Die Offseason 2022 war anders als andere Offseasons der jüngeren Vergangenheit. Die laufende Offseason wird geprägt von aggressiven Moves, die man so einfach nicht kannte in der NFL.
Und auch wenn letztlich vor allem die Trades und Verträge für die Quarterbacks in Erinnerung bleiben werden, weil diese nun mal den größten Einfluss auf den Erfolg - oder Misserfolg - eines jeden Teams haben, war diese Offseason vor allem richtungsweisend für die Betrachtung und Bewertung von Wide Receivern.
Wide Receiver gilt schon seit geraumer Zeit als eine der Premium-Positionen, auch wenn die Bezahlung für solche sich nicht signifikant von anderen Positionen abgehoben hat. Wide Receiver waren wichtige Spieler, vor allem in den letzten zehn Jahren, da das Passspiel immer mehr in den Vordergrund gerückt ist. Immer mehr Teams haben verstanden, dass Passspiel schlicht effizienter ist als der antiquierte Fokus aufs Run Game.
Und dennoch lag der Hauptfokus stets auf dem QB. Entsprechend explodierten die Gehälter für Quarterbacks in den vergangenen Jahren gewaltig. Ein Trend, der sich speziell seit der Vertragsverlängerung für Patrick Mahomes exorbitant verstärkte. Als Mahomes im Sommer 2019 bei den Chiefs seinen neuen Zehnjahresvertrag für 450 Millionen Dollar (plus Boni) unterschrieb, setzte er damit Maßstäbe. Und vor allem öffnete er die Schleusen für andere QBs dieser Liga.
Mahomes war der erste Quarterback, der im Schnitt mehr als 40 Millionen Dollar pro Jahr verdiente. Stand jetzt gibt es nun sieben QBs, die mindestens so viel verdienen - Aaron Rodgers knackte mit seinem neuen Deal in Green Bay nun sogar die 50-Millionen-Dollar-Marke. Und mit Lamar Jackson, Joe Burrow und Kyler Murray dürften die nächsten Mitglieder dieses Klubs bald folgen.
NFL: Die bezahlten Quarterbacks der Liga
Spieler | Team | Vertrag gesamt (Dollar) | Durchschnittsgehalt (Dollar) |
Aaron Rodgers | Packers | 150.815.000 | 50.271.667 |
Deshaun Watson | Texans | 230.000.000 | 46.000.000 |
Patrick Mahomes | Chiefs | 450.000.000 | 45.000.000 |
Josh Allen | Bills | 258.034.000 | 43.005.667 |
Derek Carr | Raiders | 121.500.000 | 40.500.000 |
Dak Prescott | Cowboys | 160.000.000 | 40.000.000 |
Matthew Stafford | Rams | 160.000.000 | 40.000.000 |
NFL: Keine Argumente gegen Mega-Verträge für Topstars
Teams haben schlicht keine Argumente dagegen, zumal die neuen TV-Verträge im kommenden Jahr greifen und die Gesamteinnahmen der Liga nochmal um einige Milliarden Dollar steigen werden.
Doch zurück zu den Wide Receivern dieser Liga, bei denen spätestens jetzt eine signifikante Marktveränderung zu erkennen ist. Seit ein paar Jahren schon kratzten ein paar Wide Receiver an der 100-Millionen-Dollar-Grenze, was den Gesamtwert ihres Vertrags angeht. Amari Cooper erreichte sie sogar bei den Dallas Cowboys. Im Schnitt bekommt er 20 Millionen Dollar pro Jahr für seinen immer noch laufenden Vertrag - wenn auch jetzt in Cleveland.
In diesem Sommer dann kamen gleich drei Receiver dazu, die mindestens 100 Millionen Dollar insgesamt verdienen - zudem erhielt Stefon Diggs im Rahmen einer Vertragsverlängerung bei den Bills die Gesamtsumme von 96 Millionen Dollar.
Diggs verdient damit im Schnitt nun 24 Millionen Dollar pro Jahr und belegt in der aktuellen Rangliste Platz fünf aller Wide Receiver. Vor ihm liegen noch Tyreek Hill (30 Millionen Dollar im Schnit), Davante Adams (28 Mio.), DeAndre Hopkins (27,25 Mio.) und seit neuestem A.J. Brown (25 Mio.). Auffällig dabei: All diese Spieler inklusive Diggs haben diese Deals nicht beim Team unterschrieben, das sie einst gedraftet hat. Mehr noch: Bis auf Diggs kamen die Deals im Grunde unmittelbar nach einem Trade zustande.
NFL: Die bestbezahlten Wide Receiver der Liga
Spieler | Team | Vertrag gesamt (Dollar) | Durchschnittsgehalt (Dollar) |
Tyreek Hill | Dolphins | 120.000.000 | 30.000.000 |
Davane Adams | Raiders | 140.000.000 | 28.000.000 |
DeAndre Hopkins | Cardinals | 54.500.000 | 27.250.000 |
A.J. Brown | Eagles | 100.000.000 | 25.000.000 |
Stefon Diggs | Bills | 96.000.000 | 24.000.000 |
Topspieler kommen in der Regel in der NFL nicht auf den Free-Agent-Markt, es sei denn jemand macht etwas falsch - oder ein Spieler will mit aller Macht weg. Und somit ist der Trade-Markt noch mehr als zuvor ein wichtiger Teil der Teambuilding-Strategie der heutigen NFL.
Und das ist nicht erst der Fall, seit die Rams nach ultra-aggressiven Trades letztlich den Super Bowl gewannen. Doch unterstreicht dieser Triumph eben die Idee, dass Teambuilding rein über den Draft vermutlich nicht mehr der unumstritten beste Weg sein muss.
