NFL Draft: Darum wird Mac Jones wohl der nächste Quarterback der 49ers - und warum das nicht die beste Wahl ist

Marcus Blumberg
12. April 202111:15
Mac Jones gilt als Favorit auf den dritten Pick im Draft.getty
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Die San Francisco 49ers sorgten vor Wochen mit einem Trade für Aufsehen, der ihnen für einen hohen Preis den dritten Pick im Draft bescherte. Die Pläne der Franchise sorgen allerdings für Verwunderung: Ihr Wunsch-Quarterback ist offenbar Alabamas Mac Jones.

Wie im Prinzip vor jedem NFL Draft scheint es auch in diesem Jahr wieder signifikante Fluktuationen zu geben, was die Bewertung der Top-Talente, speziell auf der Quarterback-Position, betrifft. Relativ klar scheint, dass Trevor Lawrence an Position eins zu den Jacksonville Jaguars und Zach Wilson direkt dahinter zu den New York Jets gehen wird.

Durch den Monster-Trade, mit dem die San Francisco 49ers an Position 3 vorgerückt sind, wissen wir zudem, dass auch der dritte Pick im Draft sehr wahrscheinlich auf einen Quarterback fallen wird. Wir wissen nur noch nicht, auf welchen.

Glaubt man allerdings den jüngsten Berichten der Top-NFL-Insider wie Adam Schefter (ESPN) oder Ian Rapoport (NFL Network), dann wird dieser Quarterback nicht etwa Justin Fields (Ohio State) oder Trey Lance (North Dakota State), sondern vielmehr Alabamas National-Champion Mac Jones sein.

Mac Jones? In einigen Draft-Rankings knackte dieser nicht mal die Top-5 unter den Quarterbacks - im SPOX-Ranking rangiert er beispielsweise nur an Position 6. Wie also kommen die 49ers auf die Idee, gerade Jones zu wählen? Vorausgesetzt, die jüngsten Berichte sind keine Smokescreens, also Ablenkungsmanöver - was angesichts ihrer Draftposition ohnehin relativ unsinnig wäre.

Jones beendete seine College-Karriere in Alabama als Redshirt-Junior, dafür aber als National Champion und Quarterback mit der wohl besten Saison 2020. Glaubt man den Experten von Pro Football Focus, dann legte er eine ähnlich dominante Saison hin wie ein Jahr zuvor Joe Burrow, der als Heisman-Gewinner und nationaler Champion an Position 1 zu den Cincinnati Bengals ging.

Mac Jones: Parellelen zu Joe Burrow

Eine weitere Parallele zu Burrow ist die Tatsache, dass auch Jones' Mega-Saison im Prinzip aus dem Nichts kam. Es war letztlich sogar eine noch größere Überraschung, denn für Jones war 2020 die erste echte Saison als Starter.

Jones kam 2017 in derselben Recruiting-Klasse nach Tuscaloosa wie Tua Tagovailoa. Doch anders als der Five-Star-QB spielte Jones eigentlich gar keine Rolle: Die Quarterback-Position der Crimson Tide war so tief besetzt, dass Jones als Redshirt nur das Scout-Team anführte. Da allerdings wurde er auffällig.

Aufgrund seiner kompetitiven Art machte er nicht immer das, was die Coaches im auftrugen. War es etwa die Vorgabe, den Ball zu einem bestimmten Receiver zu werfen, auch wenn dieser zugedeckt war, dann feuerte Jones den Ball lieber weit ins Aus, anstatt eine Interception zu riskieren. Auch brachte er Head Coach Nick Saban des Öfteren mit Hard Counts, die die hochveranlagten Verteidiger ins Offside lockten, auf die Palme - reine Zeitverschwendung!

Neben dem Platz wiederum war er stets ein lockerer Typ und bekam von einem ehemaligen Mitspieler den Spitznamen "Joker". Angelehnt jedoch nicht an einer modernen Interpretation von Batmans Erzrivalen wie Jack Nicholson, Heath Ledger oder jüngst Joaquin Phoenix, sondern vielmehr an die eher übertrieben lächerliche Version der Fernsehserie aus den 60er Jahren (gespielt von Cesar Romero).

Als der Name auch in den Medien die Runde machte, sah sich Jones allerdings dazu gezwungen, klarzustellen: "Ich habe den aktuellsten Joker-Film gesehen, den brutalen. Ich will nicht, dass die Leute denken, dass ich so verrückt bin. Aber ich bin eben so. Ich bin jemand, der es mag zu lachen."

Mac Jones gilt als Favorit auf den dritten Pick im Draft.getty

Mac Jones lässt seine Teamkollegen glänzen

Ein Klassenclown allerdings war er nicht. Vielmehr steigerte er sich mit seinen Aufgaben und stieg geduldig die Depth Chart hoch. Nachdem er 2018 und 2019 als Backup hinter Jalen Hurts und Tagovailoa begann, übernahm er für Letzteren zum Saisonende aufgrund dessen schwerer Hüftverletzung. Am Ende stand immerhin ein Erfolg im Citrus Bowl über Michigan.

