Ein junger deutscher Goalie ist einer der großen Shootingstars in der NHL: Philipp Grubauer. Dabei stand der 22-Jährige vor einigen Jahren fast vor dem frühen Karriereende. Im SPOX-Interview spricht der Goalie der Washington Capitals über seinen kometenhaften Aufstieg, sein Verhältnis zu Olie the Goalie, Superstar Alex Ovechkin und eine bayerische Besonderheit.
SPOX: Philipp, Sie sind einer der absoluten Shootingstars aktuell in der NHL, "ESPN" schrieb bereits vom "German phenom". Salopp gefragt: Was geht da gerade ab?
Philipp Grubauer: (lacht) Ich versuche, mir möglichst wenig Gedanken darüber zu machen. Ich versuche einfach, in jedem Spiel konstant meine Leistung zu bringen und dem Team zu helfen. Ich will den Jungs zeigen, dass sie hinten jemanden drin haben, der ihnen auch mal den Arsch rettet auf gut deutsch gesagt. Das klappt in den vergangenen Wochen sehr gut. Aber ich schaue nur von Spiel zu Spiel, ich weiß, wie schnell es wieder in die andere Richtung gehen und dass immer etwas passieren kann, sei es eine Verletzung oder ein Trade. Ich denke nicht daran, dass ich jetzt die Nummer eins bin.
SPOX: Aber Sie sind aktuell die klare Nummer eins.
Grubauer: Es ist natürlich für mich auch überraschend, welches Vertrauen das Management und die Trainer in mich setzen. Das will ich natürlich zurückzahlen und ihnen zeigen, dass ich hier die Nummer eins bleiben will und das Zeug dazu habe.
SPOX: Was sagt Head Coach Adam Oates zu Ihnen?
Grubauer: Ich spreche eigentlich mehr mit Goalie-Coach Olaf Kölzig. Aber ich gehe davon aus, dass unser Head Coach auch einigermaßen zufrieden mit mir ist, sonst würde er mich nicht ständig spielen lassen. (lacht)
SPOX: Sie sprechen Olaf Kölzig an, Olie the Goalie. Das ist ja schon eine ganz besondere Geschichte, dass jetzt ein junger deutscher Keeper in Washington vom ehemaligen deutschen Star-Keeper der Caps trainiert wird.
Grubauer: Es ist grandios. Olie war wahrscheinlich einer der bekanntesten Torhüter überhaupt in der NHL. Jetzt jeden Tag mit ihm arbeiten zu dürfen, ist unglaublich für mich. Er hat so viele Spiele gemacht und daher so viel Erfahrung, die er mir weitergeben kann. Er hilft mir wirklich enorm und sagt mir immer, was ich in bestimmten Situationen noch besser machen kann. Sein Deutsch ist allerdings etwas eingerostet, da sind nur noch ein paar Brocken da, wir unterhalten uns meistens auf Englisch.
SPOX: Er muss natürlich auch mit den anderen beiden Goalies arbeiten, mit Braden Holtby und Michal Neuvirth. Holtby stand mal im erweiterten Kader für Team Canada für Sotschi, daran erinnert sich überhaupt niemand mehr. Wie ist der Umgang untereinander angesichts der schwierigen Situation mit drei Goalies?
Grubauer: Jeder meint, dass wir Probleme untereinander hätten, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Jeder in der Kabine gehört zur Mannschaft dazu, da macht es keinen Unterschied, ob ich starte oder nur die Nummer drei bin. Und wenn es für einen nicht so gut läuft, dann versuchen wir, ihn aufzubauen.
SPOX: War Olaf Kölzig auch eines Ihrer Vorbilder?
Grubauer: Ja, Olie, Martin Brodeur und Robert Müller waren so die Goalies, die ich als Vorbilder bezeichnen würde.
SPOX: Wenn wir uns Ihren Werdegang anschauen: Sie haben die Heimat schon mit 16 Jahren verlassen, um in die kanadische Juniorenliga zu wechseln. Wie groß war dieser Schritt?
Grubauer: Es ging eigentlich. Es war kein so großer Schritt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das einzig Schlimme war die Umstellung vom bayerischen auf das kanadische Essen, der Schweinsbraten fehlt mir immer noch. (lacht) Ansonsten war es eine super Zeit in Belleville. Ich habe bei einer großartigen Gastfamilie gelebt und hatte das Glück, dass ich mit Uwe Krupps Sohn Björn zusammengespielt habe. Uwe war zu dem Zeitpunkt auch in Belleville und hat uns trainiert, die beiden haben mir bei der Umstellung sehr geholfen. Sowohl mit der Sprache als auch sportlich, zum Beispiel mit der kleineren Eisfläche, da hatte ich tolle Unterstützung.
