Wie kann man Kansas City ärgern? Was haben die Bucs gelernt?
Mehr oder weniger seit Mahomes' erster Saison als Starter kursieren die Scouting-Reports und Analysen: Wie soll man die Chiefs-Offense eigentlich stoppen? Wie kann man sie strukturell - also nicht durch ein paar glückliche Bounces oder ungewöhnliche Mahomes-Fehler - schlagen?
Klar ist, dass man eine Galavorstellung der eigenen Offense braucht. Selbst wenn man defensiv Antworten findet, die eigene Offense muss diese Vorlage auch verwerten können. Das war beispielsweise im Regular-Season-Duell zwischen Buffalo und Kansas City Teil des Problems für die Bills.
Und auch Tampa Bay hat bereits seine Erfahrungen mit Kansas City gesammelt. Die Bucs starteten in Woche 12 mit ihrer gewohnten Aggressivität - Tampa hatte die fünfthöchste Blitz-Quote in der vergangenen Regular Season - und versuchte, Mahomes mit dem Blitz unter Druck zu setzen, während Outside Eins-gegen-Eins gespielt wurde.
Das ging schief, und das ist noch milde gesagt. Die Chiefs zerstörten die Bucs-Defense im ersten Viertel, der bemitleidenswerte Carlton Davis alleine ließ gegen Hill 211 Yards (!) und drei Touchdowns in Coverage zu, bei neun Targets. Alle neun fing Hill. Die Blitzes, die Tampa früh brachte, wurden ebenfalls eliminiert: Neun Mal blitzten die Bucs Mahomes, der brachte dagegen sechs Pässe für über 100 Yards und zwei Touchdowns an. Eine Interception oder ein Sack gelang den Bucs nicht über den Blitz.
Aber Todd Bowles reagierte. Am Ende des Spiels hatten sie Mahomes bei 17 Prozent seiner Dropbacks geblitzt, deutlich weniger als der eigene Saison-Schnitt also. Auch spielten die Bucs gegen Mahomes insgesamt nur neunmal Man Coverage, ebenfalls eine klare Umstellung, die aber notwendig war. Fast immer, wenn sie Kansas City geblitzt oder aber Mahomes Man Coverage angeboten haben, setzte es ein Big Play.
Das Bucs-Spiel war dabei kein Einzelfall. In dieser Saison, inklusive Playoffs, hat Mahomes gegen den Blitz 18 Touchdowns bei nur einer Interception geworfen. Er wurde 157-mal geblitzt - ganze vier Sacks (!) sprangen dabei für Defenses heraus, sowie vier Throwaways. Absurde Zahlen, und folgerichtig führt er die Liga auch deutlich mit 0,54 Expected Points Added pro Play (Erklärung der Metrik hier) gegen den Blitz an. Gegen vier oder weniger Pass-Rusher legt Mahomes 0,25 EPA pro Play auf.
Super Bowl: Wie kann Tampa Bay die Chiefs stoppen?
Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass man Mahomes nie blitzen sollte. Aber es bedeutet, dass eine Defense wie die der Bucs, die sich stark über den Blitz identifiziert - selbst Aaron Rodgers wurde im NFC Championship Game bei 53 Dropbacks 20 Mal geblitzt -, ihre Herangehensweise anpassen muss.
Es gilt, einzelne Situationen zu finden, in denen man einen gut getimten Blitz setzen kann. Aus einer Formation, die für die Protection schwer zu lesen ist und wo nicht klar ist, woher der Blitzer kommt. Mit einer Coverage-Rotation dahinter, die Mahomes vielleicht dazu bringt, den Ball länger zu halten. Und selbst dann läuft man immer noch Gefahr, in einen der häufig exzellent getimten und designten Chiefs-Screens zu laufen und für ein Big Play erwischt zu werden.
Doch die übergreifende Herangehensweise für Tampa Bay sollte darin liegen, die größte Schwachstelle der Chiefs zu attackieren und darauf den Game Plan aufzubauen.
Diese Schwachstelle ist die Offensive Line. Schon die ganze Saison über hatte Kansas City hier immer wieder mal Probleme, jetzt fällt auch noch Left Tackle Eric Fisher aus und die Chiefs werden eine drastisch zusammengestückelte Line aufbieten müssen. Mutmaßlich wird sie so aussehen:
- Left Tackle: Mike Remmers (seit 2016 kein Snap auf Left Tackle gespielt, eigentlich der Backup-Right-Tackle)
- Left Guard: Nick Allegretti (ehemaliger Siebtrunden-Pick, erste Saison als Starter)
- Center: Austin Reiter (der einzige im Vorfeld der Saison auf dem Papier klar als Starter prognostizierte und noch übrige Spieler dieser Line)
- Right Guard: Stefen Wisniewski (von den Chiefs in der Offseason gehen gelassen, im November von den Steelers entlassen worden)
- Right Tackle: Andrew Wylie (Undrafted Free Agent 2017, bisher 117 NFL-Snaps auf Right Tackle, hat nahezu ausschließlich Guard gespielt)
Die Buccaneers haben einen starken 4-Men-Rush, mit Jason Pierre-Paul und Shaq Barrett außen, sowie inzwischen auch wieder Vita Vea in der Mitte neben Ndamukong Suh. Hieraus sollte Tampa Bay Druck auf Mahomes machen können, um dann eben mehr Spieler in (Zone) Coverage abzustellen. Mahomes ohne den Blitz unter Druck zu setzen wird der Schlüssel für Tampa sein.
Konkret dürften 2-High-Coverages vor allem zu beobachten sein, also Coverages mit zwei (statt nur einem) tief platzierten Safeties. Das entlastet die Cornerbacks und macht es für die Chiefs schwieriger, Big Plays anzubringen. Cover-2, Cover-4, Cover-6 und hier und da mal eine Cover-2-Man eingestreut, in diese Richtung dürfte es - ganz oberflächlich gesagt - für Tampa Bay gehen, mit der Hoffnung, dass Lavonte David und Devin White im Zentrum Kelce limitieren können.
Auch hier hat Bowles bereits seine Anpassungsfähigkeit im ersten Duell gezeigt: Die Bucs, nachdem der ursprüngliche Game Plan über Bord geworfen worden war, spielten primär 2-High-Coverage-Strukturen und konnten die Offense in der Folge deutlich besser verteidigen.
Ganz simpel gesagt ist das Problem mit der Chiefs-Offense, dass sie auf alles eine Antwort hat - durch die Kombination aus Scheme und individueller Qualität. Fokussiert sich die Defense zu sehr auf die tiefen Pässe, wird sie mit Yards nach dem Catch, Screens, Jet Sweeps und Runs attackiert. Wird die Defense aggressiver, können die Chiefs vertikal attackieren. Und wird versucht, beides ein wenig zu adressieren, entstehen große Räume im Zentrum.
Es gibt nicht viele Defenses, der zuzutrauen ist, dass sie diesen Spagat zumindest halbwegs hinbekommt. Für Bowles und die Buccaneers kann man hier durchaus Argumente finden - und dann wird es an Brady und der Offense liegen, diese Vorlage auch zu verwerten.