Die Browns-Offense findet mehr und mehr ihren Rhythmus - kann Cleveland um die Playoffs mitspielen? Außerdem: Der Scherbenhaufen bei den Houston Texans, und wer ist die größte Überraschung des ersten Saisonviertels? Wer gewinnt die NFC East? Und warum gibt es eigentlich Woche für Woche ligaweit so viele Punkte? Die Kolumne zum Spieltag.
Hoffnung in Cleveland: Browns-Offense findet ihren Groove
Mit einem zugegebenermaßen wilden Sieg in Dallas über die Cowboys setzten die Browns ihre Siegesserie fort - drei Spiele hat Cleveland jetzt in Folge gewonnen und je mindestens 30 Punkte in drei aufeinanderfolgenden Spielen hatte Cleveland seit 1968 nicht mehr aufs Scoreboard gebracht.
Die Offense funktioniert nicht nur, sie macht Spaß - und sie zeigt konstante Weiterentwicklungen, die es Defenses zunehmend schwer machen, einen Zugriff auf die Offense zu bekommen.
Nach einem in vielerlei Hinsicht enttäuschenden Auftritt gegen Baltimore folgte gegen Cincinnati ein Game Plan, der deutlich stärker auf Rollouts und Play Action aufgebaut war, gefolgt von einem in Grundzügen ähnlichen Ansatz gegen Washington. Und Baker Mayfield sah komfortabler aus und spielte besser innerhalb der Offense-Struktur - wenngleich auch nach wie vor deutlich wurde, dass die Offense schnell auf wackligen Beinen steht, wenn zu viel von Mayfield selbst abhängt.
Der andere gemeinsame Nenner bei den drei Browns-Saisonsiegen war das Run Game. Gegen Cincinnati lief Cleveland für 215 Yards bei 35 Runs, gegen Washington waren es 158 Rushing-Yards und gegen die Cowboys am Sonntag schließlich spektakuläre 307 Rushing-Yards bei 40 Runs.
Was dabei nachhaltig auffällt sind zwei dinge, die nicht einfach zu kombinieren sind: Cleveland hat ein äußerst vielseitiges Run Game - und kann gleichzeitig auf diesen verschiedenen Run-Blocking-Designs aufbauen.
Die Browns-Offense: Ein großer Gesamtzusammenhang
Gleich die ersten drei Big Plays dieser Partie für Cleveland unterstreichen das.
Prompt das erste Play für die Browns-Offense war ein 21-Yard-Run von Nick Chubb, der die nächsten Spiele verletzt verpassen wird. Es ist nach wie vor die Basis der Browns-Offense unter Kevin Stefanski - das Outside Zone Blocking.
NFL GamepassNach dem Snap bewegt sich die gesamte Line Playside (also in die Richtung, in die der Running Back laufen soll), wie synchron an einer Kette aufgezogen. Alle Linemen sowie der Tight End rechts an der Formation bewegen sich im Verbund und blocken in Richtung der Seitenlinie. Es liegt dann am Running Back, die Blocks zu lesen und zu erkennen, ob er nach außen um die Line, zwischen den Linemen durch oder mit einem Cutback hinter der Line vorbeilaufen soll.
In dem Fall öffnet sich eine riesige Gap und Chubb spaziert förmlich durch.
Das Outside Zone Blocking ist seit Jahren die überaus erfolgreiche Basis der Offenses von unter anderem Kyle Shanahan und Sean McVay, die beide von Mike Shanahan beeinflusst wurden, welcher wiederum in Denver Mitte der 90er Jahre einen direkten Einfluss auf Gary Kubiak hatte - jener Gary Kubiak, unter dem Stefanski im Vorjahr in Minnesota arbeitete.
Die große Stärke ist dabei einerseits, dass eine athletische Offensive Line auch gegen Defenses, die die Box zustellen, im Outside Zone Run Game Lücken aufreißen kann. Vor allem aber liegt eine große Qualität darin, dass die Blocking Designs für Outside Zone perfekt mit dem Rollout-Play-Action-Passspiel kombinierbar sind - schlicht weil sich beides extrem ähnlich sieht. Das sorgt dafür, dass mit einfachen Mitteln die Defense permanent unter Stress gesetzt wird und Plays oft erst (zu) spät identifiziert.
