Bei der öffentlichen Betrachtung des Caps begegnet man häufig in erster Linie Extremen.
Dabei gibt es eigentlich zwischen "Der Cap ist sowieso nur Fake", wenn die Saints wieder einmal nicht nur 70 Millionen Dollar einsparen, sondern zusätzlich auch noch ihre eigenen Free Agents teuer bezahlen können, und "Team X hat keinen Cap Space, also können sie auch nicht aggressiv vorgehen", jede Menge Nuancen.
Diese werden zugegebenermaßen gerne mal auch von offizieller Seite ignoriert - etwa bei der Betrachtung von Verträgen. Die erste Zahl, die von den Beratern an die Insider weitergegeben wird, ist meist der absolute Best Case für den eigenen Klienten. Die Berater wollen ihre Verhandlungskünste selbstredend bestmöglich darstellen und "fünf Jahre, 90 Millionen Dollar" klingt eben besser als "30 Millionen über die ersten drei Jahre garantiert, und dann mal schauen".
In beiden Fällen liegt der Schlüssel zur Analyse der Free Agency vor allem im Detail. Das gilt für Verträge - dazu später mehr -, aber auch für den Cap.
Der Salary Cap ist nicht "nur Fake". Gleichzeitig gibt es für Teams in den allermeisten Fällen tatsächlich Möglichkeiten, um kurzfristig Spielraum zu kreieren.
Aber auch hier gibt es Limitierungen, und während New Orleans letztes Jahr nochmal einiges an Platz kreieren konnte, um zumindest eigene Free Agents zu halten - externe Verbesserungen einzukaufen war in diesem Konstrukt schon kaum noch möglich - wird man dieses Jahr hier im Big Easy deutlich limitierter sein.
Aber wie genau können Teams eigentlich Cap Space kreieren? Worauf gilt es, bei Verträgen zu achten? Und wie funktioniert der Cap in der NFL überhaupt? Ein Überblick vor dem Start der Free Agency.
So funktioniert der Salary Cap in der NFL
Die ganz simple Antwort hier lautet: Der Salary Cap beschreibt die Gehaltsobergrenze. Der Salary Cap für ein Jahr legt also fest, wie viel Geld in diesem Jahr in die Gehälter des Kaders gesteckt werden darf - aus Cap-Perspektive.
Diese erste Unterscheidung ist wichtig, denn das, was der Spieler auf sein Konto überwiesen bekommt, ist häufig drastisch anders als die Zahl, mit welcher er im gleichen Jahr den Cap seines Teams belastet.
Das CBA - also die Vereinbarung zwischen Spieler-Vertretung und der Liga - bestimmt die Rahmenbedingungen für die Berechnung des Caps. Dabei werden die Gesamt-Einkünfte, welche die Liga erzielt, zwischen den Teambesitzern und den Spielern aufgeteilt; aus dem "Spieler-Topf", der bei knapp 50 Prozent liegt, wird der Cap verteilt.
Vereinfacht gesagt: Knapp 50 Prozent der Gesamt-Einkünfte der Liga geteilt durch 32 - die Anzahl der Teams - ergibt den Salary Cap für jedes Team.
Das aber ist dann nur die Ausgangslage für die weiteren Kalkulationen für alle Teams im Einzelfall. Manche Teams haben Cap Space aus dem Vorjahr mitgenommen, andere müssen jede Menge Dead Cap - also noch offene Cap Hits von Spielern, die gar nicht mehr unter Vertrag stehen - "abbezahlen".