NFL: Aggressive Trades kommen in Mode
Aggressive Trades kommen nun gewissermaßen in Mode und haben zur Folge, dass sich in diesem Jahr ziemlich deutlich die Spreu vom Weizen trennt, wenn man so will. Die Rede ist von Teams, die mit den erwiesenermaßen besten Spielern der Liga gewinnen wollen, und solchen, denen es offenbar reicht, am Wettbewerb teilzunehmen, ohne jedoch den unbedingten Willen zu haben, mit aller Macht nach Erfolg zu streben.
Man schaue auf die Teams, die in diesem Frühjahr ihre Star-Receiver abgegeben haben. Den Anfang machten die Cowboys, die unter dem Vorwand geringen Cap Spaces letztlich ihren Top-Receiver Cooper abgaben. Zum Teil spielte da immer noch die bis heute absurde Entscheidung rein, Zeke Elliott seinerzeit zum bestbezahlten Running Back der NFL zu machen - sein 2022er Cap Hit beläuft sich auf 18,2 Millionen Dollar, ein Rekord für einen Running Back. Doch diese Erklärung hatten wir seinerzeit bereits ausführlichst thematisiert.
Und so legitim sich das auf den ersten Blick darstellt, so scheinheilig ist es letztlich doch. Die Wahrheit ist nämlich, dass Cap Space nur eine Ausrede ist. Wenn Teams zusätzlich Cap Room finden wollen, gelingt ihnen das auch. Sei es mit Vertragsumstrukturierungen oder Void-Jahren bei kürzeren neuen Verträgen. Oder man entlässt Altlasten. Doch zu wenig Cap Space sollte gerade für Fans eines Teams nie eine akzeptable Erklärung dafür sein, dass ein Team seinen Topspieler hergibt.
Auf die Cowboys folgten die Chiefs mit Hill, die Packers mit Adams und am ersten Tag des Drafts die Titans mit Brown. Und gerade der Brown-Deal zeigte sehr gut, was die Motivation des Teams war: Es ging einzig darum, Geld zu sparen - echtes Geld, nicht Cap Space!
NFL: Titans schicken A.J. Brown nach Philadelphia
Die Titans schickten ihren wahrscheinlich besten Offensivspieler für einen Erstrundenpick nach Philly. Mit besagtem Pick holten sie sich dann einen ähnlichen Receiver-Typen in Treylon Burks, der vermutlich die Qualität im Receiving Corps im Vergleich zu Brown deutlich senken wird. Doch wird er auch nur 16 Millionen Dollar kosten - insgesamt über die kommenden vier Jahre - Brown wiederum kassierte einen Signing Bonus von den Eagles, der mehr als doppelt so viel Wert ist.
Die Titans wählten die günstigere Option, die wohl auch zur Folge hat, dass ihre Vormachtstellung in der AFC South nach zwei Division-Titeln in Serie schon wieder der Vergangenheit angehört - die Colts haben gut aufgerüstet und wer weiß, was die Texans und Jaguars in der aktuellen Phase ihrer Rebuilds zu leisten imstande sind.
Die Chiefs wollten Hill genauso wenig adäquat bezahlen wie die Packers Adams. Und so wählten auch jene den weitaus günstigeren Weg. Wie sehr sie dies schwächen wird, bleibt allerdings abzuwarten, da sie gewissermaßen über personifizierte "Equalizer" verfügen - Superstar-Quarterbacks, die auch mit schwächerem Personal glänzen können. Die Titans haben Ryan Tannehill, dessen potenziellen Nachfolger sie in Malik Willis soeben gedraftet haben. Und Tannehills Vertrag könnte theoretisch relativ schmerzlos nach der kommenden Spielzeit beendet werden.
Diese Offseason ergibt also folgenden Status Quo: Neben Quarterbacks - in diesem Jahr Wilson und Watson - sind auch Wide Receiver nun eine Position, auf der Teams sehr motiviert sind, für absolute Topleute richtig große Ressourcen aufzuwenden. Wer diese Positionen nicht hochkarätig besetzt hat, muss bemüht sein, das zu tun.
NFL: Flut an Top-Talenten bringt neue Optionen
Und dass es überhaupt zu diesem Trend kommen konnte, liegt schlicht daran, dass nun eine Fülle von hochtalentierten Wide Receivern jährlich via Draft in die Liga strömen. Nicht nur die großen Power-5-Colleges haben den Wert von einer explosiven Offense erkannt.
Selbst ein Defense-und-Run-Game-First-Traditionalist wie Nick Saban bei Alabama legt seit den vergangenen zwei bis drei Jahren deutlich mehr Wert darauf, auch im Passspiel Topleute zu rekrutieren, um letztlich Shootouts zu gewinnen. Entsprechend werden Wide Receiver immer besser schon von klein auf gefördert und kommen entsprechend "ready" in die NFL.
Teams haben damit per se schon mal eine sehr große Auswahl, wenn es um künftige Stars geht. Und das wiederum eröffnet solchen Franchises, die nicht mit aller Macht sofort gewinnen wollen, die Option, einen etwaigen Top-Receiver für einen hohen Gegenwert abzugeben und auf Sicht den nächsten Star vom College zu holen.
Hill, Adams und Co. haben von dieser neuen Marktlage profitiert, ebenso mutmaßlich ihre neuen Teams. Wie sehr die abgebenden Teams letztlich unter diesen Entscheidungen leiden werden, wird man sehen. Doch schon jetzt dürfte klar sein, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist.
Aktuell kämpfen etwa Deebo Samuel und D.K. Metcalf bei den Niners und Seahawks um neue Topverträge. Und auch sie werden wohl in die nun etablierten finanziellen Sphären vordringen, die ihre Vorreiter schon erreicht haben. Und das vielleicht sogar ohne Trade.