NFL Draft 2022: Die besten Cornerbacks der Klasse - Physische Freaks mit klaren Fragezeichen

Marcus Blumberg
12. April 202210:02
Derek Stingley ist einer von zwei überragenden Cornerbacks im Draft 2022.getty
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Die Cornerback-Klasse im NFL Draft 2022 hält gerade an der Spitze ein paar sichere Starter bereit, die Teams sofort weiterhelfen könnten. Allerdings haben selbst die zwei Besten der Gruppe nicht zu verachtende Defizite, die Teams Sorgen bereiten könnten.

Andrew Booth Jr. - Clemson

Football-Coaches lieben wohl wenig mehr in einem Spieler als Intensität. Insofern könnten sie an Andrew Booth gefallen finden, denn er spielt dieses Spiel mit genau dieser - sowie mit großer Aggression.

Booth geht sehr motiviert ins Tackling, gerade auch gegen den Run. Allerdings ist er teilweise zu aggressiv und unsauber in seiner Technik in genau diesem Bereich. Er verlässt häufig den Boden beim Tackle und riskiert damit, den Tackle zu verpassen und viel Raum für einen Runner zu lassen.

Jedoch ist das auch nicht seine Kerndisziplin. Vielmehr reden wir hier über einen sehr guten Cornerback, der im Grunde auf kein System festgelegt ist. Er spielte zuletzt überwiegend Zone, doch war er auch häufig in Press-Man und Man-Coverage zu finden, eben weil Brent Venables' Defense in Clemson beides kombinierte. Damit ist er ein sehr guter All-Rounder, den man variabel einsetzen kann. Jedenfalls dann, wenn es um eine der Outside-Positionen geht, denn im Slot spielte Booth nur sporadisch.

Zu seinen besten Fähigkeiten zählen seine Füße, die ihn sehr beweglich machen und es ihm erlauben, an seinen Gegnern auch bei Richtungswechseln zu kleben. Allerdings übertreibt er es teilweise mit seinen Schritten, gerade wenn er in Coverage zu schnell auf Finten seiner Gegner reagiert und dann erstmal wieder in Position kommen muss.

Er bringt mit 1,83 Meter eine ordentliche Größe für einen NFL-Cornerback mit und ist damit auch in der Lage, höhere Bälle zu attackieren.

Andrew Booth: Reicht es für die erste Runde?

Er ist sehr agil in der Route und kann zur rechten Zeit beschleunigen, um etwaige Lücken kurz vor dem Catch zu schließen. Zudem hat er ein gutes Auge und schätzt die Flugbahn des Balls auf hohem Niveau ein, wodurch seine Antizipation ebenfalls sehr gut ist.

Woran er jedoch arbeiten muss, ist besagtes Tackling. Und er muss zurückhaltender werden, was die Reaktion auf das angeht, was er etwa vom Quarterback sieht. Zu oft fiel er auf dem College auf Pump Fakes und dergleichen rein. Manchmal scheint er auch generell zu viel nachzudenken, wenn der Ball noch nicht mal in der Luft ist. Darüber hinaus sollte er nicht allzu oft in Sprint-Duelle auf tiefen Routes verwickelt werden, denn dazu mag ihm der End-Speed ein wenig fehlen.

Was NFL-Teams zusätzlich Sorgen bereiten sollte, ist die Tatsache, dass er nicht allzu viel Erfahrung auf dem Feld mitbringt. Er wurde erst im Laufe der Saison 2020 zum Starter und war entsprechend nur 2021 als Vollzeit-Starter aktiv. Das heißt aber auch, dass er mit mehr Spielpraxis zeitnah noch besser werden sollte.

Durch seine Allrounder-Qualitäten kann Booth in nahezu jedem System spielen, agierte bei Clemson aber häufig in Shell-Konzepten, die auch in der NFL immer häufiger zum Einsatz kommen. Dadurch, dass er nicht auf spezielle System limitiert ist, ist es jedoch auch schwer, das perfekte Team für ihn zu finden.

