Top 10: Die 10 Erkenntnisse zu Woche 5 in der NFL
1. Die Dallas Cowboys und der Dak-Prescott-Schock
Es gibt einfach Momente, welche die Luft nicht nur aus einem Spiel nehmen, sondern auch jeden Zuschauer selbst am Bildschirm das Spiel für einige Minuten vergessen lassen. Die Verletzung von Dak Prescott, die Szene, als der langjährige Cowboys-Coach Jason Garrett, mittlerweile Offensive Coordinator der Giants, über das Feld gelaufen kam, um nach Prescott zu sehen und die Bilder, als Prescott unter Tränen vom Feld gefahren wurde? Ja, das war so ein Moment.
Und alle Kritik daran, dass Prescott mal lieber in der Offseason einen neuen Vertrag hätte unterschreiben sollen, verbieten sich hier. Eher sollte diese Szene Fans einmal mehr klarmachen, warum Spieler in den Holdout gehen, warum sie die langfristige Sicherheit haben wollen, die sie sich verdient haben.
Prescott hat auf sich gesetzt, und das größte Risiko war eine schwere Verletzung, die ihn möglicherweise langfristig - also über diese Saison hinaus - beeinflusst. Es steht zu hoffen, dass zumindest das infolge des Knöchelbruchs nicht der Fall ist, sollten keine weiteren Komplikationen auftreten. Noch am Sonntagabend wurde er bereits operiert.
Gleichzeitig wird er seinen Wert bis zu den nächsten Vertragsgesprächen nicht mehr hochschrauben können. Wird er mit dieser Erfahrung im Hinterkopf eher einem langfristigen Vertrag zustimmen? Wird er nochmal mit einem zweiten Tag ohne langfristige Garantien in die Saison gehen wollen? Gut vorstellbar, dass dieser jetzt tatsächlich eingetretene Worst Case Prescott auch vorsichtiger werden lässt.
Erst einmal muss Prescott gesund werden, aber diese Fragen werden jetzt bald im Mittelpunkt stehen. Die Cowboys dürften ihn dennoch halten wollen, vielleicht aber wollen sie erst sehen, wie Prescott nach der Verletzung zurückkommt. Dann wäre der zweite Franchise Tag ein logischer Schritt, mit dem enormen Druck, dass man sich danach einigen muss - oder den Quarterback gehen lässt.
Und was bedeutet die schwere Verletzung von Prescott konkret sportlich? Zunächst ist eine auf niedrigem Niveau weit offene NFC East jetzt noch offener. Dallas, trotz des enttäuschenden ersten Saisonviertels, war hier weiterhin der Favorit, eben aufgrund der Feuerkraft der Offense. Das ändert sich ohne Prescott zweifellos, und Dallas verliert nicht nur seinen Quarterback, sondern einen unangefochtenen Leader, der für dieses Team umso wichtiger erscheint. Die Eagles sahen zuletzt verbessert aus, könnten sie an Dallas vorbei in die Pole Position rutschen? Oder kann sogar Washington mit seinem Quarterback-Karussell eine Rolle spielen?
Die Cowboys haben zumindest dahingehend klug vorgesorgt - Andy Dalton ist einer der besten Backup-Quarterbacks in der NFL und ein absolut fähiger Starter, er sollte zumindest eine gewisse Base Line bereiten. Diese Offense kann immer noch gut sein, spielt aber auch ohne beide Starting-Tackles und aktuell mit dem Backup-Center, und das merkte man Dalton gegen die Giants bereits mehr an als Prescott.
In jedem Fall können die Cowboys nicht mit der gleichen explosiven Offense rechnen, was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass Dallas spätestens jetzt deutlich mehr Stabilität von der eigenen Defense braucht - und mehr Hilfe von den offensiven Play-Designs, um die nach wie vor tollen Waffen bestmöglich einzusetzen, sodass man mit Dalton als Game Manager das Maximum rausholen kann.
Zu den Titelkandidaten gehörte Dallas aufgrund der Defense für die meisten bereits nicht mehr, mit Prescotts Verletzung sind sie allerdings auch aus dem erweiterten Contender-Kreis raus. Angesichts der eigenen Division kann Dallas aber auch mit Andy Dalton um ein Playoff-Ticket mitspielen.
2. Was ist los mit den Kansas City Chiefs?
Die größte sportliche Überraschung am Sonntag abgesehen von dem Meltdown in San Francisco dürfte der Sieg der Raiders in Kansas City gewesen sein. Und zunächst einmal gilt es, Lob auszusprechen - für die Las Vegas Raiders, selbstredend.
Die hatten einen klaren Plan, und sie setzten ihn exzellent um: Mit langen Drives das Spiel verkürzen und so das Geschehen zu diktieren, was ganz klar über das Run Game aufgebaut war. Die Raiders hatten über 35 Minuten Ballbesitz, liefen den Ball vor allem früh sehr konstant und sehr hartnäckig - aber das war nur ein Teil der Rechnung.
