Für die Bengals hätte die Partie nicht viel besser anfangen können. Der erste eigene Drive war eine eindrucksvolle Demonstration der Burrow-Chase-Connection, die ersten vier Pässe von Burrow gingen zu seinem Top-Receiver, bei Third-and-Goal feuerte er den Ball in ein enges Fenster zu C.J. Uzomah.
Der nächste Raiders-Drive endete mit einem Strip-Sack durch Trey Hendrickson, der Drive der Gäste etwas später mit einem Sack kurz vor der eigenen Endzone. Cincinnati kontrollierte die Partie scheinbar, die Big Plays waren da - aber die Hausherren zogen nur mühsam davon.
Die Raiders-Defense und insbesondere die Outside-Corner ließen zwar einiges zu, aber in der Red Zone wurde der Druck auf Burrow (24/34, 244 YDS, 2 TD) größer und die Bengals kickten zwei Field Goals innerhalb der gegnerischen 15-Yard-Line. So blieb es ein enges Spiel, weil die Raiders nach zwei explosiven Runs von Josh Jacobs selbst per Field Goal antworteten.
Der letzte Bengals-Drive vor der Halbzeitpause schien dann für die Vorentscheidung zu sorgen: Burrow hatte einen fantastischen Wurf über die Mitte zu Uzomah gegen die 2-High-Coverage der Raiders, Zac Taylor spielte Fourth Down mit einem Pitch zu Chase erfolgreich aus - und Burrow warf einen spektakulären Touchdown spät im Rollout nach außen.
Das Problem mit dem Play war, "wie" spät der Wurf kam: Burrow ließ den Ball los kurz bevor er auf die Seitenlinie trat - woraufhin einer der Refs pfiff, vermutlich im Glauben, dass Burrow draußen war. Gemäß Regelwerk hätte das Down wiederholt werden müssen, doch der Touchdown zählte.
Bengals müssen bis zum Ende zittern
Aber die Raiders blieben dran. Carr (29/54, 310 YDS, TD, INT) antwortete in den letzten zwei Minuten der ersten Hälfte mit einem kritischen Touchdown-Drive - und so blieb die Partie eng. Denn nach einer sicher nicht fehlerfreien, aber durchaus unterhaltsamen ersten Hälfte sahen die Zuschauer in Cincinnati ein furchtbar zerfahrenes drittes Viertel, maßgeblich geprägt durch Holding-Calls gegen die Raiders und viel TV-Zeit für die Unparteiischen.
Davonziehen konnten die Bengals aber auch weiter nicht. Auf einen Field-Goal-Drive zum Start in die zweite Hälfte folgte ein schneller Punt infolge eines Third-Down-Sacks durch Maxx Crosby, Las Vegas verkürzte erneut auf sieben Punkte.
Es dauerte bis ins vierte Viertel, ehe es sich erstmals ein wenig nach Vorentscheidung anfühlte. Ähnlich wie zu Beginn des Spiels lief die Burrow-Chase-Connection jetzt heiß und damit marschierte Cincinnati, vor allem nahmen die Bengals jetzt einiges an Zeit von der Uhr. Zwar hielt die Raiders-Defense abermals in der Red Zone, knapp sieben Minuten vor dem Ende lief Las Vegas jetzt abermals einem 10-Punkte-Rückstand hinterher.
Doch es blieb die Geschichte des Spiels, dass Cincinnati den Deckel nicht auf die Partie bekam. Die Raiders marschierten das Feld runter und entschieden sich für das Field Goal - doch weil Cincinnati anschließend den Ball überhaupt nicht bewegen konnte, bekam Carr knapp zwei Minuten vor dem Ende die Chance, das Spiel in Overtime zu schicken!
Und die Raiders waren mit einigen Big Plays auch schnell in Scoring-Reichweite, beraubten sich aber eines Plays, als Carr 30 Sekunden vor dem Ende Cincinnatis 9-Yard-Line den Spike wählte. So hatte er nur drei Chancen, um den Ball in die Endzone zu bekommen - und bei Fourth Down sprang Linebacker Germaine Pratt vor Zay Jones und fing den Pass ab.
Cincinnati Bengals vs. Las Vegas Raiders
Ergebnis: 26:19 (10:3, 10:10, 3:0, 3:6) BOXSCORE
Bengals vs. Raiders - die wichtigsten Statistiken
- Der letzte Playoff-Sieg der Cincinnati Bengals datierte bis dato vom 6. Januar 1991, ein 41:14 gegen die Houston Oilers in der Wildcard-Runde. Damals war eine Woche später in der Divisional-Runde Endstation - gegen die Los Angeles Raiders. Sieben Mal hatten die Bengals seitdem in der Postseason gespielt, alle sieben Spiele kamen zwischen Januar 2006 und Januar 2016. Bei jedem dieser sieben Anläufe kam direkt im ersten Spiel in der Wildcard-Runde das Aus.
- Bei Burrows irregulärem Touchdown-Pass vor der Halbzeitpause war er 0,1 Yards von der Seitenlinie entfernt, als er den Ball warf. Mit so wenig Abstand zur Seitenlinie hatte in der "Next Gen Stats"-Ära bisher kein Quarterback eine Completion geworfen.
- Die Raiders hatten allein im ersten Viertel drei False-Start-Penalties, in der gesamten Saison hatte kein Team mehr False Starts in einem einzelnen Viertel. Es folgten mehrere weitere in der zweiten Hälfte.