Er könnte in Runde 1 von Board gehen, speziell wenn eines der besseren Teams am Ende der Runde schon am ersten Tag auf Cornerback gehen wollen. Doch ansonsten sehe ich seinen Spot früh am zweiten Tag, wenn die Teams, die früh in Runde 1 eher auf O-Line oder Pass Rush gegangen sind, dann die Secondary angehen wollen.

Kaiir Elam - Florida

Kaiir Elam sieht auf den ersten Blick schon wie ein Top-Cornerback aus. Er ist groß (1,88m), bringt rund 89 Kilogramm auf die Waage und ist für seine Statur auch recht schnell (40-Zeit: 4,39 Sekunden).

Damit ist er eigentlich wie gemacht für Press-Coverage, spielte aber auch sehr viel Zone für Florida. Wenn er Press spielte, gelang es ihm meist, den Receiver schon beim Release zu stören und damit früh zu gewinnen.

Er ist recht beweglich in den Hüften und verfügt über einen flüssigen Bewegungsablauf, der ihm auch bei schnellen Richtungswechseln hilft. Zudem bringt er gute Instinkte mit und ließ die Augen des Quarterbacks. Elam fällt er nur selten auf Double Moves der Receiver rein und hat keine Probleme, sich an der Seitenlinie in Laufduellen durchzusetzen. Darüber hinaus nutzt er seine Größe und Sprungkraft gut aus, um sich bei Jump Balls durchzusetzen.

Generell nutzt er seinen wuchtigen Körper, um sich gegen seine Gegner durchzusetzen. Ebenfalls sei erwähnt, dass Elam auf der High School als Wide Receiver aktiv war und durchaus überzeugte. Für ihn stehen 1490 Receiving Yards und 15 Touchdowns zu Buche.

Diese guten Ball Skills jedoch stellte er am College nicht unbedingt häufig unter Beweis. Ihm gelangen in den vergangenen zwei Jahren nur 3 Interceptions, während der zudem 5 Touchdowns abgab.

Allerdings übertreibt er es teilweise mit seinen Händen und kassierte dafür einige Strafen. In der abgelaufenen Saison waren es 7 in 10 Spielen. In der NFL dürften es mit besonderem Augenmerk auf Illegal Contact noch deutlich mehr werden, wenn er diese Tendenzen nicht abstellt.

Kaiir Elam: Fehlender End-Speed als Problem

Ebenfalls ist er zu schlagen, wenn es darum geht, abrupt abzustoppen und dann schnell wieder Speed aufzunehmen, wenn das Play vor ihm stattfindet und ein Receiver mit schnellen Bewegungen an ihm vorbei zieht. Das passiert vor allem dann, wenn er zu weit zurückgezogen agiert, dem Receiver also zu Beginn der Route zu viel Platz gibt.

Und auch wenn er eine anfängliche Quickness mitbringt, mangelt es ihm ein wenig an hohem End-Speed. Soll heißen: Speedster können an ihm vorbeiziehen und ihm die Rücklichter zeigen.

Auch muss er konsequenter sein in Sachen Tackling. Gerade wenn er im Run Game mithilft, fehlt ihm vielleicht noch etwas die Intensität und vor allem eine bessere Technik - es reicht nicht, mit seiner Physis in den Mann zu gehen, er muss auch konsequent die Arme nutzen, um den Gegner zu Boden zu bringen.

Darüber hinaus zeigte er Schwächen, wenn er Route-Kombinationen erkennen und entsprechend darauf reagieren musste.

Kaiir Elam: Findet er zur Topform zurück?

Die größte Red Flag bei ihm dürfte aber die Tatsache sein, dass Elam nicht unbedingt seine stärkste Saison im Jahr 2021 hingelegt hat. Nach einer Knieverletzung verpasste er drei Spiele und war danach merklich nicht mehr der Alte. Die große Frage für Teams also ist, ob er sich davon mittlerweile wieder erholt hat oder sich seine zuletzt gezeigten Leistungen fortsetzen werden.

