SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet wie gewohnt eure Fragen zum Spieltag. Auch diese Woche gibt es wieder einige zusätzliche Antworten im Video-Mailbag.
Los geht's mit einem Thema, das mehrere Teams in der Liga betrifft: Wie rutscht man eigentlich ins Liga-Mittelmaß - und, fast noch wichtiger, wie kommt man da wieder raus?
NFL Mailbag: Überraschungen und Enttäuschungen nach 4 Spielen
Stefan G., Julian Maletz: Nachdem nun schon fast ein Viertel der Saison absolviert ist: Was sind bisher deine positiven und negativen Überraschungen der Saison?
Die größten Überraschungen nach Week 4
Die Panthers-Defense: Wirklich schade, dass wir Jaycee Horn dieses Jahr vermutlich nicht mehr sehen werden - eine positive Überraschung ist Carolinas Defense dennoch allemal. Es ist eine junge Gruppe mit viel Talent, und die Panthers haben in diese Seite des Balls über die letzten Jahre viele Ressourcen investiert. All das ist kein Geheimnis, aber trotzdem muss das erstmal so zusammen funktionieren. Die Aggressivität, die Flexibilität in den Rush-Paketen, die Vielseitigkeit generell in dieser Defense, all das macht bislang viel Spaß. Auch wenn das Run Game der Cowboys sie am Sonntag letztlich dominierte.
Daniel Jones: Mit seiner Vielzahl an Fumbles und dem legendären Stolperer letztes Jahr ist es leicht, Jones in eine Schublade zu stecken. Aber er war schon letztes Jahr besser als die Stats vermuten ließen, und dieses Jahr hat er nochmal einen Sprung gemacht. Jones ist ein sehr guter Deep Passer, dieses Jahr spielt er aber auch mit mehr Konstanz und kann die Offense bewegen. Und er ist ein durchaus gefährlicher Runner. An Jones liegt es am wenigsten, dass die Giants erst ein Spiel gewonnen haben.
Die Raiders-Defense: Ich mochte die Verpflichtung von Gus Bradley als Defensive Coordinator - dass er die Defense so schnell derart transformieren würde, hätte ich nicht gedacht: Die Raiders spielen schneller, sie spielen explosiver - und sie profitieren von einer Breakout-Saison von Maxx Crosby, der bereits 30 (!) Quarterback-Pressures auf dem Konto hat. In der Secondary haben sich die Neuzugänge Trevon Moehrig, Casey Hayward und Nate Hobbs glänzend eingefügt. Die Raiders stellen nach zugelassenen Expected Points Added über die ersten vier Wochen eine bessere Defense als Pittsburgh, Tampa Bay und die Rams.
Jalen Hurts: Die Saison ist eine Achterbahnfahrt, und das lässt sich auch über die Eagles-Offense sagen. Philly hat Phasen, in denen der Ball mit dem Screen Game, Runs und einzelnen Pässen gut bewegt wird - und dann fällt die Offense wieder in diese Schiene, in der es nur Big Plays oder Nichts gibt. Aber trotz alledem hat Hurts mich über die ersten vier Spiele überrascht, gerade als Pocket Passer wirkt er weiter als ich es ihm anhand seines College-Tapes zugetraut hätte. Diese Offense hat noch Upside, ich habe Hurts als Starter-Option über dieses Jahr hinaus noch nicht abgeschrieben und diesen Satz hätte ich nach vier Spielen nicht vermutet.
Die Dallas Cowboys: Dass das Team mit Prescott wieder deutlich stärker sein würde, war absehbar - aber hier sind mir mehrere Punkte ins Auge gesprungen: Die Offensive Line spielt besser als ich gedacht hatte, Ezekiel Elliott sieht viel besser aus als letztes Jahr, Trevon Diggs - dazu später mehr - spielt eine herausragende Saison bislang, und die Cowboys bekommen Druck auf den Quarterback trotz des Ausfalls von DeMarcus Lawrence. Rookie Osa Odighizuwa fällt hier besonders auf, aber auch Randy Gregory. Man kann aktuell argumentieren, dass die Cowboys das kompletteste Team der Liga sind, und das hätte ich so keineswegs vor vier Wochen erwartet.
Die größten Enttäuschungen nach Week 4
Seattles Offense: Vielleicht war ich hier auch zu optimistisch, und komplett aufgegeben habe ich meine Offense-Idee für Seattle auch noch nicht: Ich dachte, dass mit der McVay-Offense unter Shane Waldron das fehlende Puzzleteil gefunden werden könnte, um Wilsons Highlight-Plays mit einer Baseline zu ergänzen, und zudem Pete Carrolls Wunsch nach einem prominenten Run Game mit der eigentlichen Stärke dieser Offense - Wilson, Lockett und Metcalf - zu kombinieren. Im ersten Spiel schien das auch direkt einzutreten; aber ihren Rhythmus sucht diese Offense seit der zweiten Hälfte in Indianapolis. Zu viele kleine Fehler, zu wenig konstante Production Underneath, ein Run Game, das on und off ist: Aktuell sind die Seahawks einmal mehr in gravierendem Ausmaß von den Big Plays durch die Luft abhängig, und das ist eigentlich genau das, was mit dem neuen Coordinator nicht der Fall sein sollte.
