Die Baltimore Ravens müssen nach drei Niederlagen in den letzten vier Spielen um die Playoffs bangen, die Offense des Teams ist längst nicht auf dem Niveau der Vorsaison. Doch wo liegen die Probleme der Ravens genau? Und wie viel Schuld trifft Lamar Jackson? Vor dem Spitzenspiel gegen die Pittsburgh Steelers nehmen wir die Offense in der Analyse genauer unter die Lupe.
Die Ravens stecken in einem Tief, dem ersten seit Lamar Jackson im Winter 2018 als Starting Quarterback übernahm. "Wir können einfach keine 60 Minuten konstant spielen", zeigte sich Defensive Lineman Derek Wolfe nach der Niederlage gegen die Tennessee Titans konsterniert. Und Jackson selbst erklärte: "Sie sahen wie das Team aus, das den Sieg mehr wollte." Ein Besorgnis erregendes Statement.
Baltimore hat drei seiner letzten vier Spiele verloren, gegen die Titans musste Jackson seine zweite Niederlage in Serie einstecken - zum ersten Mal in seiner Karriere als NFL-Starter. Gegen die New England Patriots blieb das Team zudem unter 20 erzielten Punkten, ebenfalls zum ersten Mal mit Jackson als Starting Quarterback.
Ein Sieg gegen die Pittsburgh Steelers wäre für das Team somit umso wichtiger, allerdings wird nach einem positiven Coronatest Lamar Jackson das Spiel vermutlich verpassen. Es ist der nächste Dämpfer in einer Ravens-Saison, die bislang in vielerlei Hinsicht enttäuschend verlaufen ist.
Besonders offensiv ist bei den Ravens der Wurm drin. Wenig erinnert in dieser Spielzeit noch an das Team, das im vergangenen Jahr eine geradezu historisch gute Offensiv-Saison spielte und die Liga mit weitem Abstand in Punkten pro Drive und Punkten pro Spiel anführte. In dieser Saison bewegt sich Baltimore in diesen Statistiken auf einem Niveau mit Teams wie den Detroit Lions und den Miami Dolphins, in den gängigen Effizienz-Metriken befindet sich die Ravens-Offense nicht mehr an der Ligaspitze, sondern im unteren Durchschnitt.
Doch was sind die Gründe für den extremen Abfall in dieser Saison? Und wie viel Schuld trifft Jackson selbst? Wir untersuchen diese Fragen in vier Abschnitten.
Problem Nummer eins: Lamar Jackson
Jackson spielt längst nicht auf dem Niveau der Vorsaison, in der der 23-Jährige ohne eine einzige Gegenstimme zum MVP gewählt wurde, dies wird sowohl beim Blick auf die Statistiken als auch beim Studium des Tapes offensichtlich.
Jackson scheint sich in der eigenen Offense merklich unwohler zu fühlen. Der Quarterback wirkt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Pocket häufig unsicher und macht immer wieder Fehler, die ihm in der vergangenen Spielzeit selten bis gar nicht unterliefen. Auf einen einzelnen Aspekt kann man Jacksons Probleme nicht herunterbrechen, sie sind vielfältiger.
Zum Auftakt des Spiels gegen die Pittsburgh Steelers beispielsweise unterlief Jackson ein übler Misread, er las die defensive Coverage also falsch und traf davon ausgehend die falsche Entscheidung.
Bei einem Third-and-Six spielen die Steelers eine Cover-3-Defense, rotieren dabei allerdings aus ihrer Pre-Snap-Formation heraus. Bud Dupree, als Edge Rusher an der Line of Scrimmage postiert, lässt sich in Coverage fallen, während Linebacker Vince Williams von der anderen Seite den Four-Men-Rush ergänzt.
Durch Dupree als Cover-Spieler wird das High-Low-Konzept der Ravens auf der linken Seite aus dem Spiel genommen, er steht genau zwischen den Receivern Mark Andrews und Willie Snead. Jackson arbeitet also - korrekterweise - zur rechten Seite des Felds, wo James Proche eine kurze Hook-Route direkt hinter den blitzenden Williams läuft.