NFL: Salary-Cap-Entwicklung über die letzten Jahre im Überblick
Jahr | Cap Maximum | Cap-Anstieg ($) | Cap-Anstieg (%) |
2022 | 208,2 Mio. Dollar | 25,7 Mio. Dollar | 14,08% |
2021 | 182,5 Mio. Dollar | - 15,7 Mio. Dollar | -7,92% |
2020 | 198,2 Mio. Dollar | 10 Mio. Dollar | 5,31% |
2019 | 188,2 Mio. Dollar | 11 Mio. Dollar | 6,21% |
2018 | 177,2 Mio. Dollar | 10,2 Mio. Dollar | 6,11% |
2017 | 167 Mio. Dollar | 11,73 Mio. Dollar | 7,55% |
2016 | 155,27 Mio. Dollar | 11,99 Mio. Dollar | 8,37% |
2015 | 143,28 Mio. Dollar | 10,28 Mio. Dollar | 7,73% |
2014 | 133 Mio. Dollar | 9,4 Mio. Dollar | 7,61% |
2013 | 123,6 Mio. Dollar | 3 Mio. Dollar | 2,49% |
NFL-Verträge verstehen: Garantien als oberste Priorität
Als Beispiel dafür, wie man Verträge in der NFL sinnvoll lesen kann, dient hier der Vertrag von Bud Dupree, der in der vergangenen Free Agency in Tennessee unterschrieben hat.
Im Gesamtvolumen war es der zweitteuerste Vertrag der vergangenen Free Agency, mit 82,5 Millionen Dollar über fünf Jahre. Das ist auch die Zahl, die dann meist zuerst durchsickert - die Berater wollen schließlich das bestmögliche Szenario weitergeben.
Der Blick in die Details gibt jedoch ein anderes Bild: "Nur" 35 Millionen Dollar sind garantiert: Der Unterschriftsbonus (16 Millionen Dollar), das Basis-Gehalt 2021 (1,75 Millionen Dollar) und 2022 (16 Millionen Dollar), sowie 1,25 Millionen Dollar seines 2023er Gehalts, welche garantiert werden, wenn er am 5. Tag des 2022er Liga-Jahres im Kader steht.
So sieht der Vertrag im Detail aus:
Jahr | Basisgehalt | Unterschriftsbonus | Cap Hit | Dead Cap bei Entlassung |
2021 | 1,75 Mio. Dollar | 3,2 Mio. Dollar | 5,1 Mio. Dollar | 33,75 Mio. Dollar |
2022 | 16 Mio. Dollar | 3,2 Mio. Dollar | 19,2 Mio. Dollar | 28,8 Mio. Dollar |
2023 | 17 Mio. Dollar | 3,2 Mio. Dollar | 20,2 Mio. Dollar | 9,6 Mio. Dollar |
2024 | 16 Mio. Dollar | 3,2 Mio. Dollar | 19,2 Mio. Dollar | 6,4 Mio. Dollar |
2025 | 15,5 Mio. Dollar | 3,2 Mio. Dollar | 18,7 Mio. Dollar | 3,2 Mio. Dollar |
Der Unterschriftsbonus in Höhe von 16 Millionen Dollar ist vollständig garantiert und wird bei der Unterschrift ausgezahlt, aus Cap-Perspektive allerdings wird der Cap Hit zu gleichen Teilen auf fünf Jahre verteilt.
Der aufgeteilte Unterschriftsbonus macht in den meisten Fällen auch den Großteil der Dead-Cap-Summe aus, also die Zahl, die in den Büchern bleibt, auch nachdem ein Spieler entlassen wurde.
Duprees Vertrag veranschaulicht das sehr gut: Die Titans könnten sich nach der kommenden Saison von ihm trennen, dann würden 9,6 Millionen Dollar an Dead Cap übrig bleiben - eben noch dreimal 3,2 Millionen Dollar des aus Cap-Perspektive aufgeteilten Unterschriftsbonus.
In dem Fall hätte Dupree nicht für fünf Jahre und 82,5 Millionen Dollar in Tennessee gespielt, sondern für zwei Jahre und 35 Millionen Dollar.
Mit den früh verankerten Garantien und keinen weiteren Garantien mehr für 2024 und 2025 wird sich Bud Dupree die weiteren Vertragsjahre verdienen müssen; die Titans würden ab 2023 aus Cap-Perspektive eine zweistellige Millionen-Summe einsparen, wenn sie sich von dem Pass-Rusher trennen.
Wenn in den ersten Tagen der Free Agency dann hoch dotierte Verträge und jede Menge Zahlen von Liga-Insidern nur so rausgeschossen werden, ist es meist eine gute Faustregel für den Hinterkopf, dass diese Zahlen von den Beratern an die Insider weitergegeben werden.