2020 war dann sein Jahr. Er räumte mehrere Awards ab und war nach der ungeschlagenen Saison Heisman-Finalist. Dieser Erfolg allerdings ging an seinen Teamkollegen Wide Receiver DeVonta Smith, der auch einer der Hauptgründe für Jones' Erfolg war - und für Bedenken ob seines letztlichen NFL-Potenzials.

Die Offense der Tide war schlicht so gut, dass viele anzweifeln, ob Jones in einem weniger talentierten Umfeld auch so gut sein könne. Die O-Line dominierte nach Belieben, was es auch Running Back Najee Harris ermöglichte, sich weiter in den Vordergrund zu spielen. Und die Receiver waren stets soweit offen, dass Jones ohne Mühe offene Fenster fand.

Letzteres ist dann auch der größte Unterschied zu Burrow ein Jahr zuvor: Während jener noch 124 Pässe in enge Wurffenster anbrachte, waren es bei Jones im Jahr 2020 nur 44. Niemand weiß so recht, ob Jones in der Lage ist, diese auch unter größtem Druck und höherem Tempo in der NFL anzubringen.

Was jedoch für ihn spricht, ist seine Fähigkeit, gegnerische Defenses kompetent zu lesen, was auch in der heutigen NFL nicht schaden kann.

Mac Jones: Statistiken bei Alabama

SaisonSpielePassquote (Prozent)Passing YardsTouchdownsInterceptionsPasser Rating
2018638,512310143,3
20191168,81503143186,8
20201377,44500414203,1

Wenn wir davon ausgehen, dass die 49ers tatsächlich Mac Jones an Position 3 ziehen, stellt sich die Frage, warum genau er die Wahl von Head Coach Kyle Shanahan sein sollte. Was macht ihn aus? Warum würde gerade er ins sehr gut orchestrierte Offensiv-Scheme dieses Teams passen?

Shanahan arbeitete seit 2008 durchgängig als Offensive Coordinator in der NFL, ehe er 2017 die Niners übernahm, aber immer noch als Play-Caller fungiert. Und in dieser Zeit kristallisierte sich für ihn auf all seinen Stationen im Grunde ein Ideal heraus: ein Pocket-Passer auf der Quarterback-Position.

In Washington machte Kirk Cousins einige Spiele mit Shanahan an der Seitenlinie. In Atlanta spielte Matt Ryan unter ihm groß auf und in der Bay Area präsentierten sich die Niners dann am besten, wenn Jimmy Garoppolo fit war. Insofern lässt dies durchaus den Schluss zu, dass Mac Jones hier wunderbar reinpassen könnte, schließlich ist er einer der ganz wenigen noch verfügbaren Pocket-Passer.

Jones nennt Tom Brady als sein großes Vorbild - und Letzterer ist sicherlich der beste Pocket-Passer, den die NFL je gesehen hat. Und einer der letzten ganz Großen dieser Zunft.

NFL: Trend geht zu mobilen Quarterbacks

Der Trend geht klar zu den deutlich mobileren QBs, die vielleicht nicht immer die Fähigkeit besitzen, Defenses schon an der Line of Scrimmage zu entschlüsseln, aber dafür vor allem mit ihren Beinen für Chaos sorgen. Josh Allen, Lamar Jackson oder auch Kyler Murray sind hier Paradebeispiele der neuen Generation.

Ebenso dürfen die meist höher eingeschätzten Draft-Prospects Fields und Lance zu dieser Kategorie gezählt werden. Jones wiederum steht lieber in der Pocket, ist aber zumindest mal kein gänzlich stationärer QB. Er lief an seinem Pro Day den 40-Yard-Dash in 4,7 Sekunden, was für einen QB immer noch ordentlich ist. Auch den 3-Cone-Drill absolvierte er in etwas mehr als sieben Sekunden.

Will man ihn tatsächlich mit Brady vergleichen, darf hier der 2000er Rookie herangezogen werden, wobei Jones dann wohl doch ein wenig agiler daherkommt. Doch auch er ist in der Lage, sich relativ schnell vom Ball zu trennen und eben eine Defense mit seinen Augen zu entschlüsseln.

Hinzu kommt, dass Jones es versteht, Pässe über kurze und mittlere Distanzen sehr präzise anzubringen. Seine wohl größte Stärke in Alabama war es, seinen herausragenden Playmakern eine Chance zu geben, Plays zu machen. Die Niners bauen ebenfalls darauf auf.

NFL: Das Gerüst der 49ers steht

Wenn sie nicht gerade mit ihren Outside-Zone-Runs dominieren, verstehen es nahezu alle Skill-Spieler auf dem Platz, nach dem Catch beträchtlichen Raumgewinn zu erzielen. Das gleiche galt für Jones' Mitspieler auf dem College.