Sowohl Shanahan als auch McVay fallen aktuell aber insbesondere darüber auf, dass sie ihren Ansatz erweitern. Es wird mehr mit Motion gearbeitet, mehr Elemente werden in die Run Plays integriert, um der Defense noch mehr zu geben, das sie lesen muss.
Cleveland und die neue Rolle für Beckham und Landry
Das zweite Big Play dieser Partie veranschaulicht das perfekt:
NFL GamepassCleveland spielt einen vermeintlichen Pitch, die gesamte Line blockt das gewohnte Zone Blocking Scheme. Und die Defense beißt voll drauf an, im Gesamtverbund bewegen sich die Verteidiger auf die aus Sicht der Offense rechte Seite. Dass der vermeintliche Run mit einem Pitch und nicht per Handoff erfolgt, befeuert das zusätzlich - so erkennt die Defense schnell, dass es kein Play Action Fake ist und Mayfield den Ball womöglich doch behalten könnte.
Doch jetzt kommt das nächste Mittel ins Spiel. Cleveland hat schon nach vier Wochen ein erkennbar ausgeprägtes Repertoire an Wide-Receiver-Runs durch Jet Sweeps und End Arounds in seiner Offense. Die Ballübergabe an Receiver Jarvis Landry sorgt endgültig dafür, dass die Verteidiger die Augen im Backfield haben.
Odell Beckham läuft derweil eine Corner-Route auf der linken Seite der Formation, und als der tiefe Safety das merkt, ist es schon zu spät und der Ball von Landry bereits in der Luft.
Das gibt einen ersten Hinweis darauf, was die Defense hier alles beachten muss. Clevelands drittes Big Play - Beckhams 23-Yard-Run zu Beginn des zweiten Touchdown-Drives - knüpft nahtlos daran an.
NFL GamepassDieses Mal nämlich ist es tatsächlich der Receiver-Run bei einem End Around, mit der angetäuschten Ballübergabe zum Running Back, dem vermeintlichen Pull-Block durch den Guard als Wegbereiter für den Running Back und dem Block nach innen durch den Wide Receiver von der rechten Seite.
Alles deutet auf einen Running-Back-Run hin - bis der Tight End im Zentrum der Offense direkt hinter dem Center plötzlich kehrt macht, und zum Vorblocker für Beckham, nicht für den Running Back wird.
Ein sehr gut designtes Play, das Cleveland früh im Spiel bereits für großen Raumgewinn anbrachte - den Cowboys aber nicht dabei half, das größte Play dieser Partie zu verhindern.
Denn der Blick auf den absolut spektakulären 50-Yard-Touchdown-Run von Beckham kurz vor Schluss, der endgültig den Deckel auf diese Partie machte, verrät: Es war exakt das gleiche Play.
NFL GamepassDie linke Seite der Offensive Line blockt nach rechts, es erfolgt die angetäuschte Ballübergabe zum Running Back, der Right Guard kommt als Pull-Blocker auf die Backside des Plays und der Tight End täuscht ebenfalls einen Block nach links an, dreht dann aber um und wird zum Lead-Blocker für Beckham, gemeinsam mit dem Center.
Einzig Aldon Smith hatte das Play erkannt oder zumindest vermutet, doch Beckham war zu schnell und Smith bekam ihn nicht gestoppt. Der Rest der Defense aber folgte seinen Augen und war dann im Zentrum gefangen, als Beckham nach außen explodierte.
NFL GamepassUnd auch die Run-Designs nur für sich betrachtet lassen Defenses zögern.
Hier etwa deuten die Blocks auf der linken Seite der Offensive Line Zone Blocking an, gleichzeitig kommt der Backside-Guard als Pull-Blocker hinter der Formation geschossen und kreiert gemeinsam mit dem Tight End, der als Lead-Blocker fungiert, einen Power-Look, ähnlich wie bei einem Pin-and-Pull-Konzept.