Alles in allem darf man gespannt sein, ob es bei ihm für Runde 1 reicht. Wahrscheinlicher ist Runde 2, wenn die Top-Cornerbacks vom Board sind und Teams dennoch auf der Suche nach Leuten mit hoher Upside sind.

Wo könnte Elam also landen? Einen großen Cornerback, der vor allem Outside spielt, kann eigentlich jeder gebrauchen. Seine beste Rolle ist wohl Press-Zone, weil man dadurch seine Press-Qualitäten an der Line nutzen, ihn aber gleichzeitig nicht durch extrem schnelle Gegner entblößen würde. Ein Team, das sicher interessant wäre, sind die Arizona Cardinals, die auf Cornerback recht dünn besetzt sind und auch in Sachen Größe noch nachlegen könnten. Ebenso sollten die Chiefs interessiert sein, schließlich haben sie mit mit Charvarius Ward einen Starter verloren und ihn bislang nicht extern ersetzt.

Trent McDuffie - Washington

Cornerbacks, auf die man im Vorfeld des Drafts gerne am ehesten schaut, sind prototypische Cover-Corners, die sich eines Tages zu "Islands" entwickeln und den Nummer-1-Receiver des Gegners ausschalten. Trent McDuffie mag keiner von denen sein.

Das macht ihn aber nicht unattraktiv für nahezu jedes NFL-Team, das nach Verstärkungen in der Secondary sucht. Im Gegenteil! McDuffie kann eine sehr gute Ergänzung zu einer ohnehin schon gut bestückten Defensive-Back-Gruppe werden.

Aber: McDuffie ist verhältnismäßig klein im Vergleich zur Konkurrenz. Er misst gerade mal 1,80 Meter, bringt dafür aber stabile 88 Kilogramm auf die Waage.

Doch er setzt diesen Körper gewinnbringend ein. Man wird wohl in dieser Cornerback-Klasse keinen versierteren Tackler finden als McDuffie, der seine Masse mit viel Aggressivität effizient einsetzt und fast wie eine Abrissbirne agiert, wenn es darum geht, einen Ballträger zu stoppen.

Sein Kerngeschäft ist alles innerhalb der Überschrift "Zone Coverage". PFF hält ihn sogar für den besten Zone-Cornerback dieser Draftklasse. Für die Huskies spielte er überwiegend in Zone-Coverage und zeigte dabei stets gute Übersicht. Er bringt gute Instinkte mit erkennt sehr gut die gelaufenen Routes, was auch für Einsätze in Cover-3-Konzepten gilt.

Trent McDuffie: Zu klein für eine Nummer 1

Er ist kein Sprinter (40-Zeit: 4,44 Sekunden), ist aber schnell genug, um gerade bei Crossing Routes mitzugehen. Auch bringt er die nötige Beweglichkeit mit, um schnelle Richtungswechsel mitzumachen. Als nächster Verteidiger ließ er 2021 nie mehr als 39 Passing Yards in einem Spiel zu und nur 16 Receptions für 296 Yards insgesamt. Zudem hat er laut PFF nur 2 Deep Receptions (mehr als 20 Air Yards) in seiner gesamten College-Karriere abgegeben.

Aber natürlich hat er auch er Defizite. Allen voran dürfte es ihm seine Größe schwierig machen, die großen X-Receiver dieser Liga zu verteidigen. Auch fehlt ihm dazu dann wohl doch die Power, wenn es darum geht, solche dann nach dem Catch effektiv zu stoppen.

Zudem fällt auf, dass er in Press-Coverage - das spielte er zumindest teilweise auch in Washington - Probleme hat, aus den Startlöchern zu kommen. Er braucht etwas zu lange, um wirklich Kontakt mit dem Receiver aufzunehmen, wenn dieser seinen Release startet. Er mag zwar schnell beschleunigen, doch könnte er abgehängt werden, wenn es tatsächlich zu einem längeren Wettlauf mit einem Receiver kommt.