Wirklich bewerten kann man die Verträge erst, wenn man die Struktur sieht. Wie die Garantien für den Spieler verteilt sind, welcher Teil des Gehalts in späteren Jahren garantiert ist, ob es bestimmte Deadlines gibt, an denen weitere Summen garantiert werden und an welchen Punkten das Team aus dem Vertrag rauskommt.
Wie kreieren NFL-Teams Cap Space?
Einen Spieler zu entlassen, dessen Leistungen nicht mehr seinem Vertrag entsprechen und bei dem die Dead-Cap-Summe - also die Zahl, die für dieses Jahr in Büchern bleibt - geringer ist als der Cap Hit, sollte er im Team bleiben, ist eine simple Möglichkeit, um Cap Space zu kreieren.
Alternativ treten Teams auch mit dem Wunsch einer Gehaltskürzung an Veteranen heran, häufig erhält der Spieler im Gegenzug einen größeren Teil seines Gehalts garantiert und ist so besser abgesichert.
Mit am häufigsten allerdings wird man in den kommenden Wochen von "Vertragsumstrukturierungen" hören. Der einfachste Weg dafür sind Stars mit noch langfristigen Verträgen und einem hohen Basisgehalt, welches in einen Unterschriftsbonus umgewandelt werden kann - dieser würde dann, was den Cap angeht, auf die restlichen Jahre der Vertragslaufzeit aufgeteilt werden.
Ein Beispiel: Die Los Angeles Rams könnten Jalen Ramseys Basisgehalt für 2022 von 15 auf zwei Millionen Dollar runterschrauben, und die 13 Millionen Dollar als Unterschriftsbonus auf die noch ausstehenden vier Jahre seines Vertrags verteilen. Das würde L.A. über zehn Millionen Dollar an Cap Space für 2022 bescheren - und analog dazu die Cap Hits der Folgejahre erhöhen.
Void-Jahre: Probleme in die Zukunft schieben
Ein weiteres Mittel, um teure Verträge zu vergeben, ohne direkt einen hohen Cap Hit schlucken zu müssen, oder aber auch, um kurzfristig finanziellen Spielraum via Umstrukturierung zu schaffen, sind die sogenannten "Void Years". Das sind Vertragsjahre, die aus Cap-Gründen hinzugefügt werden, ohne dass der Vertrag tatsächlich verlängert wird.
Sagen wir, die Seahwaks würden All-In mit Russell Wilson gehen wollen, ohne aber direkt teuer mit Wilson zu verlängern. Dafür bräuchte Seattle kurzfristig mehr finanziellen Spielraum, und Wilsons Vertrag würde das ermöglichen.
So sieht Wilsons Vertrag aktuell aus:
Jahr | Basisgehalt | Unterschriftsbonus | Kaderbonus | Cap Hit |
2022 | 19 Mio. Dollar | 13 Mio. Dollar | 5 Mio. Dollar | 37 Mio. Dollar |
2023 | 22 Mio. Dollar | 13 Mio. Dollar | 5 Mio. Dollar | 40 Mio. Dollar |
Der 33-Jährige ist aktuell noch für 2022 und 2023 an die Seahawks gebunden, mit einem Basisgehalt über 19 und 22 Millionen Dollar. Seattle könnte knapp 18 Millionen Dollar seines 2022er Basisgehalts in einen Unterschriftsbonus umwandeln, der dann aus Cap-Perspektive auf die restliche Vertragslaufzeit verteilt werden würde.
Das Problem damit wäre: Bei einer Rest-Vertragslaufzeit von noch zwei Jahren wäre der Effekt überschaubar. Seattle würde "nur" knapp zehn Millionen Dollar an Cap Space für 2022 gewinnen, der Cap Hit 2023 würde derweil von 40 auf fast 50 Millionen Dollar hochklettern.
