Clark Hunt, Eigentümer der Kansas City Chiefs, spricht im Interview mit SPOX über die Bedeutung des deutschen Marktes und hat eine besondere Message für alle Fans in Deutschland!
Die Hunt-Familie ist vielleicht die sportverrückteste der Welt. Haroldson Lafayette "H.L." Hunt jr. war einst der erste Öl-Milliardär der Geschichte und legte den Grundstein dafür, dass sein Sohn Lamar zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten in der (US-)Sportgeschichte wurde. Er war es auch, der den Namen Super Bowl erfand.
Die Geschichte dahinter erzählte Dan Hunt bereits in einem ausführlichen SPOX-Interview.
Die Hunts waren unter anderem 1996 Mitbegründer der Major League Soccer (MLS), heute gehören ihnen der FC Dallas und vor allem die Kansas City Chiefs.
Chiefs-Besitzer Clark Hunt (57) verrät im Gespräch mit SPOX, wie seine Liebe zu Deutschland zustande kam, wie ihn Uli Hoeneß inspiriert hat und wie man in der heutigen NFL an einer Dynastie arbeitet.
Clark, aktuell läuft die vielleicht spannendste Zeit eines NFL-Jahres überhaupt: die Teambuilding-Phase. Fans aller Teams hoffen auf den großen Wurf und auf die neue Saison. Wie schafft man es, in der heutigen NFL eine Dynastie zu erschaffen?
Clark Hunt: Es ist unfassbar schwierig, eine Dynastie aufzubauen. Das System in der NFL ist dafür einfach nicht gemacht. Es ist so angelegt, dass wir eine möglichst große Chancengleichheit in der Liga haben. Und die letzte Saison war der beste Beweis dafür, dass das System funktioniert. Die Bengals mussten über viele Jahre schwere Zeiten mitmachen und plötzlich hätten sie fast den Super Bowl gewonnen. Sie waren so knapp dran. Vor jeder Saison hat jedes Team eine wirkliche Chance, den Super Bowl zu gewinnen.
Aber die Chiefs sind mit dem unglaublichen Erfolg der letzten Jahre zwar keine Dynastie, aber doch unglaublich konstant dominant.
Hunt: Und der Grund dafür ist simpel: Wir haben Patrick Mahomes. Wir haben einen unfassbaren Franchise-Quarterback. Hast du den nicht, bist du verloren. Und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Wir hatten in Kansas City 50 Jahre lang keinen Franchise-Quarterback. Der letzte vor Patrick Mahomes war Len Dawson. In den 70ern! Ohne solch einen QB ist es fast unmöglich, ein Championship-Team aufzubauen. Du brauchst das höchste Niveau auf der QB-Position und dazu das höchste Niveau an der Seitenlinie. Wenn du einen sehr besonderen Quarterback mit einem sehr besonderen Coach paarst, dann kannst du konstant Erfolg haben. Das ist der Schlüssel. Genau das haben wir bei den Patriots mit Tom Brady und Bill Belichick gesehen und genau das haben wir bei den Chiefs zum Glück mit Mahomes und Andy Reid. Es ist in erster Linie ihr Verdienst, dass wir viermal in Folge - zuhause - im AFC Championship Game standen und vor zwei Jahren den Super Bowl gewonnen haben.
gettyHunt: "Beckenbauer war einer meiner ersten Helden"
Wie wichtig ist es Ihnen, eine moderne Franchise zu sein? Das Thema Analytics hat in der NFL zum Beispiel immer mehr an Bedeutung gewonnen.
Hunt: Sehr wichtig. Das Thema Analytics, der Fokus auf datenbasierte Entscheidungen, ist ja in vielen Sportarten in den letzten zehn Jahren immer größer geworden. Ich kann es ihnen ganz plastisch erklären: Wenn wir aktuell Entscheidungen treffen, welchen Free Agent wir holen, welchen Spieler wir abgeben, welche Talente wir im Draft attackieren, dann werden diese Entscheidungen zu einem großen Teil datenbasiert getroffen. Es ist natürlich nicht die einzige Komponente, aber es spielt eine große Rolle. Und ich glaube, dass die Bedeutung in Zukunft nur noch weiter wachsen wird. Wir wollen bei dieser Entwicklung als Franchise vorne dabei sein.
Inwieweit tauschen Sie sich darüber und über vieles mehr mit dem FC Bayern aus?
Hunt: Wir stehen zu allen möglichen Themen in engem Austausch mit dem FC Bayern. Ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr ich diese Partnerschaft zwischen den Chiefs, dem FC Dallas und den Bayern liebe, für mich ist sie auch persönlich etwas ganz Besonderes.
Warum ist das so?