Zudem wartet in der Bay Area ebenso eine äußerst imposante Offensive Line, angeführt vom nun teuersten Left Tackle überhaupt, Trent Williams, der wohl über die komplette Vertragsdauer eines kommenden Rookie-Quarterbacks da sein wird.

Will Shanahan also sein System wie gehabt weiter durchziehen, dann könnte Jones der ideale Mann dafür sein - sogar, um gewissermaßen nahtlos schon in der kommenden Saison zu übernehmen. Denn auch wenn die Niners anderes behaupten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Garoppolo wohl noch vor dem Draft getradet oder eventuell sogar entlassen wird.

Jones passt sehr gut in die Schablone, die Shanahan seit Jahren verwendet. Doch geht man nach reinem Draft-Value, ist er wohl kaum das Beste, was ein Team mit dem dritten Pick insgesamt herausholen könnte.

Hier muss man bedenken, welch einen Preis die Niners für diesen Pick an die Miami Dolphins gezahlt haben. Sie gaben drei Erstrundenpicks (2021, 2022, 2023) sowie einen Drittrundenpick 2022 für den dritten Pick im Draft 2021 ab. Damit erkauften sie sich mit enormem Wert das Recht, den essenziell drittbesten QB zu ziehen.

Mit anderen Worten: Sie haben sehr wahrscheinlich die Wahl zwischen allen Quarterbacks, die nicht Lawrence oder Wilson heißen. Nun lässt sich aber argumentieren, dass in puncto Upside sowohl Fields als auch Lance ein letztlich höheres Potenzial aufweisen. Beide sind bessere Athleten und könnten sich nach Topleistungen auf dem College - Lance war wie Jones auch nur ein Jahr Starter auf dem College, Fields deren zwei - im richtigen Umfeld noch gewaltig steigern.

Mehr noch: Wäre Shanahan gewillt, könnten sie der Offense eine neue Dimension geben. Das Run Game ist ohnehin schon der zentrale Punkt dieses Schemes. Was wäre, wenn auch der QB künftig in der Lage sei, auf dem Boden für große Gefahr zu sorgen und auch außerhalb der Struktur mit Arm und Bein Plays zu machen?

Mac Jones: Fields und Lance bringen mehr Potenzial mit

Sowohl Fields als auch Lance bringen eben jenes Potenzial mit. Sie werden vielleicht beide 2021 noch keine Starter sein - gerade Lance bringt nur ein Jahr Starter-Erfahrung mit und spielte zudem "nur" in der FCS, also gewissermaßen der zweiten Liga des College Footballs. Doch auf lange Sicht eröffnen sie einem Team auf Sicht wohl größere Möglichkeiten.

Zudem stellt sich eben die Frage, warum die 49ers einen derart hohen Preis viele Wochen vor dem Draft für den dritten Pick gezahlt haben, wenn es eigentlich absehbar war, dass Jones nirgendwo sonst so hoch im Kurs steht wie in San Francisco.

Man kann argumentieren, dass ein Trade am Draft Day, etwa für den siebten Pick der Lions, ausgereicht hätte, um Jones zu bekommen - immer vorausgesetzt, dass er der Wunsch-Pick ist. Und da wären wohl keine zwei zukünftigen Erstrundenpicks zwingend nötig gewesen.

Denn wenn ein Team schon so viel für einen Up-Trade im Draft ausgibt, sollte man erwarten, dass es sich auf den bestmöglichen Wert im Draft stürzt und nicht nur darauf, sicherzustellen, dass ihr Wunschspieler auch wirklich verfügbar sein wird. Diese Taktik geht schon im Fantasy Draft selten gut.

49ers: Vorsaison durch Verletzungsmisere beeinflusst

Freilich könnte es den 49ers letztlich egal sein, sollte sich Jones wirklich als fehlendes Puzzleteil erweisen, zumal das Gerüst dieses Teams imposant ist. Dass die Niners eine äußerst schwache Vorsaison hinlegten, war freilich nur der Verletzungsmisere geschuldet, die ihresgleichen suchte. Entsprechend handelt es sich hier ohnehin um ein Team, das um Titel mitspielen kann, wenn die Topleute fit sind - so gesehen beim Super-Bowl-Einzug der Saison 2019.

Geht es nur nach Draft Value, ist letztlich wohl Justin Fields der Quarterback, der an Position 3 gezogen werden sollte. Er spielte zwei sehr gute Saisons als Starter für Ohio State und damit gegen durchaus nennenswerte Gegner und eben mehr als nur ein Jahr im Rampenlicht. Zudem bringt er die nötige Upside, die man sich von einem so hohen Pick verspricht, mit. Er verkörpert den modernen NFL-Quarterback, um den herum Offenses dieser Tage aufgebaut werden.

Allerdings scheint Draft Value nicht die treibende Kraft der Niners zu sein, weshalb es am Ende dann wohl doch Jones wird, der den Typ Quarterback verkörpert, mit dem Shanahan eben schon sehr lange erfolgreich in der Liga arbeitet.