Was Jackson in diesem Fall übersieht, ist Zone-Defender Robert Spillane, der durch die Rotation von Dupree und Williams von der linken auf die rechte Seite ausweicht und Jacksons Augen die ganze Zeit lesen kann. Das Resultat ist ein verheerender und uncharakteristischer Fehler von Jackson, der für gewöhnlich ein exzellenter Passer gegen Zone-Konzepte ist: Ein Pick-Six, es war der erste in Jacksons NFL-Karriere.
NFLLamar Jackson lässt Big Plays durch die Luft liegen
Neben zu vielen falschen Reads gegen Konzepte, die Jackson im vergangenen Jahr noch relativ problemlos sezierte, muss der zweite konstant auftretende Kritikpunkt an Jacksons Spiel sein Verhalten in der Pocket sein. Er ist nach wie vor in der Lage, freie Rusher problemlos aussteigen zu lassen, diese außergewöhnliche Fähigkeit hat Jackson über den Sommer nicht plötzlich verloren. Und doch sind auch in diesem Bereich negative Tendenzen zu erkennen, die im vergangenen Jahr noch deutlich seltener auftraten.
Entgegen der öffentlich teilweise vertretenden Meinung ist Jackson keineswegs ein Quarterback, der nach seinem ersten Read zum Scramble ansetzt, sondern ein Spieler, der bei Pass-Plays immer zuerst den Pass sucht. In dieser Saison vertraut Jackson der eigenen Protection allerdings deutlich seltener und kürzer - und lässt dadurch teilweise Big Plays im Passspiel liegen.
Beispielhaft dafür kann ein Play bei First-and-Ten gegen die Patriots angeführt werden: Marquise Brown täuscht dabei zunächst einen Block an, läuft anschließend jedoch eine tiefe Post-Route gegen das Cover 3 der Patriots. Der Speedster gelangt zwischen den Outside Cornerback und den Free Safety, die Chance zum tiefen Pass wäre da, gleichzeitig lässt Right Tackle D.J. Fluker aber Druck gegen Jackson zu.
Dieser setzt - vermutlich einen Tick zu früh - zum Scramble durch die Mitte an und holt neun Yards, lässt dabei aber auch einen möglichen Touchdown durch die Luft liegen. Ein Play, bei dem er in der vergangenen Saison womöglich noch eine andere Entscheidung getroffen hätte.
NFLLamar Jackson: Passgenauigkeit bleibt ein Thema
Darüber hinaus sind Jacksons Defizite in seiner Passgenauigkeit zu häufig zu beobachten. Im vergangenen Jahr wurde diese Schwäche in seinem Spiel häufig noch dadurch kaschiert, dass das Scheme der Ravens für viele weit offene Würfe sorgte, durch Probleme im Playcalling (siehe Abschnitt zwei) treten diese nun häufiger zu Tage.
Als ein Beispiel dient Jacksons zweite Interception gegen die Steelers. Die Ravens spielen in diesem Fall auf ein Sail-Konzept mit Play-Action-Fake. Miles Boykin läuft auf der linken Seite eine Go-Route, um den tiefen Verteidiger aus dem Play zu ziehen, Mark Andrews und Patric Ricard laufen eine Corner- und eine Flat-Route.
Es ist kein grandioser Playcall, kein Receiver ist weit offen und doch hat Jackson eigentlich genug Raum zur Verfügung, um Andrews im Lauf zu treffen. Sein Pass gerät allerdings - auch aufgrund von mangelhafter Fußarbeit - zu niedrig, Alex Hightower, der eigentlich Ricard in die Flat folgt, gelingt es somit, den Pass aus der Luft zu angeln. Ein unnötiger Turnover, der mit einem genaueren Pass hätte verhindert werden können.
NFLLamar Jackson: Defenses setzen mehr auf Man Coverage
Die Pass-Protection und die Receiver der Ravens agieren bislang nicht auf dem Niveau der Vorsaison (siehe Abschnitt 3 und Abschnitt 4). Jackson verliert dadurch Vertrauen und lässt Chancen liegen. Während in der vergangenen Saison nahezu alles zu funktionieren schien, lässt ihn in diesem Jahr sein eigenes Team immer wieder im Stich. Dass Jackson das negativ beeinflusst und er dadurch selbst deutlich schlechter spielt, ist unübersehbar.
