3. Wie geht es weiter bei den Eagles?
Unweigerlich steht hier ein Thema im Vordergrund, wobei ich nicht einmal weiß, inwieweit es wert ist, darüber zu diskutieren: Jalen Hurts wird einen neuen, großen Vertrag bekommen, da dürfte es an diesem Punkt kaum noch Zweifel geben. Umso weniger nach seinem Auftritt im Super Bowl.
Bereits vor dem Super Bowl hatte Teambesitzer Jeffrey Lurie gesagt, dass Hurts "nichts mehr beweisen müsse", um sich als Eagles-Quarterback für die Zukunft zu positionieren. Hurts, so Lurie weiter, sei "ein MVP-Level-Quarterback, ein unglaublicher Leader auf und abseits des Platzes. Er ist 24 Jahre alt, unglaublich reif und, und das ist der wichtigste Punkt, er will sich unbedingt verbessern."
Solche Interviews eines Teambesitzers über seinen jungen Quarterback, umso mehr in der Super-Bowl-Woche, sind zumeist mit einer dicken Fan-Brille zu interpretieren. Doch hier gibt es nicht allzu viel, wo ich inhaltlich ein übermäßig großes Fragezeichen dahinter setzen würde.
Am ehesten würde ich mit dem Argument der Situation kontern. Hurts hat eine Saison auf Elite-Level gespielt und hatte dabei die vermutlich besten Umstände ligaweit.
Ja, er bringt den Floor als Runner mit, und ja, er hat sich als Passer deutlich verbessert. Aber wie gravierend ist der Dropoff, wenn die Umstände um fünf, vielleicht zehn Prozentpunkte abbauen? Wenn er Woche für Woche mehr noch als Passer aus der Pocket gewinnen muss?
Ein Blick auf die anstehenden Free Agents und die potenziellen Umbrüche im Kader legt nahe, dass wir schon in der kommenden Saison eine Antwort auf diese Frage bekommen könnten.
Wichtigste Free Agents der Eagles-Defense:
Spieler | Position |
Javon Hargrave | Defensive Tackle |
Fletcher Cox | Defensive Tackle |
James Bradberry | Cornerback |
Chauncey Gardner-Johnson | Safety |
Brandon Graham | Edge-Rusher |
Robert Quinn | Edge-Rusher |
T.J. Edwards | Linebacker |
Kyzir White | Linebacker |
Marcus Epps | Safety |
Linval Joseph | Defensive Tackle |
Ganz direkt betrifft das in Hurts' Fall naturgemäß die Offense, aber er konnte sich in dieser Saison auch zumeist auf eine starke Defense in seinem Rücken verlassen. Diese Defense wird einen qualitativen Aderlass erleiden, das lässt sich gar nicht vermeiden.
Ich bin gespannt, welche Spieler aus dieser Gruppe die Eagles priorisieren. Viel Cap Space hat Philly aktuell nicht, und auch der Spielraum für Umstrukturierungen ist überschaubar. Nennenswert sind hier Darius Slay und Lane Johnson, das war es aber weitestgehend auch schon.
Kurzum: Philadelphia geht mit überschaubaren Ressourcen in diese Offseason, und wird einige Starter und darunter auch einige Leistungsträger verlieren.
Deshalb waren die Debatten bereits vor dem Super Bowl darüber, ob die Eagles jetzt eine Dynastie prägen sollten, für mich schwer nachvollziehbar. Phillys Markenzeichen in dieser Saison war die Tatsache, dass die Eagles diesen wahnsinnig kompletten Kader hatten - den werden sie 2023 so nicht mehr haben, und dementsprechend muss man dann auch die Erwartungshaltung erst wieder neu kalibrieren.
Eagles-Defense: Wie gravierend wird der Aderlass?
Ganz konkret mit Blick auf die Defense springt einen die Defensive Line an. Hargrave hat eine herausragende Saison gespielt und Fletcher Cox als besten Interior-Verteidiger abgelöst. Doch sein Vertrag läuft nicht nur aus, durch mehrere Umstrukturierungen belastet er den Eagles-Cap 2023 durch ein Void-Jahr mit fast zwölf Millionen Dollar, wenn er das Team in der Free Agency verlässt.
Cox hatten die Eagles im Vorjahr bereits entlassen, nur um ihn dann wenige Tage später mit einem günstigeren Vertrag zurückzuholen. Quinn kam während der Saison via Trade und war nicht mehr als ein Rotationsspieler.
Graham dagegen kam nach seinem Achillessehnenriss zurück und spielte eine spektakuläre Saison in der Eagles-Rotation. Sein Vertrag ist so strukturiert, dass er technisch gesehen 2023 noch unter Vertrag steht, am zweiten Tage des neuen Liga-Jahres würde dann aber eine massive Garantie für noch weitere Jahre danach aktiviert werden. Letztlich ist die Idee hinter dieser Struktur die, dass man Graham als June-1 Cut deklarieren kann, was bei einem reinen Void-Jahr nicht möglich gewesen wäre.
Hier droht also der Abgang von mehreren Startern und wichtigen Role Playern, und das Front-Seven-Bild wird damit abgerundet, dass beide Starting-Linebacker ebenfalls Free Agent werden.