SPOX: Ein Meilenstein war dann der Draft 2010, als Sie in der 4. Runde von den Caps gezogen wurden. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Grubauer: Wir wollten nicht für zwei Tage nach L.A. fliegen, deshalb habe ich den Draft-Tag mit der Familie und Freunden zuhause verbracht. Wir haben gegrillt, alles am Computer verfolgt und mitgefiebert.
SPOX: Und dann ging die Warterei los...
Grubauer: Richtig. Ich hätte ein bisschen früher drankommen sollen. Aber dann war die zweite Runde vorbei und wir haben uns alle etwas verdutzt angeschaut nach dem Motto: 'Hier hätte jetzt eigentlich was passieren sollen.' Dann kam die dritte Runde, wieder nichts. Als ich dann in der vierten Runde von Washington gedraftet wurde, war es keine Erlösung, aber ich war schon sehr, sehr froh, als ich endlich meinen Namen gesehen habe.
SPOX: Ihr Weg vom Draft in die NHL sollte sich dann sehr schwierig gestalten. Erzählen Sie.
Grubauer: Die zwei Jahre nach dem Draft waren sehr kompliziert für mich. Zunächst habe ich das Pfeiffersche Drüsenfieber bekommen, da ging es mir einige Wochen sehr schlimm. Ich habe innerhalb von zwei Wochen über zehn Kilogramm verloren, ich habe nichts getrunken und nichts gegessen. Ich bin dann erst mal nach Hause geflogen, habe Infusionen bekommen und mich auskuriert. Das ist natürlich schon eine Schrecksekunde und du fragst dich, warum so was passiert. Ich habe eine Zeit lang gar nichts gemacht, dann ist es zum Glück weggegangen. Aber es kann immer wieder kommen. Ich habe auf jeden Fall gelernt, meinen Körper besser zu behandeln, besser zu essen, besser zu schlafen.
SPOX: Die zweite schwierige Geschichte war eine Handverletzung. Was ist da passiert?
Grubauer: Ich habe mir in der Hand ein Band abgerissen und musste operiert werden. Da hieß es fast schon, dass es das Karriereende bedeuten könnte, wenn es nicht wieder richtig zusammenheilt. Aber das ist zum Glück auch gut gegangen, die Ärzte in Washington haben es super gemacht, sodass ich fast keine Probleme mehr damit habe.
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SPOX: Aufgrund der gesundheitlichen Probleme mussten Sie auch sportlich einen harten Weg gehen. Sie haben unter anderem Zeit in der ECHL verbracht, bei den South Carolina Stingrays. Was mussten Sie da durchmachen?
Grubauer: In der ECHL geht es schon etwas anders zu. Wir sind 16, 17 Stunden mit dem Bus zu den Spielen gefahren, um 23 Uhr ging es los und dann die ganze Nacht durch. Das ist ziemlich anstrengend, aber ich war nie jemand, dem die Sachen vor die Füße geschmissen wurden. Das will ich aber auch nicht, ich will dafür arbeiten. Dass ich mich hochgearbeitet habe, kommt mir jetzt nur zugute. Ich habe in jeder Liga etwas gelernt und bin froh, diesen Weg gegangen zu sein. Auch wenn es Rückschläge gab, habe ich mein Ziel nie aus den Augen verloren.
SPOX: Ihren ersten NHL-Einsatz hatten Sie in der letzten Saison gegen die Flyers, Ihr erster Start kam dann gegen die Islanders. Wie nervös waren Sie?
Grubauer: Alleine schon auf der Bank zu sitzen, war der Hammer. Als ich dann das Zeichen zur Einwechslung bekam und aufs Tor zufuhr, dachte ich mir nur: 'Das gibt es doch jetzt nicht. Dafür hast du 20 Jahre lang gearbeitet und jetzt wird der Traum wahr. Du bist in der NHL angekommen. Jetzt aber schnell aufwachen.' Aber sobald die Scheibe dann gefallen ist, war es wie jedes andere Spiel. Und das ist auch jetzt noch so.