Ein besonderes Problem ist allerdings obendrein, wie Defenses den amtierenden MVP mittlerweile in entscheidenden Situationen verteidigen. Die Chiefs, Bengals und Patriots - allesamt Defenses, gegen die sich Jackson in dieser Saison schwertat - spielten bei Third Down überwiegend Man Coverage, gegen die Jackson häufiger Probleme hat.
Gegen Man Coverage kommt der 23-Jährige in dieser Saison nur auf 5,0 Yards pro Passversuch, die wenigsten der Liga, auch seine Completion Percentage von 65 Prozent gegen Man Coverage zählt zu den schwächsten in der NFL. Im vergangenen Jahr spielten Defenses noch meist Zone Coverage gegen Jackson, da Scrambles gegen Man Coverage deutlich gefährlicher sind.
Teams wie die Chiefs oder die Patriots umgingen dieses Problem, indem sie gleich zwei sogenannte Hole-Defender als Quarterback-Spies einsetzten. Statt einem tiefen Safety spielten sie also mit freien Underneath-Verteidigern. Eine Taktik, die bislang aufgeht: Bei 79 Dropbacks gegen Man Coverage (das Titans-Spiel nicht mitgezählt), setzte Jackson nur viermal zu Scrambles an.
Und doch scheint Jackson mehr Symptom als Ursache der offensiven Probleme der Ravens zu sein. Nicht ohne Grund schrieb Fox-Analyst Ryan Clark am Sonntag bei Twitter: "Die Ravens haben den schnellsten Quarterback und sonst ... Ich weiß nicht. Alles andere scheint in Slow Motion zu passieren [...] Diese Offense wird nicht gut umgesetzt." Baltimores Probleme gehen weit über den eigenen Quarterback hinaus.
Problem Nummer zwei: Das Playcalling
Bereits während der Offseason war klar gewesen, dass die Offense der Ravens über den Sommer weiter entwickelt werden müsste. Defenses würden Antworten auf Baltimores offensive Ideen finden und Offensive Coordinator Greg Roman dann einen Plan B präsentieren müssen.
Ersteres ist wie erwartet eingetreten, der zweite Punkt bislang allerdings allenfalls in Teilen. Die Ravens spielen nach wie vor eine Offense, die sehr stark auf Motion, Play Action und heavy Sets mit mehreren Tight Ends und Fullbacks setzt. Was in dieser Saison neu ist, ist die Art und Weise, wie Defenses diesen Ansatz verteidigen.
Der gravierendste Unterschied dabei: Defenses spielen in dieser Saison mit deutlich mehr Nickel- und sogar Dime-Packages gegen die Ravens, sie bringen also mehr Passverteidiger aufs Feld. Jackson hat gegen diese Sets merkliche Probleme, das ist allerdings nicht grundsätzlich überraschend. Sub-Packages sollen schließlich besonders effektiv in der Pass-Coverage sein, bereits im Vorjahr war der MVP gegen Base-Defenses mit drei oder mehr Linebackern auf dem Feld mit Abstand am effektivsten.
Überraschend ist eher, dass die Ravens diesen Trend mit ihrem Run-Game nicht bestrafen können - trotz Heavy Sets und trotz einem nach wie vor hohen Anteil von Run-Plays bei First und Second Down. Das ist auch durch das Personal zu erklären - Guard Marshal Yanda hat seine Karriere beendet, Center Matt Skura ist nach seiner Verletzung noch nicht wieder der alte, nun sind auch noch Offensive Tackle Ronnie Stanley und Tight End Nick Boyle verletzt -, aber es liegt auch an einer fehlenden Entwicklung von Romans Offense.
Baltimore Ravens: Gegner stellen sich besser auf die Offense ein
Diese basiert auch in dieser Spielzeit nach wie vor auf Power- und Inide-Zone-Runs aus Pistol-Formations (also mit einem Running Back direkt hinter dem Quarterback postiert), in denen die Ravens durch Motions und Misdirections Extra-Spieler auf eine Seite der Formation bringen und somit Blocking-Vorteile kreieren können. Dies ist stets der Grundsatz von Romans Offense gewesen, schon als er noch mit Colin Kaepernick in San Francisco zusammen arbeitete.
