffen und dass die Offense zu Tannehill passt, steht außer Frage. Jetzt könnte er mit Offensive Coordinator Arthur Smith eine Offseason als fixer Starter weiter an Details arbeiten, und die Titans könnten über den Draft zusätzliche Explosivität in die Offense bringen.

Was spricht für einen Wechsel? Die Titans haben einiges an Cap Space, rund 50 Millionen Dollar um genau zu sein - doch wie priorisieren sie diesen? Running Back Derrick Henry und Right Tackle Jack Conklin werden ebenfalls Free Agent, und beide werden viel Geld verlangen.

Eine sportliche Argumentationsgrundlage für einen Wechsel könnte so aussehen: Was, wenn die Titans Tannehills vergangene Saison als ein Strohfeuer sehen und nicht bereit sind, sich langfristig an ihn zu binden? Was, wenn Tennessee eine der hier aufgeführten anderen Optionen interessanter findet? Und andersherum gedacht: Was passiert, falls Tannehill nicht unter dem Franchise Tag spielen will?

Die Glaskugel: So wie Tannehill dieses Jahr gespielt hat ist es nahezu unvorstellbar, dass die Titans ihn gehen lassen. Die Frage lautet dann in der Folge eher: Zu welchen Konditionen versuchen die Titans, ihn zu halten? Die smarte Entscheidung wäre es wohl, Tannehill zunächst mit dem Franchise Tag zu binden, und zu sehen, ob er diese Leistungsexplosion auch konservieren kann.

Doch würde Tannehill unter dem Tag spielen? Vielleicht ist ein Szenario wahrscheinlicher, in dem Tennessee Tannehill mit überschaubarer Vertragslaufzeit - etwa für drei Jahre - und zu Konditionen etwas unterhalb der Marktspitze bindet.

Quarterback-Stats - wie spielten Brady, Brees und Co. 2019?

SpielerComp/ATT (Yards pro Pass)TD/INTAverage Depth of Targetvs. PressureCPOE
Tom Brady373/613 (6,6)24/87,6 YDS59/164, 5 TD, 3 INT-4%
Drew Brees281/378 (7,9)27/46,4 YDS53/85, 6 TD, 2 INT8,9%
Philip Rivers390/591 (7,8)23/208,5 YDS95/189, 9 TD, 9 INT2,8%
Teddy Bridgewater133/196 (7,1)9/26,2 YDS27/55, 0 TD, 1 INT1,4%
Dak Prescott388/596 (8,2)30/119,3 YDS86/171, 10 TD, 6 INT2,7%
Jameis Winston380/626 (8,2)33/3010,4 YDS74/166, 6 TD, 14 INT0,3%
Ryan Tannehill201/286 (9,6)22/69,5 YDS35/62, 5 TD, 2 INT8,4

Anm. d. Red.: CPOE steht für "Completion Percentage over Expectation", also wie viele Prozent ihrer Pässe Quarterbacks über den angesichts der Schwierigkeit der Pässe, der Coverage und dem Pass-Rush zu erwartenden Wert anbringen. "Average Depth of Target" beschreibt, wie weit Quarterbacks den Ball im Schnitt Downfield werfen. "CPOE"- und Depth-of-Target-Stats kommen von airyards.com, Pressure-Stats von Pro Football Focus.

Cam Newton, Andy Dalton - welche QB-Trades könnten passieren?

Es ist nicht auszuschließen, dass mehrere der großen Namen - allen voran Brady, Brees, Tannehill und insbesondere Prescott - letztlich einfach bei ihren Teams bleiben. Doch einiges an Stühlerücken sollte im März vor dem Draft stattfinden; denn es gibt auch mehrere potenzielle Starting-Quarterback-Trade-Kandidaten.

  • Cam Newton, Panthers: Carolina steht wohl vor einem tiefgreifenden Umbruch. Dieser könnte beinhalten, dass man Newton vor dem letzten Jahr seines Vertrags tradet - um so sofortige Draft-Munition zurück zu bekommen, statt auf mögliche Compensatory Picks zu warten. Ist Newton wieder bei 100 Prozent, sollte er noch immer einen sehr guten Preis einbringen. Vielleicht wirft das ein Team wie Chicago, das kaum Draft-Kapital hat, aus dem Rennen. Doch die Chargers oder auch die Raiders sollten hier die Fühler ausstrecken.
  • Andy Dalton, Bengals: Jeder in der NFL geht davon aus, dass Cincinnati mit dem Nummer-1-Pick Joe Burrow draftet und Dalton somit "überflüssig" wird. Doch die Red Rifle ist noch immer ein guter Spieler; ein Spieler, der eben stark auf die Umstände um ihn herum angewiesen ist. Dalton wäre ohne Zweifel beispielsweise ein Upgrade über Mitch Trubisky in Chicago.
  • Derek Carr, Raiders: Natürlich daran geknüpft, dass Gruden ein sofortiges Upgrade auf der Position will und etwa für Newton tradet - oder tatsächlich, wie bereits mehrfach berichtet wurde, in Richtung Brady denkt. Carr hat einen günstigen Vertrag, er könnte eine Rolle zwischen Übergangslösung oder High-End-Backup beziehungsweise Rookie-Ergänzung einnehmen.
  • Nick Foles, Jaguars: Foles zu traden wird vertraglich nicht einfach - er ist gleichzeitig das Mahnmal, ehe es in die wilde Free-Agency-Phase geht. Letztes Jahr als Heilsbringer nach Jacksonville gekommen, steht er jetzt davor, seinen Platz endgültig an Sechstrunden-Pick Gardner Minshew zu verlieren. Spannend sind die Veränderungen im Trainerstab, wo mit Jay Gruden und Ben McAdoo ein neuer Offensive Coordinator und ein neuer Quarterback-Coach kommen. Das könnte auch die Karten im QB-Room neu mischen.