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NFL: Ein neuer Contender in der AFC? Die Los Angeles Chargers machen ernst

Von Alex Weber
Justin Herbert wurde im NFL Draft 2020 mit dem 6. Pick von den L.A. Chargers ausgewählt.
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Die Los Angeles Chargers haben durch den Trade für Khalil Mack und durch die Verpflichtung von J.C. Jackson aufhorchen lassen. Doch reicht das auch, um in einer erneut stark aufgestellten AFC in den Kreis der Contender zu rücken?

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"Das Ziel dieser Offseason wird sein, ein komplettes Football-Team mit einem tiefen Kader zu werden", erklärte Chargers-Head-Coach Brandon Staley zuletzt bei einer Pressekonferenz beim NFL-Combine. "Unsere Defensive Front und das Defensive Backfield sind Bereiche, auf die wir da besonders achten werden."

Gesagt, getan: Mit dem Trade für Outside Linebacker Khalil Mack und mit der Verpflichtung von Cornerback J.C. Jackson gelangen den Chargers zwei der größten Splash-Moves dieser frühen Offseason-Phase und gleichzeitig konnte man dadurch zwei große Lücken füllen.

Auf dem Papier haben die Chargers damit einen der besten Kader der gesamten Liga und einen jungen Quarterback, der aktuell noch sehr günstig ist. "Dieses Jahr können wir attackieren, weil wir jede Menge Cap Space haben und einen Quarterback auf einem Rookie-Deal", erklärte General Manager Tom Telesco. "Unser Ziel ist, ein Herausforderer zu sein und um eine Championship mitzuspielen."

Wirft man einen Blick auf das Depth Chart der Chargers, ist man bis auf die Position des Right Tackles überall zumindest solide aufgestellt. Durch die Verpflichtung von Jackson, der über fünf Jahre und 82,5 Millionen Dollar unterschrieb, hat man nun einen klaren Nummer-1-Cornerback in den eigenen Reihen. Seitdem er 2018 als Undrafted Free Agent in die Liga kam, holte er in vier Jahren mit den New England Patriots 25 Interceptions - kein anderer Spieler in der Liga schaffte in diesem Zeitraum mehr.

Der andere große Move der Chargers in dieser Offseason war der Trade für Mack. Mit ihm und Joey Bosa haben die Bolts eines der besten Pass-Rush-Duos der gesamten Liga, zudem hilft Mack, die grauenhafte Run Defense der letzten Saison zu verbessern. Der Trade macht deutlich, dass Staley bei Personalfragen einiges an Mitspracherecht hat. Telesco tradet quasi so gut wie nie Draft-Picks für Spieler von anderen Teams. Mack, den Staley bereits 2018 bei den Chicago Bears trainierte, dürfte wohl vor allem der Wunschspieler des Head Coaches gewesen sein.

Konstanz in der Offensive - frischer Wind für die Defense

Vor dem Start der Free Agency konnten sich die Chargers zudem mit Wide Receiver Mike Williams auf einen neuen Vertrag über drei Jahre und 60 Millionen Dollar einigen. Die Chargers sind damit das einzige Team der Liga, das zwei Receivern mehr als 20 Millionen pro Jahr bezahlt. Der 1-2-Punch aus Williams und Keenan Allen hat sich für die Chargers bezahlt gemacht und die beiden langfristig als Anspielstationen für Herbert in L.A. zu halten macht durchaus Sinn.

Komplementiert wird die bisherige Offseason der Chargers durch zwei Verpflichtungen in der Defensive Line: Mit Sebastian Joseph-Day und Austin Johnson kommen zwei Spieler, deren Hauptaufgabe es sein wird, die Run Defense in Los Angeles wieder auf Vordermann zu bringen. Joseph-Day spielte bereits bei den Rams unter Staley und dürfte dadurch wenig Eingewöhnungszeit in der Chargers-Defense brauchen.

Während der Fokus in der letzten Offseason ganz klar darauf lag, die O-Line um Herbert zu verbessern, wurde dieses Jahr versucht, die Defense umzukrempeln.

Die bisherigen Moves der Chargers wirken durchaus vielversprechend - jetzt muss das Team nach einem enttäuschenden Abschluss der letzten Saison den nächsten Schritt machen, um in den Kreis der Titelkandidaten aufzusteigen.

Keenan Allen (r.) und Mike Williams (l.) gehören zu den besten WR-Duos der Liga.
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Keenan Allen (r.) und Mike Williams (l.) gehören zu den besten WR-Duos der Liga.

L.A. Chargers: Welche Lücken gibt es noch im Kader?