Hunt: Sie müssen wissen, dass ich mich in den 70er-Jahren in Fußball verliebt habe. Und nicht nur ich, unsere ganze Familie. Wir haben alle Fußball-Weltmeisterschaften besucht, meine erste war die WM in Deutschland 1974. Ich war live dabei zu einer Zeit, als Deutschland eine seiner vielen Hochphasen hatte und ich habe gesehen, wie Franz Beckenbauer die deutsche Mannschaft zum WM-Titel geführt hat. Der Kaiser! Er war einer meiner ersten großen Sporthelden. Auch wegen ihm habe ich dann angefangen, selbst Fußball zu spielen. Als ich kleiner war als offensiver Mittelfeldspieler und Stürmer, später am College dann als rechter Außenverteidiger. Da wurde ich dann hin verfrachtet, die Position passte wohl besser zu meinem bescheidenen Talent. (lacht) Mein Bruder Dan war viel besser als ich.
Clark Hunt über die Fußball-WM und den Super-Bowl-Triumph
Sie waren wirklich mit der ganzen Familie bei den Weltmeisterschaften?
Hunt: Absolut. Ich habe letztens erst darüber nachgedacht, wieviel Glück ich in meinem Leben hatte, dass ich so viele Sportevents besuchen durfte in den letzten 50 Jahren. Mein Vater war sogar so verrückt, dass wir oft zwei WM-Spiele an einem Tag in zwei verschiedenen Städten gesehen haben. Wir waren bei einem Spiel, sind dann sofort zum Auto gerast und zum nächsten Spiel in die nächste Stadt weitergefahren. Das war herrlich! Ich habe so viele schöne Erinnerungen, aus ganz verschiedenen Sportarten. Fußball, Basketball, weil mein Dad damals Anteile an den Chicago Bulls kaufte, auch im Tennis waren wir unterwegs, aber ich muss zugeben, dass nichts den Super-Bowl-Triumph vor zwei Jahren in Miami schlägt. Wenn du dann die Vince Lombardi Trophy überreicht bekommst, wird für dich der größte Traum wahr, den du überhaupt hast. Und wir waren ja zuvor 50 Jahre nicht mehr im Super Bowl gestanden - diesen Moment werde ich nie wieder vergessen.
Franz Beckenbauer und Co. waren Ihre Helden, wie war es, so viele Jahre später geschäftlich mit ihnen zu tun zu haben?
Hunt: Das ist eine unglaubliche Freude und Erfahrung für mich. Egal, ob es Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeneß ist, das sind alles so tolle Persönlichkeiten mit so viel Know-how. Sie sind extrem leidenschaftlich in dem, was sie tun. Und sie haben immer sehr darauf geachtet, dass der FC Bayern, auch wenn er so ein großer Klub in der Welt geworden ist, trotzdem eine große Familie bleibt. Ob Spieler, Trainer oder Mitarbeiter, jeder fühlt sich als Teil der Bayern-Familie. Dieser Ansatz verbindet uns, das ist uns auch bei den Chiefs sehr wichtig.
Gibt es etwas, dass Sie von jemandem wie Uli Hoeneß gelernt haben?
Hunt: Oh, jede Menge. Ich hatte Uli schon mal vor 20 Jahren in München durch einen gemeinsamen Bekannten kennenlernen dürfen und war sofort beeindruckt. Es gibt viele Punkte, aber der wichtigste Aspekt für mich ist das Streben nach Exzellenz. Uli war immer jemand, der mit seinem Klub an die Spitze wollte, der in jeglicher Hinsicht der Beste sein wollte. Das hat mich inspiriert.
Nicht viele können es so gut beurteilen wie Sie: Wo sehen Sie aktuell den Stellenwert des Fußballs in den USA? Von außen betrachtet scheint das Potenzial noch lange nicht erschöpft, teilweise entscheiden sich Talente inzwischen sogar eher für Fußball als für American Football.
Hunt: Ich bin davon überzeugt, dass der Fußball sich hinter American Football ganz klar zur Sportart Nummer zwei in den USA entwickeln wird. Die Zukunft ist rosig. Unsere Familie ist seit Ewigkeiten in beiden Sportarten aktiv, wir haben die Entwicklung genau verfolgt. Mein Vater hat sehr früh das Potenzial des Fußballs erkannt, aber damals war die Zeit noch nicht reif. Damals gab es noch nicht das Fundament. Das wurde dann durch die WM 1994 in den USA gelegt und seitdem geht es stetig bergauf. Die WM 1994 hat Fußball in den USA wachgeküsst. Wir müssen uns nur das Wachstum der MLS vor Augen führen in den letzten 25 Jahren. Am Anfang war das Niveau und das Interesse noch gering, aber jetzt haben wir 30 Teams in der Liga. Und ein Expansion-Team wie Charlotte hat erst kürzlich einen neuen Zuschauer-Rekord aufgestellt, 74.500 Fans sind da im Stadion gewesen! Und die Qualität ist auch enorm gestiegen. Ich glaube, dass die MLS auf dem Weg ist, eine richtig gute Liga zu werden. Vielleicht schaffen wir es, eines Tages die Bundesliga herauszufordern. (lacht)
Im nächsten Schritt werden Sie jetzt erstmal mit den Chiefs in einem Bundesliga-Stadion spielen ...