Darüber hinaus stellt sich bei ihm die Frage nach seinen Ball Skills. Kam in drei Jahren auf ganze zwei Interceptions und hatte auch nicht allzu viele Pass Breakups vorzuweisen.

Trent McDuffie: Zukunft im Slot?

Generell aber ist er der ideale Nummer-2-Cornerback für eine Defense, die vor allem auf Zone setzt. Auf dem College spielte er überwiegend Outside und sollte das auch in der NFL spielen können. Allerdings wäre er mit seinem Skill-Set sicherlich auch denkbar im Slot, obgleich er dort 38 Snaps seit 2019 gespielt hat.

Dadurch, dass er keine klassische Nummer-1-Option ist, dürften einige Teams eher andere Cornerbacks favorisieren, sodass McDuffie, der womöglich in der Top 20 landen, auch abrutschen könnte. Passen würde er indes zu nahezu jedem Team, dass vermehrt Zone spielt. Vielleicht sind es die Eagles, die an Position 15 oder 18 zuschlagen, vielleicht auch die Chargers (17), die scheinbar auch nach einem weiteren Cornerback neben J.C. Jackson und Asante Samuel Jr. suchen. Auch denkbar wären die Patriots (21), die offenbar selbst künftig mehr auf Zone setzen, oder die Bills, die Levi Wallace an die Steelers verloren haben.

In jedem Fall bekommt das Team, das McDuffie zieht, einen Cornerback, der sich schnell zurechtfinden wird und direkt als Starter in Frage kommt.

Ahmad "Sauce" Gardner - Cincinnati

Wenn man als Cornerback in drei Jahren College als Starter keinen einzigen Touchdown zulässt, dann ist das etwas, was Aufmerksamkeit erzeugt. Sauce Gardner ist genau das gelungen. In 33 Spielen gab er keinen einzigen TD ab und ließ auch nur ein Passer Rating von 31,2 bei Pässen in seine Richtung zu.

Im College Football Playoff dominierte er mit Jameson Williams von Alabama einen der Top-Receiver des diesjährigen Drafts und ließ bei vier Targets als nächster Verteidiger nur 14 Yards zu. Gardner weiß also zu überzeugen, wenn es zählt.

Konkret steht Gardner in erster Linie für seine imposante Erscheinung. Er misst 1,91 Meter und bringt fast 91 Kilogramm auf die Waage. Mehr noch: Mit seinen langen Armen kommt er auf eine Spannweite von mehr als 2 Metern. Und er weiß seine physischen Vorteile gewinnbringend einzusetzen.

Seine Paraderolle auf dem College war in Press-Man-Coverage. Er spielte allein 851 Press-Coverage Snaps in seiner Karriere und führte alle College-Football-Cornerbacks 2021 mit 397 Press Coverage Snaps an.

Dort gewann er meist bereits an der Line, weil er sich meist schon wie in einem Boxkampf verhält und den Release damit effektiv verzögert und so die Route schon im Ansatz zerstört. Er verfügt über zudem über eine gute Beschleunigung, die es ihm erlaubt, auch nach dem Release in der Route zu bleiben, auch wenn er kein Speedster ist (er lief eine 4,41 über 40 Yards).

Sauce Gardner: Kaum Erfahrung in Zone-Coverage

Er spielte auch hin und wieder in der Box, im Slot oder zurückgezogen, aber seine Hauptrolle war in Press Coverage. Das bedeutet aber unweigerlich auch, dass er nicht allzu viel Erfahrung mit Zone Coverage hat, was die Frage aufwirft, wie souverän er diese Rolle ausfüllen kann. In der NFL wird er wohl zwangsläufig gerade zu Beginn mehr Zone als bislang spielen müssen.

Allerdings zeigte er guten Augen und ein gutes Spielverständnis, was ihm erlaubt, auch während des Plays sein Assignment anzupassen. Ein weiterer Pluspunkt für ihn ist, dass er mit seiner Statur schwer zu schlagen ist, wenn es um Contested Balls geht - er lässt einem Receiver schlicht kaum Platz.