Allerdings haben Defenses mittlerweile ein gutes Gefühl dafür, aus welchen Formationen die Ravens laufen und aus welchen sie passen wollen. Die Pass- und Run-Designs sind nicht gut genug miteinander verknüpft, sodass Baltimores Gegner sich häufig auf Runs einstellen und diese so auch in Sub-Packages oft gut verteidigen können.
Darüber hinaus nutzen die Ravens Motion zwar mehr als fast jedes andere Team in der NFL, die dabei bewegten Spieler werden allerdings meist nur als Ablenkung oder als zusätzlicher Blocker eingesetzt. Baltimore spielt kaum Swing-Screens oder Jet Sweeps, sodass Defenses diesen Spielern mittlerweile immer weniger Beachtung schenken.
Gegen die Patriots resultierten in der ersten Halbzeit ein Swing-Pass auf Devin Duvernay in einem einfachen 19-Yard-Raumgewinn und ein Touch-Pass zu Willie Snead in einem 6-Yard-Touchdown. Roman wäre gut beraten, seine Motion-Spieler in den nächsten Spielen noch häufiger aktiv in seine Plays einzubinden.
Baltimore Ravens: Rückschritt im Laufspiel ist alarmierend
Der Rückschritt im Laufspiel, das im Ligavergleich immer noch gut ist, in der vergangenen Saison aber noch auf einem historisch starken Niveau agierte, hat gravierende Folgen für die gesamte Offense der Ravens. Dadurch, dass Baltimore in diesem Jahr deutlich häufiger ineffektive Runs hat, findet sich die Offense viel häufiger in klaren Pass-Situationen wieder - das Letzte, was eine rund um das Laufspiel aufgebaute Offense möchte. Eine ähnliche Entwicklung resultierte im vergangenen Jahr bereits in der schwachen Saison von Sean McVay und der Rams-Offense.
Für Baltimore ist dieser Trend allerdings besonders alarmierend, denn was bezüglich der zurückgehenden Überraschungsmomente für das Run-Game gilt, trifft noch stärker auf die Pass-Designs von Roman zu. Die Ravens arbeiten offensiv mit vergleichsweise wenig verschiedenen Pass-Konzepten, Roman versucht - auch um Jacksons Stärken entgegen zu kommen - in erster Linie die Mitte des Feldes zu attackieren, worauf sich Defenses mittlerweile aber deutlich besser eingestellt haben.
Dies ist besonders gut bei den Empty Sets der Ravens zu erkennen. Im Vorjahr stellten diese die vielleicht größte Stärke der herausragenden Offense dar, Defenses fanden auf die Herausforderung, die sich durch die Kombination von fünf Receivern und der durch Jackson nach wie vor vorhandenen Rushing-Gefahr ergab, keine Antwort. Konzepte wie "Five Verticals", bei dem alle Receiver vertikale Routen laufen und kein einziger Checkdown existiert, wurden erst durch Jacksons Ausnahmefähigkeiten ermöglicht und sorgten immer wieder für Big Plays.
In dieser Spielzeit haben Defenses allerdings auf diese außergewöhnlichen Plays reagiert, mit mehreren Hole-Defendern und Quarterback-Spies verteidigen sie gleichzeitig die Mitte des Felds als auch die Rushing-Gefahr durch Jackson. Die Ravens werden somit häufig gezwungen, Defenses outside zu attackieren - etwas, was dem Team bislang viel zu selten gelingt.
Die fehlende Evolution in Romans Offense ist nach mehr als der Hälfte der Saison zweifelsohne eine Enttäuschung, zumal einige der defensiven Antworten kaum überraschend sind. Die Schwächen im eigenen Personal - sei es durch Verletzungen oder durch ausbleibende Aktivitäten in der Offseason - haben diese Entwicklung allerdings obendrein merklich verstärkt.
Problem Nummer drei: Die Offensive Line
Die Offensive Line zählte im vergangenen Jahr zu den großen Stärken der Ravens. Mit Marshal Yanda hatte man einen der besten Guards der Liga in den eigenen Reihen, Ronnie Stanley war obendrein der vielleicht beste Tackle. Orlando Brown Jr., Matt Skura und Bradley Bozeman spielten zudem alle solide bis gut. Mit Skura musste Baltimore in der gesamten Spielzeit nur eine einzige Verletzung in der O-Line hinnehmen, dessen Backup Patrick Mekari spielte zudem ebenfalls sehr ordentlich.
