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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Chiefs - was macht Mahomes und Co. so stark?

SPOX blickt vor dem Super Bowl auf die Offense der Kansas City Chiefs.
© getty
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Tyreek Hill und die Matchup-Frage: Wen covern?

Bei den Basics zur Chiefs-Offense wurden einige Kernpunkte bereits erwähnt. Dazu gehört, dass Kansas City verhältnismäßig nicht sonderlich aggressiv vertikal attackiert - doch wenn Mahomes den Ball tief wirft, gibt es auffallend häufig auch tatsächlich ein Big Play daraus.

Das liegt einerseits auch hier wieder fraglos an der hohen individuellen Qualität. Tyreek Hill ist längst nicht nur ein Deep Threat, ein unheimlich schneller Receiver. Hill ist ein brandgefährlicher Route-Runner und kann seine Explosivität vielleicht besser als jeder andere Spieler in der NFL auf engstem Raum ausspielen. Mit schnellen Richtungswechseln, mit harten Cuts.

Mecole Hardman hat nicht ganz die Short-Area-Quickness, die Hill hat, aber auch er hat einen enormen Long Speed und kann eine Defense jederzeit tief schlagen. Das gilt auch für Sammy Watkins, der kein Nummer-1-Receiver sein mag, aber als Nummer-3- oder Nummer-4-Waffe ohne Zweifel glänzen kann. Das war letztes Jahr in den Playoffs beispielhaft zu beobachten: Sobald Teams einen besseren Zugriff auf die Offense bekamen, indem sie Hill und Kelce limitierten, kam plötzlich das Big Play über Watkins.

Doch neben der individuellen Qualität ist es eben auch die Art und Weise, wann und wie die Chiefs wirklich vertikal attackieren. Wenn sie eben Eins-gegen-Eins-Matchups kreieren können, wenn sie Coverage Busts tief kreieren können - kurzum: Zumindest zu einem gewissen Grad auch, wenn die Defense es anbietet.

Dieser Touchdown gegen die Carolina Panthers ist so ein Beispiel:

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© NFL Gamepass

Die Panthers rotieren nach dem Snap einen Safety nach vorne Richtung Box, mutmaßlich auch in Reaktion auf den angetäuschten Run, den Play-Action-Fake. In der Folge spielt Carolina Cover-3, der tiefe Bereich des Feldes wird also in drei Cover-Zonen mit bestimmten Matchup-Prinzipien aufgeteilt.

Kansas City läuft zwei sich sehr tief kreuzende Routes, um die Zuteilungen zwischen Safety und Cornerback durcheinander zu bringen. Genau das gelingt auch.

Insbesondere aus 12-Personnel muss die Defense diese tiefen Play-Action-Shots erwarten, da hieraus noch eher die Gelegenheit entstehen kann, tief Eins-gegen-Eins-Matchups zu forcieren - unabhängig davon, was die Defense spielt.

Dieser Touchdown gegen die Jets ist ein Beispiel dafür. Zwei Tight Ends auf einer Seite der Formation, eng an der Box, die beiden Receiver auf der anderen Seite breit aufgestellt. Diese Formation sieht man von den Chiefs häufig.

Aus dem Slot läuft Hill den tiefen Crosser, was wiederum den Cornerback mitzieht und Hill die Aufmerksamkeit des tiefen Safeties sichert. Die Folge ist ein Eins-gegen-Eins-Matchup für Demarcus Robinson am oberen Bildrand, der somit die Zeit und den Platz hat, um den Cornerback mit einem Double-Move hinter sich zu lassen

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© NFL Gamepass

Kansas City und die Big Plays: Viele Wege führen nach Rom

Dass Tyreek Hill und Mecole Hardman eine Defense tief verbrennen können, dürfte soweit niemanden überraschen. Spannend ist aber, dass Kansas City die tatsächlich tief geworfenen Pässe nicht braucht, um Big Plays aufzulegen - und hier liegt eine ganz zentrale Problematik für gegnerische Defenses.

Sich mit einer weiter zurückgezogenen Coverage darauf zu fokussieren, die langen Pässe auf Hill, Hardman und Co. zu unterbinden, ist durchaus machbar und kann auch mit entsprechender Disziplin über ein Spiel aufrecht erhalten werden. In dieser Saison war mehrfach zu sehen, wie Defenses diesen Ansatz verfolgen. Doch erfordert das eben auch eine entsprechende Ressourcenverteilung - und folgerichtig fehlt es dann anderswo.

Das kann bedeuten, dass sich die Mitte des Feldes öffnet, beispielsweise eben für Travis Kelce. Es kann aber eben auch Räume für das Run Game öffnen.

Nicht das traditionelle Run Game, das ist bei den Chiefs nur sehr bedingt Teil der Offense - eher die Runs über die schnellen Receiver, die per Design nach außen getragen werden und die Defense so auf dem falschen Fuß und zahlenmäßig unterlegen erwischen sollen.

All die Motion vor dem und beim Snap sind nämlich keineswegs "leere Drohungen". Mal liest die Defense jede Menge Bewegungen im Backfield - nur um dann mit einem schnellen Pass über die Mitte geschlagen zu werden.

Gleichzeitig aber müssen insbesondere die Linebacker und Safeties auch den Speed respektieren, den insbesondere Hill und Hardman mitbringen. Denn jederzeit droht auch die Gefahr, plötzlich am Boden für einen großen Raumgewinn erwischt zu werden. So wie es den Bills im Championship Game passiert ist, oder auch etwa den Dolphins in der Regular Season.

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© NFL Gamepass

Kansas City gelingt es bei diesen Plays regelmäßig, mehrere Blocker auf die zweite und dritte Ebene der Defense zu bringen. Gegen die Bills täuschte Kelce einen Pull-Block an, drehte sich dann um und blockte plötzlich auf die andere Seite. Ein Run, der scheinbar erst nach rechts geht und die Defense dementsprechend in Bewegung setzt, kommt plötzlich mit vollem Speed über die andere Seite.

Bei Hills Touchdown-Run gegen Miami blockt der Offset-Fullback den äußersten Verteidiger an der Line of Scrimmage, sodass der äußerste Blocker direkt auf das zweite Level arbeiten kann. Aus dem Double-Team-Block daneben kommt dann noch ein weiterer Offensive Lineman mit und schon hat Hill mehr Blocker als Gegenspieler vor sich. Einzig den tiefen Safety (lila markiert) muss er noch aussteigen lassen, wo wiederum Elite-Speed hilfreich ist.

Die Chiefs können auf verschiedenen Wegen zu ihren Big Plays kommen, und für Tampa wird es essenziell sein, im richtigen Moment die richtigen Antworten parat zu haben - und möglichst selten Pre-Snap schon allzu viel preiszugeben.