- Las Vegas beendete das Spiel mit mehr Total Yards (385:308), mehr Yards pro Play (5,4:5,0) und mehr First Downs (23:18). Wie schon im ersten Matchup zwischen diesen beiden Teams in dieser Saison konnte Las Vegas den Ball bewegen, teilweise besser als Cincinnati. Die Bengals aber hatten mehr Big Plays im Passspiel und mussten deutlich weniger über Third Down gehen als Las Vegas.
Der Star des Spiels: Ja'Marr Chase (WR, Bengals)
Es war ein sehr zähes Spiel in der zweiten Hälfte, aber das Team, das hier Nerven und seine Limitierungen zeigte, war nicht das junge Bengals-Team. Und es war offensichtlich, auf wen Cincinnatis Gameplan ausgerichtet war: Chase (9 REC, 116 YDS; 3 ATT, 23 YDS) war der klare Fixpunkt dieser Offense; Burrow und Chase waren der Motor dieses Bengals-Siegs. Ebenfalls überaus auffällig: Bengals-Safety Jessie Bates, der mehrere Plays in Coverage machte.
Der Flop des Spiels: Die Offensive Line der Raiders
Wir wussten, dass die Raiders-Line eine Schwachstelle sein würde - das Ausmaß war dennoch bitter und limitierte diese Offense unheimlich. Nicht nur, dass die Protection wackelte - die viel, viel zu zahlreichen Holding-Strafen kamen dann eben noch dazu, und das für eine Offense, die ohnehin - auch wegen eben jener Line - wenig Spielraum für Fehler hat.
Der Fokus soll auch hier in den Analysen auf den Spielern liegen; aber die Refs hätten durchaus ebenfalls hier stehen können. Die Szene beim Bengals-Touchdown kurz vor der Halbzeitpause, lange Abstimmungssequenzen, mehrere kleine Fehler die sich einfach summierten. Dass die NFL hier "All-Star-Crews" zusammenstellt, die dementsprechend nicht auf einer Wellenlänge funkt, störte den Spielfluss dieser Partie signifikant und das kann nicht im Interesse der Liga sein.
Analyse: Bengals vs. Raiders - die Taktiktafel
- Der erste - mutmaßlich geskriptete - Drive der Bengals ließ Hoffnungen aufkommen, dass Cincinnati hier offensiv davonziehen könnte. Burrow fand immer wieder Matchups mit Chase insbesondere gegen Brandon Facyson, Mixon bekam einige Runs gegen leichte Boxes und Cincinnati brachte seine Outside-Receiver mit Comebacks und kürzeren Outs ins Spiel, nachdem Cincinnati hier im ersten Duell mit den Raiders einige Probleme offenbart hatte.
- Doch nach dem Touchdown-Pass bei Third-and-Goal ging es nicht so erfolgreich weiter: Mixon sah weiter einige leichte Boxes und Cincinnati bewegte den Ball gut - doch nur bis in die Red Zone. Hier hatten die Bengals einige Probleme, in Protection, aber auch was die Passfenster für Burrow anging. Hier konnte man definitiv auch einige der Play-Calls kritisieren. Generell war Cincinnatis Play-Calling offensiv sehr up-and-down, nicht zuletzt waren es zu viele First-Down-Runs im Laufe der Partie.
- Was die Bengals im Gegenzug gut machten, war das Neutralisieren des Pass-Rushs. Quick Game, Double-Teams gegen Crosby, unter anderem: Cincinnatis Game Plan hatte das Neutralisieren des Pass-Rushs ganz offensichtlich als eine tragende Säule in den Game Plan für diese Partie eingebaut.
- Bei der Raiders-Offense auf der anderen Seite wurde eigentlich vom ersten Drive weg unterstrichen, wie wenig Spielraum für Fehler diese Offense aktuell hat. Explosive Elemente sind selten, die Outside-Receiver-Gruppe muss auf ein paar Plays von Zay Jones hoffen. Und so mussten die Raiders sehr häufig über Third Down gehen und wann immer die Offense in Down-and-Distance zurückfiel, hatte sie klare Probleme. Nicht nur in puncto Explosivität, sondern auch die O-Line-Probleme wurden dann deutlich aufgedeckt. Der Mangel an Alternativen wurde auch beim Drive spät im vierten Viertel deutlich, Las Vegas konnte nur mühsam das Feld runter gehen.
- Die Defense der Raiders hat durchaus versucht, auch ihre Coverage-Strukturen durchzumischen und nicht starr in ihren Single-High-Coverages zu sitzen. Doch es wurde überdeutlich, wie sehr diese Defense grundsätzlich davon abhängig ist, dass der 4-Man-Rush durchkommt. Las Vegas saß zu häufig in soften Zones dahinter oder wurde Eins-gegen-Eins gegen Chase dominiert. Umso stärker war dafür das Auftreten in der Red Zone.
- Man muss Cincinnati anschließend daran aber auch dafür kritisieren, dass die Bengals den Deckel nicht auf diese Partie bekamen. Das betrifft das bereits angesprochene Verhalten in der Red Zone, aber auch die Art und Weise, wie Taylor den Drive spät im Spiel managte, als Cincinnati mit der eigenen Offense die Partie hätte beenden können.