Die Cowboys-Front reagiert viel zu zögerlich und muss dann schon wieder hinterherrennen.
Nach vier Spielen ist Kevin Stefanski mit großen Schritten auf bestem Wege, sein erstes großes Etappenziel zu erreichen - Baker Mayfield wieder in die Spur zu bringen. Aufbauend auf seiner exzellenten Offensive Line und einem auffällig vielseitigen Run Game kann Mayfield einfach innerhalb der Struktur funktionieren, und für den Moment ist das bereits ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr.
Setzt sich diese Entwicklung fort, muss man mit den Browns vielleicht auch schon in diesem Jahr rechnen.
Die Texans entlassen Bill O'Brien: Ein Scherbenhaufen
Die NFL Saison 2020 hat also ihre erste Trainer-Entlassung - und es erwischte einen der dicksten Fische. Nicht Jets-Coach Adam Gase, auch nicht Matt Patricia in Detroit. Bill O'Brien muss in Houston seinen Schreibtisch räumen.
O'Brien war einer der mächtigsten Head Coaches in der NFL, seitdem er zusätzlich quasi-GM-Befugnisse erhalten hatte. Und das war letztlich der Anfang vom Ende.
Denn während O'Brien als Head Coach vielleicht nicht zur Liga-Spitze, durchaus aber ins Mittelfeld zählen mag, so war er als GM eine komplette Katastrophe.
Die Situation um Jadeveon Clowney wurde derart vermasselt, dass er am Ende als Schnäppchen nach Seattle ging. Das gleiche Spiel wiederholte sich mit DeAndre Hopkins und den Cardinals. Im Gegenzug holte Houston Laremy Tunsil so teuer aus Miami, dass man ihn zum bestbezahlten Tackle der Liga machen musste. Für Duke Johnson gaben die Texans mal eben einen Drittrunden-Pick aus. Houston ließ O'Brien erst freie Hand, und zog dann jetzt nach nur vier Spielen die Reißleine.
Was bleibt ist ein Scherbenhaufen, ein Team, das ohne klar erkennbaren Plan zusammengestellt ist. Dass die Texans jetzt den Schlussstrich zogen, lässt in der Folge vor allem eine Frage zu, die auch perspektivisch adressiert werden muss: Wie sehr müssen die internen Mechanismen versagt haben, dass O'Brien schalten und walten konnte, bis alles komplett gegen die Wand gefahren war? Der Schritt jetzt legt nahe, dass weiterer langfristiger Schaden durch weitere Trades verhindert werden soll.
O'Brien: Trade von DeAndre Hopkins als letzter Tropfen
Der Hopkins-Trade war dabei in doppelter Sicht der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. In puncto Value war es einer der einseitigsten Trades zumindest der jüngeren NFL-Geschichte - und was O'Brien der GM vermasselt hatte, konnte O'Brien der Coach nicht retten.
Houstons Offense ohne Hopkins wirkte über die ersten vier Spiele planlos und oftmals war es der individuellen Klasse von Watson zuzuschreiben, wenn die Offense den Ball dann doch bewegen konnte.
Und Watson wird auch das stärkste Argument bei der Suche nach einem neuen Head Coach sein, und das ist ein extrem starkes Argument, bei allen anderen Defiziten. Denn O'Briens Trades haben Houston mit einem teuren Kader, sowie ohne Erst- und Zweitrunden-Pick im kommenden Draft zurück gelassen.
Aus Roster-Building-Sicht ist das Team eine Katastrophe - aber man hat eben Watson. Um dessen beste Jahre nicht zu verschwenden, wäre es jetzt besonders wichtig, einen Coach zu finden, der offensiv schnell um ihn herum auch mit ansonsten limitierten Mitteln etwas kreieren kann.
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Überraschungen, NFC East, Browns, Colts - Eure Fragen
James Bradawick: Ein Viertel der Saison ist gespielt - was ist für dich bisher die größte Überraschung?
