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Man könnte genauso gut würfeln! Diese NFL-Saison ist komplett unberechenbar

Von Stefan Petri
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Die Außenseiter jubeln, die Favoriten verzweifeln: In Week 3 der NFL-Saison regiert zum wiederholten Mal das Chaos. Haben die Buchmacher keine Ahnung oder was ist da los? Außerdem in den Erkenntnissen vertreten: Überraschend starke Minnesota Vikings, kollabierende 49ers, gleich mehrere Rekorde und ein besorgniserregender Trend. Außerdem: Was lässt sich aus den vielen erfolgreichen Backup-Quarterbacks ableiten?

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NFL, Week 3 - Erkenntnis: Man könnte genauso gut würfeln!

Nach Week 2 hatte es insgesamt neun sieglose Teams gegeben. Klar, die Baltimore Ravens hatte man sehr viel stärker eingeschätzt, doch in der Analyse standen einige Kandidaten im Panik-Index recht weit oben: Wo die Siege der Panthers, Giants, Broncos, Rams oder Colts auf die Schnelle herkommen sollten, war nicht wirklich klar.

Am Sonntagabend sah die Football-Welt plötzlich wieder ganz anders aus. Sieben 0-2-Teams waren im Einsatz - sechs davon feierten Siege (was ist da los, Tennessee?). Geht man etwas tiefer und berücksichtigt die Quoten der Buchmacher, gewann in 13 Spielen siebenmal der Underdog. Völlig unterschiedliche Voraussetzungen und Spielverläufe natürlich, aber damit setzt sich ein Trend fort: Schon in Week 2 gingen von 16 Spielen genau acht Siege an die Außenseiter. Man könnte genauso gut würfeln.

Bedeutet das, dass die Casinos und Online-Anbieter von Tuten und Blasen keine Ahnung haben? Mitnichten: Gerade in den USA ist der Markt Milliarden Dollar schwer, jeder halbe Punkt wird genau abgewogen (zur Erklärung: im Sunday Night Game wurden die Chiefs von den meisten Anbietern als genau 3 Punkte stärker eingeschätzt als Atlanta. Man könnte also einerseits auf die Falcons als Sieger tippen, aber auch auf "Falcons +3" und hätte seine Wette gewonnen, wenn die Chiefs nur mit zwei Punkten Unterschied siegen).

Vielmehr reagiert in dieser noch jungen NFL-Saison einfach weiterhin das Chaos. Teams, die mit mindestens sechs Punkten stärker eingeschätzt werden als der Gegner - ein eigentlich signifikanter Qualitätsunterschied - haben von bislang zwölf Spielen sieben verloren. Diese buchstäblich unberechenbaren Ergebnisse schlagen sich auch in den Tabellen wider: Vier Teams sind ungeschlagen, aber gerade mal drei stehen noch ohne Erfolg da. Am Dienstagmorgen könnte diese Zahl auf eins geschrumpft sein. Viel Spaß beim Prognostizieren der Playoff-Plätze.

Man kann sich eigentlich nur noch darauf verlassen, dass die Chiefs am Ende knapp gewinnen ...

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NFL, Week 3 - Gewinner: Minnesota Vikings

Von den 3-0-Teams wurschtelt sich Kansas City aktuell mehr schlecht als recht durch, die Steelers und Seahawks profitierten jeweils von einem vorteilhaften Spielplan und gingen den richtig guten Teams - wenn es die denn gibt - bisher aus dem Weg. Bleiben die Vikings: Deren Ergebnisse wurden von Woche zu Woche beeindruckender. Erst der klare Sieg bei den Giants (28:6), dann der Heimsieg über die 49ers (23:17) und nun die Demontage der stark eingeschätzten Texans (34:7). Anders gesagt: Die zwei höchsten Siege des Teams seit 2020, unterbrochen vom Erfolg gegen den Super-Bowl-Teilnehmer aus San Francisco.

Umso beeindruckender, da man den Vikes vor der Saison nach dem Abschied von Kirk Cousins nicht unbedingt viel zugetraut hatte. Natürlich hatten es die Protagonisten im Vorfeld selbst geahnt, an Selbstbewusstsein mangelt es kaum einem NFL-Star. "Das ist ein besonderes Team", sagte der neue Running Back Aaron Jones, und Wide Receiver Justin Jefferson erklärte: "Wir wussten, dass wir vorbereitet sind und die Leute mehr über uns sprechen werden, wenn wir so dominieren, wie wir es bisher getan haben."

Week 4 hält ein Auswärtsspiel bei den Green Bay Packers bereit, der Test beim verhassten Division-Rivalen wird uns mehr über die Vikings verraten. Was für das Team spricht: Es dominiert nicht nur eine Seite des Balls, also etwa die Offense mit Jones, Jefferson und Quarterback Sam Darnold, der die Liga mit acht Passing-Touchdowns anführt. Auch die Defense brilliert mit schon 16 Sacks (Rang 1) und fünf Interceptions (Rang 2). "Wir haben von vorn bis hinten dominiert", sagte Jefferson nach dem Sieg über Houston, "aber die Defensive war auf jeden Fall der Hauptgrund."