In diesem Jahr bietet sich Zuschauern ein gänzlich anderes Bild. Yandas Rücktritt und Stanleys Verletzung sind Verluste, die kein Team in der Liga problemlos auffangen könnte. Zudem mangelt es an personeller Kontinuität: Nachdem die Ravens in der vergangenen Saison in 17 Spielen nur zwei verschiedene O-Lines aufbieten mussten, startete gegen die Titans die fünfte verschiedene O-Line-Kombination im zehnten Spiel.
Die Rückkehrer aus dem vergangenen Playoff-Run haben sich dabei weitestgehend gut gehalten. Brown hat sich nach einem etwas wackligen Saisonstart mittlerweile wieder stabilisiert und gibt einen mehr als ordentlichen Left Tackle, auch Bradley Bozeman, der in dieser Saison erst einen Sack zugelassen hat, spielt mindestens solide.
"Die Neuen" in der Offensive Line haben das Niveau ihrer Vorgänger allerdings - wenig überraschend - nicht halten können. Tyre Philipps, der zuletzt selbst drei Spiele ausfiel und durch Mekari und Ben Powers ersetzt wurde, kämpft insbesondere im Run-Blocking mit Problemen, D.J. Fluker, der nach Stanleys Verletzung als Right Tackle startete, wurde aufgrund schwacher Leistungen erst durch Mekari und später durch Will Holden ersetzt.
Matt Skura ist nach seiner schweren Knieverletzung im Vorjahr zudem noch längst nicht wieder auf Top-Niveau. Gegen die Colts und Patriots kämpfte er obendrein mit Snap-Problemen, gegen die Titans wurde der Pro Bowler schließlich zum sechsten Offensive Lineman degradiert.
Baltimore Ravens: Strafen als großes Problem
Die Ausfälle in der Offensive Line haben die Ravens somit ohne jede Frage hart getroffen, die verlorene individuelle Qualität kann allerdings längst nicht alle Probleme in der O-Line erklären. Undiszipliniertheiten und Unkonzentriertheiten sind ein mindestens genau so großes Problem.
In zehn Spielen bekamen die Ravens in dieser Saison bereits 21 Pre-Snap-Penalties gegen sich gepfiffen - alleine in der Offense! Sechsmal kassierte Baltimore eine Flagge wegen Illegal Formation, der Rest der Liga kommt zusammen auf 21 solcher Strafen. Angesichts der Tatsache, dass die Ravens in ihren letzten vier Spielen drei Niederlagen mit weniger als sieben Punkten Unterschied einstecken mussten, wiegen diese Strafen natürlich schwer.
Tatsächlich wurde in dieser Spielzeit kein Team auch nur annähernd so sehr durch offensive Strafen geschwächt wie die Ravens. Bereits vor dem Spiel gegen die Titans hatte Baltimores Offense 18 Exptected Points Added aufgrund von Strafen in der Offense verloren. Das Team mit dem zweithöchsten Wert? Die New York Giants mit nur -7 Exptected Points Added. Nach der Niederlage gegen Tennessee dürfte dieser Vorsprung der Ravens nur weiter angewachsen sein: Gegen die Titans kamen weitere vier Strafen für 27 Yards hinzu.
Abstimmungs- und Kommunikationsprobleme haben die Ravens in dieser Saison wohl bereits mindestens einen Sieg gekostet, das Chaos rund um die Offensive Line ist nicht zu übersehen. Während die Probleme in der O-Line wenigstens teilweise durch Verletzungsprobleme entschuldigt werden können, gilt das für die Receiver des Teams allerdings nicht.
Problem Nummer vier: Die Receiver
Baltimore fehlt eine klare Nummer eins im Receiving Corps. Die Ravens haben keinen Receiver, der Coverages und Matchups diktieren kann. Es ist ein Umstand, der stört, der allerdings bereits vor der Saison bekannt und auch in der letzten Spielzeit schon ein Faktor war - ohne die Offense zu sehr zu limitieren. Deutlich schwerwiegender ist die Tatsache, dass Jackson in dieser Saison über keinen einzigen Receiver, dem er wirklich vertrauen kann, zu verfügen scheint.