Josh Allen, und es ist nicht wirklich knapp. Ich hatte letzte Woche bereits ein wenig über die Bills-Offense geschrieben - Buffalo hat Allen nicht nur eines der besten Receiver-Trios der Liga sowie eine sehr solide Offensive Line an die Seite gestellt, Offensive Coordinator Brian Daboll etabliert sich auch mehr und mehr in der aktuellen Liga-Spitze unter den offensiven Play-Callern.
Die Umstände also sind nahezu ideal - aber das ist selbstredend keine Garantie für verbessertes Quarterback-Play. Und Allen ist in dieser Hinsicht ein äußerst ungewöhnlicher Fall: Er war nicht sonderlich gut im College, er war nicht sonderlich gut als Rookie, er war nicht sonderlich gut in seiner zweiten Saison - und das ist noch ziemlich freundlich ausgedrückt.
Dass ein Quarterback mit dieser Vorgeschichte im dritten Jahr derart explodiert, und zwar eben nicht nur innerhalb der Struktur einer sehr gut geölten Offense-Maschine, sondern auch darüber hinaus, ist extrem selten. Dass er sich als Passer so signifikant verbessert, plötzlich mit Touch aufwarten kann - extrem selten. Die groben Fehler und die Plays, bei denen er so gar kein Gefühl entweder für die Spielsituation oder für die Defense hat, sind nach wie vor da und wurden bislang vergleichsweise selten bestraft. Aber sie sind auch merklich weniger geworden.
Allen habe ich (noch?) nicht in der MVP-Konversation. Einerseits wegen der noch immer sichtbaren Fehler, andererseits auch weil er eben - bei allem absolut berechtigten Lob - gleichzeitig innerhalb exzellenter Umstände vor allem funktionieren darf. Aber allein die individuelle Entwicklung bei Allen, für die ich keinerlei Anzeichen vor Saisonstart gesehen hatte, ist für mich die mit Abstand größte Überraschung dieser Saison.
moritzm: Für welche Teams ist die Saison bereits nach Week 4 gelaufen?
Ich hatte letzte Woche schon über die damaligen 0-3-Teams (Texans, Vikings, Giants, Jets, Broncos, Falcons) geschrieben, sowie deren geringe Chance, in dieser Saison noch etwas zu reißen. "Gelaufen" würde ich in dem Sinne so interpretieren, dass ich den Teams keine realistischen Playoff-Chancen zugestehe - für diese sechs Teams ist die Einschätzung unverändert, auch wenn Minnesota und Denver je ihren ersten Saisonsieg feierten.
Wen kann man noch dazu zählen? Die Dolphins (1-3) könnten durchaus auf einem vielversprechenden Weg sein - aber sie sind auch noch inmitten ihres Umbruchs, und auch wenn sie es gegen Seattle unerwartet lange eng hielten, wären selbst acht Siege ein echtes Ausrufezeichen.
Das gilt auch für die Bengals (1-2-1), so vielversprechend Burrow bislang auch aussieht. Die Lions (1-3) derweil haben schlicht einen massiven Coaching-Nachteil. Jacksonville (1-3) wird zwar noch einige Teams überraschen, aber mehr als sechs Siege wären doch eine große Überraschung.
Wer muss in dieser Hinsicht über die kommenden Wochen extrem aufpassen? Die Cardinals (2-2) sind noch ein gutes Stück von dem Entwicklungssprung entfernt, den man ihnen auf dem Papier zugetraut hat, und kommen hier keine Anpassungen, könnte es eine frustrierende Saison in der Wüste werden. Chicago (3-1) steht und fällt mit der Hoffnung auf einen Nick-Foles-Run, die Chargers (1-3) mit Herbert machen Spaß, dürften aber auch noch mehr Zeit brauchen.
Auch die Raiders (2-2) mit ihren defensiven Problemen und offensiven Limitierungen sehen stark nach Mittelmaß aus.
justmetrustme, Max Vatter und Christian: Dieses Jahr ist gefühlt fast jedes Spiel ein High-Scoring-Game im Vergleich zum letzten Jahr. Woran könnte das liegen?