Was Gardners Defizite angeht, ist es hier schon schwieriger, gravierende Probleme zu finden. Er ist eben sehr groß für einen Cornerback und wenn man ihn mal in Bewegung bringt, hat er Nachteile, was die Beweglichkeit angeht. Manchmal neigt er dazu, seine Technik zu vernachlässigen und sich mehr auf seine physischen Vorteile zu verlassen - eine Angewohnheit, die in der NFL schnell bestraft wird. Er ist etwas steifer in den Hüften, was Richtungswechsel erschwert. Zudem muss er an seiner Beinarbeit arbeiten.

Auch zeigte er öfter Schwächen beim Tackling. Allerdings ist dies etwas, woran man arbeiten kann, vielleicht auch mit ein paar Extraschichten im Kraftraum, wobei hier auch die noch etwas schmächtigen Beine gestärkt werden sollten.

Auch spielte Gardner eben bei den Bearcats, die nicht in einer der Power-5-Conferences aktiv sind. Entsprechend wird sich die NFL fragen, wie gut er wirklich sein kann gegen echte Gegner. Diesen Vorwurf muss sich allerdings jedes Draft-Prospect von kleineren Schulen gefallen lassen. Letztlich sollte dieser aber kein großes Hindernis sein.

Sauce Gardner: Zu viele Strafen für die NFL

Woran Gardner aber besonders arbeiten muss, ist seine Tendenz, etwas zu kontaktfreudig zu werden, wenn der Receiver sich von ihm löst. Das führte zu einigen Strafen, die auch in der NFL gerade zu Beginn zum Problem werden könnten. Es ist aber auch ein Punkt, der mit besserer Technik und Disziplin relativ leicht korrigiert werden kann.

Gardner ist wohl einer der zwei besten Cornerbacks dieser Draft-Klasse. Und mit seiner Press-Man-Affinität passt er damit in ein spezielles Scheme. PFF vergleicht ihn etwa mit Jimmy Smith, der bei den Ravens lange Jahre unter Defensive Coordinator Don Martindale in solch einer Rolle gespielt hat.

Martindale ist nun bei den New York Giants tätig. Könnte die Spur für Gardner also in den Big Apple führen? Die Giants jedenfalls werden Martindales bekannte Defense mit viel Man Coverage und aggressiven Blitzes spielen. Und die Giants haben zwei Top-10-Picks (5, 7) und könnten sich noch von Cornerback James Bradberry trennen. Insofern würde dies sehr gut passen.

Derek Stingley Jr. - LSU

Das legendäre LSU-Team von 2019 hat schon einige NFL-Stars hervorgebracht. Allen voran muss man hier Quarterback Joe Burrow und die Wide Receiver Justin Jefferson und Ja'Marr Chase nennen. 2022 nun könnte auch einer der Top-Cornerbacks dieser Truppe dazustoßen.

Die Rede ist von Derek Stingley Jr., der besonders 2019 als Freshman überzeugte. Er führte die SEC mit 6 Interceptions und 15 Passes Defensed an und wurde zum Consensus All-American gewählt. Und er half mit, eine nationale Meisterschaft nach Baton Rouge zu holen.

Doch warum rede ich so viel über 2019? Hier liegt nämlich das größte Problem bei Stingley. Er ist wohl insgesamt der beste Cornerback dieser Draft-Klasse, doch seine Leistungen in den zwei Jahren seither sind nur schwer zu bewerten.

Zum einen waren da einige hartnäckige Verletzungen, die ihn 2020 und 2021 limitierten und nur 10 Spiele insgesamt machen ließen. 2020 verletzte er sich am Knie, 2021 schon im Sommer am Fuß. Er spielte dann trotz Lisfranc-Verletzungen drei Partien zu Saisonbeginn, doch danach benötigte er eine Operation, die ihn den Rest des Jahres kostete.