Eagles-Defense: Das zweite und dritte Level wackeln
Den einen oder anderen aus dieser Gruppe wird Philadelphia halten können, und mit Josh Sweat, Haason Reddick und Jordan Davis steht das Gerüst für die Zukunft. Doch Teil der enormen Qualität dieses Eagles-Kaders war die Tatsache, dass sie in der Defensive Line eine wahnsinnig tiefe und dabei immer noch hochqualitative Rotation an den Start brachten und es ist schwer vorstellbar, dass sie das aufrechterhalten können.
Selbst die beiden Linebacker sollte man dabei nicht unterschätzen. Es ist zwar eine Position, welcher die Eagles konstant relativ wenig Beachtung - und Ressourcen - schenken.
Doch auch weil White und insbesondere Edwards so überraschend gute Saisons spielten, hatte die Defense die Flexibilität, um aus einer leichten Box zu agieren, um Man Coverage zu spielen, ohne dass die Linebacker dabei eine automatische Schwachstelle und ein Ziel für die Offense wurden.
Diese Qualitäten muss man erst einmal ersetzen, und das zu diesem Preis: Edwards' Cap Hit in dieser Saison betrug 1,2 Millionen Dollar, der von White 1,8 Millionen Dollar. Beide hinterlassen ebenfalls für 2023 je ein Void-Jahr im Eagles-Cap.
Ich könnte mir vorstellen, dass Gardner-Johnson intern eine hohe Priorität erhält, doch zunächst einmal werden auch beide Starting-Safeties Free Agents. Und auch hier wiederholt sich das Thema: Epps' Cap Hit in dieser Saison lag bei 965.000 Dollar, der von Gardner-Johnson bei 2,5 Millionen Dollar, Cornerback James Bradberry derweil kam als Schnäppchen nach seiner Entlassung bei den Giants spät in der Offseason - und so scheint das Motto mit Blick auf diese Defense klar:
So günstig kommen wir nicht mehr zusammen.
Wichtigste Free Agents der Eagles-Offense:
Spieler | Position |
Jason Kelce | Center |
Miles Sanders | Running Back |
Isaac Seumalo | Guard |
Zach Pascal | Wide Receiver |
Die Defense wird also vermutlich ohne ihre tiefe Defensive-Line-Rotation, und vielleicht mit einem Aderlass bei den Linebackern und den Defensive Backs auskommen müssen.
Ganz so drastisch gestaltet sich der Blick auf die Offense nicht, vielmehr sticht hier sofort eine Personalie ins Auge: All-Pro Center Jason Kelce.
Kelce unterschrieb vor der Saison einen neuen Einjahresvertrag über 14 Millionen Dollar. Aus Cap-Gründen wurden Void-Jahre hinzugefügt, 2023 ist technisch gesehen eine Art Platzhalter, für den Fall, dass Kelce seine Karriere beendet, um dann den Cap Hit aufteilen zu können. Sollte er am 2. Juni noch im Kader stehen, würde eine große Garantiesumme für 2024 aktiviert werden.
Auch ohne Kelce und Isaac Seumalo hätte Hurts noch immer eine gute Offensive Line vor sich, aber gerade Kelce mit all seiner Erfahrung auch was Protection-Calls und das Lesen von Blitzern Pre-Snap angeht zu verlieren, dürfte kaum spurlos an Hurts' Spiel vorüberziehen.
Wie ist der Ausblick in Philadelphia?
Es gibt wenige GMs ligaweit, denen ich ähnlich vertrauen würde wie Howie Roseman - gerade wenn es darum geht, einen Kader gut für die Zukunft aufzustellen.
Und natürlich gibt es junge Säulen, welche dieses Eagles-Team prägen werden, gerade in der Offense. A.J. Brown, DeVonta Smith, Jordan Mailata, Dallas Goedert, Landon Dickerson - und natürlich Hurts selbst.
Umbrüche sind in der NFL ein Naturgesetz, und bei erfolgreichen Teams betrifft das früher oder später auch den Coaching Staff. Dieses Jahr scheinen Jonathan Gannon und Shane Steichen noch in Philadelphia zu bleiben, aber es dürfte eine Frage der Zeit sein, wann die beiden als Head Coaches abgeworben werden.
Wenn diese Dinge passieren, werden zwei Fragen schonungslos beantwortet - in die eine, oder andere Richtung: Haben der Head Coach und sein Trainerstab gute Arbeit dahingehend geleistet, dass sie junge Coaches ausbilden, um abgeworbene Coordinators ersetzen zu können? Und: Sind die wenigen Top-Spieler, in die man im Laufe der Zeit unweigerlich größere Teile des Caps steckt, gut genug, um die anderswo auftretenden Lücken zu kompensieren?
Bei dieser letzten Frage kommt man dann doch unweigerlich zum Quarterback zurück, und das wird früher oder später der nächste Maßstab sein, an dem sich Jalen Hurts messen lassen muss.
Bisher zumindest nutzte Hurts diese Herausforderungen regelmäßig, um sein Kritiker Lügen zu strafen.