Ein paar Lücken weist der Kader der Chargers aber auch nach den bisherigen Verstärkungen noch auf. Das größte Fragezeichen steht aktuell wohl hinter der Position des Right Tackles. Auf dem Markt gäbe es noch ein paar solide Optionen, wie zum Beispiel Trent Brown, der letztes Jahr eine gute Saison bei den New England Patriots spielte. Doch wenn die Chargers einen Free Agent für die Position holen möchten, wird sein Preisschild dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Durch die bisherigen Verpflichtungen haben Telesco und Staley den Großteil ihres Cap Space bereits verbraucht und werden vermutlich nicht in der Lage sein, viel Geld in eine Verpflichtung eines Right Tackles zu stecken. Eine andere Option wäre, den Posten mit dem Erstrundenpick im kommenden Draft zu adressieren. Dieses Jahr gibt einige gute Optionen auf der Tackle-Position und mit dem 17. Pick könnte L.A. hier möglicherweise eine potenzielle Lösung identifizieren.

Auch auf der Linebacker-Position könnte Bedarf bestehen, sofern die Chargers nicht in der Lage sind, mit Kyzir White zu verlängern, der letztes Jahr eine gute Saison gespielt hat. Zudem würde ein zusätzlicher Wide Receiver helfen, die Offense noch gefährlicher zu machen. Jalen Guyton ist eine solide Nummer drei und ein guter Deep Threat, falls man in Runde 1 aber zum Beispiel Jameson Williams von Alabama oder Chris Olave von Ohio State auswählt, würde das die Offense noch weiter öffnen.

Gehören die Chargers bereits zum Kreis der Contender?

Durch die bisherigen Verstärkungen und der Annahme, dass Herbert in seinem dritten Jahr in der Liga nochmal eine Schippe drauflegen kann, ist es mit Sicherheit plausibel, die Chargers zum Kreis der Contender in der AFC zu zählen. Die Offensive, die vergangene Saison mit durchschnittlich 27,9 Punkten pro Spiel den fünftbesten Wert der Liga auflegte, bringt alle wichtigen Akteure in die neue Spielzeit mit.

Die Defensive dürfte allein durch die Verpflichtungen von Mack und Jackson einen Sprung nach vorne machen. Mit Joseph-Day und Johnson konnte man zudem zwei Spieler holen, welche die Run Defense verbessern werden. Die Tiefe des Kaders ist zwar immer noch ein kleines Fragezeichen, doch die Chargers haben in dieser Offseason noch mehr als genug Zeit, sich auch noch in der Breite zu verstärken.

Wie weit die Chargers kommen, wird auch davon abhängen, wie man sich in der eigenen Division schlagen wird. Letztes Jahr gehörte die AFC West bereits zu den besten Divisions der Liga, durch den Russell-Wilson-Trade zu den Denver Broncos, ist sie dieses Jahr nun noch stärker als im Vorjahr. Man könnte durchaus argumentieren, dass die AFC West nächste Saison die stärkste Division der gesamten NFL sein wird.

Die Kansas City Chiefs werden sowieso gewohnt stark sein und auch die Las Vegas Raiders haben mit der Verpflichtung von Chandler Jones nochmal unter Beweis gestellt, dass sie nächste Saison um die Division-Krone mitspielen wollen. Was den Kader betrifft, ist L.A. jetzt zwar deutlich besser aufgestellt als im Vorjahr, es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass man letztes Jahr eine Bilanz von 3-3 in der Division hatte.

Auch Brandon Staley steht nun in der Pflicht

Den Anspruch, nächste Saison um den Super Bowl mitzuspielen, haben die Chargers in dieser Offseason unter Beweis gestellt. Der Mack-Trade bringt durchaus ein Risiko mit sich, doch der Ansatz, das Zeitfenster zu maximieren, solange Herbert noch auf dem vergleichsweise günstigen Rookie-Vertrag spielt, ist absolut richtig.

Staley wird als Head Coach und defensiver Play Caller in der Pflicht stehen, die auf dem Papier stark verbesserte Defensive zu einer Einheit zu formen, die um den Titel mitspielen kann. Letztes Jahr sorgte die desaströse Run Defense dafür, dass man sich viel zu oft in 3rd-and-Short-Situationen befand. Das darf dieses Jahr nicht erneut passieren, wenn man ernsthaft oben mitspielen will.

Trotzdem ist die Ausgangslage der Chargers für nächstes Jahr wirklich gut: Mit Bosa, Mack, Jackson und Derwin James hat man jetzt einige Spieler in der Defensive, die den Unterschied machen können.

In der Offensive hat man völlig zurecht auf Konstanz gesetzt und den Kern aus Herbert, Williams, Allen und Austin Ekeler zusammengehalten. Wenn die Chargers ihr Potenzial nächstes Jahr aufs Feld bringen können, dann gibt es keinen Grund, warum eine Mannschaft aus Los Angeles nicht auch im zweiten Jahr in Folge den Super Bowl gewinnen könnte.

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