SPOX: Sie spielen jetzt auch mit Superstar Alex Ovechkin in einer Mannschaft - und müssen im Training seine Schüsse halten. Was macht Ovie so besonders?
Grubauer: Er ist ein ungewöhnlicher Spieler, vom Style her. Keiner schießt so wie er, so hart, so präzise. Er hat einen wahnsinnigen Handgelenksschuss. Im Spiel nimmt er gerne den Verteidiger her, um dem Torwart die Sicht zu nehmen. Er legt dem Defender die Scheibe durch die Füße, für einen Goalie sind seine Schüsse brutal schwer zu lesen, du kannst kaum reagieren, weil er so schnell abzieht. Er schießt unglaubliche Tore und hat jetzt schon wieder 33 auf dem Konto. Mit einem der besten Spieler der Welt zusammenzuspielen, ist ein tolles Gefühl.
SPOX: Und wie ist er in der Kabine?
Grubauer: Abseits vom Eis ist er ein ziemlicher Spaßvogel, ein echt lustiger Kerl. Aber wenn das Spiel dann losgeht, ist er total fokussiert und versucht alles, um der Mannschaft zu helfen.
SPOX: Sie haben eine Gemeinsamkeit mit Ovie. Sie haben auch Ihren eigenen Bobblehead, zwar nicht bei den Caps, aber in der AHL bei den Hershey Bears. Nicht schlecht.
Grubauer: Ja, das kann auch nicht jeder sagen, dass er einen eigenen Bobblehead von sich hat. Ich war total überrascht, dass sie ausgerechnet einen von mir machen. Aber es ist cool, er schaut ganz lustig aus.
SPOX: Ovechkin hat es noch nicht geschafft hat, den Stanley Cup nach Washington zu holen. In dieser Saison sieht es auch nicht danach aus, als wäre das Team gut genug. Spüren Sie Druck im Umfeld?
Grubauer: Es ist klar, dass der Anspruch hier groß ist. Die Caps haben noch nie den Stanley Cup geholt, es ging nur einmal überhaupt in die Finals und sonst gab es viele enttäuschende Erstrunden-Pleiten. Die Fans wollen ein Championship-Banner unter dem Dach hängen haben. Wir müssen schauen, bis zu den Playoffs ist es noch eine lange Zeit.
SPOX: Wie leben Sie eigentlich gerade? Eine feste Wohnung werden Sie in Washington noch nicht haben, oder?
Grubauer: Ich wohne gerade in einem Apartment Hotel neben der Trainingshalle. Da gefällt es mir echt gut. Die Wohnung würde ich gerne auch fest behalten. Ich brauche nur eine Minute bis zum Eisstadion, es ist auch eine super Gegend. Von meinem Wohnzimmerfenster kann ich aufs Washington Monument schauen, ich habe den besten Ausblick über die Stadt. Wegen mir bleibe ich hier. (lacht)
SPOX: Wie sehr verfolgen Sie noch, was in Deutschland so passiert?
Grubauer: Ich bin großer Bayern- und Löwen-Fan und verfolge alle Spiele.
SPOX: Stopp, Sie sind Bayern- und Löwen-Fan?
Grubauer: (lacht) Absolut, das ist etwas äußert Bayerisches. Aber meistens Bayern, ich gehe auch gerne mal zu Champions-League-Spielen, wenn es von der Zeit passt. Hier in Washington war ich jetzt vor kurzem zum ersten Mal bei einem Spiel der Wizards, das war eine nette Abwechslung. Beim Baseball oder Football war ich aber noch nicht, muss ich gestehen.
SPOX: Abschließend müssen wir noch über ein für Deutschland unschönes Thema sprechen. Das olympische Eishockey-Turnier steht an, aber bei den Männern leider ohne den DEB. Bitter.
Grubauer: Sehr bitter und sehr ärgerlich. In der Kabine wird schon viel darüber geredet. Wenn ich dann gefragt werde, ob Deutschland dabei ist, muss ich immer kleinlaut sagen: 'Ähm, nein. Wir sind nicht qualifiziert.'
SPOX: Vielleicht wird die WM ja ein Thema für Sie, je nach Abschneiden der Caps?
Grubauer: Grundsätzlich freue ich mich immer, wenn ich Deutschland in Turnieren repräsentieren darf. Ich versuche jetzt erst einmal, mit Washington so weit wie möglich zu kommen. Das ist mein erstes Ziel. Aber sollten wir rausfliegen, will ich für die WM bereit sein.
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