Das ist nicht nur gefühlt so, aktuell ist die NFL auf Kurs, den Punkte-pro-Spiel-Rekord (46,8) zu pulverisieren. Drei Aspekte sehe ich hier im Mittelpunkt:
- Die Schiedsrichter pfeifen ganz bewusst "lockerer", gerade was etwa Holding-Strafen angeht. Die Spiele haben so einen merklich besseren Fluss - und ultimativ profitiert die Offense selbstredend davon. Das macht sich ganz krass bemerkbar.
- Wie schon bei der Lockout-Saison 2011 macht sich wieder einmal bemerkbar: Eine - auf welche Weise auch immer - limitierte Saisonvorbereitung mit weniger echtem Tackling, weniger Kontakt und weniger Einheiten auch gegen andere Teams sind vor allem ein Problem für die Defense. Wir sehen das aktuell einerseits in - Überraschung - schlechtem Tackling, andererseits aber sind Defenses nun einmal per Definition meist in der reagierenden Rolle. Die Gefahr, dass Abstimmungsfehler auftreten, ist infolge der ungewöhnlichen Offseason nochmal erhöht.
- Es ist eine Offense-Liga. Diese Aussage muss schon völlig zu Recht mit einer Phrasen-Steuer belegt werden, aber es ist nun einmal die Realität. Und die Auswirkungen auf dem Platz sehen wir mehr und mehr. Es gibt einfach zahlreiche wirklich gute offensive Play-Caller, auch außerhalb der großen Namen wie Shanahan, McVay, Payton oder McDaniels, die meist im Mittelpunkt stehen. Brian Daboll in Buffalo, Arthur Smith bei den Titans, Matt LaFleur in Green Bay hat sich deutlich verbessert, die neue Cowboys-Konstellation funktioniert gut und dass Seattles Brian Schottenheimer inzwischen deutlich unterschätzt ist, hören Leser meiner Kolumnen nicht zum ersten Mal. Und mehr Teams fokussieren sich auch auf die Offense und stecken dort ihre Ressourcen rein - weil es der konstantere Mannschaftsteil ist, weil man hier die Basis für langfristigen Erfolg legt.
Defenses werden sich vermutlich im Laufe der Saison ein Stück weit fangen. Aber insbesondere der dritte Punkt ist eine Entwicklung, die bereits seit einer Weile im Gange ist und sich nun schlicht mehr und mehr bemerkbar macht. Und diese Entwicklung wird zumindest vorerst weitergehen.
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Burton77767: Wer gewinnt die NFC East?
Ich bleibe hier bei den Cowboys. Ja, die Defense ist übel und vielleicht die größte Frage hier lautet: Wie lange wartet McCarthy, ehe er potenziell einen Coordinator-Tausch vornimmt? Dallas ist defensiv Woche für Woche so verwundbar, dass womöglich eine Veränderung hin zu deutlich mehr Aggressivität ein Weg sein könnte. Ganz platt gesagt: Big Plays lässt Dallas ohnehin zu - so könnte man vielleicht zumindest seinerseits mehr Big Plays auflegen.
Aber es ist so überaus deutlich, dass Dallas mit weitem Abstand die beste Offense in dieser Division hat. Die Giants sind ein heißer Kandidat auf einen Top-2-Pick im kommenden Draft und Washington mag defensiv ein paar Teams ärgern können - mehr aber auch nicht. Nicht auszuschließen, dass Ron Rivera in der Hauptstadt bald einen Quarterback-Tausch vornimmt. Die Eagles mit all ihren Verletzungen kamen mit dem Sieg über die 49ers zwar ein wenig in die Spur, profitierten da aber auch von einem katastrophalen Spiel von Niners-QB Nick Mullens. Die Offense hat immer noch viel Sand im Getriebe.
Die Cowboys werden auch den Rest des Jahres Shootouts gewinnen müssen, sind dafür offensiv aber besser ausgestattet als die allermeisten Teams. Und wenn die selbstverschuldeten Fehler - insbesondere Fumbles - eingedämmt und die defensiven Totalausfälle ein wenig korrigiert werden, ist Dallas auch das klar beste Team der Division. Was das in der Bilanz bedeutet? 9-7 wird die NFC East dieses Jahr vermutlich gewinnen.