So spielen die Vikings auf jeden Fall um die Playoffs mit, vielleicht sogar um einen der Top-Seeds. Und das mit einem Backup-Quarterback.

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NFL, Week 3 - Erkenntnis: Backup-Quarterbacks machen einen Unterschied

Okay, keine bahnbrechende Neuigkeit. Fakt ist allerdings: Backup-Quarterbacks kamen in den letzten Jahren so oft zum Einsatz wie nie zuvor. 67 im vergangenen Jahr, die Saison 2022 stellte mit 69 einen neuen Rekord auf. Allein mit dem 17. Saisonspiel ist das nicht zu erklären, der Trend war in den vergangenen Jahren eindeutig. Nicht umsonst setzten die Browns 2023 fünf verschiedene QBs ein, der fünfte brachte in Joe Flacco schließlich den gewünschten Erfolg.

Heißt: Es braucht einen anständigen Plan B. Dass der durchaus unterschiedlich ausfallen kann, zeigten die Erfolge der Backups in Week 3.

  • Andy Dalton bei den Carolina Panthers: Dalton ist der klassische alternde Veteran, der zu seinen Hochzeiten bei den Bengals durchaus am Top-10-Status gekratzt hat, mit mittlerweile 36 aber nur noch als Backup bzw. Mentor einen Platz findet. Als erster QB überhaupt in dieser Saison gelangen ihm beim 36:22 gegen die Raiders mindestens 300 Passing Yards und drei Touchdowns. Von den Teamkollegen wurde er als Anführer und guter Kommunikator gelobt. Dennoch weiß Dalton um seinen Status, mit Kampfansagen hielt er sich zurück. "Bryce Young und ich haben uns mehrfach unterhalten", sagte er über den abgesägten bisherigen Starter. "Aber das bleibt unter uns."
  • Sam Darnold bei den Minnesota Vikings: Einst selbst gescheitertes Toptalent (3. Pick der Jets im Draft 2018), seit ein paar Jahren als Ersatzmann unterwegs, der auf seine Chance bzw. die richtige Situation wartet. Minnesota setzte im Draft auf einen neuen Quarterback (J.J. McCarthy), wollte dahinter aber nicht mit komplett leeren Händen dastehen. Jetzt ist McCarthy verletzt - und Darnolds Einjahresvertrag über zehn Millionen Dollar sieht wie ein echtes Schnäppchen aus.
  • Justin Fields bei den Pittsburgh Steelers: Toptalent, das immer wieder Ansätze zeigte, aber den endgültigen Durchbruch nicht schaffte. In ein paar Jahren hätte Fields die Darnold-Rolle drohen können, so aber wurde er als "1B" hinter "1A" Russell Wilson nach Pittsburgh geholt. Brannte bisher noch kein Feuerwerk für die Steelers ab - aber beschränkte seine Fehler eben auch auf ein Minimum.
  • Malik Willis bei den Green Bay Packers: Willis fällt als Drittrundenpick von 2022 nicht unter die Kategorie "Toptalent", in seinen drei Starts für die Tennessee Titans waren auch die vielversprechenden Ansätze eines Fields nicht zu sehen. Andererseits war die Leine beim ehemaligen Nr-1-Pick Fields auch deutlich länger. Einen Siebtrundenpick gaben die Packers Ende August für ihn her, billiger kann ein QB-Notnagel gar nicht sein. Bisher macht der 25-Jährige aber alles richtig (25/34 für 324 Yards und 2 Touchdowns, 114 Rushing Yards und ein Score, keine Turnover).

Fazit: Ein Patentrezept für den perfekten Backup-QB gibt es nicht, funktionieren kann theoretisch alles. Was man mit Sicherheit sagen kann: Es braucht einen Plan, hinter einem "Wenn unser Starter ausfällt, ist sowieso alles im Eimer" kann sich kein Front Office mehr verstecken.

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NFL, Week 3 - Verlierer: San Francisco 49ers

Die Dallas Cowboys könnten hier ebenfalls stehen, über drei Viertel ließ sich America's Team von den Baltimore Ravens im eigenen Stadion herspielen. Auch die Tampa Bay Buccaneers enttäuschten daheim gegen die Denver Broncos auf ganzer Linie. Aber wenn ein Team am Sonntag auf keinen, nein, auf gar keinen Fall verlieren darf, dann die Niners. Schließlich hatte man das Spiel gegen den Schweizer Käse eines Rams-Kaders eigentlich schon im Sack. Ja, auch San Francisco wird von Ausfällen geplagt, aber wie man sich im Schlussviertel nach zwischenzeitlicher 21:7-Führung noch die Butter vom Brot nehmen ließ, war fatal.

