Im Interview mit SPOX erklärt Edebali (33), was ihn dazu bewegte, sein gerade erschienenes Buch - "Dream Chaser: Aus Hamburg in die NFL" - zu schreiben.
Zudem berichtet er von seiner außergewöhnlichen Führerscheinprüfung sowie einem nächtlichen Trip zu McDonald's.
Herr Edebali, was war denn Ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben?
Kasim Edebali: Ganz viele Leute aus der Football-Community haben mich angeschrieben und gesagt: "Kasim, du musst unbedingt ein Buch schreiben!" Und ich habe ja dieses Segment bei "Football Bromance" (ein Podcast, Anm. d. Red.), "Märchenstunde". Da setze ich mich meist in einem Bademantel vor die Kamera und erzähle einfach Footballstorys, die ich erlebt habe. Die meisten Leute haben ein Team, bei dem sie waren, ich hatte neun. Die Leute wollten dann gerne mehr wissen und so kam die Idee, ein Buch zu schreiben und über mein Leben bis zum jetzigen Zeitpunkt zu reflektieren.
In ein paar Tagen findet in München das erste NFL-Spiel in Deutschland zwischen den Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahawks (So., 15.30 Uhr live auf DAZN) statt. Was bedeutet das für Sie als ehemaliger NFL-Spieler?
Edebali: Ganz ehrlich: Ich denke immer an den zehnjährigen Kasim Edebali, der sich damals gerade in diesen Sport verliebt hatte. Wie unnahbar die NFL damals war! Den einzigen Kontakt zur NFL hatte ich, wenn ich Playstation gespielt habe oder wenn ich abends um 23 Uhr meine Mama ausgetrickst habe, um auf DSF noch das Spiel zu gucken. Und ich freue mich jetzt einfach für die nächste Football-Generation, für so viele Menschen, die den Football lieben und ihr ganzes Leben noch nicht die Chance hatten, ein NFL-Spiel zu sehen. Sie haben nun die Chance, einmal nah dabei zu sein und das bedeutet mir sehr viel. Ich weiß ganz genau, dass es allen Footballfans genauso gehen wird.
Das kann ich so bestätigen! Doch kommen wir mal auf Ihre Karriere zu sprechen. Sie spielten in der NFL Linebacker und waren vor allem als Pass Rusher unterwegs, später dann aber auch als Off-Ball-Linebacker. Was gefällt Ihnen denn besser?
Edebali: Na ja, in Deutschland habe ich ohnehin alles gespielt - Receiver, Tight End, Running Back, Quarterback - und war defensiv meist ein normaler Defensive End. Besonders in der NFL gilt dann immer: "The more you can do." Also je mehr du der Mannschaft bieten kannst, desto wertvoller bist du. Am Ende des Tages geht es darum, Spiele zu gewinnen und dann ist es mir egal, was meine Aufgabe ist. Ich mache alles mit Stolz, ob nun als Defense End, als Pass Rusher oder eher Linebacker als Dropper oder im Special Team, was ja genauso wichtig ist. Ich glaube - das gilt nicht nur für mich -, dass diese Einstellung, alles für dein Team zu geben, am Ende den Unterschied macht.
Kasim Edebali: Drew Brees? Radius von drei Metern Abstand im Training!
Aber hauptsächlich spielten Sie ja schon als Pass Rusher. Und bei diesem Thema stellt sich immer die Frage, wie man denn im Training überhaupt Sacks trainieren kann, wenn man den Quarterback ja nicht berühren darf.
Edebali: Also gerade wenn man Drew Brees in der Mannschaft hat, dann muss man da wirklich im Radius von drei Metern von ihm weg bleiben. (lacht) Da wird so detailliert trainiert, dass es am Ende nur noch "Muscle Memory" ist. Erst werden die Schritte - ohne Offensive Line - trainiert. Dann kommt die O-Line dazu und ein Coach steht dahinter als Quarterback. Und du bist dann im Grunde wie ein Stier, der mit den Hufen scharrt und bereit ist, aus seinem Stall herauszukommen. Dann ist es so, dass du ihnen nur grünes Licht geben und sagen musst: Los, schnapp dir den Coach - also den Quarterback - und los geht's. Und dann bist du eben im Spiel bereit. Aber ich kenne auch Leute und ganze Teams, die nicht wissen, wie sie den Pass Rush effektiv simulieren sollen. Das sieht man dann auch im Spiel, wenn sie Sacks verpassen, die eigentlich selbstverständlich sein müssten. Allerdings sieht man das eher am College und weniger in der NFL. Da lässt man sich solche Gelegenheiten selten entgehen.
Stellen wir uns jetzt mal diese Situation an der Line of Scrimmage vor: Der Quarterback ruft diverse Audibles rein und passt Dinge an. Lässt man sich davon als Gegenspieler irritieren?