New Englands Offensive Line: Ich hatte es in meinem Power Ranking bereits geschrieben: Mac Jones spielt stilistisch genau so, wie man es erwarten konnte - und ist sportlich betrachtet bereits weiter als man hoffen durfte. Ja, die Offense könnte kreativer und aggressiver sein, teilweise ist es aber auch Jones selbst, der offene Würfe liegen lässt. Die größte Enttäuschung in dieser Offense ist bisher aber die Line: Hier hatte ich eine dominante, potenziell eine Top-5-Unit erwartet - davon sind die Patriots noch sehr weit entfernt. Deshalb klappt das Run Game auch nicht, das eigentlich ein Kernelement dieser Offense sein sollte, und es hilft natürlich auch nicht dabei, Deep Shots für Jones zu entwerfen. Die Pats-Offense hat ohnehin ein sehr niedriges Ceiling, weil die Explosivität einfach nicht da ist. Um zumindest den Floor weiter anzuheben, braucht New England mehr von seiner Line.
Washingtons Defense: Der Hype vor Saisonstart rund um Washingtons Defense war auf jeden Fall überzogen; ich hatte sie auch ziemlich weit oben angesiedelt. Letztlich profitierte Washingtons Ruf aber im Vorjahr auch von einem relativ angenehmen Schedule - dass die Front aber so nachlassen würde, hätte ich selbst fernab aller Vorjahres-Eindrücke nicht gedacht. Washington bekommt viel zu wenig Druck auf gegnerische Quarterbacks, und was im Vorjahr noch eine dominante Unit war, ist jetzt nicht mehr als "okay". Und dann werden eben die Lücken in der Secondary dahinter Woche für Woche aufgedeckt.
Matt Nagy: Dass die Bears-Offense dieses Jahr keinen Schönheitspreis gewinnen würde, ich denke, das war abzusehen. Dafür ist man in der Offensive Line zu sehr sehenden Auges in Probleme gelaufen, und auch niemand dürfte Wunderdinge von der Quarterback-Situation erwartet haben. Aber in zweierlei Punkten bin ich von Nagy dennoch enttäuscht: Die Sturheit, Justin Fields in einen Andy-Dalton-Game-Plan zu zwängen, ist für sich betrachtet schon eine Katastrophe. Dass sich das dann drastisch ändert, nachdem Nagy das Play-Calling wie schon im Vorjahr abgibt, spricht auch nicht wirklich für Chicagos Head Coach. Und dann verstehe ich auch seinen ganzen Umgang mit der Situation nicht. Warum dieses krampfhafte Festhalten an Dalton als Starter, nachdem Fields im zweiten Spiel so viel Positives gezeigt hat?
Urban Meyer: Vier Wochen ist diese Saison alt, und es gab bereits zwei offizielle Statements von - respektive über - Urban Meyer aus Jacksonville: Nachdem USC seinen Head Coach entlassen hatte, sah man sich in Jacksonville nach Woche 2 dazu genötigt, klarzustellen, dass Meyer All-In mit den Jaguars ist, um die Gerüchte über eine schnelle Rückkehr in den College Football verstummen zu lassen. Und diese Woche stellte Teambesitzer Shad Khan klar, dass Meyer "das Vertrauen und den Respekt zurückgewinnen" müsse, nachdem Meyer infolge des Thursday Night Games bei den Bengals in Cincinnati geblieben war und auf eher unvorteilhaften Bar-Videos zu sehen war.
Garniert wurde das mit der Verpflichtung von Coach Chris Doyle im Sommer, gegen welchen aus seiner Iowa-Zeit schwere Rassismus-Vorwürfe im Raum stehen; Doyle verließ das Team kurz danach wieder. Allein diese Verpflichtung unterstrich wenig Gefühl für die Situation in der er ist und die Wirkung, die so etwas haben kann.
Dazu die Tim-Tebow-Thematik, außerdem brodeln schon seit Saisonstart Berichte, wonach Meyer auch bei seinen Spielern kein gutes Standing habe. Auch das wurde diese Woche erneuert. Es gibt sicher viele, die Meyer in der NFL wenig zugetraut haben. Aber dass er nach vier Spielen schon derart angezählt ist, während sein Team 0-4 steht und seine Offense auch schematisch sehr überschaubar auftritt, ist trotzdem eine massive Enttäuschung.
Gelingt Green Bay der "Last Dance"? Der Video Mailbag!
Sind die Packers nach dem Ausrutscher in Week 1 komplett wieder zurück? Wer macht Kyler Murray im MVP-Rennen Konkurrenz? Wie sollten die Miami Dolphins die weitere Saison angehen, und wie bekommen die Saints mehr Stabilität in ihre Offense?
Außerdem: Welche College-Quarterbacks für den nächsten Draft sollte man bereits kennen?
Die Antworten gibt's im Video-Teil des Mailbags!
NilleSB: Wer ist der Defensive Player of the Year bisher?
Natürlich ist es noch sehr früh, und gerade in der Defense ist es wirklich nochmal eine ganze Ecke schwieriger, aus bisherigen Leistungen auf die weitere Saison zu schließen; schlicht zu inkonstant sind Defenses in der heutigen, von Offenses dominierten NFL.
Zwei Spieler würde ich dennoch hervorheben: Myles Garrett hatte einen - für seine Verhältnisse - etwas langsameren Saisonstart, seit zwei Wochen aber ist er auf einem anderen Level. Acht Pressures gegen Chicago, neun gegen die Vikings, wo er dazu noch mehrere Run-Plays stoppte. Garrett und Joey Bosa machen bisher den Preis für den gefährlichsten Edge-Rusher dieser Saison unter sich aus, wobei ich Garrett aktuell noch ein klein wenig dominanter sehe.
Der andere Kandidat ist Trevon Diggs. Fünf (!) Interceptions, drei Pass-Breakups, laut PFF hat er 28 Targets gesehen, davon nur die Hälfte als Catch zugelassen und noch keinen Touchdown in seine Coverage kassiert. Diggs spielt mittlerweile in einem Scheme in Dallas, das exzellent zu ihm passt, und ich würde keinen Cent dagegen setzen, dass er noch einige Bälle dieses Jahr abfängt.