An Quarterback Brock Purdy lag es nicht, der legte drei Touchdon-Pässe auf. Aber von acht Incompletions ließen seine Receiver sechs unbedrängt fallen, das Running Game kam nicht in die Gänge und Defense sowie Special Teams leisteten sich unerklärliche Aussetzer. "Das gab ihnen Hoffnung und hat sie zurück ins Spiel gebracht", kritisierte Head Coach Kyle Shanahan vor allem die Fehler seiner Special Teams, die unter anderem einen Fake Punt und einen langen Return in der Schlussminute zuließen.

So durften die Statistiker folgendes vermerken: Rams-QB Matt Stafford schaffte seinen 48. Drive zum Sieg im 4. Viertel oder Overtime. Die 49ers verloren unter Shanahan im 51. Spiel mit einer 14-Punkte-Führung in der zweiten Hälfte zum ersten Mal - und die Rams drehten einen derartigen Rückstand erstmals nach 101 Niederlagen in Serie.

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NFL, Week 3: Plays der Woche

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NFL, Week 3: Rekorde der Woche

  • Giants-Rookie Malik Nabers fing beim 21:15 über die Browns nicht nur acht Bälle für 78 Yards, sondern auch zwei Touchdown-Pässe von Daniel Jones. Mit 21 Jahren und 56 Tagen krönte er sich zum jüngsten Spieler der NFL-Geschichte mit zwei Touchdown-Catches in einem Spiel.
  • Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes feierte in seinem 99. Spiel in der Regular Season seinen 77. Sieg. Damit brach er den Rekord von Tom Brady und Roger Staubach für die meisten Siege eines Quarterbacks in den ersten 100 Spielen. Beide hatten es auf 76-24 gebracht. Mahomes kann kommende Woche bei den Chargers sogar noch auf 78-22 erhöhen.
  • Running Back Derrick Henry gelang sein insgesamt zwölftes Spiel mit mindesten 150 Rushing Yards und zwei Touchdowns. In der ewigen Bestenliste liegt damit nur noch Legende Jim Brown (13) vor ihm.
  • Kein Rekord, aber mit seinem Field Goal über 65 Yards kam Cowboys-Kicker Brandon Aubrey bis auf ein Yard an den NFL-Rekord von Justin Tucker heran. Wir legen uns fest: Die Bestmarke fällt noch in dieser Saison!
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NFL, Week 3: Trend der Saison

Als in Week 1 die vielen Quarterbacks mit weniger als 200 Passing Yards auffielen, setzten wir das Thema vorsichtig auf die Agenda. Wer sich ausführlich damit beschäftigen möchte, warum die Passing Yards seit Jahren zurückgehen - und die Pässe an sich immer kürzer werden, dem empfehle ich diese Podcast-Episode, in der das Thema unaufgeregt diskutiert wird.

Es ist immer noch sehr früh, die Saison 2024 befindet sich noch im ersten Viertel. Aber der Trend hat sich bislang bestätigt: Nach Week 2 lagen die Passing Yards pro Team und Spiel bei 192,7 - so wenige wie zuletzt 1992. Der Wert wird in Week 3 wieder etwas steigen, dafür sorgten unter anderem Dak Prescott (379 Yards) und Caleb Williams (363) am Sonntag.

Das "Problem" der wenigen Passing Touchdowns bleibt allerdings bestehen: Mit zwei ausstehenden Monday Night Games gab es in den ersten drei Wochen gerade mal 108 Scores durch die Luft. Das sind 20 weniger als im Vorjahr - und 64 weniger als noch 2020.

NFL Saison 2024: Week 3 im Überblick

DatumUhrzeitHeimteamAuswärtsteamErgebnis
20. September2.15 UhrNew York JetsNew England Patriots24:3
22. September19 UhrCleveland BrownsNew York Giants15:21
22. September19 UhrNew Orleans SaintsPhiladelphia Eagles12:15
22. September19 UhrMinnesota VikingsHouston Texans34:7
22. September19 UhrTampa Bay BuccaneersDenver Broncos7:26
22. September19 UhrTennessee TitansGreen Bay Packers14:30
22. September19 UhrIndianapolis ColtsChicago Bears21:16
22. September19 UhrPittsburgh SteelersLos Angeles Chargers20:10
22. September22.05 UhrSeattle SeahawksMiami Dolphins24:3
22. September22.05 UhrLas Vegas RaidersCarolina Panthers22:36
22. September22.25 UhrLos Angeles RamsSan Francisco 49ers27:24
22. September22.25 UhrArizona CardinalsDetroit Lions13:20
22. September22.25 UhrDallas CowboysBaltimore Ravens25:28
23. September2.20 UhrAtlanta FalconsKansas City Chiefs17:22
24. September1.30 UhrBuffalo BillsJacksonville Jaguars
24. September2.15 UhrCincinnati BengalsWashington Commanders
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