Kai B und Samson2307: Wie kam es zu der Verbesserung in der Colts-Defense im Vergleich zum letzten Jahr? Ist die Defense wirklich so gut, oder lag das vor allem an den schwachen Gegnern?
Indianapolis hat unter Matt Eberflus eine ganz klare defensive Philosophie. Die haben sie letztes Jahr teilweise ein wenig erweitert, teilweise um flexibler zu sein, teilweise aber auch, weil sie es mussten.
Um innerhalb dieser Philosophie den nächsten Schritt zu machen, mussten die Colts eine Position adressieren: Den 3-Technique, also den Defensive Lineman, der primär zwischen Offensive Guard und Tackle agiert. Mit Justin Houston hatten sie einen Edge-Rush-Spot bereits sehr gut besetzt, doch Indianapolis machte kein Geheimnis daraus, dass man einen dominanten Defensive Tackle für das Scheme braucht - und ultimativ zahlte man einen stolzen Preis, um DeForest Buckner aus San Francisco loszueisen.
Bisher zumindest ist der Erfolg sichtbar. Die Colts blitzen ligaweit mit am wenigsten (nur die Chargers haben eine noch niedrigere Blitz-Quote), kreieren dennoch Turnover (20 Prozent der gegnerischen Drives enden aktuell in Turnovern, ein Top-5-Wert) und lassen wenige Punkte zu (26 Prozent der gegnerischen Drives enden in Punkten, der ligaweite Top-Wert). Mit dem 4-Men-Rush, kombiniert mit einer flexiblen Zone Coverage dahinter, ist es schwer, gegen Indianapolis Big Plays anzubringen - und wenn die Offense eindimensional werden muss, ist die Gefahr für Turnover scheinbar omnipräsent.
Und natürlich ist Vorsicht angebracht - die Jaguars, Vikings (insbesondere damals), Jets und Bears sind nicht gerade der Top-Offense-Maßstab. Die Colts werden vielleicht am Ende keine Top-5-Defense haben, weil bessere Offenses sie vor Herausforderungen stellen werden, in denen wir diese Colts-Defense bislang schlicht nicht gesehen haben. Und noch bleibt abzuwarten, in wie weit Indianapolis wenn nötig innerhalb eines Spiels defensiv einen Schalter umlegen und aggressiver auftreten kann.
Aber die bevorzugte Herangehensweise, das lässt sich nach vier Spielen festhalten, ist überaus unangenehm und zwingt gegnerische Offenses, konstant auf einem hohen Level zu spielen. Genügend Teams in der NFL sind dazu nicht in der Lage.
Kevin Penning: Sind die Browns ein Playoff-Team?
Ich sehe Cleveland in dieser Konversation, ja. Die Offense hat unbestreitbar eine positive Entwicklung über die ersten vier Wochen der Saison hingelegt. Die ja bereits ausführlich dargelegten Play-Designs funktionieren, Baker Mayfield scheint sich innerhalb der Offense wohl zu fühlen, Odell Beckham kommt in Fahrt und Cleveland hat bislang eine Top-5-Offensive-Line.
Defensiv ist Myles Garrett nach dem ersten Saisonviertel ein legitimer Kandidat für den "Defensive Player of the Year"-Award; und wenn die Browns sich in der Secondary noch stabilisieren - hier gab es jetzt auch schon mehrere Ausfälle - und im Pass-Rush etwas konstantere Production außerhalb von Garrett kommt, dann sollte auch die Defense positive Tendenzen zeigen.
All das ist noch wacklig, und Mayfield braucht auch weiterhin die Hilfestellungen - andernfalls ist der Schritt hin zu einem schlechten Spiel von Mayfield sehr klein. Aber in einer AFC, in der der dritte Wildcard-Spot weit offen sein sollte, würde ich die Browns definitiv mit ins Rennen werfen und sehe eine legitime Chance, neben einem zweiten AFC-North-Team sowie einem Vertreter aus der AFC East das dritte Wildcard-Ticket zu lösen.