Denn lange Ballbesitzzeiten reichen gegen Kansas City nicht. Nicht nur muss man diese auch mit Punkten abschließen - man muss auch in der Lage sein, selbst Big Plays aufzulegen. Und das waren die Raiders: Henry Ruggs zeigte abermals, dass er mit seinem Speed der Schlüssel zu dieser Offense sein kann, selbst wenn er den Ball nicht erhält. Agholor fing ein Big Play, Renfrow fing einen tiefen Ball - und das ist tatsächlich die Formel gegen Kansas City. Derek Carr hat den Ball in keinem Spiel unter Gruden im Schnitt so tief geworfen wie gegen die Chiefs am Sonntag - und das war kein Zufall.
Es funktionierte vor allem auch deshalb, weil die eigene Defense die Chiefs-Offense limitierte. Der Pass-Rush der Raiders bereitete der Chiefs-Offense größere Probleme als gedacht, und damit geht es auch schon über in die Fehleranalyse: Kansas Citys Offensive Line ist längst nicht so dominant wie letztes Jahr, auch Right Tackle Mitchell Schwartz hat dieses Jahr mehr Wackler in seinem Spiel.
Vor allem aber bleiben eigene Fehler ein Thema, und das ist ein Punkt, der dieses Jahr schon mehrfach aufgefallen ist: Der Titelverteidiger scheint manchmal nicht mit vollen 100 Prozent bei der Sache zu sein. Das wirkte gegen die Chargers so, gegen die Patriots - und die Raiders bestraften es schließlich.
Kansas City beendete das Spiel mit zehn Strafen für 94 Yards, Receiver ließen sich bei Third Down am Catch Point schlagen, Mahomes wirft auffallend viele Risiko-Bälle und der eigene Pass-Rush wiederum ist weiterhin viel zu inkonstant und lebt mehr oder weniger nur von Chris Jones.
Die Chiefs müssen mental so richtig in der Saison ankommen, vor allem aber hat der Auftritt der Raiders einen Punkt unterstrichen, den die anderen Division-Gegner aus dieser Partie mitnehmen sollten: Wer die Chiefs schlagen will, muss defensiv ein paar Ausrufezeichen setzen können. Vor allem aber muss man dafür offensiv Big Plays auflegen können. Die Raiders konnten das am Sonntag vielleicht besser als in jedem anderen Spiel in der Carr-Ära.
3. Claypool: Das fehlende Puzzleteil der Steelers-Offense?
Die Steelers-Offense hatte in der vergangenen Saison ein übergreifendes strukturelles Problem. Sicher, die Tatsache, dass Ben Roethlisberger ausfiel, war das größte Thema und das größte Problem. Doch strukturell innerhalb der Offense merkte man auch etwas anderes: Der X-Receiver fehlte. Es fehlte ein physisch dominanter Outside-Receiver, der Coverages auf sich ziehen und Räume für JuJu Smith-Schuster und Co. kreieren kann. Nicht zwangsläufig eine Nummer 1, in diese Rolle könnte Diontae Johnson sehr gut wachsen - eher der klassische X-Receiver.
Mit Chase Claypool haben sie genau diesen Receiver-Typ im diesjährigen Draft gefunden. Claypool wurde als physisches Mismatch bereits bei Notre Dame insbesondere im vertikalen Passspiel eingesetzt, er erinnerte an eine schlechtere Version von DK Metcalf. Die Steelers zeigten schon früh in der Saison, dass sie Claypool zumindest in dieser College-Kernkompetenz einsetzen werden - gegen die Eagles war eindrucksvoll zu sehen, wie sich die Rolle des Rookies erweitert.
Claypool legte gegen die Eagles statistisch ein Spiel für die Geschichtsbücher hin: Er ist der erst dritte Rookie-Wide-Receiver aller Zeiten (Harlon Hill, Jerry Butler) mit vier Touchdowns in einem Spiel - und war maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass die Steelers ihren ersten 4-0-Start seit 1979 hinlegten. Und die kamen längst nicht alle bei tiefen Bomben an der Seitenlinie, wo seine Paraderolle zu Saisonbeginn lag.
Die Steelers nutzten seine Physis auch im Underneath-Passing-Game, um bei Slants Yards nach dem Catch zu produzieren und gleichzeitig ein großes Target aufzubieten, um als schnelle Passoption für Roethlisberger verfügbar zu sein. Das ist umso wichtiger, da Pittsburgh mehr aus Empty Sets und mit schnellen Pässen spielt, womöglich auch, weil Roethlisbergers Arm im vertikalen Passspiel einige Male nicht gut aussah. Da braucht es Targets, die schnell auch anspielbar sind. Und sie nutzten ihn etwa bei dem ungewöhnlich designten Screen-Touchdown aus einer Quad Bunch.
Pittsburgh hat seinen X-Receiver gefunden, und wenn dessen Entwicklung und parallel die Art, wie die Steelers ihn einsetzen, sich fortsetzt, dann wird das eine sehr, sehr unangenehme Offense.