NFL - Madden 23 Producer im Interview: "Auf dem Cover zu sein ist für Spieler wie einen Oscar zu gewinnen"

Marcus Blumberg
02. Juni 202216:00
Tom Brady war im vergangenen Jahr zusammen mit Patrick Mahomes auf dem Madden-Cover.getty
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Madden NFL 23, das offizielle Videospiel der NFL von EA Sports, steht in den Startlöchern. Zu diesem Anlass spricht Executive Gameplay Producer Aaron McHardy über die größten neuen Features, die Bedeutung von Cover-Star John Madden und gibt Einblick in den Entwicklungsprozess.

Im exklusiven Interview mit SPOX verrät McHardy zudem, wie begeistert NFL-Spieler sind, am Entwicklungsprozess mitzuwirken und was ein Auftritt auf dem Madden-Cover für die meisten bedeutet.

Am Mittwoch wurde John Madden als neuer Cover-Star von Madden NFL 23 - aus offensichtlichen Gründen - vorgestellt. Aber wie läuft der Auswahl-Prozess des Cover-Athleten normalerweise ab?

Aaron McHardy: Normalerweise schauen wir nach einem aufstrebenden Talent oder einem Fanliebling als Cover-Star, doch in diesem Jahr hatten wir natürlich den Tod von Coach John Madden. Wir waren halb durch unseren letzten Spiel-Zyklus und es war einfach ein Schock für unser Team, eine solch wichtige Figur zu verlieren. Nicht nur für unser Team oder unsere Franchise, sondern auch für den Sport insgesamt. Und es ergab einfach sehr viel Sinn, Coach Madden damit zu ehren, dass wir ihn wieder aufs Cover des Spiels bringen, das seinen Namen trägt. Das war dann eine sehr leichte Entscheidung in diesem Jahr. Wir wollten eine Hommage an ihn machen und ihn so gut wie möglich ehren.

Und dafür taucht er dann auch als Coach im Spiel auf ...

McHardy: Genau. Wir haben unser Bestes gegeben, um Elemente von ihm ins Spiel zu bringen und seine Figur zu rekreieren und ihn auf eine Weise zum Leben zu erwecken, wie wir es im Spiel schon eine ganze Weile nicht gemacht hatten. Er wird in 3D im Spiel sein, wir haben sein Modell neu aufgebaut. Wenn man das Spiel erstmals startet, spielt man ein Spiel mit zwei All-Madden-Teams gegeneinander, inklusive zweier Versionen von Coach Madden aus zwei verschieden Ären.

Und die sehen dann auch ultra-realistisch aus. Wie viel Detailarbeit steckt da drin?

McHardy: Wir sind so weit gegangen, dass wir einige der tatsächlichen Kleidungsstücke erworben haben, die Coach Madden damals getragen hat. Zum Beispiel hatte er unverkennbare Turf-Schuhe von Adidas, die wir besorgt haben, um sie zu scannen und 100 Prozent authentisch im Spiel abzubilden. Wir haben sogar seinen Super-Bowl-Ring gescannt. Und eben die Outfits, die er damals getragen hat. Wir wollten einfach alles tun, um ihn im Spiel zu ehren und daher ist er unser Cover-Athlet. Und er ist übrigens ein Athlet, denn er hat das Spiel gespielt. Er ist ein Athlet, aber eben ein etwas älterer. (lacht)

John Madden ist auf dem Cover von Madden NFL 23.EA SPorts

Madden NFL 23: Madden Curse "ist nur ein Witz"

Wenn man über Madden NFL redet, denkt man unweigerlich auch an den berüchtigten Madden Curse (Madden-Fluch, Anm. d. Red.). Gab es mal Spieler, die deshalb vielleicht nicht auf dem Cover sein wollten?

McHardy: Nun ja, die Leute sprechen darüber. Es ist ein Witz, der schon lange kursiert. Aber für all unsere EA-Sports-Spiele, und da ist Madden keine Ausnahme, gilt: Spieler lieben es, auf dem Cover unserer Spiele zu sein. Es ist im Grunde wie wenn man einen Oscar in der Filmbranche gewinnt, wenn man als die Person ausgewählt wird, die auf dem Madden-Cover steht.

Wie läuft denn normalerweise die Interaktion mit den Spielern, nicht nur in Sachen Cover, sondern auch bei der Entwicklung des Spiels?

McHardy: Als Videospielproduzenten sind wir normalerweise etwas abgeneigt - also nicht abgeneigt, aber wir glauben, dass Spieler nicht wirklich offen dafür sind -, dass Spieler Teil des Prozesses sind. Aber in diesem Jahr war Authentizität ein großes Thema für uns wir haben versucht, so viele Spieler wie möglich zu scannen. Wir haben einen Truck, um das zu bewerkstelligen und wir waren bei der Rookie Combine. Die Begeisterung der Jungs, zu wissen, dass sie in die NFL gehen werden UND für unser Spiel gescannt werden, war riesig. Einige von ihnen kamen rein und sagten: "Wie kann ich helfen? Was kann ich tun, damit ich im Spiel so präzise wie möglich aussehe?"