Derek Stingley: Formtief seit 2020

Zum anderen aber muss man auch konstatieren, dass Stingley seit 2020 nicht immer voll bei der Sache war. Generell dürfte es vielen Spielern der Tigers schwer gefallen sein, sich nach dem Massen-Exodus 2020 - wegen den prominenten Abgängen und auch wegen Corona - vollends zu motivieren. Doch ein Toptalent wie Stingley soll eigentlich auch dann voran gehen, zumal es durchaus möglich ist, dass er im Draft zu einem Team kommt, das nicht gleich um den Super Bowl mitspielt.

Konkret zeigte Stingley in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr unbedingt die letzte Konsequenz beim Tackling in Run Support oder setzte ein paar Snaps pro Spiel mental aus. Das wird kein Scout oder künftiger Coach gerne gesehen haben.

Abgesehen davon war er generell kein verlässlicher Tackler für LSU - er verpasste 17,9 Prozent seiner Tackle-Versuche in den drei Jahren auf dem College laut PFF. Und er zeigt noch immer Defizite, wenn es darum geht, einen Receiver in Zone Coverage zu übergeben.

Dass Stingley aber dennoch hoch angesehen wird, liegt an all den Aspekten, die für ihn sprechen. Da wäre dann zunächst mal seine Statur. Er misst je nach Quelle mindestens mal 1,83 Meter und bringt derzeit rund 88 Kilogramm auf die Waage. Und dafür ist er ziemlich schnell. Bei seinem Pro Day lief er die 40 laut offiziellen LSU-Zahlen in 4,37 Sekunden und demonstrierte damit einen Speed, der es ihm erlauben sollte, mit den meisten Wide Receivern mitzuhalten.

Derek Stingley ist einer von zwei überragenden Cornerbacks im Draft 2022.getty

Derek Stingley: Gelingt der Sprung in die Top 10?

Zudem ist er ungeheuer beweglich in den Hüften und hat flinke Füße, die es ihm erlauben, schnelle Richtungswechsel zu vollziehen und im Übrigen auch Stellungsfehler auf die Schnelle zu korrigieren. Er verfügt zudem über große Sprungkraft und hat lange Arme, die ihm bei seinen exzellenten Ball-Skills zugutekommen.

Hinzu kommt, dass er hauptsächlich außen und in Press-Man-Coverage gespielt hat - hier verbrachte er 49 Prozent seiner Coverage Snaps auf dem College. Mit einer verfeinerten Technik ist er aber auch fähig, Zone zu spielen, obgleich er der Typ Corner sein kann, der auf den Nummer-1-Receiver des Gegners abgestellt werden sollte. Zudem hat er den Frame, um noch ein paar Kilogramm mehr an Muskelmasse draufzupacken und damit ein noch stärkerer Tackler gegen den Run zu werden.

In jedem Fall sollte Stingley aber nicht allzu lange auf seinen Namen am ersten Draft-Tag warten müssen. Es gibt wie erwähnt Fragezeichen, was seine Motivation und seine Verletzungshistorie betrifft, doch im Draft geht es auch darum, auf Upside zu schauen. Wer hat das höchste Potenzial? Und wer braucht einen Top-Cornerback?

Stingley ist sicherlich ein Kandidat für die Top 10, in jedem Fall aber die erste Hälfte des der ersten Runde. Teams, die hier gemäß der aktuellen Draft-Reihenfolge besonders ins Auge stechen, sind die Jets (Picks 4 und 10), die Seahawks (9), die Texans (3, 13) und die Vikings (12), die allesamt Bedarf auf Cornerback haben und genau in dem Bereich draften, in den Stingley fallen könnte.

Gerade bei den Vikings wären mit Ex-LSU-Star Patrick Peterson und Ex-LSU-Defensive-Coordinator Daronte Jones - mittlerweile wieder der DB-Coach in Minnesota - Mentoren und vertraute Gesichter bereits vorhanden.