Top 10: Die 10 Erkenntnisse zu Woche 4 in der NFL
1. Wie geht es weiter nach den Corona-Fällen?
Es war schon sehr lange sehr gut gegangen für die NFL im Kontext der Corona-Pandemie. Zwischen dem 12. August und dem Beginn der Infektions-Welle bei den Tennessee Titans hatte es ganze sieben positive Fälle unter den Spielern gegeben - angesichts der Anzahl der Spieler und der Tatsache, dass die NFL ohne Bubble arbeitet, muss man das fast als die größere Überraschung bewerten.
Dass positive Fälle kommen würden, muss jedem klar gewesen sein; die kritische Frage war: was würde dann passieren? Würden die Präventiv-Maßnahmen eine Ausbreitung verhindern? Oder würden einzelne positive Fälle zu einer Welle werden, die den gesamten Spielbetrieb gefährden?
Der Ausbruch bei den Titans ist hier gesondert zu betrachten, und hier gilt es ohnehin, sich mit Spekulationen zurück zu halten. Untersuchungen, ob intern alle Protokolle befolgt wurden, laufen und erst wenn klar ist, dass trotz exakter Befolgung der Regeln ein großflächiger Ausbruch erfolgte, muss die Liga auch hier womöglich ansetzen. Und dieses Szenario ist absolut vorstellbar.
Mit Cam Newton war dann aber schließlich der erste prominente Einzelfall eingetreten - anders gesagt: ein Starting-Quarterback. Das ließ die Debatten wieder hochkochen, doch ganz nüchtern betrachtet lässt sich bislang festhalten: Die Vorsichtsmaßnahmen greifen.
Zumindest die am Samstagabend durchgeführten Tests waren negativ, und die Spieler der Patriots und der Chiefs werden am Montag vor ihrem verlegten Duell abermals getestet werden. Das ist eine Veränderung in der bisherigen Vorgehensweise, die Liga hatte sonst stets am Abend vor dem Spiel, nicht aber am Spieltag selbst getestet.
Zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen bei den Patriots wurden mutmaßlich auch deshalb in die Wege geleitet, weil New England zum Auswärtsspiel reisen muss. Weitere infizierte Spieler hätten insbesondere während der Reise andere anstecken können. So lässt sich auch erklären, warum das Falcons-Bears-Spiel in der Vorwoche am Sonntag in Atlanta stattfand - obwohl Falcons-Corner A.J. Terrell am Samstag positiv getestet worden war. Die Patriots reisen passend dazu mit zwei Flugzeugen nach KC, eines mit denjenigen, die näheren Kontakt zu Cam Newton hatten, und eines mit den restlichen Spielern und Coaches, um hier das Risiko zu minimieren.
Aber wo liegt eigentlich der Kernaspekt, auf den man sich jetzt fokussieren sollte? Die Kontroll-Mechanismen? Einzelne Teams und Spieler? Die Inflexibilität?
Verbindet man die Thesen, wonach einerseits die NFL jetzt weder sonderlich großes Glück oder Unglück hatte - anders gesagt: das, was passiert ist, lag vollends im Bereich des Erwartbaren - und andererseits dennoch bereits jetzt größere Spielplan-Probleme zu erwarten sind, sollten die Titans auch in der kommenden Woche nicht spielen können, dann lässt das nur eine Schlussfolgerung zu: Die NFL hat sich nicht ausreichend vorbereitet.
Damit sind nicht die Test-Abläufe und all die Protokolle und Bemühungen, um aus einzelnen Infektionen nicht eine Welle im gesamten Team entstehen zu lassen, gemeint. Hier wurde bisher gute Arbeit geleistet, von den Teams, von der Liga und auch von den einzelnen Spielern.
Was sich allerdings schon jetzt als Problem herausstellt, ist die mangelnde Flexibilität im Schedule. Mit zwei Bye Weeks pro Team wäre bereits jede Menge Spielraum gewonnen. Eine Woche Pause zwischen Regular Season und Playoffs wäre ebenfalls sinnvoll, um nochmals Ausweichtermine zu haben oder auch Playoff-Teams gegebenenfalls Zeit zu verschaffen, um mit positiven Fällen umzugehen. Selbst wenn die NFL dann damit leben muss, den stets so beschützten Super-Bowl-Termin aufgeben und um mehrere Wochen nach hinten schieben zu müssen.
Selbst mit den aktuellen positiven Fällen gibt es genügend Grund zur Annahme, dass die Protokolle und präventiven Maßnahmen funktionieren. Dass es - zumindest bisher - keine weiteren positiven Fälle bei den Patriots oder Chiefs gab, spricht klar dafür. Auch die Tatsache, dass trotz des Ausbruchs bei den Titans offensichtlich keine Vikings-Spieler oder -Coaches angesteckt wurden, darf optimistisch stimmen. Genau wie generell der Fakt, dass es außerhalb von der Welle in Tennessee kaum positive Tests gab.
Und dennoch wäre man naiv zu glauben, dass über die nächsten vier Monate nicht weitere Fälle wie aktuell in Tennessee auftreten werden - und selbst wenn es nur zwei weitere Teams in diesem Maße erwischen würde, wäre der Spielplan wie er aktuell steht, kaum noch aufrecht zu erhalten.