Edebali: Nein, überhaupt nicht! Als Defensive Line spielt man eher weniger nach diesen Audibles. Als Mike-Linebacker ist man da wohl eher gefordert. Als ich damals die Chance hatte, mit Luke Kuechly am College (Boston College, Anm. d. Red.) zusammenzuspielen - er war einer der intelligentesten Spieler, mit denen ich je zusammengespielt habe - kam immer ein Quarterback an die Line und rief ein Audible und Luke rief gleich ein Audible zurück. (lacht) Aber als Defensive Lineman schaut man sich die Formation und Down and Distance an und versteht einfach die Situation, in der man sich gerade befindet. Und dann kann man fast schon erahnen, wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat, was kommen wird. Ob der QB dann Audibles macht oder nicht, interessiert da wenig. Als Defensive Lineman muss ich letztlich durch einen Gegner durch und das ist das Wichtigste für mich.
Klingt einleuchtend. Damit einhergehend haben Sie in Ihrer Jugend geturnt, was jetzt nicht unbedingt als Standard-Grundlage für Football bekannt ist. Welche Aspekte aus dem Turnen haben Ihnen denn besonders später im Football geholfen?
Edebali: Ich bin wirklich davon überzeugt, dass ich es ohne meine Grundlagen im Turnen im Profisport nie so weit gebracht hätte. Turnen war vor allem eine super Grundlage für meine Körperbeherrschung. Ich bin nicht der Stärkste - ich war noch nie der Stärkste. Egal, auf welchem Level und selbst in der ELF war ich auch nicht der Stärkste. Aber eine gute Körperkontrolle kann wirklich den Unterschied machen. Ein Coach sagte einmal in einem Teammeeting: "Kasim, du weißt, wie man fällt." Meine Teamkollegen mussten ein bisschen schmunzeln, aber wissen Sie, im Football findet man sich in so vielen Körperpositionen wieder, die man einfach nicht erwartet, vielleicht weil dich jemand blockt, den du nicht gesehen hast. Und diese Fähigkeit, dann schnell wieder auf die Füße zu kommen und doch noch das Play zu machen, ist wichtig. Ein Coach, der so etwas sieht, weiß, dass er sich auf einen solchen Spieler verlassen kann. Selbst, wenn er in einer schwierigen Körperposition ist, kann er der Defense noch helfen. Das hat mir viel in meiner Karriere geholfen.
Kasim Edebali: "Jeder kann Football spielen"
Interessant. Doch glauben Sie, dass so ein Spitzenturner wie früher, zum Beispiel Fabian Hambüchen, auch im Football Erfolg haben könnte?
Edebali: Das Tolle am American Football ist ja, dass jeder Football spielen kann. Man kann etwas dicker sein, groß und stark, dünn und klein, aber jeder hat irgendeine Fähigkeit, die man nutzen kann. Das macht diesen Sport sicherlich auch für die Fans so besonders. Egal, aus welchem Sport man kommt, es wird immer eine Position für jemanden geben.
Sicherlich eine ermutigende Message für alle dort draußen.
Edebali: Absolut!
Daran anknüpfend: Sie haben früher in Hamburg selbst Flag Football gespielt. Die NFL versucht diesen Sport gerade zu pushen - sei es fürs Olympiaprogramm oder auch hier in Deutschland mit der Flag Football League oder auch an Schulen. Inwieweit kann man anhand gezeigter Leistungen im Flag Football auf Talent für professionellen Football und vielleicht sogar die NFL schließen?
Edebali: Ich habe die ersten fünf Jahre meiner Footballkarriere über Flag gespielt. Und ich meine, Football ist bekannt als sehr physischer Sport - ein Kontaktsport -, was abschreckend sein kann. Das gilt besonders, wenn man nicht das Coaching hat, um zu lernen, wie man richtig tackelt. Wenn man dann wirklich lernt zu tackeln, ist alles sicher. Aber Flag Football ist gerade zum Einstieg eine sehr gute Alternative. Man fängt an, die Regeln zu verstehen und es macht Spaß. Letzteres ist sowieso extrem wichtig. Ich werde häufig gefragt, welche Zeit im Football mir am meisten Spaß gemacht hat. Alles hat mir auf irgendeine Weise Spaß gemacht, doch meine Flag-Zeit war einfach pur. American Football, pure Liebe, purer Spaß mit meinen Jungs. Und wenn man dann irgendwann richtig ausgebildet ist, dann kommen Helm und Pads dazu, erst dann wird es physischer. Das ist das nächste Level, aber auch da gibt es dann wieder diesen Ansporn, auch dort genauso gut zu werden. Aber Flag ist super für den Einstieg und weil man sich da noch nicht so viele Sorgen machen muss um den Kontakt mit den Gegenspielern.