Hunt: Ja, hoffentlich sehr bald! Wenn es in diesem Jahr noch nicht so weit sein sollte, dann auf jeden Fall im nächsten Jahr. Wir wissen es selbst noch nicht. Der Weg nach Deutschland ist für die NFL insgesamt eine sehr große und wichtige Geschichte und für uns bei den Chiefs auch. Wir haben uns die Marketing-Rechte nicht gesichert, um hier und da ein bisschen was zu machen. Für uns ist Deutschland extrem wichtig. Wir haben bereits eigene Deutschland-Kanäle auf Social-Media-Plattformen und das soll nur der Anfang sein. Wir haben mit den Chiefs eine große Fanbase in den USA und jetzt wollen wir mit den Chiefs die größte American-Football-Marke in Deutschland werden. Wir werden sehr hart dafür arbeiten, um das zu erreichen. Sie haben gehört, welch spezielle Bindung meine Familie seit vielen Jahren zu Deutschland hat. Das Chiefs Kingdom ist bereit, nach Deutschland zu kommen. Patrick Mahomes freut sich schon total, nach Deutschland zu kommen. Wir sehen uns bald, das ist meine Message an alle Fans in Deutschland.
FC BayernHunt: "Patrick Mahomes ist kein typischer Superstar"
Haben Sie mit Mahomes über Deutschland gesprochen?
Hunt: Auf jeden Fall, und nicht nur einmal. Seit wir die Kooperation mit den Bayern haben, war es immer ein Thema mit Patrick, dass wir es hoffentlich schaffen, nach Deutschland zu kommen. Patrick ist heiß darauf, in Deutschland zu spielen.
Wenn Sie Mahomes beschreiben müssten, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Hunt: Rein sportlich betrachtet ist er einfach ein unfassbarer Spieler. Er ist ein Spieler, den du in einer Generation nur einmal erlebst, so talentiert ist er. Dazu kommt, dass all diese Superstars nicht nur die wahnsinnigen physischen Fähigkeiten besitzen, sondern dass sie auch mental auf einem anderen Niveau sind als alle anderen. Da ist Patrick Mahomes genau gleich wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi im Fußball. Diese mentale Überlegenheit erlaubt es ihnen, auf dem Feld dann solche Leistungen zu bringen. Ich kann aber nicht über Patrick sprechen, ohne dabei zu erwähnen, was für ein feiner Kerl er ist. Ja, er ist einer der größten Superstars in der NFL, aber er ist vor allem ein wunderbarer junger Mann. Das ist einfach die Wahrheit. Jeder, der ihn kennenlernt und sieht, was er bei uns auch in der Community Gutes tut, versteht, warum die Fans so eine enge Bindung zu ihm haben. Seine Demut und Bescheidenheit machen ihn zu mehr als einem besonderen Sportler, er ist kein typischer Superstar.
Sie haben erwähnt, dass es neben dem Franchise-Quarterback auch den entsprechenden Coach braucht. Wie viel Andy Reid steckt im Erfolg der Chiefs?
Hunt: Viel, sehr viel. Andy ist seit fast 25 Jahren einer der besten Coaches in der NFL. Ich kann mir keine bessere Führungspersönlichkeit vorstellen. Er arbeitet unglaublich hart, während der Saison arbeitet er eigentlich rund um die Uhr. Er legt extrem viel Wert aufs Detail und er hat vor allem die große Gabe, eine besondere Beziehung zu seinen Spielern aufzubauen. Das macht einen großen Coach aus und ist für mich der Schlüssel für seinen langjährigen Erfolg. Die Spieler wissen bei Andy immer, wo sie stehen. Auch wenn er eine enge Beziehung zu seinen Spielern pflegt, hat er keine Angst, ihnen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Er macht klare Ansagen und lässt auch nichts durchgehen. Er ist ehrlich zu den Spielern und das wissen die Jungs zu schätzen. Andy hat mir übrigens erzählt, wie viel Freude er an seinem Gespräch mit Julian Nagelsmann hatte. Die besten Coaches, egal aus welchem Sport sie kommen, haben immer sofort eine Basis für ein Gespräch und sie lieben es, sich gegenseitig über Themen wie Teamführung auszutauschen. Es hat sofort gepasst zwischen ihnen.