Madden NFL 23: FieldSENSE bringt mehr Kontrolle

Kommen wir mal zum Spiel an sich. In Madden NFL 23 wird es erstmals ein neues System namens FieldSENSE geben. Erklären Sie uns mal bitte, was das ist und was es macht.

McHardy: FieldSENSE ist unser komplett neues Gameplay-System, dass wir in diesem Jahr entwickelt haben. Es basiert darauf, dass unsere Fans mehr Kontrolle im Spiel haben wollten. Es gibt da einen Begriff "Animation Based Gameplay". Das bedeutet, wenn ein Spieler in ein Szenario geht, in dem mehrere Spieler involviert sind und es um einen Catch oder ein Tackle etc. geht, die User das Gefühl haben, das bereits vorher feststeht, was das Resultat sein wird. Daher ging in diesem Jahr sehr viel Arbeit in den Gameplay-Bereich. Und mit dem FieldSENSE-System wollen wir dieses Gefühl aufbrechen.

Was heißt das konkret?

McHardy: Wir haben einige neue Features, die auf neuer Technologie basieren und wie wir die Technologie nutzen. Zudem bauen wir neue Game Mechnanics ein. Unsere drei wichtigsten Punkte dabei sind: "Hit Everything" - da geht es darum, aus den üblichen vorgefertigen Animationen auszubrechen, wenn es um Tackling, Catching oder Blocking geht. Wir wollen in der Lage sein, zu tun, was das Feature im Namen trägt: Alles auf dem Feld treffen zu können. Der zweite Punkt ist "Passing". Wir haben eine komplett neue Wurf-Mechanik aufgebaut, die es dem Quarterback erlaubt, den Ball wirklich dahin zu werfen, wo er ihn hinwerfen will. Und dann haben wir noch einen Punkt "360° Cuts". Dabei geht es darum, die Kontrolle des Ballträgers überall auf dem Feld zu verbessern. Er kann den Fuß in den Boden stecken, abrupt die Richtung wechseln und mit Power Richtung Endzone laufen oder durch eine Lücke stoßen. Es geht komplett darum, dem Spieler wieder mehr Kontrolle beim Spielen des Spiels zu geben. Das sind die großen Features, die wir mit FieldSENSE eingeführt haben.

Im Pressematerial, das ich gesehen habe, ist auch die Rede von Verbesserungen am Franchise Mode. Was können wir denn da erwarten?

McHardy: Ich glaube, die größte Neuerung ist Free Agency. Wir wollten den Spielern in diesem Jahr ein bisschen mehr Motivation geben, wo sie denn hingehen wollen. Wir haben in diesem Jahr einige Spieler gesehen, die das Team gewechselt haben. Davante Adams etwa ging nach Las Vegas, auch um dort wieder mit seinem früheren College-Quarterback Derek Carr zusammenzuspielen. Jarvis Landry ging zu den Saints nach Louisiana, weil er wieder zuhause spielen wollte. Oder Spieler, die nach Tampa gehen, um mit Tom Brady zu spielen. Es gibt so viele verschiedene Motivationen, zu einem Team zu gehen, was die Dynamik verändert, wie einfach man einen Spieler verpflichten kann im Franchise Mode.

Können Sie darauf näher eingehen?

McHardy: Eines der coolen Features, das wir hinzugefügt haben in diesem Jahr, sind Player Tags. Eigenschaften, die man Spielern zuordnen kann. Spieler in der Free Agency und im Draft werden bestimmte Charakteristika haben, wegen welcher man einen Spieler dann vielleicht eher haben will als einen anderen. Wir haben zum Beispiel einen Tag, dass ein Spieler in einem Bundesstaat mit niedriger Einkommensteuer spielen will. Wenn man also ein Team in einem solchen Bundesstaat spielt, ist es vielleicht einfacher, mit einem solchen Spieler zu verlängern, oder ihm vielleicht weniger zu bezahlen als anderswo. Außerdem haben wir Player Tags, die zeigen, dass jemand gut für die Kabine ist. So findet man dann vielleicht auch mal einen der älteren Stars, die man früher vielleicht übersehen hätte, weil der Fokus auf dem jungen Superstar liegt. Wenn Sie nun aber den erfahrenen Veteran verpflichten, der gut für die Kabine ist, gibt es einen Experience-Boost für das gesamte Team. In diesem Jahr muss man solche Motivationen nutzen, um eine gutes Team aufzubauen.

Madden NFL 23: Mehr Spielerscans als je zuvor

Wie reagieren Sie denn als Team, wenn ein Spieler sich über seine Ratings beklagt, nachdem er vielleicht gerade eine Topleistung in der echten NFL abgeliefert hat?