Die NFL täte gut daran, sich mit dem Wissen der letzten zehn Tage im Hinterkopf auf weitere Unwägbarkeiten vorzubereiten.
2. Der Cowboys-Zirkus - positive Trends bei Cleveland
Dak Prescott ist der erste Spieler aller Zeiten mit mindestens 450 Passing-Yards in drei aufeinanderfolgenden Spielen. Seine 1.690 Passing-Yards über die ersten vier Saisonspiele bedeuten einen neuen NFL-Rekord. Und hätten die Falcons nicht vor zwei Wochen den Onside Kick so furchtbar vermasselt, stünden die Cowboys mit vier Pleiten da.
502 seiner Passing-Yards kamen am Sonntag gegen die Browns. Es gab einige gute Play-Designs, einen fantastischen Touchdown-Pass in ein Mini-Fenster zu Amari Cooper, Rookie-Receiver CeeDee Lamb sah abermals exzellent aus. Es war längst nicht alles perfekt; Prescott warf eine Interception und hätte fraglos noch weitere haben können. Aber obwohl die Cowboys sich selbst abermals eklatant im Weg standen und mit Fumbles (Prescott, Zeke Elliott) maßgeblich dazu beitrugen, dass Cleveland die hohe Führung aufbauen konnte: Die Offense ist nicht das Problem.
Dallas ist eine permanente Big-Play-Gefahr und ohne Frage müssen die Cowboys die Fumbles abstellen - aber selbst hier hatten sie bisher auch schlicht Pech (sieben Fumbles, sechs davon verloren). Brauchen die Cowboys offensiv mehr Kontinuität? Zweifellos. Die Frage muss allerdings eher sein, ob Dallas mit dieser Defense irgendetwas - abgesehen von einer aktuell horrend schlechten Division - gewinnen kann.
Gegen Cleveland war es ein weiterer Meltdown. Furchtbares Tackling, Cleveland zerstörte die Cowboys mit seinen Power-Konzepten - und konnte gleichzeitig sein Play-Action-Passspiel auf dem Zone Blocking aufbauen. Cleveland lief für über 300 Yards und legte Big Plays durch die Luft auf. Aus Browns-Sicht ist es die Fortsetzung eines Trends; mehr und mehr erkennt man die Handschrift von Kevin Stefanski, und sowohl Baker Mayfield als auch dessen Waffen fühlen sich immer wohler dabei.
Aus Cowboys-Sicht ist es ebenfalls ein Trend - der aber geht defensiv in die völlig falsche Richtung. Defensive Coordinator Mike Nolan hat bislang keinerlei Antworten für irgendetwas, und setzt sich das fort, wird Head Coach Mike McCarthy - der mit Nolan gut befreundet ist - bald eine kritische Entscheidung treffen müssen. Dallas könnte offensiv noch stärker werden, wenn die Offensive Line wieder vollends intakt ist; womöglich muss der defensive Ansatz zumindest signifikant aggressiver werden, um wenigstens durch einige Big Plays seinen Beitrag zu leisten.
3. Herbert-Hype - Luft nach oben für die Buccaneers
Zwei Pleiten in Serie, und dennoch: Chargers-Fans dürfen nach der Niederlage gegen Tampa Bay mit Optimismus nach vorne blicken. Justin Herbert bleibt eine positive Überraschung; wie er gegen Pressure ruhig bleibt, wie er aggressiv vertikal attackiert, wie er sich von der Defense nicht aus dem Konzept bringen lässt. All das waren Punkte, die man so von Herbert nicht unbedingt erwartet hatte - als Rookie auf keinen Fall.
Er macht auch weiter in jedem Spiel seine Rookie-Fehler, und das ist auch in Ordnung. Aber wie die Chargers ihn trotz der Probleme in der Offensive Line immer wieder auch vertikal attackieren lassen und was Herbert und seine Receiver aus diesen Gelegenheiten machen, ist absolut vielversprechend. Herbert hatte gegen die Bucs zwei Touchdown-Pässe über mehr als 50 Yards - kein anderer Quarterback hat bislang mehr als einen solcher Pässe in dieser Saison.
Und die Bucs? Brady und die Offense liefen in der zweiten Hälfte eindrucksvoll heiß. Fünf Touchdown-Pässe für Brady, jeder zu einem anderen Target und vier Completions, vier Touchdowns in der Red Zone. Aber trotzdem bleiben Fragen bei Tampa Bay.
Etwa, warum Bruce Arians 14 Punkte im Rückstand spät im zweiten Viertel auf das Field Goal ging, statt Fourth Down auszuspielen. Oder warum Tampa seinen letzten Scoring-Drive so konservativ anging. Auch die Offensive Line war abermals ein Thema, und tiefe Out-Routes sollten die Bucs aus dem Playbook streichen. Dass am Ende dennoch 38 Punkte stehen, unterstreicht die individuelle Qualität in diesem Team, selbst ohne Chris Godwin. Auf O.J. Howard wird Tampa derweil verletzungsbedingt für den Rest der Saison verzichten müssen.