Tatsächlich sind Jacksons Probleme gegen Man Coverage zumindest in Teilen auch auf seine Receiver zurückzuführen. Die Ravens verfügen über keinen einzigen Spieler, der konstant gegen Man Coverage gewinnen kann. Defenses können ihre defensiven Coverages mit zwei Spies nur deshalb häufiger spielen, weil kein Spieler im Eins-gegen-eins eine große Gefahr darstellt und gegen eine Defense ohne tiefen Safety für Big Plays sorgen könnte,
Marquise Brown verfügt zwar über den Speed, um Defenses tief zu attackieren, der Youngster hat jedoch Probleme mit Press-Coverage und benötigt freie Releases, um gegen gute Cornerbacks Separation kreieren zu können. Mark Andrews ist eigentlich der Receiver, dem Jackson am stärksten vertraut, allerdings arbeitetet der Tight End auch fast ausschließlich über die Mitte des Feldes - der Bereich, den Defenses gegen die Ravens mittlerweile mehr und mehr zustellen.
Als ein Beispiel für die konstanten Probleme der Ravens-Receiver kann ein Third-and-Eleven in der ersten Halbzeit gegen die Patriots angeführt werden. Baltimore spielt dabei eine 6-Man-Protection mit einem Running Back als Checkdown. Devin Duvernay und Brown laufen außen jeweils tiefe Routes, Andrews läuft eine Dig-Route über die Mitte des Felds.
Die Patriots spielen defensiv Man Coverage mit einem Spy, allerdings auch einem tiefen Safety in der Mitte des Felds. Alle Receiver sind auf sich allein gestellt, der Playcall hilft ihnen in ihren Routes nicht und wie so oft kann sich unter diesen Umständen kein Receiver freilaufen. Andrews hat über die Mitte einen kleinen Schritt Vorsprung gegen seinen Verteidiger und wäre vermutlich die bessere Anspielstation als Brown, den Jackson schließlich mit seinem Pass sucht, doch auch diese Option wäre nicht übermäßig erfolgversprechend - zumal das Play ohnehin darauf ausgelegt sein dürfte, Brown mit einem Double-Move im Eins-gegen-eins ein Big Play zu ermöglichen.
NFLBaltimore Ravens: Snead und Bryant plötzlich im Fokus
Weil Brown und Andrews selbst mit Problemen zu kämpfen haben oder Defenses ihnen besonders viel Aufmerksamkeit schenken, hat sich die Rangordnung unter den Ravens-Receivern mittlerweile ein wenig verschoben. Gegen Man Coverage ist über die letzten Spiele Willie Snead Jackson verlässlichster Receiver. Bei allem Respekt vor Snead: Für eine Offense mit dem Anspruch wie dem der Ravens ist dies ein Armutszeugnis.
Vor der Saison hatten sich die Ravens von Miles Boykin offensichtlich einen Sprung nach vorne erhofft. Der Drittrundenpick aus dem Jahr 2019 ist der beste Blocking Receiver des Teams, im Passspiel bislang aber überhaupt kein Faktor. Nach mehreren Kommunikationsproblemen mit Jackson zu Beginn der Saison spielte er zuletzt nur noch eine Handvoll Snaps.
Als Hoffnungsträger im Receiving Corps des Teams soll nun ausgerechnet ein 32-Jähriger Veteran taugen, der am vergangenen Sonntag seinen ersten Catch seit fast drei Jahren verzeichnete: Dez Bryant. Gegen die Titans spielte der ehemalige Cowboys-Receiver 35 Snaps, mehr als Boykin oder die Rookies Duvernay und James Proche.
Angesichts der Tatsache, dass Bryant über die ersten Wochen der Saison vereinslos blieb und schließlich einen Vertrag ohne Garantien im Practice Squad der Ravens unterschrieb, steht Bryant symbolisch für die großen Probleme der Ravens auf der Receiver-Position. Im Sommer wird das Team diese Position definitiv adressieren müssen.