McHardy: Wir reagieren nicht nur auf Ratings-Anfragen. Wir reagieren auch auf jede Menge Feedback, das wir bekommen. Wir versuchen so oft wie möglich Dinge anzupassen. Seien es Ratings oder Probleme, die wir aus der Spiel-Community hören. Wir updaten Plays, um sie noch präziser zu machen. Oder wenn es um Gameplay-Tuning geht. Wie bereits erwähnt, versuchen wir in diesem Jahr in Sachen Authentizität nochmal eine Schippe draufzulegen und versuchen mit unserem Truck noch mehr Scans als je zuvor durchzuführen, um gerade die Köpfe der Spieler noch genauer zu treffen. Wir haben die Fähigkeit dazu, das über das ganze Jahr zu machen - gleiches gilt fürs Gameplay. Und bei FieldSENSE ist es eben auch so, dass vieles davon das Resultat des Feedbacks ist, das wir von unseren Fans bekommen haben.

Als jemand, der sich durchaus für neue Technik interessiert, muss ich das hier fragen: Inwieweit hat die Ankunft der NextGen-Konsolen (Playstation 5, Xbox Series X) Ihre Arbeit als Entwickler im Vergleich zu den Vorgänger-Modellen verändert?

McHardy: Vor allem bringt die neue Generation an Spielkonsolen mehr Power mit, ebenso mehr Arbeitsspeicher und Speicherkapazität. Und wir versuchen natürlich, uns das zu nutzen zu machen. Wir haben ja bereits über die neuen Features in diesem Jahr gesprochen. Und gerade FieldSENSE ist ein gutes Beispiel und wird nur in den neuen Konsolen verfügbar sein. Aber wir wussten, dass wir in diese neue Technologie investieren mussten, weil dieses System im Kern von Madden sein wird. Es wird in allen möglichen Modes involviert sein, sodass jeder einzelne User damit in Kontakt kommen wird. Wir benutzen zum Beispiel Branching-Technologie und Physik-Technologie, um den Branching-Part zu steuern. Bei Hit Everything etwa nutzen wir das, um die Animationen aufzubrechen. Wie Sie sich vorstellen können, gibt es zahllose verschiedene Möglichkeiten, wie etwa ein Tackling ausgehen kann. Mit dieser neuen Technologie können wir das alles realisieren. Zudem kommen sehr viele neue Animations-Daten zusammen, wir haben wohl rund 3500 neue Animationen hinzugefügt und das braucht sehr viel Speicherkapazität. Und wir reden hier nur von einem Feature, für das wir 3500 neue Animationen hinzugefügt haben, damit es funktioniert. Das wäre nicht möglich ohne die zusätzliche Speicherkapazität.

Madden NFL 23 kommt am 19. August

Die "alten" Konsolen lassen Sie aber dennoch nicht im Stich ...

McHardy: Unterm Strich haben die NextGen-Konsolen definitiv die Art und Weise, wie wir über den Aufbau von Spielen denken, verändert. Und wir müssen ab einem gewissen Zeitpunkt sicher anfangen, mehr für die Gen-5- als für die Gen-4-Konsolen zu bauen, aber wir unterstützen Letztere immer noch mit Updates in diesem Jahr. Wir werden unsere Gen-4-Spieler nicht vernachlässigen, auch wenn sie nicht alle Features der neuen Konsolen bekommen.

Zum Schluss würde mich noch interessieren, ab wann denn normalerweise die Entwicklung für das nächste Spiel beginnt - also ab wann wird in diesem Fall an Madden NFL 24 gearbeitet?

McHardy: (lacht) Gute Frage! Es geht immer weiter, speziell wenn wir über jährliche Sportspiele wie Madden reden. Das diesjährige Spiel wird am 19. August veröffentlicht, aber wir warten jetzt nicht bis zum 20. August, um mit der Entwicklung des nächsten Spiels zu starten. Es gibt immer Dinge, die wir machen wollen, die aber nicht in einen Ein-Jahres-Zyklus passen. Wir haben einige Dinge für nächstes Jahr schon begonnen - natürlich kann ich darüber noch nicht reden -, aber wir denken immer an die Zukunft und daran, was das Beste für das Spiel ist. FieldSENSE zum Beispiel ist ein Investment. Das ist nicht etwas, das wir in einem Jahr bauen und dann auch nur in einem Jahr nutzen. Wir denken immer über zukünftige Dinge, teilweise bauen wir sie jetzt schon, aber es geht immer weiter und es ist immer hart, einen Strich zu machen und zu sagen: an diesem Punkt stoppt die Entwicklung für ein Spiel und hier startet sie für ein anderes. Wir versuchen immer so viel wie möglich in das jeweils anstehende Spiel, das bald in den Händen unserer User ist, zu packen. Und was wir nicht schaffen, kommt eben nächstes Jahr oder später.