Was Teams stattdessen machen können, sind sogenannte "Void-Jahre" an den Vertrag hinzufügen. Aus Sicht des Spielers sind das "Fake-Jahre", sein Vertrag läuft damit nicht länger; für das Team aber verändert sich die Cap-Struktur.
Wir bleiben bei dem Wilson-Vertrag, und der gleichen Umstrukturierung: 17,8 Millionen Dollar seines 2022er Basisgehalts werden in einen Unterschriftsbonus umgewandelt, doch statt den entsprechenden Cap Hit auf zwei Jahre zu verteilen, fügen die Seahawks drei "Void-Jahre" hinzu, mit einem beliebigen Basisgehalt. Aus Cap-Perspektive beträgt seine Vertragslaufzeit plötzlich fünf statt drei Jahre, ohne dass Wilsons Vertrag tatsächlich verlängert wurde.
Fünf Jahre ist hier der kritische Punkt, denn fünf Jahre sind das Maximum, wie weit ein Unterschriftsbonus aus Cap-Perspektive verteilt werden kann. Das Basisgehalt für 2022 geht also um 17,8 Millionen Dollar runter, diese 17,8 Millionen Dollar werden für den Moment auf fünf Jahre verteilt.
So sähe der neue Vertrag aus Cap-Sicht dann aus, der 15 Millionen Dollar an Cap-Spielraum für 2022 kreiert:
Jahr | Basisgehalt | Unterschriftsbonus | Kaderbonus | Cap Hit |
2022 | 1,2 Mio. Dollar | 16,5 Mio. Dollar | 5 Mio. Dollar | 22,7 Mio. Dollar |
2023 | 22 Mio. Dollar | 16,5 Mio. Dollar | 5 Mio. Dollar | 43,5 Mio. Dollar |
2024 | 45 Mio. Dollar | 3,5 Mio. Dollar | - | 48,5 Mio. Dollar |
2025 | 45 Mio. Dollar | 3,5 Mio. Dollar | - | 48,5 Mio. Dollar |
2026 | 45 Mio. Dollar | 3,5 Mio. Dollar | - | 48,5 Mio. Dollar |
Nochmal zur Erinnerung: Wilsons Vertrag wurde nicht tatsächlich verlängert, er wurde nur aus Cap-Gründen in die Länge gezogen. Dementsprechend wäre festgehalten, dass der Vertrag an einem bestimmten Punkt nach der 2023er Saison automatisch endet - und hier ist dann die Rechnung fällig.
Wilson würde in dem Fall, wie bisher mit seinem aktuellen Vertrag auch, nach der 2023er Saison Free Agent werden, Seattle hätte dann allerdings für 2024 10,5 Millionen Dollar - also drei Mal die 3,5 Millionen des aufgeteilten Unterschriftsbonus - noch in den Büchern stehen, unabhängig davon, ob Wilson geht oder bleibt. So haben die New Orleans Saints etwa den Vertrag von Drew Brees gegen Ende gemanagt.
Franchise Tag und Transition Tags: Wer kommt überhaupt auf den Markt?
Bevor es dann so richtig losgeht, bekommt die Free Agency aber erst einmal noch ihren jährlichen Dämpfer: Mehrere der im Vorfeld fleißig als Top-Free-Agents diskutierten Spieler werden den Franchise Tag bekommen, und sind somit keineswegs auf dem Markt verfügbar.
Packers-Receiver Davante Adams und Chiefs-Tackle Orlando Brown wären logische Kandidaten für den Tag in diesem Jahr.
Teams sichern sich damit die Rechte an einem Spieler, dessen Vertrag ausgelaufen wäre, für ein weiteres Jahr, alle Details zu den verschiedenen Optionen des Tags gibt es hier.
Gelegentlich nutzen Teams den Tag auch nur als Platzhalter, wenn bis zum Start der Free Agency keine Einigung mit dem Spieler erzielt werden konnte.
Bis zum 15. Juli können Spieler, die den Tag erhalten haben, einen langfristigen Vertrag unterzeichnen. Danach dürfen sie die kommende Saison nur unter dem Tag spielen. Teams dürfen den Franchise Tag darf nur noch bis zum 8. März vergeben.